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Die Angst vor der Angst

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23.08.2007
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Die Angst vor der Angst

Angst


„ Dieses Gefühl, das der Tag heute dein letzter ist, weil du irgendwann keine Kraft mehr hast, gegen diesen Klos im Hals anzukämpfen, weil du deine plötzlichen Attacken von Schwindel, Herzklopfen, Todesangst vor andern nicht mehr verbergen kannst, weil du nicht mehr fertig wirst mit der Angst vor dem Leben und der noch größeren Angst vor dem Sterben. LEBEN nennst du diesen Zustand schon lange nicht mehr. Wie lange schon wird dein Aktionsradius täglich kleiner, schränkst du deine Bewegungsfreiheit immer mehr ein – bis auf ein Minimum. Zuerst die Angst vor Kaufhäusern: Na ja die vielen Leute. Dann die Angst am Arbeitsplatz: Na ja der viele Lärm und Streß. Dann plötzliche Angst bei Freunden, vor dem zusammensein, Angst vor dem Alleinsein, Angst vor der Angst.
Jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde immer ist die Angst da <Allgegenwärtig> sie bestimmt alles, Familie, Freunde und Bekannte.
Wenn du ohne Kraft mehr in die Angst hineingehst, es nicht schaffst, ziehst du dich immer weiter zurück. Wie lange noch, wann hört das endlich auf. Du fühlst dich als Versager und kannst es nicht ändern, denn niemand kann dir helfen, noch nicht einmal Gott.“

Samstag, 05.12.1998, Frühschicht ca. 6.00 Uhr morgens. Wir sind im Werk Mannheim des VW Konzerns (LKW-Montage). Es ist laut von den Schlagschraubern, Neonlicht, Staplerfahrer die auf ihren Dieselmaschinen eilig Material an vorgeschriebene Plätze manövrieren.
Der Streß ist in mir.
Hektisch versuche ich mein Fahrzeug zu bauen, d.h. Leitungen für die Bremse und Luftfederung werden am Fahrzeugrahmen verlegt und festgezurrt, Ventile werden angeschlossen, Steckverbindungen werden geprüft.
Ich schwitze.
So folgt Fahrzeug an Fahrzeug, ein Vierachser, eine Sattelzugmaschine, ein Zweiachser usw. kein Fahrzeug gleicht dem andern.
Ich bin unsicher ob ich das alles schaffe. Ich der vier Jahre Technikerschule (Abendschule, Montags, Dienstags und Donnerstags von 17.30 Uhr bis 21.45 Uhr, In der Frühschicht und jeden Samstag von 7.45 Uhr bis 12.45 Uhr plus 45 min Fahrzeit d.h. 22.30 Uhr zu Hause, 23.30 Uhr schlafen, 04.15 Uhr aufstehen und das lernen für die Schule nicht zu vergessen. Projektarbeiten, Klausuren und Prüfungen) hinter mir habe, der Gruppensprecher, der Meistervertreter, der Qualitätskümmerervertreter der Qualitätsunterstützervertreter, kurz der, der alles kann, den seine Vorgesetzten in die Potenzialbörse gehievt haben um einmal Führungsaufgaben zu übernehmen.
Um 10.00 Uhr kommt mein Meister auf mich zu und sagte das er mich einmal sprechen wollte. Ein Springer übernimmt meinen Arbeitsplatz. Wir gehen in den Vesperraum und holen uns einen Kaffee.
Wir setzen uns ans Fenster, keiner ist da, nur Gerhard und ich.
Er sagt zu mir:„ In der Gruppe 14 wollen sie dich zum Meister machen, der Abteilungsleiter und Betriebstechniker sind informiert und einverstanden, erzähle aber niemand etwas davon, denn es ist noch inoffiziell.“
Freude, Angst und ein ungutes Gefühl vermischen sich in mir.
Schaffe ich das oder werde ich auch versagen, wie viele andere vor mir die man erst gelobt und denen man dann einen Tritt in den Arsch gegeben hat.
Ich zitterte und sagte:„ Ich glaube es erst, wenn ich es von oben persönlich gesagt kriege, es wird viel erzählt und noch mehr geändert“.
Schweigen.
Wir trinken unseren Kaffe aus und ich gehe an meinen Arbeitsplatz.
Ich baue meine zwei Autos fertig, 12.00 Uhr Feierabend.
Ein Gefühl von Freude und Angst läßt mich nicht mehr los, ich bin voller Gedanken.

12.30 Uhr ich bin zu Hause, Daniela, meine Frau, mit der ich seit dem 28.09.1990 glücklich verheiratet bin und eine Tochter, Lisa, sechs Jahre, habe, erwartet mich schon. Sie hat Kaffee aufgesetzt und fragt mich, wie es war im Geschäft.
Ich sagte wie immer „beschissen“ und erzählte ihr von der möglichen Meisterstelle.

Als ich mich setzte wurde mir flau im Magen, ein Gefühl der Unwirklichkeit stieg in mir auf. Ich dachte, ich kippe um. Jetzt ist alles vorbei.
Ich ging nach oben ins Schlafzimmer, zog mich aus und legte mich ins Bett, es wurde schlimmer, ich stand auf ging ins Arbeitszimmer dann wieder ins Schlafzimmer ich fing an schneller zu Atmen aber, das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, ließ mich nicht mehr los, es wurde immer schlimmer.
So gegen 13.00 Uhr sagte ich zu Daniela:"Lass uns bitte ins Krankenhaus fahren, sie machte sich Sorgen."
Im Auto öffnete ich das Fenster, streckte meinen Kopf heraus um mehr Luft zu bekommen, ich war fast bewußtlos. Ich zitterte am ganzen Körper und hatte Angst zu sterben, gerade jetzt, wo man mir eine Stelle als Meister anbot.

