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Der Wert des Lebens

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25.03.2021
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Der Wert des Lebens

Tief im Hinterland der Arkarischen Wüste, in den Bergen von Sumar, liegt eine grüne Oase. Dort, gut verborgen hinter einigen Palmen, gibt es eine Höhle in den sandigen Felsen. Wer einen Blick hinein riskiert, könnte dem guten Geist des Berges begegnen. Dieser sorgsame und achtsame Geselle hat viele Namen, doch die meisten kennen ihn als Oxellion, den Großen, Saimacur oder einfach als Sajo.
Oxellion lebt sehr bescheiden und einfach und begnügt sich mit den Früchten, die ihm seine Behausung am Ende der Welt bietet. Er isst am liebsten rohe Kartoffeln, die er in einem kleinen Tal jenseits der Höhle anbaut oder Datteln, die an Palmen in der Nähe des Wassers wachsen.
Um etwas Licht in sein düsteres Zuhause zu bringen, sammelt Oxellion einen speziellen Pilz für seine Lampen, die die Höhlen in ein sanft glimmendes Licht tauchen. In seiner freien Zeit liebt er es, kleine Skulpturen aus allerlei Materialien herzustellen, die er in der Oase so finden kann. Seine Lieblingsmotive für seine Skulpturen sind Tiere. Sowohl die Höhle als auch das kleine Tal sind daher übersät mit den grob behauenen Steinen und Holzstücken, die wage an Tiere, Pflanzen oder Himmelskörper erinnern.
Die wenigen Tiere, die hier in der Oase leben, wohnen allesamt in Oxellions Höhle und gehen nur zum Trinken tiefer in den Berg hinab oder nach draußen ans Wasser. Es ist nicht unüblich, dass Oxellion umgeben ist von kleinen Vögeln und Eidechsen und das Kamel, das letztes Jahr eingezogen ist, folgt ihm auf Schritt und Tritt.
Heute ist ein ganz besonders freudiger Tag für Oxellion, denn er hat bereits die Saat für die nächste Ernte gesammelt und in seiner Höhle liegen noch reichlich herrliche Kartoffeln, mit denen er die Meute gut ernähren kann. In seinem Garten wachsen aber noch allerhand andere Gemüse und Kräuter auf jedem fruchtbaren Fleck und in jeder Felsspalte, in der eine Pflanze gedeihen kann. Oxellions Freude an lebendigen Dingen hat diesen Garten in einen paradiesischen Ort verwandelt, der jeden zum Staunen bringen würde, der einen Blick auf ihn werfen kann. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass ihn je jemand gesehen hat.
Zufrieden betrachtet Oxellion eine besonders große Kartoffel, beugt sich hinab und klemmt sie ungeschickt zwischen seine klobigen, stumpfen Arme, um sie aufzuheben und daran zu knabbern. Dann rückt er das Fell zurecht, das ihm als Lendenschurz dient und macht sich auf den Weg aus dem Tal hinaus. Er durchquert seine Höhle und tritt hinter den Palmen hervor, die den Eingang zur Höhle verbergen und lässt seinen trüben Blick über die Weiten der Wüste schweifen. Als ob er sich bestätigt fühlt, nickt er und schlendert hinab zu den Wasserlöchern, die nicht weit entfernt inmitten von Palmen und Gräsern liegen.

