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Die Äußerung des Innersten

Challenge-Text
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Seniors
Beitritt
18.04.2002
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3.910
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Anmerkungen zum Text

Der Versuch einer Geschichte mit Deflations-Fokus.
Stilistisch hat sich ein poetischer Realismus mit Expressionismus-Elementen ergeben.
Die kursiv berichtende 'Instanz' habe ich eingeführt, um einen zusätzlichen Blickwinkel zu ermöglichen. Weiß nicht, ob das in dieser Art schon mal gemacht wurde.

Die Äußerung des Innersten

„Hallo Lena, ich komm gleich runter!“
„Is gut! – Ach, Paula?"
"Ja?"
"Bringste bitte meinen Schirm mit?“
"Mach ich."

„So, hier ist er.“
„Danke dir. Gehen wir heute mal ins Café Schubert?“
„Oh ja – da gibts doch diese tolle Sacher-Torte!“

Die siebzig Jahre alte Frau hakt sich bei ihrer Gefährtin ein. Diese ist älter, wirkt jedoch viel robuster als ihre Freundin. Offensichtlich genießen die beiden die gemeinsame Unternehmung.

„Ahh, das war ein schöner Ausflug. Soll ich dich zur Bahn bringen?“
„Nee, is schon gut. Bis bald, ich ruf dich an. Tschüss, Paula!“

Im Hausflur empfängt sie der Geruch von modrigen Wänden und verbranntem Fett. Zielstrebig geht die Witwe in ihre Wohnung im zweiten Stock. Die im ersten steht schon lange leer, das Haus, überhaupt das ganze Viertel ist ziemlich heruntergekommen. Viel Vertrautes ist verschwunden: Die Möbelfabrik wurde vor einigen Jahren aufgegeben, auch der Supermarkt. Das Neue, die düsteren Lagerhallen und das ständig dunkle Fitnessstudio sind nicht unbedingt ein Gewinn. Das Treppensteigen fällt Paula ziemlich schwer, sie ist müde …

… erst pennt die Oma wie tot, dann überrascht sie mich doch noch auf diesem dreckigen Balkon voller Gelump. Dabei bin ich sowieso am Abhauen.

Ein Windstoß – die Balkontür fällt hinter ihr ins Schloss. Pech.

Ich setze den Kuhfuß am Türrahmen an. Holz splittert, sonst passiert nichts. Warum geht diese verdammte Tür nicht auf! Und dieses bockige, dämliche Weib schreit rum. Widerlich, diese Kittelschürze und der elende Zwiebeldunst, der sie umgibt. Ich zerre sie an ihren Haaren, sie soll sich hinsetzen.

Sie zittert, schwitzt, in Endlosschleife Gedankenblitze … ‚nein, nicht … nein, nicht … nein‘, beklemmendes Entsetzen zerreißt ihre Brust, ein aussichtsloses Kreischen schleudert sie ihrem Peiniger entgegen.

Natürlich schlage ich zu, muss ihr das Maul stopfen.

Er triumphiert über dieses zerstörte Wesen in seiner Gewalt. Es ist nutzlos: Der Mann realisiert, dass unten im bizarren Schattengespinst der verrosteten Laterne Leute stehen geblieben sind. Weiße Flecken, das Abbild sensationsgieriger Menschen.

Sie wimmert vor sich hin, hilflos. Und ich stehe vor verschlossener Tür. Scheiße, in was hat die mich reingezogen? Wie komme ich weg mit dem Geld?

„Du, Bubi – was machst du da?“ „Wirst du mit der Oma nicht fertig?“

„Ihr Pisser – verzieht euch …“

„Sonst was?“ „Ja, was?“

Es wird unangenehm heiß unter seiner Maske. Sie ist verrutscht, er schnauft atembehindert. Gehetztes Denken, panikgetriebenes Überlegen, Ausweglosigkeit.

„Verzieht euch, sonst werfe ich die Alte runter!“

„Ach ja?“ „Jetzt gleich?“

„Ich machs, ihr Idioten, haut ab!“

„Angeber!“ „Feigling, Feigling – Großmaul!“ „Blödmann, bist du übergeschnappt?" „Hey, Penner, haste die Hosen voll?“

Eine feige Provokation: gewissenloses Wohlbefinden.

„Ihr Arschlöcher, kommt doch rauf! Dann schmeiß ich euch samt der Alten auf die Straße!“

Sie krallt sich an einen Stuhl. Für einen Moment scheint die Umgebung verzerrt um die Frau zu tanzen: von Angst gepeitschte Sinneseindrücke, verwaschene Formen und Farben. Ihr Magen krampft etwas Klebriges in ihre Speiseröhre; ein Pfeifton durchdringt ihren Schädel, das linke Ohr hämmert Schmerzen in ihr Bewusstsein. Ein Röcheln, das armselige Bruchstück eines Hilferufs, der Beginn wütender Verzweiflung.

Jetzt schlägt sie wild um sich, stößt mich an die Hauswand. Das lasse ich mir nicht bieten! Sie ringt mit mir, sie kratzt, reißt mir die Maske runter und erkennt mich. Da staunst du Oma: Ich bins – der ‚nette junge Mann von der Tankstelle‘. Ich prügle den letzten Rest Widerstand aus ihr raus, sie lehnt keuchend am Geländer. Schon wieder Zwiebelgestank. Nix wie weg, am besten erst mal auf den Nachbarbalkon, das Geschrei von den Idioten da unten wird immer unerträglicher …

„… hallo Schwächling! Versager!“ „Loser, die Bullen kommen!“

Ein dumpfer, eigentlich harmloser Ton; verlogenes Erstaunen, vereinzelte Schreie. Verlegenheit, keine Scham – eher rechtfertigender Trotz im Gemurmel.