Im Krankenhaus hatte ich echt Glück, in der Ambulanz war kein Patient, ich schwankte hinein und sagte zur Schwester:"Ich glaube, ich kippe gleich um". Ich zeigte ihr meine zitternden Hände und sie sagte „kommen sie rein und setzen sie sich erst einmal auf die Liege“.
Sie wirkte sehr beruhigend auf mich, fragte nach meinem Namen, meinen Symptomen und nach meinem Versichertenkärtchen.
Sie legte mir ein EKG an und nahm mir Blut. Danach rief sie die Ärztin.
Nach ca. 10 min kam dann eine junge Assistenzärztin zu mir und fragte mich was los sei. Ich erklärte ihr meine Symptome und sie sagte „EKG ist in Ordnung“. Das Blut würde gleich abgeholt werden und so langsam ging es mir besser.
Sie fing an mich abzuhören und als ich schneller Atmen sollte fingen die Symptome wieder an. „Ich glaube, ich weiß, was sie haben“ sagte sie, ich fragte:„was?“, sie gab mir keine Antwort.
Als die Blutergebnisse kamen sagte sie „Herr Schoch sie haben hyperventiliert“. „Was ist das?“ fragte ich, sie erklärte mir, dass ich zuviel Sauerstoff im Blut hätte und es käme von seelischem Streß. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich schon eine Vorahnung, dass ich psychosomatisch krank war.

Ich, der Mann, der alles kann, der die vier Jahre Abendschule, Schichtarbeit, Familie und einen Umzug unter einen Hut gebracht hatte, der mit vier, fünf Stunden Schlaf ausgekommen ist. Bei dem jetzt eine Entspannung in seinem Leben eingetreten ist. Schule zu Ende, Haus umgebaut und fertig, der sich auf eine ruhigere Zukunft ohne Streß gefreut hat.
Der sich jetzt seiner Familie widmen wollte, die viel mitgemacht hat, durch die Schule, den Streß und Umzug. Der alles wieder gut machen wollte bei seiner Frau und Tochter, der soll jetzt seelischen Streß haben.
Nein.
Ich wollte es nicht wahr haben. Wenn überhaupt, warum nicht in der streßigen Zeit, denn dann hätte ich es verstanden. Aber jetzt.

Mir ging es wieder gut. Ich wurde entlassen und wir gingen nach Hause, meine Frau machte mir ein Antistreßbad sie brachte Justine ins Bett und wir redeten noch ein bißchen, dann schlief ich ein.

Das Wochenende verlief ohne Probleme, mir ging es gut aber am Sonntag abend hatte ich ein ungutes Gefühl. Mein Meister war in Urlaub, ich sollte Vertretung machen, was mir immer Spaß machte, aber jetzt redete ich mir ein, dass vielleicht alle auf mich schauten, dass vielleicht alle nur darauf warteten, dass ich einen Fehler mache und alle auf mich mit dem Finger zeigen und sagen:„Ätsch, du bist doch der falsche Mann, das haben wir schon immer gewußt“. Es gibt viele Neider in unserm Werk, aber ich weiß nicht, ob es mir gegenüber überhaupt welche gab.
Ich kam mit meinen Kollegen und meinem Meister sehr gut aus. Ich hatte für alles und jeden Verständnis. Probleme waren da um sie zu lösen und ich fetzte mich zwar öfters mit meinem Meister, aber es imponierte der Gruppe da ich fast alles durchsetzte und ihm, da ich ihm nicht in den Arsch kroch. Übrigens war es mein Grundprinzip, wenn eine Meisterstelle, dann nie auf Kosten anderer. Ich wollte es schaffen, dass man mir eine Meisterstelle anbot, nicht wegen Radfahrerei, sondern weil ich durch Leistung auf mich aufmerksam machen wollte. Wenn mir irgendwas nicht in den Kram gepaßt hätte ,was mir Herr Krämer anbot, hätte ich auf jeden Fall abgesagt. Mein Ehrenkodex „ Nie auf Kosten von andern, ich will mit ruhigem Gewissen in den Spiegel schauen“.

Montag, 07.12.1998 Spätschicht. Ich wartete, dass man mir die Meisterstelle anbot, aber es kam nichts. Herr Krämer kam öfters vorbei. Keine Reaktion.
Das ging die ganze Woche so bis ich Mittwochs schon ahnte, sie haben sich für einen anderen entschieden. Der Grund war mir schleierhaft, aber es bestätigte meine Befürchtung, dass sie mich nicht nehmen. Ich hatte zwar keinen Fehler gemacht, aber ich hatte unheimlich Angst irgendwann eine falsche Entscheidung zu treffen.

Freitag, 11.12.1998 ca. 21.00. Ich kam gerade aus dem Meisterbüro, da fing plötzlich wieder das seltsame Gefühl an, ich würde umkippen. Mir wurde schwindelig, ich setzte mich wieder und hangelte mich irgendwie über die zwei Stunden bis Feierabend.
Als ich wieder nach draußen kam, wurde es mir besser. Ich fuhr nach Hause.

Am Wochenende ging es mir gut aber ich war trotzdem beunruhigt. Was war bloß los mit mir.

