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Die Ansprüche des Herrn Schmitt

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11.08.2008
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Die Ansprüche des Herrn Schmitt

Die Ansprüche des Herrn Schmitt

Schmitt betrat das Haus durch die Vordertür. Seine Hände waren dreckig und blutverkrustet. Der Kerl hatte ordentlich gezappelt. Hatte nicht einsehen wollen, daß es zwecklos war. Ärgerlich drückte er die Klinke mit dem Unterarm hinunter, denn er wollte vermeiden, schon wieder putzen zu müssen. Er war kein guter Hausmann.
Drinnen saß Fred vor dem Fernseher und wirkte sehr entspannt. Er sah sich irgendeine Serie an und nahm von Schmitts Heimkehr nur am Rande Notiz. Es dauerte einen Moment, bis seine Aufmerksamkeit wieder soweit war, mit mehr als einer Sache gleichzeitig zurecht zu kommen. Dann begrüßte er seinen Mitbewohner.
„Und, alles glatt gegangen?“
„Kann nicht klagen“, raunzte Schmitt zurück, „der Bursche war zwar recht kräftig, ein paar gute Argumente haben ihn aber schnell überzeugt.“
Fred nötigte sich das von ihm erwartete Lachen ab. Er wollte wissen, ob die junge Dame in der Serie nun fremdgehen würde oder nicht. Sie hatte immer wie eine Nonne gewirkt und heute kamen ganz andere Seiten an ihr zum Vorschein.
„Hast du was von Johnson gehört?“ erkundigte sich Schmitt. Er schritt zur Spüle und begann, sich die Hände zu waschen.
„Wie? Hmja … er hat wieder ein paar Nachrichten hinterlassen. Einige neue Aufträge dabei. Für die nächsten Monate sind wir versorgt.“
„Prima.“ Wortlos fuhr Schmitt mit seiner Reinigung fort. Er merkte, daß Fred jetzt nicht gestört werden wollte und ließ ihm seine Ruhe. Er war selbst kein Mann vieler Worte und zufrieden, wenn wenig gesprochen wurde.

Nachdem er seine Hände einigermaßen vom Dreck hatte befreien können, begab er sich in den hinteren Teil des Gebäudes, zum Hundestall. Ein paar Meter vom Zwinger entfernt begann bereits das gewohnte, freudige Gebell. Als er die Tür öffnete, wurde er von Emil stürmisch begrüßt. Emil, das war ein klasse Tier, eine Mischung aus Deutschem Schäferhund, einer Bulldogge und noch etwas viel größerem, unbekanntem. Wenn er sich auf die Hinterpfoten stellte, überragte er Schmitt um gut eine Kopflänge, und Schmitt war nicht gerade klein.
„So Emil, jetzt gibt’s was Feines. Braver Bursche!“ lobte Schmitt, der Mühe hatte, den Liebkosungen Emils standzuhalten. „Jetzt geht’s wieder raus. So, auf, hol‘s dir!“ Schmitt löste den Hund von der Leine und ließ ihn durch seine Klapptür ins Freie. Lächelnd sah er zu, wie Emil schwanzwedelnd und schnuppernd am nahen Waldrand verschwand.

„… Objekt 53. Name: Christoph Kowaltzki, männlich, 43 Jahre alt, Elektroingenieur, unverheiratet, lebt derzeit alleine, Foto und Adresse wurden gefaxt. Objekt 54. Name: Stefan Eigels, männlich, 37 Jahre alt, Beamter, verheiratet, drei Kinder im Alter von zwei, drei und neun Jahren, Foto und Adresse wurden gefaxt. Objekt 55. Name: Roswitha Berenger, weiblich, 51 Jahre alt, Hotelmanagerin, verheiratet, keine Kinder, lebt derzeit alleine, Hinweis: möglicherweise bewaffnet, Foto und Adresse wurden gefaxt. Objekt 56 …“
Schmitt hörte konzentriert die jüngsten Aufträge durch, die Johnson hinterlassen hatte und machte sich Notizen in sein Merkbüchlein. Am Ende der Aufzeichnung angekommen, nahm er das Band aus dem Anrufbeantworter, verbrannte es und legte ein neues, leeres ein.