Er blickt über das Geländer nach unten: Vor ihm uneinsehbare Tiefe – es ist sein selbst gewählter, innerer Abgrund. Es gibt keine Ausreden. –

„Ihre Verteidigung behauptet, dass sie erst aufgrund der Rufe von der Straße dazu verleitet wurden, Frau Ottmann vom Balkon zu stoßen. Man führt ihre besondere Vulnerabilität infolge Ihrer problematischen psychischen Konstitution an. Aber es ist doch so – Sie haben die Leute erst durch Ihre Äußerung, ich zitiere: ‚Verzieht euch, sonst werfe ich die Alte runter‘ auf die Idee des Stoßens gebracht. Herr Magwarth, was sagen Sie dazu? Sie haben den Tod der Rentnerin gewollt: Unabhängig von den Rufen auf der Straße!“

Der Mann steht auf, provozierend langsam, streckt sich. Er hebt die rechte Faust, dreht sich nach links zur Wand – sein Mittelfinger schnellt empor.

 

Hallo @dotslash,

so viele Anregungen, danke für deine Mühe!

Hm, als Einstiegsdialog recht holprig. Weil das mir vom zeitlichen Ablauf völlig gegen den Strich geht.
Ja, irgendwie gelingt er mir nicht. Ich werde deine Vorschläge da noch einbauen.

Wieder diese streng gesetzten Zwischenzeilen.
Das lässt sich zum Glück leicht ändern ...

Unglaubwürdig, denn Balkontüren haben mMn keine Schnappschlösser.
Natürlich kann sie sich ein Schloss besorgt haben. Das Problem ist, dass ich die Möglichkeit für ihn einfach durch die Tür abzuhauen, verhindern muss. Sonst hätte ich das "Einbruchsicher" einfach gestrichen. Vielleicht fällt mir noch eine Lösung ein.

Interessant, Paula hat einen kursiven Erzähler zur Seite
Der kursive Erzähler beobachtet als außenstehende Instanz das gesamte Geschehen.

Sie wimmert vor sich hin, hilflos. Und ich stehe vor verschlossener Tür. Scheiße, in was hat die mich reingezogen? Wie komme ich da weg mit dem Geld?
Im Nachsatz erklärt der Autor.
Dieses 'Wegkommen' ist seine Hauptsorge, natürlich will er auch das Geld in Sicherheit bringen. (Und ich dem Leser den Geldraub vermitteln:D ).

Eine kräftige, raue Stimme: „Du, Bubi – was machst du da?“ „Wirst du mit der Oma nicht fertig?“
Hier traut der Autor wohl dem Leser nicht.:D
Damit durchbrichst du die Prämisse der nackten Dialoge.
Guter Hinweis, ich 'schlage' die Stimme dem Täter zu.

Es wird unangenehm heiß unter seiner Maske. Sie ist verrutscht, er schnauft atembehindert. Gehetztes Denken, panikgetriebenes Überlegen, Ausweglosigkeit.
Kursiv heisst, der Erzähler spricht. Aber ich lese hier eindeutig SOC von Magwarth, also eher nicht Kursiv und erste Person.
Nein, dies ist die Beobachtung der 'Instanz'.

„Verzieht euch, sonst werfe ich die Alte runter!“
Und damit hab ich leider ein Problem, fühlt sich konstruiert an, muss er hier sagen, da es ihm am Ende um die Ohren fliegt.
Kann man das nicht als eine Drohung seinerseits sehen? Ich wollte zeigen, wie er die Schuld an der Gewalt auf andere abwälzt.

Aber was wäre, wenn in Wahrheit die verschworene Gemeinschaft unten tatsächlich so was wie "wirfste dann die Alte runter, oder was?" rufen würde, sie aber die einzigen Zeugen sind, die später steif und fest behaupten, Magwarth habe das gerufen. Das würde mir gefallen, das Gericht glaubt eher den unbescholtenen Bürgern, die zufällig Zeugen waren und natürlich einhellig behaupten, genau das gehört zu haben.
Klar, ist eine mögliche Variante. Die Schuld sollte ganz bei Magwarth liegen, keine Ausreden, Relativierungen.

Nix wie weg, die Fassade hoch, brauche weder eine Zeugin, noch das Geschrei von den Idioten da unten. Ich zerre an der Alten, schon wieder Zwiebelgestank …
Abfolge des SOC: Erst die Fassade hoch, dann die Alte packen. Irgendwie andersrum, oder?
Das "Nix wie weg" ist der Wunsch, dem steht "die Alte" buchstäblich im Weg. Deshalb ...

Ich hab schon nur Mühe, mir greifbares Erstaunen vorzustellen.
Stummes Entsetzten, vereinzeltes Aufstöhnen, o.ä.
"Stummes Entsetzen" trifft nicht, was ich ausdrücken wollte: Die Menge provoziert den Mord, dann findet er statt und man sagt sich 'huch, er hats ja doch gemacht' (als hätte man nix damit zu tun). Diese Haltung ist spürbar, ist 'greifbar', aber unnatürlich - eigentlich verlogen ... ich glaub, jetzt habe ich es: ein verlogenes, aber spürbares Erstaunen.

Er blickt über das Geländer nach unten: Vor ihm uneinsehbare Tiefe – es ist sein selbst gewählter, innerer Abgrund. Es gibt keine Ausreden. –
Warum hier nicht den Magwarth im SOC reden lassen, ohne Kursivschrift?
Und besagen die Gedankenstriche, dass er ob seiner Tat kurz erstarrt ist? Ich schätze ihn anders ein. Der wird doch nicht lange über die Brüstung schauen wollen, ohne Maske schon gar nicht.
"Warum hier nicht den Magwarth im SOC reden lassen, ohne Kursivschrift?" Weil er dann Einsicht in sein Handeln hätte. Du schätzt ihn schließlich anders ein ...