Dienstag, 14.12.1998 Frühschicht, 5.30 Uhr. Ich kam von den Umkleidekabinen die Treppe hoch, öffnete die Tür zur Montagehalle und es kam mir wie durch den Kopf geschossen, den Tag hält’s du nicht durch. Schwindel und ein ungutes Gefühl kam in mir hoch. Vom Bauch bis zum Kopf durchdrang mich ein Gefühl der Angst. Ich hielt durch bis ca. 10.00 Uhr, dann ging ich zum Sanitäter. Dem erklärte ich mein Problem, er sagte „ Leg dich erst mal hin, ich werde dir den Blutdruck messen “, 140 zu 80
Puls 70, alles OK. Er holte den Arzt, der gab mir Baldriantropfen und ich entspannte mich auf der Liege. Nach zwei Stunden ging ich wieder in die Montagehalle, Schwindel und Angst überkamen mich wieder, ich drehte sofort wieder um und legte mich bis zum Feierabend um 14.30 Uhr auf die Liege. Als ich das zweite mal zurückkam, nahm mich niemand mehr ernst, alle dachten, ich bin ein Simulant.

Ich fuhr mit Schwindel nach Hause sagte zu Daniela:"Wir müssen wieder ins Krankenhaus." Als ich aber mein Geldbeutel nicht fand, übrigens das erste mal, dachte ich, "jetzt bist du reif für die Psychiatrie." Wir fuhren alle zum Werk, ich stieg aus und fragte den Pförtner, ob ein Geldbeutel abgegeben wurde, er verneinte die Frage und ich ging zurück zum Auto. In der Zwischenzeit fand Daniela ihn im Auto neben dem Sitz, ein Stein viel mir vom Herzen. Mir war immer noch schwindelig und Angst hatte ich auch noch. Im Krankenhaus war die Hölle los, eine Schwester pflaumte mich an, ich solle zum Hausarzt gehen, der hatte aber Urlaub. Daniela fuhr mich zu Dr. Emmerich, seiner Vertretung, der machte ein EKG ohne Befund, Blutdruck 140 zu 80, OK, schrieb mich aber krank bis zum 21.12.1998.
Danach ging es mir besser.
Unser Werk hatte vom 21.12.1998 bis 04.12.1999 geschlossen, so rettete ich mich ins neue Jahr.

Sonntag, 20.12.1998, Hatte ich gegen 22.00 eine Panikattacke, die Angst erreichte seinen Höhepunkt, ich dachte ich sterbe gefolgt von Herzrasen, Scheißausbruch, Schwindel und Panik nach ca. 10.00 min, war alles vorbei. Ich ging ins Wohnzimmer und konnte nicht schlafen, immer wenn ich die Augen schloß und kurz vorm einschlafen war, schreckte ich auf und dachte, wenn du jetzt einschläfst, wachst du nicht mehr auf. Außerdem hatte ich einen Klos im Hals, den ich auch etwa 3 Wochen vor dem ersten Anfall, immer mal wieder hatte.

Montag, 21.12.1998, Termin bei meinem Hausarzt Dr. Burg. Ich erzählte ihm alles und er verschrieb mir erstmals Dogmatil (Antidepressiva) und Stangyl zum Einschlafen. Er erklärte, dass ich zum Neurologen und zum HNO - Arzt müsse um körperliche Möglichkeiten meines Schwindels, meiner Angst und meines Kloßes im Hals auszuschließen.
Das Dogmatil verstärkte mein Schwindel mit dem Stangyl konnte ich gut schlafen, aber die Angst und der Schwindel blieb.

Freitag, 25.12.1998, Weihnachten bei meiner Schwester Marion in Kuhardt.
Ich hatte schon Angst hinzugehen. Die Angst, es könnte etwas passieren, schränkte mich immer weiter ein. Beim Essen war es dann soweit, ich dachte ich kippe um.
Ich verkroch mich in ein Zimmer und hielt die Panikattacke durch. Ich informierte alle über meine Beschwerden, Daniela und meine Mutter machten sich die meisten Sorgen. Nach einer Stunde war alles vorbei und im Gespräch mit allen vergaß ich auch meinen Schwindel, der aber abends wieder kam.

Montag, 04.01.1999, Dr. Burg schrieb mich nochmals krank bis 18.01.1999 und er verschrieb mir Autogenes Training, außerdem hatte ich noch einen Termin beim Neurologen. Nach eingehender Untersuchung mit EEG, usw. stellte er nichts fest. Ich war neurologisch kerngesund.
Danach ging es mir zumindest an dem Tag sehr gut.

Meine Schwester Gaby arbeitet im Diakonissenkrankenhaus in Rüppur. Sie ist eigentlich der Fachmann aller Fragen zur Gesundheit, sie machte einen Termin bei Dr. Hohn im Krankenhaus aus. Er ist unteranderem auch Psychiater und Chefarzt in der Rehageriatrie.

Mittwoch, 13.01.1999, um 9.00 Uhr hatte ich einen Termin mit Herrn Huditz von der AOK wegen einer Präventionsmaßnahme (Autogenes Training). Er unterhielt sich fast eine Stunde mit mir und genehmigte das Training. Ich ging regelmäßig jede Woche hin 10 Stunden lang.
15.00 Uhr Termin bei Dr. Hohn, nach ausführlichem Gespräch und einer Untersuchung meiner Adern im Hals und Kopf (OB) sagte er „ Sie haben sich die letzten Jahre übernommen, es wird ihnen bald besser gehen. Die Tabletten sind gut aber für ganz schlimme Zeiten nehmen sie noch ein paar Bespar mit.“ Danach überwies er mich an Frau Dr. Scheipers (Fachärztin für Psychiatrie). Sie besuchte ich regelmäßig alle 14 Tage.

