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Der Vogel

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07.12.2004
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Der Vogel

Der Vogel

Schwarz. Weiß. Schwarz. Weiß. Licht. Dunkel. Licht. Dunkel. Der Strahl fand uns nicht. Aber gefangen waren wir trotzdem.

Es saß ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.

Ich schaute in das Dunkel der Erwartung, in das Schwarz des Geheimnis, in die verschwommene Form des scheinbar leeren Raums. Aber nein, mir blitzten keine Katzenaugen entgegen. Licht. Dunkel. Nur die Armbanduhr blitzte auf. Ich suchte ihre Augen, die ich nicht sehen konnte, berührte ihren Arm den ich nicht sehen konnte, liebkoste mit meinen Lippen ihren Hals, den ich nicht sehen konnte. Der Strahl zuckte hin und her, huschte über mich, hielt inne, macht einen Herzsprung und kehrte zu mir zurück. Starr auf mich gerichtet jubilierte er.

Ein schwarzer Kater kommt herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.

Wir hatten uns zu lange versteckt. Unsere Erziehungsberechtigten hatten uns erwischt. Beim Streicheln. Nun, was war falsch daran? Ich hatte nicht das Gefühl, dass wir unsere wirren Gefühle weiter in der Dunkelheit verstecken sollten. Nein, zeigen, demonstrieren, aufbegehren, sein.

Der Vogel denkt, weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frisst,

Ich ging zum Lichtschalter, tappste durch das verborgene Geheimnis, durch den leeren Raum und ließ die Erwartung so wie den jubilierenden Scheinwerferstrahl erblassen in der Kälte der Neonröhren. Nun, da standen wir nackt. Um uns herum lagen lauter gekleidete Menschen. Ha, sie schliefen nicht, nein, sie waren tot. Tot. Es gelingt einem nicht dieses Wort auszukosten. Es ist zu tot.

Will ich keine Zeit verlieren
Und noch ein wenig quinquilieren

Und so vereinigten wir uns im Licht. Nackter als zuvor. Entschält von der Helligkeit. Körper auf Körper. Wunder auf Wunder. Zwischen den Leichen, die noch lebend in unserer Situation wohl dasselbe empfinden würden. Handlung allerdings ist immer eine Frage der Persönlichkeit. Auf dem Höhepunkt schrie sie. Ja, als ob ich sie erdrosseln würde. Dementsprechend nervös stürmte das Sondereinsatzkommando den Raum. Sie wollten uns gar trennen. Aber wir hatten uns schon vereinigt. Ja, auch ein Sondereinsatzkommando kommt zu spät. Sie wandten die Augen ab vor Ekel. Der Akt inmitten von Leichen. Dabei spiegelten wir nur das Leben wieder. Den ewigen Kreislauf: Tod ist fruchtbar. Aus Totem entsteht Lebendes. Aus Verwesung wachsen die schönsten Blumen.

Und lustig pfeiffen wie zuvor!
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.
Wilhelm Busch

Nun, unser Banküberfall war beendet. Durch unsere Erziehungsberechtigten: Vater Staat. Er, der Mutter Natur schlug und vergewaltigte, hatte nun auch ihre Kinder in seiner Gewalt. Aber nein, Vater Staat , du hast falsch gerechnet. Verewigen kann man sich nämlich, zum Opfer machen, wenn man zum Märtyrer wird. Als wir nackt unsere Waffen auf die armen Polizisten richteten, erschossen sie uns. Notwehr. Klarer Fall.

 

Hallo Hermes!

Ich habe länger überlegt, ob mir der Text gefällt. Er ist stilistisch interessant, durchbrochen durch das Gedicht, und dem Leser wird erst nach und nach klar, was überhaupt los ist. Das ist Dir gut gelungen, finde ich. Von "gefallen" kann man aufgrund des Inhaltes zwar nicht wirklich sprechen, aber ich glaube, genau wegen dieser stilistisch interessanten Form "gefällt" mit die Geschichte - wenn auch inhaltlich viele Fragen aufgeworfen werden, die der Text nicht beantwortet. Es ist ein Ausschnitt, aber mE nach ein gut gewählter.

schöne Grüße
Anne

 

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