Der Gedankenstrich ist dem Perspektivwechsel geschuldet: Die physische Tiefe steht dem inneren Abgrund entgegen.

Allerdings, wie ich schon vorher anmerkte, würde mir das Verdrehen der Wahrheit besser gefallen. Dann käme dem Schlussakkord feat. Magwarth, der so schön zum Juristendeutsch kontrastiert, viel mehr Bedeutung bei.
So in etwa 'Fickt euch. Hier glaubt mir ja doch keiner'
Dann würde der Täter (ein wenig) zum Opfer. Er soll nur Täter sein, ohne Ausreden.


Wenn ich die aktuellen Teilnahme-Geschichten richig in Erinnerung habe, bist du einer der wenigen, die den Challenge-Titel wortwörtlich umgesetzt haben: Hier wird tatsächlich eine Oma vom Balkon in die Tiefe gestossen.
Mein erster Impuls war das Challenge-Thema umzudeuten (oder das erweiterte Verständnis des Themas zu übernehmen). Aber dann wollte ich doch wissen, ob mir eine direkte Umsetzung gelingt ... gelingen ist halt so eine Sache.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen was anfangen.
Wie du siehst, konnte ich das! Danke für die faire Analyse und die Beschäftigung mit diesem, vielleicht sogar etwas seltsamem, Text. Es ist immer wieder interessant zu erfahren, wie unterschiedlich Textteile auf verschiedene Leser wirken. Man selbst ist wohl in einer Gedanken-Blase gefangen.

Liebe Grüße,

Woltochinon

 
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Hallo @Woltochinon!

Kleinigkeiten vorweg:

Diese ist älter, wirkt jedoch viel robuster, als ihre Freundin.
Das zweite Komma kann weg, oder?

Zielstrebig geht die Witwe hoch in den zweiten Stock. Dort ist ihre Wohnung, die im ersten steht schon lange leer, das Haus
Zielstrebig geht die Witwe in ihre Wohnung im zweiten Stock. Die im ersten steht schon lange leer, das Haus ... fände ich futschiger.

… erst pennt die Oma wie tot, dann überrascht sie mich doch noch auf dem dreckigen Balkon voller Gelump. Dabei bin ich sowieso am Abhauen.
Vorschlag: Dabei bin ich eh schon am Abhauen.
Widerlich, diese Kittelschürze und der elende Zwiebeldunst, der sie umgibt.
Vielleicht umstellen, da sich das Widerlich doch mehr auf den Geruch bezieht: Diese Kittelschürze und der elende Zwiebeldunst, widerlich!
ür einen Moment scheint die Umgebung verzerrt um die alte Frau zu tanzen:
Scheue solch direkte Attribute normalerweise – hier fände ich es angebracht, damit sofort klar wird, wer gemeint ist. Da war ich ein, zwei Sekunden raus.

Sie ringt mit mir, ich prügle den letzten Rest Widerstand aus ihr raus. Sie kratzt, reißt mir die Maske runter und erkennt mich. Da staunst du Oma: Ich bins – der ‚nette junge Mann von der Tankstelle‘. Nix wie weg, am besten die Fassade hoch, brauche weder eine Zeugin, noch das Geschrei von den Idioten da unten. Ich zerre an der Alten, schon wieder Zwiebelgestank …
Da hab ich Probleme mir die Abfolge vorzustellen – fände ich anders schlüssiger: Sie ringt mit mir, kratzt, reißt mir die Maske runter und erkennt mich. Da staunst du Oma: Ich bins – der ‚nette junge Mann von der Tankstelle‘. Ich prügle den letzten Rest Widerstand aus ihr raus, brauche weder eine Zeugin, noch das Geschrei von den Idioten da unten. Ich zerre an der Alten, schon wieder Zwiebelgestank ...
Denn wenn er schon alles rausgeprügelt hat, kratzt und reißt sie doch nicht mehr, oder? Und das Fassaden-Ding ist ein Überbleibsel des Ninja? Würde ich killen.

So. Weiß nicht mehr, wie oft ich deine Oma jetzt schon gelesen habe?
Und wieder sitz ich da und frage mich, was ich dazu sagen soll?
Ich weiß es nicht – also lass ich es.

Wollte dir zumindest signalisieren, dass ich den Text gelesen habe.

Gruß,
Sammis

 

Lieber @Woltochinon ,

interessant die Umsetzung des Challenge-Themas. Und dann noch obendrein eins zu eins: Die Oma wird vom Balkon geworfen. Respekt!
Die Kürze hat mir gut gefallen. Ich glaube, du hast zwischenzeitlich gehörig an der Geschichte gefeilt, habe jetzt nicht die Kritiken verfolgt, denn als ich die Geschichte vor ein paar Tagen las, musste ich zweimal ansetzen, um reinzukommen. Das ist mir jetzt sehr viel leichter gefallen.