Die beiden Männer saßen sich gegenüber und aßen. Fred hatte etwas Leckeres aus Huhn und Chili zubereitet, das beiden schmeckte. Auch in anderen Bereichen teilten sie einen recht ähnlichen Geschmack.
„Hast du Emil gesehen? Der ist vor einer halben Stunde zurückgekommen. Ich glaube, ich habe noch nie einen so zufriedenen Hund gesehen.“ Fred lachte leise.
Auch Schmitt mußte grinsen. „Ja, der sah recht satt aus. Liegt hinten und schläft. Hat ein schönes Leben, der Kerl.“
Fred überlegte kurz und dann, zögerlich, zwischen zwei Bissen, fragte er: „Schmitt, findest du eigentlich, daß wir genug verdienen?“
Schmitt blickte seinem Gegenüber träge in die Augen, kaute etwas langsamer, sagte aber nichts.
Ein Wortschwall brach aus dem verunsicherten Fred hervor: „Sieh mal, du hast heute zwei gemacht und ich einen. In letzter Zeit sind wir täglich bis zu viermal draußen. Okay, es gibt ein paar Hunderter pro Nase, das ist nicht schlecht. Aber weißt du, was auf dem freien Markt möglich sein soll? Ich habe gehört, dort wird teilweise das Fünffache von dem geblecht, was Johnson uns zahlt. Und denk an deinen Rücken! Ich weiß nicht, ob deine Versicherung auch einen Rückenschaden abdeckt. Du gehst also ein ganz schönes Risiko ein! Und immerhin machen wir gute Arbeit. Es gab noch nie Beschwerden. Das sollte Johnson mehr wert sein, meinst du nicht auch?“
Schmitt sog geräuschvoll die Luft ein und rollte, noch immer kauend, mit den Augen. Bedeutungsvoll ließ er ein paar Sekunden verstreichen, um dann geduldig zu antworten.
„Was soll ich dazu sagen? Natürlich wäre mir mehr Geld lieber. Aber Johnson ist ein zäher Geschäftspartner. Außerdem hat sich das Ganze in den letzten Jahren bewährt.“
„Klar hat es sich bewährt. Aber die Lebenshaltungskosten sind immens gestiegen und der Job wird mit zunehmendem Alter immer anstrengender. Auch Emil wird älter. Versuch es doch wenigstens mal.“ Ein weinerlicher Unterton schlich sich in Freds Stimme.
Grunzend schaufelte sich Schmitt noch einen Löffel in den Mund. Zunächst herrschte Stille, nach einiger Zeit aber preßte er seine widerwillige Zustimmung hervor.

„Du wolltest doch, daß wir eine Gehaltserhöhung bekommen!“
„Ja, aber doch nicht so! Nun arbeiten wir fast doppelt soviel wie früher, manchmal sind es zehn Stück am Tag! Was soll ich mit dem ganzen Geld anfangen, wenn ich keine Zeit mehr habe, es auszugeben? Ich komme nicht mal mehr dazu, etwas Schönes zu kochen!“
Aufgeregt ließ sich Fred aufs Sofa fallen und warf seinem Partner einen herausfordernden Blick zu. Der runzelte die Stirn, begab sich bedächtig zum Platz neben Fred und ließ sich darauf nieder.
„Kein Grund, jetzt hysterisch zu werden. Gut, es sind mehr Aufträge als früher. Aber wir verdienen nun auch deutlich mehr, so, wie wir wollten.“ Er sah den schmerzerfüllten Gesichtsausdruck Freds und fuhr fort: „Ist ja nicht für immer. Wir arbeiten einige Zeit so weiter und kehren dann zum alten Modell zurück. Dann haben wir einen großen Batzen angespart und müssen uns ums Finanzielle in Zukunft keine Sorgen mehr machen. Einverstanden?“
Fred, der immer noch leicht eingeschnappt wirkte, zauderte eine Zeitlang, bevor er mit einem gequälten „Na gut“ seine Zustimmung signalisierte.
Im hinteren Teil des Hauses tappte Emil mit einem lauten Bums gegen die Hundetür und schleppte sich mühevoll in seinen Zwinger, wo er sich ohne Umschweife fallen ließ. Er hatte stark zugenommen und bildete im Liegen einen felligen Hügel, der an einen schlafenden Bison erinnerte.

