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Deutschunterricht
Deutschunterricht
Verdammt.
Es ist Deutschunterricht. Schon wieder. Nicht so, dass es irgendwie
körperlich oder seelisch bleibende Schäden hinterließe. Da ist nur
diese entsetzliche Langeweile, der man sich nicht verschließen kann. Macht
man die Augen zu, ist einem langweilig. Spielt man 'Vier Gewinnt', ist einem
langweilig. Folgt man dem Unterricht, ist einem sogar noch langweiliger.
Irgendwie hat jeder seine eigene Strategie gefunden, damit umzugehen.
Manche lesen ein gutes Buch, andere hauen ihren Kopf so lang auf den Tisch,
bis die Stunde zu Ende ist oder sie rausgeschickt werden. Ich für meinen Teil
versuche immer die Blätter an dem Baum vor den Fenstern unseres
Klassenzimmers zu zählen, weswegen ich im Winter auch immer komplett
aufgeschmissen bin. Zum Glück haben wir Sommer.
„Habt ihr auch alle euer Buch weiter gelesen?“ Als sich mit ‚alle’ niemand
angesprochen fühlt, fragt sie nach;
„Daniel?“ Natürlich nicht, daher antworte ich nahezu wahrheitsgemäß,
„Ja.“
Nein, heute kann mir nicht mal das Blätterzählen mehr den Kick geben, den ich
für den Deutschunterricht brauche, obwohl ich schon bei erstaunlichen 109
Blättern bin.
„Na, was hast du denn ’rausgefunden?“
Ich überprüfe jeden Gegenstand im Raum auf seine Interaktionsmöglichkeiten,
die Tür sieht dabei mit Abstand am verlockendsten aus. Ich schaue meine
Lehrerin an und er sieht so aus, als hätte er mich gerade etwas gefragt, also
versuche aus den mannigfaltigen Antworten, die mir zugeflüstert werden, die
beste herauszusuchen. Ich habe die Wahl zwischen ‚Ja’, ‚Tja…’ und ‚die Rolle
der Dame wird auf eine andere Art definiert’. Weil mir letzteres zu viele Worte
hat, entscheide ich mich für ‚Tja…’.
Ich versuche nun die Tür zu erblicken, ohne dass mir die Lehrerin durch’s
Blickfeld hüpft.
Ja… Wie schön muss Freiheit sein.