Der Hausflur riecht streng nach Katze.
Sicherlich wunderst du dich nicht, dass ich hier widerspreche. Ich kann mir beim besten Willen nicht so ganz vorstellen, wie es nach Katze riechen soll.
Da müsstest du schon präziser werden, z.B. riecht Katzenurin sehr deutlich, wenn er nicht beseitigt wird. Ein scharfer Pissegeruch wäre das.
Aber ich möchte dir einen anderen Vorschlag unterbreiten, um den Ruf der Katzen zu schonen, denn sie würden sicherlich eher das Treppenhaus verlassen und outdoor pinkeln, anstatt es im Haus zu tun.
Es handelt sich ja um ein altes Haus, wie wäre es mit ranzigem Bohnerfett, das die Holzstufen ausströmen, mit dem leicht modrigem Muff, den der verwitterte Wandputz verbreitet? Essensgerüche, Eintöpfe, Mottenkugeln, ungelüftetes Treppenhaus, eine Melange aus allem?
Viel Vertrautes ist verschwunden, das Neue, die düsteren Lagerhallen und das zwielichtige Fitnessstudio sind nicht unbedingt ein Gewinn. Das Treppensteigen fällt Paula ziemlich schwer, sie ist müde …
"Viel Vertrautes ist verschwunden", könntest du streichen, weil du ja davon berichtest, was weggefallen, also verschwunden ist.
Ein Windstoß – die Balkontür fällt hinter ihr ins Schloss. Einbruchsicher. Pech.
Toll verkürzt gemacht. Aber ich hatte bei dem Wort "Pech" etwas meine Probleme, weil ich dachte, dass dies der Täter sich selbst sagt. Die in kursiv geschriebenen Teile sind ja aber eher so eine Art Regieanweisung und keiner speziellen Person zuzuordnen. Ich würde "Pech" weglassen.
Scheiße, in was hat die mich reingezogen?
"Reingezogen" ist nicht perfekt. Denn sie hat ihn ja nicht reingezogen, sondern verwickelt, unschuldig verwickelt, weil reingezogen wäre eher gezielt gerichtetes Handeln. Sie reagiert ja nur gezwungenermaßen. Aber das ist jetzt Geschmackssache bei den Formulierungen.

Es wird unangenehm heiß unter seiner Maske.
Wird es das? Oder ist es das bereits? Ich fände es dringlicher, wenn es schon heiß ist.
panikgetriebenes Überlegen,
panisches würde mir hier besser gefallen. Aber wie schon oben erwähnt, ist Geschmackssache und tut der Geschichte inhaltlich keinen Abbruch, wenn es so bleibt.
Das lasse ich mir nicht bieten! Sie ringt mit mir, ich prügle den letzten Rest Widerstand aus ihr raus.
Ich überlege, ob du dir nicht einen größeren Gefallen tust, wenn du die Gedanken des Täters als wörtliche Rede, Beschimpfung der Oma verpackst. Es wirkt so etwas statisch.
Der Mann steht auf, provozierend langsam, streckt sich. Er hebt die rechte Faust, dreht sich nach links zur Wand – sein Mittelfinger schnellt empor.
Gutes Ende!

Lieben Gruß

lakita

 

Moin @Woltochinon ,

auch hier hatte ich schon längst vor, einen Kommentar zu schreiben, aber ich gestehe, die Geschichte überfordert mich. Ich habe dennoch ein paar Stellen herauszitiert, einfach um am Text zu bleiben. Aber ich fürchte, da bin ich zu fest in Vetrautem verankert, nicht offen genug.

Die Äußerung des Innersten
Spannender Titel, auch die Idee (die mir vorgestellt habe - die Innere Stimme kommt in den Vordergrund, "erzählt die Geschichte/ist die Geschichte) finde ich gut.

Viel Vertrautes ist verschwunden, das Neue, die düsteren Lagerhallen und das zwielichtige Fitnessstudio sind nicht unbedingt ein Gewinn. Das Treppensteigen fällt Paula ziemlich schwer, sie ist müde … …
erst pennt die Oma wie tot, dann überrascht sie mich doch noch auf dem dreckigen Balkon voller Gelump. Dabei bin ich sowieso am Abhauen.
Mich hat der Sprung einfach nur verwirrt, aus der Geschichte geworfen. Aber wie gesagt, das wird hier wohl auf der Leserinnen Seite liegen.

Ein Windstoß – die Balkontür fällt hinter ihr ins Schloss. Einbruchsicher. Pech.
Gibt es irgendwo auf der Welt wirklich Balkontüren, bei denen das möglich ist?

Ich zerre sie an ihren Haaren, sie soll sich hinsetzen.
widerspricht sich für mein Gefühl - wenn sie sich setzen soll, müsste er zieh doch schieben oder drücken?

Sie wimmert vor sich hin, hilflos. Und ich stehe vor verschlossener Tür. Scheiße, in was hat die mich reingezogen? Wie komme ich weg mit dem Geld?
Mir springt es wie pingpong hin und her. Aber generell fände ich das eine absolut
interessante Geschichte, aus seinem Blickwinkel erzählt.

Für einen Moment scheint die Umgebung verzerrt um die Frau zu tanzen: von Angst gepeitschte Sinneseindrücke, verwaschene Formen und Farben. Ihr Magen krampft etwas Klebriges in ihre Speiseröhre; ein Pfeifton durchdringt ihren Schädel, das linke Ohr hämmert Schmerzen in ihr Bewusstsein. Ein Röcheln, das armselige Bruchstück eines Hilferufs, der Beginn wütender Verzweiflung. Jetzt schlägt sie wild um sich, stößt mich ans Geländer. Das lasse ich mir nicht bieten!
Hier frage ich mich, was passiert? Für mich stürzt sie hier vom Balkon, fände ich ausgesprochen gut dargestellt. Aber das ist es ja gar nicht. Sie sind ja noch auf dem Balkon.