Dort angekommen, bleibt Oxellion abrupt stehen und starrt vorsichtig zwischen Palmwedeln hindurch. Auf der anderen Seite des Wassers kniet gerade eine der außergewöhnlichsten Kreaturen, die der gute Geist je erblickt hat. Es ist ein wilder Mensch, dürr, nackt und haarig, der sich offenbar in die Wüste verirrt hat, die ihm keine Lebensgrundlage bietet.
Oxellion runzelt die Stirn und sieht zu, wie der wilde Mensch seinen offensichtlich brennenden Durst am Wasser stillt und sich dann erhebt und in die Palmen hinaufschaut.
Nicht weit entfernt entdeckt Oxellion eine verletzte Gazelle, die reglos im Schatten liegt und hofft nicht gesehen zu werden. Doch der wilde Mensch hat sie bereits erblickt und kommt geifernd und grollend herbeigeeilt.
Ausdruckslos beobachtet Oxellion noch kurz, wie sich der nackte Mensch an dem Fleisch des sterbenden Tieres labt, und kehrt der Oase dann den Rücken, um ungesehen zu seiner Höhle zurückzukehren.
Noch am gleichen Abend steigt er noch hinab in die tiefen der Höhle, um etwas sandigen Lehm zu holen, den er dann mit seinen runden, zehenlosen Füßen zurecht drückt. Als der Klumpen annähernd die Form des Menschen wiedergibt, nickt er zufrieden und kriecht zwischen einige Palmwedel und Kissen aus Kamelhaar, die ihm als Bett dienen.

Friedlich und zufrieden schlummert Oxellion in der Nacht und am nächsten Morgen steht er, wie üblich, mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Nachdem er nach seinem Garten geschaut hat, geht er abermals nach draußen, zwischen den großen Palmen hindurch. Nicht weit entfernt vom Eingang der Höhle liegt der wilde Mensch schutzlos im Sand und schläft. Oxellion beobachtet ihn eine Weile nachdenklich und will gerade weitergehen als der Mensch sich plötzlich regt und dann erschrocken auf die Beine springt und Oxellion mustert. Die beiden stehen eine Weile in einigen Metern Abstand voneinander und sehen sich regungslos an. Dann holt Oxellion eine süße Kaktusfrucht aus seinem Bündel hervor, lässt sie in den Sand fallen und stößt sie den kleinen Abhang hinunter, sodass sie direkt vor den Füßen des Menschen landet. Dieser wartet noch den Bruchteil einer Sekunde und verschlingt die Frucht dann derartig gierig, dass ihm der Saft über das Kinn läuft. Während er die Frucht verzehrt, kniet der Mensch im Sand und sieht immer wieder mal zu Oxellion auf, der ihn mit Wohlwollen zu betrachten scheint und die schmatzenden Geräusche des fressenden Säugetiers nachahmt. Noch bevor der Mensch sein Mahl beendet hat, geht Oxellion weiter hinunter zu den Wasserlöchern, gefolgt von den Blicken des wilden Menschen. Wenig später, unten am Wasserloch bemerkt Oxellion, dass ihm der Mensch gefolgt ist und ihn aus sicherer Entfernung beobachtet.
Dieses Prozedere wiederholt sich ein paar Tage lang, bis der Mensch Oxellion ebenso begleitet wie das Kamel und die Vögel, wenn er in der Oase unterwegs ist. Am vierten Tag winkt Oxellion den Menschen dann am Nachmittag herbei und zeigt ihm den verborgenen Eingang zu seiner Höhle. Zögerlich und mit großen Augen tritt dieser dann zwischen den Palmblättern hindurch und staunt über die vielen Kunstwerke, streicht mit der flachen Hand über ein Stück Stein in der Form eines Nashorns. Oxellion nickt, kratz sich an seiner grauen, rauen Haut und deutet auf ein Polster aus Kamelhaar im schummrigen Halbdunkel der Höhle. Als sich der Mensch dort niederlässt begibt sich Oxellion in den hinteren Teil seiner Behausung und begibt sich ebenfalls zur Ruhe.
Die beiden und all die anderen Mitbewohner schlummern friedlich und zufrieden.

Eine ganze Weile leben die Tiere dann gemeinsam in der Oase und der Mensch lernt schnell, wie man die Datteln von den Palmen holt, um Oxellion, dem Großen eine Freude zu machen. Es dauert nicht lange bis er anfängt, im Garten zu helfen und die Ernte in die Höhle bringt. Gemeinsam mit Oxellion genießt er die Früchte der Oase und hat Freude daran, die anderen Tiere zu füttern.