Samstag, 16.01.1999, Stuttgart Musical Miss Saigon, morgens macht ich mir schon Sorgen wie ich den Tag durchstehen sollte. Ich hatte furchtbare Angst vor den vielen Menschen, der Fahrt nach Stuttgart usw. aber ich wollte nicht absagen, da Daniela und ich schon vor sechs Monaten gebucht hatten (erste Reihe, Karte 200 DM).
Die Fahrt machte mir schon Probleme aber als wir ins SI – Zentrum hineingingen war es ganz schlimm. Ich weiß nicht, wie ich den Abend geschafft habe, aber auf der Rückfahrt ging es mir sehr gut.

Sonntag, 17.01.1999, ich lag nur im Bett, mir ging es sehr schlecht. Angst, Schwindel und Panik wechselten sich ab.

Montag, 18.02.1999 Arbeitsbeginn, Kaizenworkshop von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr.
Die ganze Woche ging es mir relativ gut.

Donnerstag, 21.01.1999, Gespräch mit Dr. Hohn, da ich erst am 26.01.1999 einen Termin mit Frau Dr. Scheipers hatte.

Dienstag, 26.01.1999, Gespräch mit Frau Dr. Scheipers. Sie erklärte mir alles noch einmal mit der Angst und beruhigte mich. Ich solle in die Angst hinein gehen und sie aushalten.

Montag, 08.03.1999 Herr Krämer bot mir eine neue Arbeitstelle als Technischer Sachbearbeiter an, (Qualitätsunterstützer auf Normalschicht, war ich schon Vertretung, mit Schreibtisch und PC usw.), ich solle die Stelle am 01.04.1999 besetzen.

Dienstag, 09.03.1999 Eskalation der Angst, sie steigerte sich von Ende Januar bis jetzt. Der Schwindel wurde unerträglich, ich konnte während der Arbeit kaum noch laufen und ging zum Sanitäter. Es folgten Baldriantropfen und ausruhen. Ein Arbeitskollege fuhr mich heim.

Mittwoch, 10.03.1999 Dr. Scheipers setzt Dogmatil und Stangyl ab und gibt mir Imipramin und Imipramin Schlaftabletten (Desimipramin oder so).
Die mir aber auch nicht die Angst vor der Angst nehmen. Krankgeschrieben bis 28.03.1999

Samstag, 13.03.1999 Essen mit Klassenkameraden in einer Pizzeria. Wieder morgens aufgewacht und gedacht wie soll ich den Tag durchstehen. Steigerung bis zur Panikattacke in der Pizzeria. Ich mußte den Raum verlassen. Zum Essen wurde ich geholt und brachte den Tag mehr schlecht als recht über die Zeit.

Sonntag, 14.03.1999 Ich konnte den Tag nicht aus dem Bett gehen. Angst, Panik und Schwindel wechselten sich ab.

Montag, 15.03.1999 Dr. Scheipers setzt Imipramin ab und gibt mir Tafil 0.5 (Tranquilizer) und Seroxat (Antidepressiva) mit dem Hinweis, dass die Tafil süchtig machen und ich sie nur eine zeitlang nehmen darf.
Die Tabletten wirken Wunder, innerhalb einer Woche war ich fast wieder der Alte.
Tafil nahm ich morgens mittags und abends eine Tablette, Seroxat nur morgens eine Tablette. Nach einer Woche kam ich mit einer Tafil morgens und abends aus plus Seroxat.

Montag, 29.03.1999 Arbeitsbeginn. Mir ging es fast wieder gut.


Montag, 12.04.1999 Termin bei Frau Rost (Werkspsychologin, Vertretung für Herrn Weghöft der eigentlich für mich zuständig war, war auf einem Seminar). Ich wußte nicht, ob sie mir helfen konnte um so überraschter war ich, dass ich nicht der einzige Psychosomatisch Kranke war im Werk. Außerdem informierte sie meinen Teamleiter und versprach mir mich aus den üblichen Krankengesprächen herauszunehmen. Sie riet mir, an einer eigens für unser Werk gegründeten Selbsthilfegruppe, teilzunehmen. Dort waren Leute die Angst, Depressionen und Problemen mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten hatten.
Was mich traurig stimmte war, dass alle den Grund wussten, warum sie krank waren, nur ich nicht. Jeder konnte einen Hebel ansetzen, nur ich nicht. Warum?
Dienstag, 20.04.1999 Dr. Scheipers sagte ich solle eine Verhaltensterapie beginnen, mit dem ich einverstanden war. Es ist gar nicht so leicht in Karlsruhe einen Verhaltensterapeuten zu finden. Ich setzte alle Hebel in Bewegung und hatte bald bei zwei Therapeuten einen Termin. Der Erste lag mir überhaupt nicht, da er mich drängte immer ezwas zu erzählen, außerdem stellte er keine Fragen. Bei Herrn Claus, der mir sympathisch erschien, begann ich eine Therapie. Zu der Zeit nahm ich höchstens noch eine Tafil am Tag und mir ging es immer noch einigermaßen gut. Aber die Zeit nach dem Tafil machte mir Angst.

Montag, 03.05.1999 Es ging mir immer schlechter. Gerade im Werk hatte ich Probleme. Das Neonlicht der Streß und der Lärm machten mir zu schaffen. Herr Weghöft der mir anbot, immer zu ihm kommen zu können, sagte, ich solle eine Kur beantragen. Nur so könne mir gezielt geholfen werden. Ich sprach mit Daniela, die über alles informiert war und auch zu Herrn Claus ein paar mal mit in die Therapie ging sagte, ich solle es machen. Ich war nicht so begeistert, aber es ging mir wieder schlechter und ich entschied mich auch dafür. Herr Claus war eigentlich nicht dafür, da es nach Flucht aussähe. Frau Dr Scheipers füllte aber auf meinen Wunsch die Formulare aus und Herr Weghöft legte ein Schreiben hinzu.