Sie haben den Tod der Rentnerin billigend in Kauf genommen!“
Wäre das wirklich die rechtliche Situation? Ist das kein versuchter Totschlag? Es klingt so harmlos

Der Mann steht auf, provozierend langsam, streckt sich. Er hebt die rechte Faust, dreht sich nach links zur Wand – sein Mittelfinger schnellt empor.
Ich verstehe die Welt nicht, aber das liegt wohl wirklich daran, dass ich es nicht geschafft habe, die Geschichte als sein Blickwinkel zu lesen. Oder welcher auch immer, hier gemeint ist.
Sorry, Challenge-Thema eindeutig erfüllt, ich bin einfach die falsche Leserin.
Wünsche eine gute Woche
greenwitch

 

Hallo @Sammis,

super, welche Kleinigkeiten dir noch aufgefallen sind!

Diese ist älter, wirkt jedoch viel robuster, als ihre Freundin.
Das zweite Komma kann weg, oder?
Genau!
Zielstrebig geht die Witwe in ihre Wohnung im zweiten Stock. Die im ersten steht schon lange leer, das Haus ... fände ich futschiger.
Gute Idee, übernehme ich gerne.

bei bin ich eh schon am Abhauen.
Widerlich, diese Kittelschürze und der elende Zwiebeldunst, der sie umgibt.
Vielleicht umstellen, da sich das Widerlich doch mehr auf den Geruch bezieht: Diese Kittelschürze und der elende Zwiebeldunst, widerlich!
Es ist wahrscheinlich eine persönliche Vorliebe, aber ich mag "eh" nicht sonderlich. Beim laut Lesen fällt es aus der Reihe und ist eh nur so ein isolierter Buchstabe.:)
Eigentlich soll das Gesamtbild 'Kittelschürzenfrau samt Geruch' widerlich sein.

Ich prügle den letzten Rest Widerstand aus ihr raus, brauche weder eine Zeugin, noch das Geschrei von den Idioten da unten. Ich zerre an der Alten, schon wieder Zwiebelgestank ...
Denn wenn er schon alles rausgeprügelt hat, kratzt und reißt sie doch nicht mehr, oder? Und das Fassaden-Ding ist ein Überbleibsel des Ninja? Würde ich killen.
Gut argumentiert, den Widerstand stelle ich um.
Die Fassade steht für seine Absicht zu fliehen, kam mir jetzt auch als etwas zu viel vor. Habe den (plausibleren) Nachbarbalkon daraus gemacht.

So. Weiß nicht mehr, wie oft ich deine Oma jetzt schon gelesen habe?
Und wieder sitz ich da und frage mich, was ich dazu sagen soll?
Ich weiß es nicht – also lass ich es. Wollte dir zumindest signalisieren, dass ich den Text gelesen habe.

Oh, vielen Dank fürs so oft lesen und dein 'Signalisieren'!

Liebe Grüße, weiterhin viel Spaß beim Schreiben wünscht dir

Woltochinon

Liebe @lakita,

freut mich, dass du vorbei schaust!

Und dann noch obendrein eins zu eins: Die Oma wird vom Balkon geworfen. Respekt!
Danke, aufgrund des Challenge-Themas habe ich mich in Text-Gefilde gewagt, die ich sonst eher meide. Vielleicht muss ich auch deshalb 'ewig' dran rumfeilen. Insofern bin ich erst recht froh, wenn gute Hinweise kommen. Ich hatte zwei Geschichten zum Thema geschrieben, aber - na ja - für eine musste ich mich dann halt entscheiden ...

Die Kürze hat mir gut gefallen. Ich glaube, du hast zwischenzeitlich gehörig an der Geschichte gefeilt, habe jetzt nicht die Kritiken verfolgt, denn als ich die Geschichte vor ein paar Tagen las, musste ich zweimal ansetzen, um reinzukommen. Das ist mir jetzt sehr viel leichter gefallen.
Was ein Glück, dann waren die vielen Textarbeiten wenigstens nicht vergeblich.

Da müsstest du schon präziser werden, z.B. riecht Katzenurin sehr deutlich, wenn er nicht beseitigt wird. Ein scharfer Pissegeruch wäre das.
Eigentlich hoffte ich, dass man dies assoziiert.

Aber ich möchte dir einen anderen Vorschlag unterbreiten

Es handelt sich ja um ein altes Haus, wie wäre es mit ranzigem Bohnerfett, das die Holzstufen ausströmen, mit dem leicht modrigem Muff, den der verwitterte Wandputz verbreitet? Essensgerüche, Eintöpfe, Mottenkugeln, ungelüftetes Treppenhaus, eine Melange aus allem?
Dein Vorschlag ist viel interessanter als 'das Katzenbashing'. Habe das Treppenhaus ent-uriniert!

"Viel Vertrautes ist verschwunden", könntest du streichen, weil du ja davon berichtest, was weggefallen, also verschwunden ist.
Das Wort 'Vertrautheit' war mir wichtig. Aber es stimmt, an dieser Stelle braucht man es nicht. Ich habe eine Aufzählung des Vertrauten daraus gemacht.

Aber ich hatte bei dem Wort "Pech" etwas meine Probleme, weil ich dachte, dass dies der Täter sich selbst sagt. Die in kursiv geschriebenen Teile sind ja aber eher so eine Art Regieanweisung und keiner speziellen Person zuzuordnen. Ich würde "Pech" weglassen.
Für einen Moment dachte ich, das "Pech" muss tatsächlich weg, weil diese nicht wertende, beobachtende Instanz das feststellt. Ich denke, es stellt keine Wertung dar, sondern ist einfach nur eine Beschreibung der Lage.
Eigentlich ist dieser Abschnitt der Wendpunkt zum geschilderten Drama hin: Wenn er einfach durch die Tür hätte abhauen können ...