Eines Tages jedoch, kommt abermals ein Mensch an der Oase an. Dieser ist ganz anders als der wilde, nackte Besucher, der nun schon seit einer Weile in der Höhle wohnt. Er ist in Stoff gehüllt wie Oxellion, ist gut genährt und trägt eine Waffe. Der domestizierte Mensch scheint sich verlaufen zu haben, denn er schaut sich suchend um und erkundet nach und nach die Gegend. Argwöhnisch späht der gute Geist zwischen einigen Palmen hervor und zieht sich dann nachdenklich in sein Versteck zurück. Ein paar Tage lang beobachtet der gute Geist den Neuankömmling, ohne sich zu zeigen. Der Bewaffnete trinkt Wasser aus der Oase und macht nachts Feuer, um sich zu wärmen. Er tötet Tiere mit seiner Waffe, um ihr Fleisch zu verzehren und zerstört Palmen um an ihre Früchte zu gelangen.
Dann findet Oxellion den domestizierten Menschen eines Tages in der Nähe des Wassers in einer Pfütze dessen Blutes. Er muss von einem der Raubtiere aus der Region am Bein verwundet worden sein. Die Waffe hat ihm nicht geholfen, sie liegt in einiger Entfernung im Sand. Nachdem er kurz überlegt hat, tritt Oxellion aus dem Unterholz hervor und gibt sich zu erkennen. Offensichtlich erstaunt über seine Anwesenheit, starrt ihn der Mensch mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund an.

„Aber... was bist du denn?“, fragt er. „Was bist du? Himmel ich bin am Bein verwundet und brauche Hilfe!“

„Ich bin ich.“ erwidert Oxellion nach einer kurzen Pause. „Und du?“

„Ich bin wichtig“, erklärt der Mensch. „Ich führe eine Expedition, um diese Wüste zu erkunden. Du musst mir helfen!“

„Nein. Du nimmst mehr als du gibst“ Oxellion wendet sich langsam ab und schickt sich an, zu seiner Höhle zurückzukehren.

„Aber ich bin wichtig“, ruft ihm der Mensch verzweifelt hinterher.

Der gute Geist bleibt noch einmal stehen und dreht sich noch einmal zu dem Menschen um.

„Nur dir selbst“, sagt er dann. „Nicht für den Berg, nicht für die Welt und nicht für mich.“

In seiner Verzweiflung ruft ihm der Mensch noch eine Weile hinterher. Er verspricht ihm Reichtümer, Ruhm und ein langes Leben, wenn er ihm nur helfen würde. Als Oxellion nicht reagiert, fängt er an zu fluchen und bedroht ihn mit dem Tode, doch der gute Geist lässt sich nicht beirren und trötet auf dem Weg nach Hause unbekümmert durch seinen Rüssel.
Einen Tag später ist der domestizierte Mensch gestorben und als Oxellion dann noch einmal an dem Leichnam vorbeikommt, kniet sich der wilde Mensch daneben und macht ein langes Gesicht. Er stößt den Toten mit seinem Fuß an und verweilt für einen ganzen Tag und eine ganze Nacht dort in der Wüste, bevor er zur Höhle zurückkehrt. Nach fünf Tagen sind nur noch die Gebeine übrig.

Der Wilde Mensch lebt fortan mit Oxellion in der Oase und es dauert nicht lange, da ist er ebenso mit ihm befreundet wie das Kamel, der Esel und der Vogel. Sein Leben hätte nicht mühevoll sein müssen, doch er arbeitet eifrig und lernt nach und nach, wie man Figuren aus Holz schnitzen kann oder wie man den einen mit dem anderen Stein bearbeitet. Er kann schnell viele unterschiedliche Formen, doch am liebsten mag Oxellion die Skulptur, die ihn selbst darstellen soll.

