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Der Zirkuspapagei

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22.12.2002
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Der Zirkuspapagei

Als Cindy aus der Schule kam, hatte sie eine tolle Nachricht für Mama: „Unten auf der Wiese ist ein Zirkus!“
Aber Mama hatte etwas noch viel tolleres zu berichten: „Stell dir vor, uns ist heute Vormittag ein Papagei zugeflogen!“
Wenige Augenblicke später stand Cindy mit Mama im Keller und betrachtete aufgeregt den Vogel, der in einem großen Käfig auf einer Holzstange saß. Eigentlich war sie etwas enttäuscht. Die Papageien in Bilderbüchern waren immer riesengroß und bunt. Dieser war nicht größer als eine Krähe; und er war ganz grau, nur die Schwanzspitze war rot.
Mama erklärte: „Das ist ein Graupapagei. Er lief vorhin auf unserem Rasen herum. Papa hat eine Decke über ihn geworfen und ihn ins Haus geholt. Zum Glück hatte Oma Geli noch diesen alten Käfig auf dem Dachboden.“ Oma Geli war Cindys Uroma – oder, wie sie selbst immer sagte, Cindys Tick-Tack-Oma. Sie hatte auch einmal einen Vogel gehabt, aber das war ganz, ganz lange her. Noch bevor Cindy in Mamas Bauch gewesen war. Cindy erinnerte sich nicht daran, was für ein Vogel das gewesen war, obwohl Oma Geli es ihr einmal erzählt hatte.
Jetzt fragte Cindy: „Darf man das denn? Einen Vogel einfach fangen, mein’ ich.“
„Eigentlich natürlich nicht“, gab Mama zu. „Aber hier ist es etwas anderes. Papageien leben ja normalerweise nicht bei uns in Deutschland, sondern in den Tropen. Graupapageien kommen zum Beispiel aus Afrika – sagt jedenfalls Papa. Und wo doch jetzt bald der Winter anfängt, würde so ein Papagei draußen bestimmt erfrieren. Deshalb haben wir ihn ins Haus geholt.“
„Aha.“ Cindy wollte noch fragen, ob die Leute, bei denen der Papagei bis jetzt gelebt hatte, ihn nicht vermissen würden. Aber Mama fiel plötzlich ein, daß sie sich um’s Essen kümmern mußte. Sie ging nach oben in die Küche.
Kaum war Mama weg, sagte der Papagei leise und mit krächzender Stimme: „Also, Cindy, sei jetzt bitte so freundlich und mach’ den Käfig auf. Ich muß zurück in den Zirkus. Wegen der Vorstellung heute Nachmittag.“
Cindy starrte ihn mit offenem Mund und großen Augen an. Dann drehte sie sich um und lief die Treppe hinauf.
„Mama! Mama!“ rief sie. „Der Papagei hat gesprochen! Er kommt aus dem Zirkus! Er muß heute Nachmittag wieder da sein!“
„So?“ fragte Mama grinsend. „Na, ich hab’ ihn zwar noch nicht sprechen gehört, aber das kann schon sein. Von allen Papageien sprechen Graupapageien nämlich am besten – sagt Papa.“
„Darf ich ihn freilassen?“
Das wollte Mama aber nicht. Sie meinte, Papageien könnten zwar sprechen, aber sie wüßten gar nicht, was sie sagten. „Sie plappern nur nach, was sie irgendwo gehört haben“, wußte sie ganz sicher. Bestimmt hatte Papa es ihr gesagt.
Cindy war sich nicht ganz so sicher wie Mama. Schließlich waren Zirkuspapageien etwas Besonderes. Und Papa hatte ja nicht gewußt, daß dieser aus dem Zirkus war.
Cindy ging wieder in den Keller.
„Ich darf dich nicht freilassen“, teilte sie dem Vogel mit.
„Würde es dir Spaß machen, eingesperrt zu sein?“ krächzte der Vogel. Cindy fand, daß es etwas vorwurfsvoll klang.
Sie dachte über die Frage nach. „Nein, das würde keinen Spaß machen.“
„Also, läßt du mich nun raus oder nicht?“ Diesmal fand Cindy, daß der Papagei ungeduldig klang. Aber es war eine große Entscheidung für ein kleines Mädchen. Große Entscheidungen dauern nun einmal etwas länger. Allerdings konnte Cindy gut Entscheidungen treffen. Sie ging ja auch schon in die erste Klasse.
Es war gar nicht so leicht, die Käfigtür zu öffnen, doch Cindy schaffte es.
Der Papagei kletterte wortlos heraus und flog durch die offene Kellertür in den Flur. Dort wartete er, bis Cindy ihm die Haustür aufmachte.
Cindy stand noch im Garten und sah ihm nach, als Mama herauskam. Sie sah erschrocken und wütend zugleich aus; also hatte sie es schon gemerkt.
Cindy freute sich, daß der Papagei wieder frei war. Über die drei Tage Stubenarrest freute sie sich nicht ganz so sehr, aber die würden schon vorbeigehen. Vormittags war sie ja sowieso in der Schule, so daß sie in den Pausen mit ihren Freundinnen spielen konnte.
Am nächsten Tag nach der Schule hatte Mama schon wieder eine Überraschung bereit. Jemand hatte einen Briefumschlag in den Briefkasten geworfen. Auf dem Umschlag stand: „Cindy“.
Cindy machte den Umschlag auf und fand drei Freikarten für den Zirkus. Und einen kleinen Zettel, auf dem in krakeligen Buchstaben stand: „DANKE“.
Der Stubenarrest wurde um einen Tag verschoben. Zum Glück hatte Papa heute Nachmittag frei. So konnten sie alle zusammen in die Vorstellung gehen.
Es war herrlich. Es gab Pferde und Clowns und dressierte Hunde und Seiltänzer. Aber die beste Nummer war der Papagei. Er hieß Graf Plapperviel und konnte singen, rechnen und Fragen beantworten.
Auf dem Weg nach Hause fragte Mama: „Glaubst du, das war derselbe Papagei?“
Papa antwortete: „Wer weiß? Vielleicht hat Cindy in der Schule von dem entflogenen Vogel gehört. Auf jeden Fall war er unglaublich gut dressiert. Fast hätte man denken können, er weiß, was er sagt.“
Daraufhin lachten Mama und Papa sehr laut.
Natürlich hatten sie nicht bemerkt, daß der Papagei Cindy während der Vorstellung zugeblinzelt hatte.
Aber auf den Stubenarrest haben sie für dieses Mal noch verzichtet.