"Reingezogen" ist nicht perfekt. Denn sie hat ihn ja nicht reingezogen, sondern verwickelt, unschuldig verwickelt, weil reingezogen wäre eher gezielt gerichtetes Handeln. Sie reagiert ja nur gezwungenermaßen. Aber das ist jetzt Geschmackssache bei den Formulierungen.
Liebe Frau Rechtsanwältin!

Diese feine, in Ihrem Schreiben gemachte Unterscheidung zwischen "reingezogen" und "verwickelt" hat mich sehr beeindruckt. Ich war Willens, nein ich habe sogar, Ihrem Vorschlag folgend, das Wort im Text geändert.
Doch - es wollte sich keine Ruhe in meinem Gemüt einstellen: Denn - es ist gerade eben diese Fehlinterpretation des Täters der Gegebenheiten, diese perfide Wahrnehmung, er sei Opfer in dieser Situation, was dem Text die Möglichkeit gibt, weiteres Unbehagen beim Leser hervorzurufen.

Untertänigst

W.;)

Es wird unangenehm heiß unter seiner Maske.
Wird es das? Oder ist es das bereits? Ich fände es dringlicher, wenn es schon heiß ist.
Es soll eigentlich einen Werdegang ausdrücken (es war schon warm/heiß ... jetzt wird es unangenehm. Vielleicht wird das nicht deutlich?).

panikgetriebenes Überlegen,
panisches würde mir hier besser gefallen. Aber wie schon oben erwähnt, ist Geschmackssache und tut der Geschichte inhaltlich keinen Abbruch, wenn es so bleibt.
"panikgetrieben" finde ich stärker: So ist die Panik Ursache für sein Überlegen, nicht nur die Art, wie er überlegt.

Das lasse ich mir nicht bieten! Sie ringt mit mir, ich prügle den letzten Rest Widerstand aus ihr raus.
Ich überlege, ob du dir nicht einen größeren Gefallen tust, wenn du die Gedanken des Täters als wörtliche Rede, Beschimpfung der Oma verpackst. Es wirkt so etwas statisch.
Da muss ich noch dran arbeiten. Die Intension ist das Ganze relativ 'entfremdet', kalt ablaufen zu lassen. Er sieht eigentlich die Person nicht, nimmt eher den Zwiebelgruch wahr. Erst als er sich von ihr erkannt begreift, ist sie für einen Moment mal ein Gegenüber.

Der Mann steht auf, provozierend langsam, streckt sich. Er hebt die rechte Faust, dreht sich nach links zur Wand – sein Mittelfinger schnellt empor.
Gutes Ende!

Ich hatte schon die Befürchtung, dass an der Schluss-Szene vielleicht etwas nicht juristisch korrekt ist ...
So bald schreibe ich nicht mehr so einen Text, ist aber auch spannend, mal die Grenzen auszuloten. Beruhigt mich, wenn du ein

"Gutes Ende" dem Ganzen abgewinnen kannst, danke für deine Hilfe!

Und jetzt mal ne Kleinigkeit essen ...

Liebe Grüße,

Woltochinon

 

Lieber Woltochinon,

oh, du hast sie also wirklich vom Balkon geworfen. Eine alptraumhafte Szene, doch, das hat mich schon berührt. Der Täter ist ja eiskalt, emotional nur in seinem Ärger, er kennt sogar die Frau, was aber nichts ändert und er mordet aus Wut und Eitelkeit, denn eigentlich könnte er auch einfach abhauen, oder? Die Leute unten auf der Straße sind auch so Horror-Clowns, da ist ja kein Hauch von Ambivalenz. Die kursive Erzählstimme irgendwie spooky.

Die siebzig Jahre alte Frau hakt sich bei ihrer Gefährtin ein. Diese ist älter, wirkt jedoch viel robuster als ihre Freundin. Offensichtlich genießen die beiden die gemeinsame Unternehmung. „Ahh, das war ein schöner Ausflug. Soll ich dich zur Bahn bringen?“
„Nee, is schon gut. Bis bald, ich ruf dich an. Tschüss, Paula!“
Es startet wie das Manuskript einer Laienschauspieltruppe mit kursiven Zwischentexten zur Handlung.
Ein Windstoß – die Balkontür fällt hinter ihr ins Schloss. Einbruchsicher. Pech.
Hier kommt eine Wertung rein.
Er triumphiert über dieses zerstörte Wesen in seiner Gewalt. Es ist nutzlos: Der Mann realisiert, dass unten im bizarren Schattengespinst der verrosteten Laterne Leute stehen geblieben sind. Weiße Flecken, das Abbild sensationsgieriger Menschen.
Eine feige Provokation: gewissenloses Wohlbefinden.
Der Erzähler im kursiven Text wertet, klagt an, aber ziemlich sachlich.
Jetzt schlägt sie wild um sich, stößt mich an die Hauswand. Das lasse ich mir nicht bieten! Sie ringt mit mir, sie kratzt, reißt mir die Maske runter und erkennt mich. Da staunst du Oma: Ich bins – der ‚nette junge Mann von der Tankstelle‘.
Ja, sein Hass auf sie, sein Ekel ist ja von Anfang an da. Ich sag mal, ein narzisstischer Psychopath. Es ist schon schockierend, wie brutal er ist.
Der Mann steht auf, provozierend langsam, streckt sich. Er hebt die rechte Faust, dreht sich nach links zur Wand – sein Mittelfinger schnellt empor.
Er bleibt sich treu, bleibt böse. Keiner verändert sich hier. Der Täter nicht, die Leute auf der Straße nicht, und die Oma ist tot.

Irgendwie frage ich mich auch, was du mir genau mit dem Text sagen willst. Der Ton der Zwischenstücke weist durchaus auf eine moralische Botschaft. Oder eine Warnung? Es gibt Menschen ohne Skrupel. Hm. Und was ist "Deflationsfokus"?
Tja, das haben wir nun davon, wenn wir so einen Titel nehmen.