Sonntag, 30.05.1999 Herr Claus, der schon zwei Termine platzten ließ, war nicht erreichbar. Mir ging es so schlecht trotz Tafil, dass ich mich entschloß in die Karlsruher Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie zu gehen. Ich wollte unbedingt Hilfe ohne Tabletten und eingewiesen werden, da Daniela und Lisa sehr unter meinem Zustand litten. Die Ärztin war sehr nett, meinte aber sie hatten kein Bett frei, nach Wiesloch (Kreiskrankenhaus) einen Krankentransport zu organisieren, sei ihrer Meinung nach übertrieben und außerdem seien Angstzustände gut ambulant zu therapieren. Sie gab mir ein Neuroleptika (Atosil oder so). Ich glaube das Gespräch brachte mir mehr als das Atosil, auf jeden Fall ging es mir gut danach. Als ich Herr Claus, am nächsten Tag, telefonisch erreichte, nahm er mich endlich ernst und traf sich fast jeden Tag mit mir. Er fragte mich mehrmals was mich an meiner Arbeit stört, ich sagte immer nichts.

Montag, 07.06.1999 am Arbeitsplatz hielt ich es nicht mehr aus. Ich war ohne Tafil und hatte schon morgens Angst. Um 9.00 Uhr ging ich zu Herrn Weghöft bei dem ich schon Stammkunde war. Er fragte mich, was ich an meinem Arbeitsplatz ändern könnte, dass es mir besser ging, ich sagte:"Ws ist laut und hektisch in unserem Büro, außerdem sehr heiß, aber ich könnte ins Nachbarbüro gehen das ist klimatisiert und fast leer und geräuscharm." "Gut", meinte er,"was stört sie noch?"
"Die Sitzung mit Herrn Krämer (Choleriker) um 14.15 ist sehr unangenehm für mich, da die Fehlerquote der Fahrzeuge die vom Band abgelaufen sind ein wenig angestiegen ist."
"Haben Sie ihre Arbeit richtig gemacht?"
Ich bejahte dies, denn ich hatte alle zuständigen Meister jeden Tag über die Fehlerquote informiert.
"Übernehmen sie nicht die Verantwortung, die sie gar nicht haben.
Außerdem werde ich mit Herrn Claus telefonieren, was man noch tun kann."
Um 13.00 hatte ich eine Panikattacke, ich dachte, ich wäre für eine zehntel Sekunde ohne Bewußtsein gewesen und das versetzte mich so in Angst, als würde ich einen Schlaganfall bekommen. Ich schleppte mich zum Werksarzt, der flößte mir irgend etwas Pflanzliches ein und beruhigte mich. Um 14.00 Uhr ging ich nach Hause und legte mich hin. So gegen 19.00 Uhr ging ich wieder in die Psychiatrie und wollte unbedingt eingeliefert werden. Die Ärztin führte mit mir ein langes Gespräch und gab mir wieder Atosil, was mich aber nicht beruhigte. Ich ging nach Hause und schlief ein. Für den Rest der Woche hatte ich mir Urlaub genommen.

Dienstag, 08.06.1999 Ich kam nicht mehr aus dem Bett, geschweige denn konnte ich das Haus verlassen. Nur mit aller Kraft konnte ich aus dem Haus, denn ich hatte um 17.00 Uhr einen Termin bei Herrn Claus. Daniela fuhr mich, ich hatte Angst, war benommen und dachte immer mein Kopf spielt mit mir verrückt, irgendwie wie einen Krampf im Gehirn oder fehlende Durchblutung. Mir war der Gedanke an einen Suizid auf der einen Seite angenehm auf der anderen Seite, wollte ich aber unbedingt leben. Ich war innerlich zerrissen. Um 16.40 Uhr klingelte ich bei Herrn Claus. Er öffnete die Tür und schrie mich an, ich solle um 17.00 Uhr erscheinen und nicht um 16.40 Uhr für was mache man Termine?, wenn ich früher komme, störe ich ihn nur. Er warf die Tür zu.
Bumm.
Ich war wie vor den Kopf gestoßen und wollte nach Hause gehen, aber die Neugier, was er mit Herrn Weghöft besprochen hatte, hielt mich da. Also wartete ich bis 17.00 Uhr. Er ließ mich ein und wies mich mit lauter Stimme nochmals an, ich solle pünktlich um 17.00 Uhr erscheinen. Manche Patienten möchten nicht gesehen werden, gab er als Grund an. Danach sagte er, ich solle ihm von Herrn Krämer erzählen, da ihm Herr Weghöft von Mobbing berichtete. Um mir zu helfen müsste ich ihm alles erzählen, außerdem hatte er mich öfters nach meinen Problemen an der Arbeitsstelle befragt und ich habe alles verneint. Er hatte in dem Punkt recht, dass ich ihm alles erzählen müsse, um mir zu helfen, aber es ist einiges schief gelaufen. Ich klärte ihn auf, erzählte ihm alles Über die Firma und über Herrn Krämer, der mich förderte und mich noch nie gemoppt hatte. Ja, im Gegenteil, er war es, der mir eine Stelle als techn. Sachbearbeiter anbot. Außerdem hatte mich Herr Weghöft direkt situationsbedingt nach meinem Arbeitsplatz in einer Angstphase befragt, Herr Claus nicht. Als er und ich uns beruhigt hatten fragte ich ihn, ob er das nicht in einem anderen Ton hatte sagen können. Er meinte:„ nein“. Alle tanzen nach meiner Pfeife, die Familie und Herr Weghöft aber er nicht.
Wir brachten das Gespräch zu Ende. Ich hatte Wut, Enttäuschung, Angst und Schwindel als ich auf Daniela wartete.

