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Der Weg der Liebe
„Ich wandelte durch einen kreisrunden Tunnel.“
„Einen Tunnel?“
„Ja und er war stockdunkel, so finster wie die Nacht und ich konnte keinen Eingang und keinen Ausgang erkennen.“
„War sonst niemand da?“
„Nein, ich war allein, ich war einsam. Dennoch hatte ich ein seltsames Gefühl.“
„Was für ein Gefühl?“
„Ein Gefühl, dass ich selbst nicht deuten konnte, dass sich nicht schlecht aber auch nicht gut anfühlte.“
„Wozu diente dieses Gefühl?“
„Es schien mich zu leiten. Es schien mir ein kleines Licht zu bieten in der Dunkelheit. Es war wie eine Lampe, die nur sehr schwach flackerte.“
„Half sie dir aus dem Tunnel heraus?“
„Ich wusste es nicht, ihr Licht war dafür zu schwach, aber sie zeigte mir kleine Umrisse des Tunnels und ich erkannte etwas Erschreckendes.“
„Was erkanntest du?“
„Ich sah, dass dieser Tunnel ein völliger Irrgarten war mit tausenden von Abzweigungen, jede von ihnen dunkler als die andere.“
„Hattest du Angst?“
„Ja. Doch dieses Gefühl schien die Angst zu unterdrücken, sie zu schwächen. Das Gefühl trieb mich an, dennoch den ersten Schritt zu tun.“
„Den ersten Schritt?“
„Ja, den ersten Schritt durch den Tunnel. Den ersten Schritt durch seine Irrwege. Das Gefühl leitete mich hindurch, so dunkel es auch wurde.“
„Ein Wegweiser.“
„Hoffnung. Hoffnung gegen die beständige Angst nie einen Ausweg zu finden.“
„Ein düsterer Ort.“
„Er ließ mich beinahe ersticken, er raubte meine Sinne, ließ alles andere unwichtig erscheinen. Das Gefühl kämpfte dagegen an.“
„Hatte es eine Chance?“
„Kaum. Es starb fast daran und ich mit ihm, bis ich etwas erkannte.“
„Was war das?“
„Ich erkannte, dass nicht der Ort, der Tunnel, die Unendlichkeit in Wirklichkeit die Finsternis waren.“
„Was war es dann?“
„Es war meine Einsamkeit. Ein schreckliches Gefühl, ein starkes Gefühl, beinahe unbändig. Das Andere, das wegweisende Gefühl war alleine zu schwach, es konnte nicht bestehen.“
„Die Hoffnung verschwand.“
„Das Licht war fast völlig erloschen und mich warf es zu Boden. Ich spürte kalten Marmor an meinen Händen und so viel Kraft ich auch aufwand, soviele Muskeln ich auch besaß, ich konnte nicht mehr aufstehen.“
„War es das Ende?“
„Es schien so, ich war schon bereit, bereit unterzugehen, bereit zu enden, da lebte dieses neuartige Gefühl, unverhofft, ohne dass ich es jemals erwartet hätte, ohne das ich jemals daran geglaubt hätte, wieder auf. Stärker als jemals zuvor, mächtiger als alle anderen zusammen.
Mein Herz raste, mein Atem stockte fast und diesmal wusste ich sogar genau weshalb.“
„Was war der Grund?“
„Aus einer der Abzweigungen heraus, eingehüllt in einem riesigen, weißen Schein, umgeben von bunten, leuchtenden Farben erschien ein Geschöpf, dass mir zuvor nie so aufgefallen war, ein Geschöpf von dem ich meinen Blick nicht ablenken konnte und auch nicht wollte.
Dieses Geschöpf, dass warst du.“
„Ich? Was machte ich dort?“
„Du hast gelächelt. Sowohl mit deinem Mund, wobei stets deine Augen wunderbar glänzten, als auch mit deinem Herzen.
Mein Gefühl hatte auf einmal Kraft und es wusste genau was es tat. Mein ganzer Körper vertraute dem Gefühl, meine Seele unterstützte es und ich konnte wieder aufstehen.“
„Was war mit dem anderen, dem kalten Gefühl?“
„Es war machtlos. Es fraß sich beinahe selbst auf und verschwand in der Dunkelheit des Tunnels.“
„Bist du dann zu mir gekommen?“
„Ich wollte, alle meine Sinne strebten nur noch danach dir nahe zu sein, deinen Atem zu spüren, deine Haut zu berühren, sanft deine Lippen zu schmecken und in deine Leidenschaft zu versinken. Aber ich konnte noch nicht.“
„Was hinderte dich?“
„Riesige Steine, so fest wie Mauern, Abgründe, tief bis in die Unendllichkeit, Nägel, mit der Spitze nach oben auf dem Boden verstreut, Flammen, die in versengender Hitze auf mich feuerten, blockierten den Weg zu dir, es schien unmöglich.“
„Bist du dennoch gegangen?“
„Ich hatte nie darüber nachgedacht nicht zu gehen. Ich hatte zwar kein Wasser gegen das Feuer, keine Schuhe gegen die Nägel, keinen Hammer gegen die Steine, kein Seil gegen die Abgründe, aber ich hatte dieses Gefühl, dieses mächtige Gefühl, mehr brauchte ich nicht.“
„Hast du es geschafft?“
„Beinahe, fast. Ich durchbrach die Steine, sprang über die Abgründe, ließ die Hitze über mich ergehen, lief über die Nägel. Dann stand ich fast vor dir, konnte schon in deine glänzenden Augen blicken., konnte dich dennoch nicht erreichen.“
„Es gab noch einen Abgrund.“
„Der Tiefste und der Weiteste. Ein Sprung war fast unmöglich, das konnte ich nicht schaffen.“
„Du bist trotzdem gesprungen.“
„Ja, mit meiner letzten Kraft bin ich gesprungen. Ich spürte den entgegenströmenden Wind in meinen flatternden Haaren.“
„Hast du die andere Seite erreicht?“
„Nein, nicht aus eigener Kraft. Kurz bevor ich ankam stürzte ich hinab, fiel herunter. Ich konnte das andere Ende nicht erreichen.“
„Fielst du in die Unendlichkeit?“
„Nein. Es war unglaublich. Ich konnte zwar das Ende nicht erreichen, die andere Seite nicht erklimmen, aber das war auch nicht nötig.
Deine Hand war es, deine zarte Hand hielt mich fest, kurz bevor ich runterfiel fingst du mich auf und liesst mich nicht los.“
„Ich zog dich hinauf?“
„Ja, du zogst mich hinauf in deine Arme und wir verschmelzten gemeinsam zu einem einzigen Leuchten, zu einem Bund, fast unzerstörbar, undurchdringlich.“
„Ein Bund der Hoffnung.“
„Und als ich mich dann wieder umblickte, befanden wir uns genau hier, genau jetzt.“
„Auf einer riesigen Wiese.“
„Eine weite Wiese zu allen Richtungen hin offen und gespickt mit Blumen aller Farben, die leicht im Wind schauckeln.“
„Unter einem klaren, blauen Himmel.“
„Ein Himmel, der sich über unseren Köpfen wie ein Ozean erstreckt mit einer hellgelben Sonne, die uns sogleich ihr Licht wie auch ihre Wärme schenkt.“
„Ein Ort der Schönheit.“
„Schön wurde er erst durch die Bindung unserer Herzen.“
„Hat das Gefühl von dem du sprachst einen Namen?“
„Manche nennen es Hoffnung, manche nennen es Freude, andere nennen es Leidenschaft, manche sogar Schicksal.
Die meisten aber, einfach nur Liebe.“