Geschockte Grüße von Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @greenwitch,

ich gestehe, die Geschichte überfordert mich. Ich habe dennoch ein paar Stellen herauszitiert, einfach um am Text zu bleiben. Aber ich fürchte, da bin ich zu fest in Vetrautem verankert, nicht offen genug.
Sehr nett, dass du das so offen sagst! Der Inhalt meines Textes ist - sagen wir mal - 'unüblich', die Form genauso ... auch wenn ich sie natürlich spannend finde, man liebt halt seine Kinder.


Spannender Titel, auch die Idee (die mir vorgestellt habe - die Innere Stimme kommt in den Vordergrund, "erzählt die Geschichte/ist die Geschichte) finde ich gut.
Da du dich nicht so richtig mit der Geschichte anfreunden kannst, freut es mich natürlich, wenn du dem Titel und der Idee des Textes etwas Positives abgewinnen kannst! Sein wahres Wesen äußert sich, beschrieben durch das, was passiert, nach dem Zufallen der Tür. Dieser Charakter steht im Gegensatz zu dem, wie er sich nach außen gibt 'der freundliche Mann von der Tankstelle'.

Mich hat der Sprung einfach nur verwirrt, aus der Geschichte geworfen. Aber wie gesagt, das wird hier wohl auf der Leserinnen Seite liegen.
Das ist auch eine schwierige Stelle. Diese (im Film würde man sagen 'harter Schnitt') Schilderung habe ich aus Gründen des Kontrastes gewählt: Die Oma schläft friedlich, sie wacht in einer Welt auf, in der sie nur ein hinderliches Ärgernis ist, eine Welt der Gewalt. Für sie (und den Einbrecher) ist das Zusammentreffen total abrupt ... für den Leser auch.

Gibt es irgendwo auf der Welt wirklich Balkontüren, bei denen das möglich ist?
Ich muss zugeben, dass ich das nicht weiß. Die verschlossene Tür ist aber für die Handlung nötig, damit nimmt das Drama erst richtig seinen Lauf, ein Wendepunkt im Geschehen.
Gut, dass du da drauf hingewiesen hast! Ein guter Anlass, noch einmal über die Stelle nachzudenken. Es hat etwas gedauert, aber ich hoffe, jetzt eine Formulierung gefunden zu haben, die nicht ganz so angreifbar ist.
Ich zerre sie an ihren Haaren, sie soll sich hinsetzen.
widerspricht sich für mein Gefühl - wenn sie sich setzen soll, müsste er zieh doch schieben oder drücken?
Vielleicht besser ... ich zerre sie an ihren Haaren nach unten?
Sie wimmert vor sich hin, hilflos. Und ich stehe vor verschlossener Tür. Scheiße, in was hat die mich reingezogen? Wie komme ich weg mit dem Geld?
Mir springt es wie pingpong hin und her. Aber generell fände ich das eine absolut
interessante Geschichte, aus seinem Blickwinkel erzählt.
Es stimmt, da 'springt' der Blickwinkel hin und her.

Mir ging es um das Gegenüberstellen von dem, was er will und dem, woran ihn (wirklich oder eingebildet) die Frau hindert bzw. womit sie ihn nervt:

"Sie wimmert vor sich hin, hilflos."
Er denkt: Was hat die zu wimmern? Ich armer Mensch hab doch ein Problem wegen der Tür!
"Und ich stehe vor verschlossener Tür."
Die Tür ist zu,hätte sie mich nicht überrascht, hätte ich keine Schwierigkeiten:
"Scheiße, in was hat die mich reingezogen?"
Wegen der konnte ich nicht einfach abhauen:
"Wie komme ich weg mit dem Geld?"
Ohne die Alte wäre ich schon längst abgehauen.

Ich hoffe, dass ist einigermaßen nachvollziehbar?


Für einen Moment scheint die Umgebung verzerrt um die Frau zu tanzen: von Angst gepeitschte Sinneseindrücke, verwaschene Formen und Farben. Ihr Magen krampft etwas Klebriges in ihre Speiseröhre; ein Pfeifton durchdringt ihren Schädel, das linke Ohr hämmert Schmerzen in ihr Bewusstsein. Ein Röcheln, das armselige Bruchstück eines Hilferufs, der Beginn wütender Verzweiflung. Jetzt schlägt sie wild um sich, stößt mich ans Geländer. Das lasse ich mir nicht bieten!
Hier frage ich mich, was passiert? Für mich stürzt sie hier vom Balkon, fände ich ausgesprochen gut dargestellt. Aber das ist es ja gar nicht. Sie sind ja noch auf dem Balkon.
Ein guter Hinweis! Habe an dieser Stelle eine kleine Korrektur vorgenommen, danke!

Der Sturz ist kurz und anonym. Keine großen Gefühle, einfach nur der Fall und das Aus. Im 'Käfig' des Balkons mit den aufgebrachten 'Zuschauern' spielt sich das Leiden der Frau ab.

Sie haben den Tod der Rentnerin billigend in Kauf genommen!“
Wäre das wirklich die rechtliche Situation? Ist das kein versuchter Totschlag? Es klingt so harmlos
Da bin ich mir auch unsicher. Du hast auf alle Fälle ein valides Argument, es klingt harmlos. Jetzt kann man sagen, in der Juristerei klingt manches harmloser, als die Lebenswirklichkeit ist. Ich habe mir eine Notiz gemacht. Hoffentlich finde ich etwas, dass der Situation eher entspricht.
Der Mann steht auf, provozierend langsam, streckt sich. Er hebt die rechte Faust, dreht sich nach links zur Wand – sein Mittelfinger schnellt empor.
Ich verstehe die Welt nicht, aber das liegt wohl wirklich daran, dass ich es nicht geschafft habe, die Geschichte als sein Blickwinkel zu lesen. Oder welcher auch immer, hier gemeint ist.
Sorry, Challenge-Thema eindeutig erfüllt, ich bin einfach die falsche Leserin.