Donnerstag, 10.06.1999 Termin bei Dr. Scheipers. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Frau Dr. Scheipers erzählte ich die Probleme mit Herrn Claus. Ich hatte Zukunftsängste, ich war nicht fähig zu arbeiten und hatte kein Tafil. Sie sagte, ich solle von meinen Problemen nicht davon rennen und sie würde mich nicht krank schreiben.
Ich war ratlos und fing das erste ´Mal an zu heulen. Nach einer Weile, sagte sie, ob ich nochmals Tafil wolle, denn das wäre das kleinste Problem. Sie schrieb mir ein Rezept und wies mich darauf hin, dass ich nochmals mit Herrn Claus sprechen solle, bevor ich die Therapie abbrechen würde. Das war für mich kein Problem.
"Kommen sie am Donnerstag kurz vorbei und berichten sie."

Montag, 14.06.1999 Trotz Tafil (morgens eine, mittags eine halbe) ging es mir schlecht. Ich informierte meinen Meister und schilderte meine Situation. Er viel aus allen Wolken
"ich rede mit Herrn Krämer, du nimmst deinen ganzen Urlaub und Überstunden bis die Kur durch ist."
Gesagt, getan, ich nahm 14 Tage Freischicht und 26 Tage Urlaub. Herr Krämer hatte nichts dagegen und so ging ich heim.
Um 17.00 Uhr hatte ich einen Termin bei Herrn Claus redete mit ihm und klärte alle Probleme, die ich mit ihm hatte. Es war ein sehr gutes Gespräch, das mich ein Stück weiter brachte.

Donnerstag, 17.06.1999 Dr. Scheipers war böse, dass ich Urlaub genommen hatte, ich soll halt nicht vor meinen Problemen davonrennen, und das Schlimmste war, sie verschrieb mir kein Tafil mehr.

Dienstag, 22.06.1999 Termin bei Dr. Schnorrpfeil (Neurologe), der Schwindel ist stärker geworden, ich wurde immer unsicherer. Jedes Ziehen, Drücken, Kribbeln und Stechen löste bei mir Angst und Panik aus. Die Untersuchung war ohne Befund.

Dienstag, 29.06.1999 Dr. Emmerich schreibt mir 20 Tabletten Tafil auf. Ich nehme mir Herrn Claus Rede zu Herzen aktiv zu bleiben und fange an unsere Terrasse umzubauen, dabei geht es mir besser. Am Donnerstag hatte ich nachts eine Panikattacke und traue mich jetzt kaum noch aus dem Haus. Einkaufen ist nicht mehr möglich. Meine Familie leidet sehr darunter. Ich hoffe ich habe genügend Kraft mir zu helfen.

Was ich noch erwähnen wollte:

Die ganze Zeit über lag ich überwiegend im Bett.

Den Tod meines Vaters habe ich nie verarbeitet. Außerdem starb im August 1998 mein Onkel an einem Herzinfarkt, was mich sehr mitnahm.

Die Angst ist langsam in mir gewachsen. Jeden morgen, wenn ich zur Arbeit mußte hatte ich immer ein flaues Gefühl im Magen (10 Jahre lang).

Ab November sagte Daniela, dass ich so rastlos bin d.h. mir war langweilig, das Haus war fertig, ich hatte keine Schule und es war sehr ruhig (eine Entspannung machte sich in mir breit). Eigentlich freute ich mich auf die Zeit nach der Schule, ich wollte das Leben genießen, mit Daniela essen gehen, Kino, Theater, Oper usw. und mich ausgiebig mit meiner Tochter beschäftigen. Eigentlich alles wieder gut machen.


Ich bin übermäßig zuvorkommend, freundlich und hilfsbereit aber nur zu Bekannten und Verwandten, nicht meiner Familie gegenüber. Was mich sehr belastet, denn da lade ich meinen Frust ab.

Ich mache mir große Sorgen um meine Zukunft, werde ich wieder arbeiten können, werde ich alles bei meiner Familie wieder gut machen können. Ich möchte so gerne am Leben Freude haben, wieder einkaufen, aus dem Haus gehen, mit Lisa spielen, mit Daniela lachen und das Leben wieder genießen können. Und all das ohne Tabletten und Ängste.

 

Hallo Juszzz,

du hast da eine stark autobiografisch anmutende Geschichte geschrieben. Für meinen Geschmack ist es grenzwertig, den Text als Geschichte zu bezeichnen. Ich würde ihn seiner Form nach eher als Bericht klassifizieren.

Und da sind wir auch schon am Hauptkritkpunkt angelangt: Er ist eben nicht mehr als ein Bericht. Was du da schreibst, klingt durchaus authentisch nach der Ausdrucksweise von jemand der am Taktband steht und sich seinen Frust oder seine Angst von der Seele schreibt, aber spannend, packend und leider auch zu Mitgefühl anregend ist der Text nicht.

Das liegt an dem adressbuchartigen Stil, in welchem du die halbe Firma aufzählst. Das liegt an der ständigen Wiederholung des Wortes Angst, so dass man es mit der Angst zu tun bekommt, nochh 100 mal "Angst" lesen zu müssen. Das liegt an den sterotypen Satzstrukturen, die immer nur wieder das ewige "alles-ist-scheiße", "mir-geht-es-scheiße" wiederholen.