Sie stellte sich vor als Marlene Viston vom Landeskurier. Ihre Zeitung verfasse gerade ein Dossier mit Berichten über verschiedenste Berufsbilder und so sei sie geschickt worden, aus dem täglichen Leben zweier Forstarbeiter zu berichten. Sie trug eine luftige Bluse, eine Latzhose und ein bezauberndes Lächeln.
Schmitt, der ihr geöffnet hatte, stand die Überraschung zunächst offen ins Gesicht geschrieben. Schnell wurde er jedoch wieder Herr der Lage und erklärte sich mit dem Wunsch der Frau einverstanden, ihnen für die Dauer ihrer Reportage Besuche abstatten und sie interviewen zu dürfen. Er wollte mit einer Ablehnung nicht unnötig Verdacht erregen. Außerdem war die Frau hübsch.

In den nächsten Wochen kam Frau Viston regelmäßig vorbei, sprach mit Schmitt und Fred über deren Arbeit, beobachtete sie in ihrem Haus, lernte Emil kennen, staunte über dessen Größe und freundete sich mit ihm an. In den Gesprächen kamen immer wieder Detailfragen zur Tätigkeit im Wald auf, die anstrengend für die beiden Männer waren, denn sie mußten natürlich sehr darauf achten, was sie ihr erzählten. Sie durfte nicht zuviel erfahren. Die beiden waren sich jedoch sicher, daß sie die Situation gut unter Kontrolle hatten.
Bis – natürlich – das Unvermeidliche passierte: Schmitt verliebte sich.
Es ging schleichend von statten. Schon seit längerer Zeit war er auf unbestimmte Art von ihr fasziniert gewesen, war aber nicht darauf gekommen, weshalb. Als er es schließlich herausfand, traf es ihn völlig unvorbereitet. Denn noch nie hatte er etwas mit einer Frau gehabt; das war eine völlig neue Erfahrung für ihn.
Sie war so schön! Eines Abends gestand er ihr seine Liebe.
Zu seiner Freude wurde sie erwidert.

Emil polterte unter lautem Getöse in seinen Zwinger und legte sich mit einem Donnern schlafen.
„Sag mal, Schmitt, was treibt Emil eigentlich, wenn ihr ihn rauslaßt? Er kommt ja immer völlig geschafft wieder.“
„Rennt draußen rum, gräbt nach Steinen und jagt Vögel.“ Schmitt schmunzelte. „Ist nun schon ein bisschen älter, der Bursche, da wird er schnell müde. Hat auch ordentlich zugelegt. Alter Gierschlund.“
„Ja, ist mir auch aufgefallen. Ungeheuer, wie groß er mittlerweile ist. In den paar Wochen, in denen ich hier bin, muß er mindestens fünfzehn Kilo zugenommen haben. Direkt unheimlich. Er paßt ja kaum noch durch seine Hundetür!“
„Mach dir keine Sorgen, Schätzchen, ihm geht’s gut. Ist eben ein leidenschaftlicher Genußhund. Zur Not vergrößern wir die Tür ein bißchen. “ Das brachte Mary, wie sie mittlerweile von beiden genannt wurde, dann doch zum Lachen.

Mary betrat das Haus durch die Vordertür. Sie hatte mittlerweile von Schmitt einen Schlüssel bekommen und schaute öfter mal unangemeldet vorbei. Sie fühlte sich hier wohl, es kam ihr schon ein bißchen vor wie „zu Hause“. Das Berufliche war in den Hintergrund gerückt, auch wenn sie langsam merkte, daß etwas an der Sache dran sein mußte. Schmitt war ihr jedoch viel wichtiger geworden als ihre Arbeit.
Sie sah sich in der Wohnung um und stellte schnell fest, daß ihr Geliebter wieder einmal außer Haus war. Fred hingegen lag auf dem Sofa und schlief. Sie stellte den noch laufenden Fernseher ab, deckte Fred zu und begann, etwas zu Essen vorzubereiten. Auf dem Weg in die Speisekammer kam sie am Hundestall vorbei, wobei ihr auffiel, daß Emil nicht da war. Sie zögerte. Nicht lange und sie hatte sich entschieden. Eine solche Gelegenheit würde sich ihr nicht oft bieten.
Sie verließ das Haus und machte sich auf die Suche.