Ich denke nicht, dass du die fasche Leserin bist, weil jeder seinen eigenen Zugang zu einem Text hat. Schließlich bin ich das Risiko eingegangen auf Unverständnis zu stoßen, indem ich einen so unsympathischen Protagonisten geschaffen habe. Bedauerlicherweise leiden wir Menschen schon seit ewigen Zeiten unter solchen gewissenlosen, egomanischen, selbstgerechten Gewälttätern ...

Danke für deine Zeit und deine Eindrücke! Nett, dass du den Text nicht 'verworfen' hast!

Wünsche eine gute Woche
Das wünsche ich dir auch!

LG,

Woltochinon

 

Liebe @Chutney,

ich schätze es, dass du diese Geschichte gelesen hast, trotz ihrer Eigenarten.

denn eigentlich könnte er auch einfach abhauen, oder? Die Leute unten auf der Straße sind auch so Horror-Clowns, da ist ja kein Hauch von Ambivalenz. Die kursive Erzählstimme irgendwie spooky.
Im Prinzip sind das die drei wesentlichen 'Kräfte', die in dieser Geschichte wirken. Gut zusammengefasst!

Es startet wie das Manuskript einer Laienschauspieltruppe mit kursiven Zwischentexten zur Handlung.
Ja, das kann man so empfinden. Folgt man diesem Kriterium ('kein Verdacht auf Regieanweisung'), werden die Erzählmöglichkeiten eingeschränkt. Irgendwann bin ich drauf gekommen, dass ich so eine zusätzliche Ebene (Sichtweise) einführen kann (unter Beibehaltung der Knappheit).

Ein Windstoß – die Balkontür fällt hinter ihr ins Schloss. Einbruchsicher. Pech.
Hier kommt eine Wertung rein.
Er triumphiert über dieses zerstörte Wesen in seiner Gewalt. Es ist nutzlos: Der Mann realisiert, dass unten im bizarren Schattengespinst der verrosteten Laterne Leute stehen geblieben sind. Weiße Flecken, das Abbild sensationsgieriger Menschen.
Eine feige Provokation: gewissenloses Wohlbefinden.
Der Erzähler im kursiven Text wertet, klagt an,
Das sehe ich anders: Er stellt einfach nur fest, wie es ist. Der Protagonist hat halt kein Glück, sondern Pech, er triumphiert usw. Keine Aussage, ob das verwerflich ist oder nicht, keine moralische Wertung.
Ich werde den Text noch einmal überprüfen, ob mein Ansatz wirklich durchgängig umgesetzt ist.

was ist "Deflationsfokus"?
So weit ich weiß, wurde dieses dramaturgische Mittel von Tschechow eingeführt. Aus einer angespannten Situation wird 'die Luft rausgelassen'.
In meinem Text ist die größte Anspannung, als die Tür nicht mehr zu öffnen ist: Ab jetzt entscheidet sich der Protagonist, welchen Weg er gehen will. Dadurch wird letztendlich sein Inneres offenbart. Man könnte denken, der Mord sei die Peripetie, aber der geschieht beiläufig, als Folge des gewählten Weges der Konfrontation. Am Schluss ist er einfach ein unverbesserlicher Arsch, der wie tausende andere Verbrecher in einer Zelle hockt, kein Triumph ...


Er bleibt sich treu, bleibt böse. Keiner verändert sich hier. Der Täter nicht, die Leute auf der Straße nicht, und die Oma ist tot.
Irgendwie frage ich mich auch, was du mir genau mit dem Text sagen willst. Der Ton der Zwischenstücke weist durchaus auf eine moralische Botschaft. Oder eine Warnung?
Es gibt bei uns eine Diskussionsgruppe, ein Themenabend war 'Entstehung von Gewalt'. Es hat mich gewundert, dass ein gewisses Bedürfnis besteht, Gewalt immer als Folge irgendwelcher äußeren Einflüsse zu betrachten (was durchaus oft zutrifft). Aber dadurch wird auch ein relativierendes, entschuldigendes Moment eingeführt. Mein Protagonist entscheidet, weil er so Handeln will. Selbst die bösartigen Rufer sind - grundlegend betrachtet - kein Grund zu morden. Man trifft Entscheidungen zum Teil aus Zwängen, Notwendigkeiten: Aber auch weil man sie treffen will - nicht nur in solch extremen Situationen.
Man kann das natürlich weiterspinnen: Gibt es das Böse im Menschen? Ein Schicksal? ... war er verloren, als die Tür zugefallen ist? Hätte es den Mob nicht gegeben ...

Tja, das haben wir nun davon, wenn wir so einen Titel nehmen.
Mit dieser Feststellung bist du doch ganz nah am Thema meiner Geschichte: Ich habe entschieden, so zu schreiben. Ich hatte die Wahl an der Challenge teilzunehmen oder nicht. Meine zweite Idee zum Thema hätte ich für den Wettbewerb posten können ...
Dann wärst du wahrscheinlich nicht geschockt.

Geschockte Grüße von Chutney
Sorry, der Text ist wirklich nicht wegen des Schockeffekts geschrieben worden!

Ich wünsche dir eine gute Zeit, danke fürs Lesen,

liebe Grüße,

Woltochinon

 

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