Diät
Diät
Kürzlich lies meine mir gesetzlich angetraute Ehefrau, während des Mittagessens, die Bemerkung: „Iss’ nicht so viel“, fallen. Ich war einigermaßen verwirrt. „Wieso?“, fragte ich sie in etwas barschem Ton. „Bin ich dir etwa zu dick?“ „Ein wenig“, sagte sie etwas eingeschüchtert.
Lächerlich, ich, ein Mann von 198cm Größe, kann mich mit 128kg doch wohl noch ohne schlechtem Gewissen als schlank bezeichnen. Oder?
Unter dem Vorwand einen Fremdkörper im Auge zu haben, ging ich ins Badezimmer. Ich betrachtete mich im Spiegel und wurde nachdenklich. Hmmm, tja, ein kleines Doppelkinn, ein bis drei Rettungsringe, (je nach Körperhaltung), und überhaupt irgendwie aufgeschwemmt.
Keine Frage, die Gute hatte recht, mich auf diesen Misstand aufmerksam zu machen. Okay, so sagte ich mir, okay, machen wir halt eine kleine Diät. Einem Menschen wie mir, dem ein unsagbar fester Wille gegeben wurde, sollte so etwas nicht die geringsten Probleme bereiten. Fröhlichen Mutes ging ich in die Küche zurück. Ab heute sollte ein neues, gesundes Leben beginnen. Nur noch Salate, Knäckebrot und vorwiegend vegetarische Kost!
Ich war nun selbst sehr erfreut, über die Entdeckung meines Weibes, würde ich doch von nun an ein gesund lebender neuer Mensch werden.
Ich sah zum Fenster hinaus, beobachtete die vorbeiziehenden Passanten mit ihren schweren Einkaufstüten. Wahrscheinlich hatten sie Unmengen von Fleisch, Kuchen, Süßigkeiten und anderen kalorienreichen Ekligkeiten gekauft. Geht nur dahin, ihr armen Geschöpfe, dachte ich bei mir, geht nur dahin und stopft euch voll, mit vor Fett triefendem Fleisch, armer geschlachteter Geschöpfe. Igitt, unvorstellbar für einen gesundheitsbewussten Menschen wie mich.
Rund eine Stunde vor Mittag, überfiel mich ein gewisses Hungergefühl. Aus der Küche kam mir ein sehr angenehmer Geruch entgegen. Meine Frau, die sehr schlank und eher zierlich ist, bereitete das Mittagessen zu.
„Na, was gibt’s denn heute?“, fragte ich sie voll freudiger Erwartung. „Kotelett, Kartoffeln und Gemüse, nichts besonderes.“ Sie sah mich mit einem - durchaus gemein wirkenden - lächeln an: „Dein Mittagessen allerdings, steht schon fertig im Kühlschrank.“
„Natürlich...“, antwortete ich. Sie hatte jetzt eine gewisse Enttäuschung von mir erwartet, aber, wenn ich mir etwas vornehme, dann führe ich es auch durch, das sollte sie eigentlich wissen. So bin ich eben, ein Mann, der zu seinem Wort steht!
Ich öffnete den Kühlschrank und zuckte ein wenig zurück. Dort stand ein Teller, belegt mit drei Gurkenscheiben, einer zerhackten Tomate, sowie einem undefinierbarem Stück Etwas von bräunlich-gelblicher Farbe.
„Was äh..“, fragte ich während sie sich gerade ein riesenhaftes Kotelett auf ihren Teller legte. „Das ist Tofu mit Salat“, antwortete sie mit dem immer noch durchaus hinterlistig und gemein wirkenden lächeln auf dem Gesicht.
„Ah ja“, sagte ich, „klasse“.
Während sie beim Mittagessen, ihr, von einer herrlichen Speckschwarte umgebenes Kotelett verzehrte, erwähnte ich, dass auch Diäten nicht immer gesund und manchmal sogar gefährlich sein könnten.
Nicht, dass ich jetzt schon aufgeben wollte. Nein nein, aber man sollte vielleicht nicht zu überstürzt handeln. Ich steckte mir ein Stück von dem Tofu in den Mund. Er schmeckte wie ein in kaltem Wasser marinierter Badeschwamm. „Na..“, sagte sie mit vollem Mund, „schmeckt es?“ Am liebsten hätte ich ihr ins Gesicht geschlagen. Immer wieder steckte sie ihre Gabel in das fettige, wünderschöne Kotelett. Ich wollte nicht hinsehen, konnte aber nicht anders. Als ich mir das dritte Stück Badeschwamm in den Mund führte, reichte es mir!
„Und wenn ich ab jetzt jeden Tag Sport treibe?“, sagte ich kleinlaut.
Am nächsten Tag, ich kam gerade von der Arbeit nach Hause, öffnete meine Frau mir die Tür. Sie hatte schon wieder dieses listige Grinsen aufgesetzt. Hinter ihr, auf dem Flur, stand ein großes, Fahrradähnliches Gerät, ein Heimtrainer!
„Aber, aber es kommt doch gleich meine Lieblingssendung“, stotterte ich. Sie sagte: „Sport oder Tofu! Eigentlich noch besser beides, aber ich will mal nicht so sein“.
So sitze ich nun auf meinem Heimtrainer, der Schweiß läuft mir am Körper herunter, die Muskeln tun weh, aber ich fühle mich wohl. Ein neuer, sportlicher und durchtrainierter Mensch wird aus mir werden. Jeden Tag nach der Arbeit werde ich trainieren. Was ich mir vornehme, das halte ich auch ein.
Im Hintergrund höre ich die Anfangsmusik meiner Lieblingssendung.
Überanstrengung beim Sport, kann mitunter auch gefährlich sein.
Vielleicht sollte ich nicht alles gleich überstürzen...