 

Hallo @Fietsbaan ,

es könnte m.E. eine Geschichte für "etwas ältere" Kinder sein, bei der sie selbst erkennen sollen, was die Aussage ist.

Da es jedoch letzten Endes hauptsächlich um diese Aussage geht, könntest du gerade den Beginn des Textes deutlich kürzen.

Auch wenn ich es insgesamt gut formuliert finde, war es für mich leider ziemlich langweilig. Aber vielleicht sehen andere Leser das ja anders.

Insgesamt würde ich dir den Tipp geben, weniger allgemein über deine Protagonisten zu schreiben, sondern die Leser mehr mit ihnen erleben zu lassen. Entsprechend spannende Szenen beschreiben, anstatt: Er wohnt in einer Höhle, hat einen Garten und außerdem ... hoffe du weißt, was ich meine.

Viele Grüße,
Rob

Hey Rob,
vielen Dank für deine Rückmeldung. Tatsächlich habe ich mich selbst schon gefragt ob gerade der Anfang etwas zu träge ist. Ich verstehe, was du meinst. Das sind sicher gute Tipps, danke.
Grüße Fietsbaan

 

Insgesamt sehr gut geschrieben, Hut ab! Der 'langsamere' Einstieg stört mich nicht, hilft mir eher, mich in der Geschichte einzufühlen.

Nur die Moral der Geschichte mag ich nicht teilen. Der Wert des Lebens? Man könnte meinen, nur jene, die dem scheinbar freundlichen Geist dienen sind es Wert zu leben. Mag sein, dass der domestizierte Mensch wie die Axt im Walde war, aber auch er ist es Wert zu leben. Spannender wäre die Geschichte (für mich) gewesen, wenn der domestizierte zum wilden (friedvollen) Menschen sich gewandelt hätte, nachdem der Geist ihn trotz seines offensichtlichen Fehlverhaltens gerettet hätte.

 

Insgesamt sehr gut geschrieben, Hut ab! Der 'langsamere' Einstieg stört mich nicht, hilft mir eher, mich in der Geschichte einzufühlen.

Nur die Moral der Geschichte mag ich nicht teilen. Der Wert des Lebens? Man könnte meinen, nur jene, die dem scheinbar freundlichen Geist dienen sind es Wert zu leben. Mag sein, dass der domestizierte Mensch wie die Axt im Walde war, aber auch er ist es Wert zu leben. Spannender wäre die Geschichte (für mich) gewesen, wenn der domestizierte zum wilden (friedvollen) Menschen sich gewandelt hätte, nachdem der Geist ihn trotz seines offensichtlichen Fehlverhaltens gerettet hätte.

Hallo Emptiness,
zunächst mal vielen Dank für das Kompliment. Da lacht das Herz. Ansonsten scheint es mir leider nicht zu gelingen meine versteckten Botschaften zu übermitteln. Also so, wie du es verstanden hast war es tatsächlich nicht gemeint. Vielleicht werde ich das ganze noch einmal umformulieren, denn du bist nicht der/die einzige der/die es so verstanden hat.
lg Fietsbaan

 

Im Kontext der Absurdität des Lebens, dass ein Leben an sich keinen Wert hätte in der scheinbaren Unendlichkeit des Raumes und der Zeit, dass dieser Mensch sich (sein Leben) zu wichtig nimmt, war auch eine Interpretation die ich hatte. Quasi taoistisch, eine Gleichgültigkeit dem Tod und Leben gegenüber, dem Fluss folgend egal wohin (Tod und Leben sind eines/Einerlei)...

Ich glaube der/mein westlich geprägte/r Geist oder das Ego, welches an jedem Leben hängt, tendiert eher zu ersterer Interpretation von mir.
Wenn zweite Interpretation eher deiner Vorstellung entspricht, kann ich dir das Tao Te Ching, Dschuang Dsï oder Herrmann Hesse's Siddhartha zur Inspiration empfehlen. ;)

 

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