 

Hallo Roy!

Die Idee mit dem Zircus und dem Papagei finde ich sehr gut. Allerdings fehlt mir bei diser Geschichte irgendwie die Ausschmückung. Du könntest viele Stellen noch ausschmücken, um den Text lebendiger zu gestalten, was mir bei Deinen anderen Kindergeschichten immer so gut gefallen hat.
"Aber es war eine große Entscheidung für ein kleines Mädchen. Große Entscheidungen dauern nun einmal etwas länger. Allerdings konnte Cindy gut Entscheidungen treffen. Sie ging ja auch schon in die erste Klasse." - hier z.B. könntest Du es ruhig ein bisschen spannender machen.
Geschrieben ist es gut, flüssig und nett zu lesen. Das Thema macht Kindern bestimmt Spass. Ein paar Absätze könntest Du noch machen. :)

liebe Grüße, Anne

 

Hallo Roy!

Nun, nachdem du mir ja auch auf meine Geschichte ( "das alte Geschichtenbuch") geantwortet hast, musste ich mir natürlich auch einmal etwas von dir durchlesen, schließlich will man wissen was die Kritiker so schreiben:-)
Deine Geschichte über den Papagei hat mir auch gleich gefallen, wie in den anderen Geschichten,hat auch diese eine sehr kindgerechte, und verständliche Sprache, wie ich finde. Vielleicht liegt das daran, dass du ja selbst 2 Töchter hast:-)
Mehr Kritik kann ich leider nicht abgeben, dazu bin ich noch zu kurz im "Kurzgeschichtenmilieu":-)

Das lesen hat auf jeden Fall Spaß gemacht.

liebe Grüße

Imke

 

Hallo Roy,

ich habe mich richtig gefreut, als ich heute bei den neuen Beiträgen auf eine neue Kindergeschichte von Dir stieß! :)

Sehr gerne habe ich sie gelesen, die Geschichte vom Zirkuspapagei! Als der Vogel anfing zu sprechen, mußte ich schmunzeln. Es kam überhaupt nicht überraschend, sondern ganz selbstverständlich - kaum ist die Mutter weg, klärt der Graupapgei mal eben schnell das Wesentliche mit Cindy. Als Leser denkt man: "Na klar, so muß es sein! Eltern verstehen solche Dinge nicht - aber die Kinder!"

Und die Idee, dass der Vogel Cindy die Freikarten schickt und selber den Brief unterschreibt! Wunderbar!

Die Eltern glauben natürlich nicht so recht, dass der Vogel eigenständige Sätze spricht - aber so sind Eltern eben, sie haben einfach keine Ahnung.