„Und, wie lief‘s?“
„Alles bestens, wie immer“, knurrte Schmitt. Er hatte es diesmal geschafft, sich nur wenig zu besudeln. Trotzdem konnte er sich an den Schmutz und an das Blut an seinen Händen nicht gewöhnen. Der erste Weg führte ihn deswegen wie immer zum Waschbecken, wo er mit der Säuberung anfing.
„Mary war vorhin mal hier.“
„Ja? Was hat sie gemacht?“
„Sie war nur kurz da. Hat sich etwas um mich gekümmert.“ Freds Augen blitzten schelmisch. „Ich habe geschlafen und bin aufgewacht, als sie mit den Töpfen klapperte. Sie wollte wohl was kochen, ist aber gleich wieder abgehauen.“
„Gleich wieder abgehauen?“
„Ja, sie war hinten in der Speisekammer und ist dann schnurstracks davon, geradewegs zur Tür raus.“
„Hat sie irgendetwas gesagt?“
„Nein, nichts.“
Schmitt dachte nach. Er überlegte hin und her. Je länger er überlegte, desto unwohler wurde ihm.
„Mary hat doch mal so ein paar Andeutungen gemacht. Bezüglich ihres Berufes, meine ich. Daß sie garnicht für dieses Blatt arbeite, sondern wegen etwas ganz anderem hier sei.“
„Naja, aber wir dachten doch immer, daß sie uns damit nur veräppeln will. Sie hat sich in dich verliebt, Junge. Sie ist sauber!“
„Ich bin mir da nicht mehr so sicher“, sinnierte Schmitt vor sich hin. „Was glaubst du, warum sie so plötzlich wieder aufgebrochen ist? Sie muß gesehen haben, daß Emil fort ist und sucht ihn wahrscheinlich gerade. Sie will wissen, was er so treibt.“
„Emil? Meinst du … oh mein Gott!“ Freds Gesicht wurde kreidebleich.
„Liebe hin oder her – mir wird jetzt alles klar. Sie ist ein Spitzel. Womöglich von den Bullen geschickt. Wir müssen sie suchen. Sie hat vor, uns zu verpfeifen.“
Fred faßte sich wieder, als er den Ernst der Lage erkannte. „Du hast recht, Schmitt. Beeilen wir uns!“

Marlene schritt forsch aus. An der Hundetür beginnend folgte sie einem von riesigen Tierpfoten gut ausgetretenen Trampelpfad, der zum Waldrand führte. Ihre Atmung beschleunigte sich. Sie spürte, daß sie hier etwas Wichtigem auf der Spur war. Etwas, das die beiden Männer vor ihr verheimlicht hatten.
Sie durchquerte einen Graben und befand sich schon im ersten Schatten des Waldes. Das Geäst wuchs sehr dicht, schnell wurde es düster. Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an die neuen Lichtverhältnisse. Angestrengt spähte sie in die Tiefe des Unterholzes. In einiger Entfernung – an die hundert Meter – erkannte sie einen Weg, der eine schmale Schneise in das Nadeldach schlug. Und auf dem Weg lag etwas. Etwas großes.
Marlene blieb stehen. Es hatte sich bewegt! Sie hielt den Atem an. Als nichts passierte, schlich sie langsam näher. Da erkannte sie ihn – es war Emil.
Auch Emil hatte sie bemerkt. Träge hob er den Kopf wie zur Begrüßung und ließ ihn dann wieder zu Boden sinken, um weiterzuschlafen. Der Anblick, der sich Marlene bot, ließ ihr die Spucke wegbleiben:
Emil mußte in den letzten Tagen enorm an Masse zugelegt haben. Er war jetzt fast so groß wie ein Kleinlaster. Völlig erschöpft lag er mitten auf dem Weg und füllte ihn damit komplett aus. Um ihn herum, am Ende einer aus dem Unterholz kommenden Schleifspur, lagen zwei halb aufgefressene Leichen.
Mary stieß einen leisen Schrei aus. Das also war es! Der Verdacht hatte sich bestätigt, es konnte keinen Zweifel mehr geben: Schmitt und Fred waren die Auftragskiller, die schon so lange gesucht wurden. Und Emil wurde von den beiden eingesetzt, um die Leichen verschwinden zu lassen! Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt.
Doch rasch faßte sie sich wieder. Für solche Situationen war sie schließlich trainiert worden. Sie atmete dreimal tief durch und ging vorsichtig auf Emil zu.