Lesefreude sieht anders aus, sorry,

lieben Gruß,

AE

 

Hallo juszzz,

drei Dinge, die du in deiner Geschichte, die eher eine Reportage ist, sehr gut herausgearbeitet hast, möchte ich besonders beleuchten, weil ich finde, das Thema verdient es, genauer betrachtet zu werden:

du schilderst nachvollziehbar die Entstehung der Angst, ihre Manifestation als Langzeitkrankheit und es wird auch sehr deutlich, weshalb dein Protagonist den Weg heraus nicht findet.

Die Anzahl derjenigen Menschen, die in der BRD Angsterkrankungen erleiden, ist im Steigen begriffen. Ich kann dir nicht mit Zahlen aushelfen, aber die Zahl steigt. Sie steigt, weil die Ursachen, die diese Erkrankung auslösen, angewachsen sind.
Du beschreibst eindrücklich wie sehr engagiert dein Protagonist handelt, was er alles kann, was er alles tut, was er sich alles aufgeladen hat. Ihm muss doch förmlich der Kopf nur so schwirren bei all diesen Aktivitäten.
Wenn man Krankheit als Weg, besser gesagt als Ausweg begreift, dann versteht man, dass diesem Protagonisten zwei Dinge nur passieren konnten:

entweder er stirbt oder der Körper sucht sich einen anderen Weg, um die Notbremse zu ziehen.
Denn einmal zuende gedacht: dieser Protagonist hätte all diese Aktivitäten fortgeführt. Das hält kein Mensch aus! Wir leben aber in einer Gesellschaft, in der jeder dem anderen beweisen möchte, dass mans aushält. Und weil das so ist, und wir uns ständig unermüdlich tausend Dinge aufbürden, wächst auch die Anzahl derjenigen Personen, die über solch eine Angsterkrankung aussteigen aus dem gesellschaftlichen Irrsinn. Vielleicht ist sehr vielen gar nicht bewusst, dass sie auf diese Weise aussteigen.

Der eine kriegt es am Rücken , der andere entwickelt die schlimmste Allergie, der nächste gerät in den Strudel heilloser Ängste. Arbeitsunfähig sind alle drei.

Du beschreibst wunderbar, wie sehr sich dein Protagonist weiterhin, trotz der Notbremse, die sein Körper gezogen hat, unter Druck setzt. Er weigert sich zu akzeptieren, dass er mindestens einen Gang zurückschalten muss. Er lässt sich Medikamente verschreiben, er kämpft wie ein Löwe gegen diese Erkrankung.

So sehr, dass man am liebsten sagen möchte: warte doch mal eine Sekunde ab und versuche diese eine Sekunde zu akzeptieren, dass du nach wie vor ein Mensch bist, ein Mensch mit Schwächen, so wie alle Menschen.

Dein Text wirkt ganz besonders intensiv auf mich, als habe dich jemand getrieben, der Protagonist lässt keine Kleinigkeit aus in seinem Bericht, er verkrampft sich in jedes Detail und schildert und schildert und merkt gar nicht, dass er sich insoweit unendliche Male wiederholt hat.

Aber durch diese Darstellung wird deutlich, dass er sich nicht aus seiner Krankheit heraus, sondern nur tiefer hinein bewegt. Er untermauert mit seinem Verhalten geradezu die Symptome.
Ich finde, insoweit ist dir ein Text gelungen, indem alle Antworten enthalten sind. Er wirkt lebensecht.

ABER und nun kommt meine Kritik als deine Leserin:

die Geschichte ist langatmig und damit verliert sie an Gehalt und wenn etwas an Gehalt verliert, dann wird es leider langweilig.

Das Problem ist, dass dieser Geschichte ein Spannungsbogen fehlt.

Was könnte so ein Spannungsbogen bei so einer Geschichte sein? Aus meiner Sicht wäre es die Fortentwicklung deines Protagonisten. Die innere Fortentwicklung zum Beispiel.
Im ersten Teil deiner Story sollte/könnte stehen, was für ein Problem deinen Protagonisten plagt. Hier wäre sicherlich wichtig, dass dem Leser einerseits die Tragweite der Krankheit deutlich wird, aber auf der anderen Seite wäre es ein schlimmer Fehler, den Leser für dumm zu halten.

Wenn ich dir sage, lieber juszz "ich habe Angst", dann hast du es jetzt eben gelesen und du hast es in deinem Gedächtnis gespeichert. Wenn ich dir in drei Minuten wieder sage, "ich habe Angst", dann magst du vielleicht noch höflich sein und denken, ok, sie ist wirklich sehr angstvoll, es beschäftigt sie doch wohl sehr. Tu ichs aber ein drittes, viertes Mal, wirst du ungeduldig, denn ich setze dich mit dieser Wiederholung unter Druck.Ich sage damit nämlich, dass ich dich für einen vergesslichen Leser halte oder einen Ignoranten oder einen der sehr schwer von Begriff ist. Das ist für dich verletzend und setzt dich unter Druck, dich mir gegenüber zu rechtfertigen. Einen Leser unter Druck zu setzen, führt zur Ablehnung der Geschichte.

In deinem Bericht wiederholst du über Gebühr viele Male, dieselbe Situation. Der Leser hat bereits begriffen, worum es geht. Es bedarf nicht der Schilderung jeder kleinsten Verästelung der Ausgestaltung dieser Krankheit, um den Leser noch besser darüber zu informieren. Er wird dir abhauen und sich eine spannendere Geschichte zum Lesen suchen bei all diesen Wiederholungen.