Mir fehlt bei dieser Geschichte nichts - weder die Ausschmückungen, noch die Spannung. Ich bin davon überzeugt, dass Kinder Deine Geschichte mögen werden! Aber Du hast sie ja sicher schon an Deiner Tochter getestet, oder?

Sprachlich ist die Geschichte wie immer bei Dir: kindgerecht, flüssig - und Fehler sind mir auch nicht aufgefallen!

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo Anne,

danke für Deine ehrliche Kritik. Obwohl es mir leid tut, Dich dieses Mal etwas enttäuscht zu haben, sehe ich Deine Anmerkung durchaus ambivalent. Diese Geschichte entstand nämlich vor den anderen, und wenn sie noch nicht ganz so gut gelungen ist, habe ich mich seitdem anscheinend in die richtige Richtung entwickelt ;-) Das soll jetzt aber keine Entschuldigung sein. Ich hätte sie nicht gepostet, wenn ich sie nicht für gut genug gehalten hätte. Ich muß mir also zukünftig doch wieder mehr Mühe beim Auswählen geben. Andererseits... s.u..

Das mit den Absätzen verstehe ich aber nicht. Im Gegensatz zu dieser Antwort enthält die Geschichte meiner Meinung nach eine ganze Menge davon.

Hallo Imke,

vielen Dank für Dein Lob.

Du kannst aber gerne alles schreiben, was Dir zu den Geschichten so einfällt; manchmal sind gerade die noch nicht so routinierten Antworten die aussagekräftigsten. Schließlich besteht das Zielpublikum für unsere Erzählungen ja in aller Regel nicht aus erfahrenen Kritikern!

Hallo Barbara,

über Dein Lob habe ich mich natürlich ganz besonders gefreut. Nachdem ich bei Anne, die ebenso wie Du eine meiner wichtigsten Leserinnen (und Kritikerinnen) ist, ja ein wenig durchgefallen war, war ich doch ziemlich verunsichert. Insgeheim habe ich daher beim Lesen Deiner Antwort immer auf das "Aber..." gewartet. Um so erleichterter war ich, als es ausblieb :-)

Wie schon mit dem "Schaukelthron" habe ich auch hier versucht, meinen stilistischen Spielraum auszuloten, um nicht eintönig zu werden. Insofern sind die gegensätzlichen Antworten für mich sehr wichtig, weil sie mir sowohl Möglichkeiten als auch Gefahren aufzeigen.

Schöne Grüße
Roy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Roy!

Diese Geschichte steht in den Empfehlungen.
Es ist toll, Geschichten für Kinder zu lesen, die so sehr auf die eigene Welt der Kinder eingehen und ihnen diese selbstverständlich zugestehen, dabei aber gleichzeitig in einem völlig "normalen" Stil gehalten sind.
"Babysprache" (O-Ton meiner Tochter) erkennen kleine Kinder in Erzählungen sofort und nehmen weder den Inhalt noch die Protagonisten ernst.
Gut fand ich auch, dass du das häufig in solchen Stories vorkommende "Eltern verstehen die Kinderwelt nicht" weggelassen hast, sondern es als natürlich und nicht weiter erwähnenswert hast stehen lassen. Der Papagei spricht nun mal nur mit Kindern. Klar! :)

Den Spannungsbogen und -gehalt finde ich, wie Barbara, völlig ausreichend. Gerade kleine Kinder wollen nicht ständig vor Aufregung zittern, wenn ihnen eine Geschichte vorgelesen wird. Das alltägliche Leben der Geschichtenhelden ist meistens spannend genug.

Kitana

Ach noch was: irgendwie stoße ich mich an dem häufig wiederkehrenden "Papa hat das der Mama gesagt." Ich will keine Emanzen-Story, aber ein kurzer Satz à la "Papa liebt Papageien und weiß deshalb sehr gut über sie Bescheid.", würde die Mutter etwas weniger dämlich dastehen lassen. ;)

 

Hallo Roy!

Kritisieren kann ich hier leider nicht wirklich weil Kindergeschichten einfach nicht mein Fach sind. Aber den Knaller fand ich "Bestimmt hatte Papa es ihr gesagt." - absolut eine Kinder - Schlussfolgerung! Klasse!