Gut, also der erste Teil der Geschichte besteht darin, dass man ein Problem schildert. Der Protagonist steckt also tief drin in seinen Sorgen und als nächstes schilderst du, wie er versucht da rauszukommen. Wenn du die Spannung richtig erhöht hast, dann fiebert der Leser im zweiten Teil der Story mit dem Protagonisten mit.
Er sieht sich an seiner Stelle und sucht zusammen mit dem Protagonisten eine Lösung. Wenn du supergut die Spannung aufgebaut hast, steckt dein Protagonist am Ende des zweiten Teils tiefer drin im Mist als am Anfang. Er ist also noch hoffnungsloser dran. Dein Lohn wird sein, dass dir der Leser noch williger folgt und noch neugieriger auf das Ende der Geschichte sein wird.

Der dritte und letzte Teil deiner Geschichte ist die Auflösung. Dein Protagonist entwickelt sich. Er löst das Problem, er zieht sich selbst aus dem Sumpf seiner Sorgen, er gewinnt neue Erkenntnisse, er probiert was anderes aus, er bewegt sich.Oder schlicht, akzeptiert sein Leiden und arrangiert sich. Dann wäre es eine Story mit Happyend. Es geht aber auch, dass dein Protagonist sich zwar weiterbewegt, aber eben nicht in Richtung Happyend.

So könnte er beschließen, für immer im Bett zu bleiben. Er macht vielleicht sein Testament und verlangt nach dem Priester. Er stürzt sich in irgendein Ende hinein, das ihm als letzter Ausweg erscheint. So oder so wird dir der Leser folgen und wissen wollen, wie es mit dem Protagonisten ausgeht.

So wäre diese Reportage über eine Krankheit in der Lage in der Verpackung einer spannenden Geschichte dem Leser gute Unterhaltung zu bieten.


Vielleicht machst du noch was draus? Ich hoffe, meine Ausführungen konnten dich dazu ermuntern.

Lieben Gruß
lakita

 

Sorry, juszzz, aber das ist ein Bericht, mit dem du sicher in einem Selbsthilfeforum punkten kannst, aber keine Kurzgeschichte.
Falls du doch noch eine Geschichte daraus machen willst, solltest du unter anderem darauf achten, dass du nicht nur "Angst" und "Panikattacke" schreibst, sondern sie beschreibst, denn sonst können sich Leute, die nicht selbst davon betroffen sind, das überhaupt nicht vorstellen.

PS: Geschichten können und sollen hier nur die Moderatoren löschen, daher habe ich deinen anderen Text gemeldet.

Grüße
Chris

 

Hallo juszzz!

Ich fand es sehr interessant, was Du hier erzählst, wenngleich es auch noch nicht so recht die Form einer Geschichte hat. Vielleicht wird das ja noch.

Dafür müßtest Du Dich meiner Meinung nach vor allem von den genauen Datums- und Zeitangaben trennen. Da sich die Geschichte ja nicht über mehrere Jahre zieht, brauchst Du auch keine Jahreszahlen – für die Aussage der Geschichte sind die völlig nebensächlich, es reicht z. B. »zwei Wochen vor Weihnachten« etc., was sich auch viel schöner in den Text einbauen läßt.
Der Streß, den der Protagonist hat, läßt sich besser darstellen, wenn Du dem Leser einen dieser Tage zeigst, statt die Arbeitszeit und die Unterrichtszeit in Zeitangaben anzugeben. Zeige, wie er aufsteht, leise sein muß, um seine Tochter nicht so zeitig zu wecken, oder wie er von der Arbeit in die Abendschule hetzt und anschließend gerade noch zum Gute-Nacht-Sagen nach Hause kommt.

Dann solltest Du gewisse Schwerpunkte setzen, etwa die Arbeitsbedingungen in dem Werk, die Du nur wenig beleuchtest – natürlich nur, wenn Du wirklich der Meinung bist, daß sie etwas mit den Beschwerden des Protagonisten zu tun haben.
Was mir hier aber vor allem aufgefallen ist, ist der falsche Umgang der Therapeuten und Ärzte mit dem Patienten. Ein Therapeut sollte eine Vertrauensperson sein – jeglicher Kontakt mit dem Dienstgeber ist hier völlig fehl am Platz, und wenn dann noch der Dienstgeber damit droht, mit dem Therapeuten zu sprechen, aufdaß der mit ihm schimpfe, ist das absolut daneben.

Dr. Scheipers war böse, dass ich Urlaub genommen hatte, ich soll halt nicht vor meinen Problemen davonrennen, und das Schlimmste war, sie verschrieb mir kein Tafil mehr.
Er wird behandelt, wie ein kleines Kind, oder besser: Sie nehmen ihn als Mensch nicht ernst.
Was mich als Leser interessiert, sind nicht die Termine, wann und wo etwas stattgefunden hat, sondern diese Ungeheuerlichkeiten, die während der Gespräche da passieren. Dafür müßte der Protagonist sie natürlich auch sehen können, und dann würde er vermutlich aufhören, sich herumschicken zu lassen, sondern sein Leben selbst in die Hand nehmen, sich einen guten Therapeuten suchen (Wie findet man einen …?), und dann würde die Geschichte vielleicht »Die Angst hinter der Angst« heißen.

Chris Stone schrieb:
ein Bericht, mit dem du sicher in einem Selbsthilfeforum punkten kannst
Selbsthilfeforen sind eher ein gemeinsames Treten im Sumpf, und davon möchte ich abraten.
Wenn Du versuchst, hier draus eine richtige Geschichte zu machen, sie für den Leser nachfühlbar zu erzählen und, wie Chris auch sagt, die Dinge nicht nur beim Namen zu nennen, sondern zu zeigen, bringt Dir das durch die genauere Betrachtung auch selbst wesentlich mehr.

Viel Glück dabei,

liebe Grüße,
Susi :)

 

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