Gruß Dijanara

 

Hallo Kitana,

vielen Dank für das Lob und den Eintrag in die Empfehlungen. Falls Du die Geschichte irgendwann Melissa vorliest, würde ich mich sehr freuen, ihre Reaktion zu erfahren. Gern auch über PM, wir wollen unsere Stories ja nicht "pushen" ;-)

Es war nicht meine Absicht, die Mutter dämlich dastehen zu lassen. Aber tatsächlich dient diese Wiederholung "Papa hat gesagt" der Vorbereitung der Stelle, die Dijanara anspricht:

„Sie plappern nur nach, was sie irgendwo gehört haben“, wußte sie ganz sicher. Bestimmt hatte Papa es ihr gesagt.
Es ist gewissermaßen als kleine satirische Zugabe für die vorlesenden Erwachsenen gedacht. (Aber auch von dem einen oder anderen Kind könnte ich mir an dieser Stelle eine amüsierte Bemerkung vorstellen.) Die Idee dabei ist eigentlich eher die, daß wir Erwachsene angebliche Wahrheiten oft recht unkritisch übernehmen. Ich glaube, das gilt nicht nur für Leute, die gemeinhin als "dämlich" gelten, und daß es in diesem Fall die Mutter trifft, paßt einfach besser in den Handlungsablauf.

Ich werde aber Deine Anmerkung im Hinterkopf behalten, damit meine Geschichten diesbezüglich ausgewogen bleiben ;-)

Hallo Dijanara,

auch Dir vielen Dank. Besonders, da Du als erste die Stelle erwähnst, über die ich mich gerade ausgelassen habe.

Ach ja, und natürlich herzlich willkommen auf kg.de, und es ehrt mich, daß Dein erster Beitrag meiner Geschichte galt!

Schöne Grüße
Roy

 

Hallo, Roy

habe gerade deine Geschichte gelesen. Sie gefällt mir sehr.
Besonders der Schluss, als der Papagei Cindy noch zublinzelt, bringt so was Verschwörerischen hinein, eine Geste der Verbundenheit. Schön....

Gruß
Ulla

 

Hallo Ulla,

schön, daß es Dir gefallen hat. Jetzt habe ich hier zwei Geschichten in den Empfehlungen, und beide haben so etwas Verschwörerisches am Ende... Kitana scheint das auch zu mögen :-)

Schöne Grüße
Roy

 

Hallo Roy!
Frag mich nicht, wie deine schöne Geschichte so lange durch meine Finger flutschen konnte...ich hab keine Ahnung.
Aber jetzt hab ich sie endlich gelesen und war überhaupt nicht überrascht, eine sehr schöne Geschichte gelesen zu haben. Das ist man ja bei dir schon gewohnt. :)
Du hast wieder sehr kindergerecht geschrieben und ich denke, sie wird bei den Kinder gut ankommen.
Spannung ist, finde ich, genug da.

Oma Geli war Cindys Uroma – oder, wie sie selbst immer sagte, Cindys Tick-Tack-Oma
Da musste ich lachen

Er hieß Graf Plapperviel ...
Bei dem Namen musste ich wieder lachen

Und diese Selbstverständlichkeit, dass der Papagei spricht, ist einfach gut.

Irgendwie hab ich für deine Geschichte nur Lob. Ich find nichts zu meckern... Pech gehabt! :p

Na dann bis zu deiner nächsten Geschichte!

bye und tschö

 

Hallo Sarah,

freut mich riesig, daß Du die Geschichte doch noch entdeckt hast, daß sie Dir gefallen hat und daß Du etwas zum Lachen hattest. Macht gar nichts, daß Du nichts zu meckern findest :-)

Schöne Grüße
Roy

 

Hallo Roy,
ich finde, dass deine Geschichte schön beschreibt, dass Kinder eine wunderbare Vorstellungskraft in sich tragen. Wenn der Papagei mit Cindy spricht, dann hat er nicht nur geplappert. Da muß ich Cindy recht geben.
Gelacht habe ich bei dem Namen der Oma Tick-Tack. Meine hieß Bimm-Bamm, und so kamen mir noch schöne Erinnerungen dazu.
Was mir sehr gut gefallen hat, ist dass Cindys Eltern von einer Strafe abgesehen haben, weil sie zumindest Zweifel haben, dass Cindy nicht in böser Absicht, den Papagei freigelassen hat, sondern wirklich helfen wollte. Denn ich finde es für Kinder wohltuend zu erfahren, dass gute Taten belohnt werden und nicht bestraft gehören.
LG
Petra :)

 

Hallo Petra,

vielen Dank für die positive Kritik.

Gelacht habe ich bei dem Namen der Oma Tick-Tack. Meine hieß Bimm-Bamm, und so kamen mir noch schöne Erinnerungen dazu.
Auch für die Tick-Tack-Oma gab es ein reales Vorbild; ich glaube, solche persönlichen Details machen eine Geschichte grundsätzlich lebendiger, weil viele Leser ihre eigenen Erfahrungen in irgend einer Form darin wiederfinden.

Schöne Grüße
Roy

 

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