Fred war Schmitt einige Meter voraus.
„Mach langsam, wir müssen sie überraschen!“, raunte es von hinten.
Vorsichtig, leicht geduckt, stahlen sich die beiden den Trampelpfad entlang und hielten konzentriert nach Mary Ausschau, die sich hier irgendwo herumtreiben mußte. Ob sie Emil schon gefunden hatte?
„Verdammt, wir hätten vorsichtiger sein müssen!“ Fred hatte Angst. Wenn etwas herauskam, waren sie geliefert.
„Weiß ich jetzt auch. Hätte nie gedacht, daß sie etwas im Schilde führt.“ Schmitt konnte die bittere Enttäuschung nicht ganz aus seiner Stimme heraushalten. „Wenn ich die erwische…“
Konzentriert pirschten sie sich weiter vor, in den Wald hinein. Nach einigen Metern, der Waldweg wurde langsam sichtbar, stoppte Schmitt und hielt Fred, der weiterlaufen wollte, fest.
„Halt!“ flüsterte er scharf. „Da vorne ist etwas auf dem Weg.“
„Das sieht aus wie … Emil!“
„Ja, das ist er. Aber da ist noch etwas.“ Schmitt strengte seine Augen an. „Komm, wir gehen näher ran.“
Leise näherten sie sich der Lichtung. Als sie jedoch erkannten, was es war, gaben sie alle Heimlichkeit auf. Die letzten Meter schritten sie verblüfft und fassungslos, ohne auf weitere Deckung zu achten.
Vor ihnen lag – Emil. Und daneben – Mary!
Die beiden trauten ihren Augen nicht. Mary war dick geworden. Sie war ungeheuer fett! Sie mußte in wenigen Stunden zwanzig Kilo oder mehr zugenommen haben. Belustigt nickte sie den beiden Männern, die mit offenen Mündern dastanden, zu.
„Was schaut ihr denn so, meine Hübschen? Habe ich mich so sehr verändert?“ Lächelnd erhob sie den Oberkörper und verlagerte dafür ihre Position auf dem Weg etwas, was ihr sichtlich Mühe bereitete. Sie schnaufte.
„Ich fühle mich viel weiblicher als zuvor. Dir wird das sicher ganz besonders gefallen, Schmitt.“
„Was ist geschehen, Mary?“ Schmitt hatte seine Sprache wiedergefunden. „Bist du von der Polizei?“
„Ja, aber was spielt das noch für eine Rolle?“ Mary jauchzte, so wohl fühlte sie sich. „Ich liebe dich, Schmitt, und das ist alles, was zählt! Dein Beruf stört mich nicht, ich … habe mich schon daran gewöhnt.“
„Mein Gott, Mary.“ Fred rang nach Worten. „Was ist mit dir passiert?“
„Ach weißt du …“, sie machte eine fahrige Handbewegung in Richtung der Leichen, von denen nun nicht mehr allzuviel übrig war, „wenn die nur nicht so gut schmecken würden …“

Ganze drei Wochen hielt Schmitt es noch mit Mary aus, dann setzte er sie vor die Tür. Sie war einfach zu fett geworden. Ob sie ihn nun verpfeifen würde oder nicht – ein Mann hatte seine Ansprüche.

 

Hallo fressor,

und herzlich willkommen hier.
Ein bisschen passt dein Nick ja zu deiner ersten Geschichte.
Grundsätzlich gibt es daran nicht viel auszusetzen, auch wenn ich mir einige Gedanken dazu gemacht habe.
Den Plot finde ich durchaus ansprechend und witzig, das völllig überzogene Tempo der Gewichtszunahme Emils und Marlenes durchaus im Ambiente passend, das Ende etwas unplausibel, weil durch die Geschichte nicht wirklich vorbereitet. Auch der Titel passt einzig zum Ende.
Unplausibel auch, weil Emil ganz sicher auch Marlenes Leiche entsorgt hätte, warum also gingen sie das Risiko ein, die Frau lebend vor die Tür zu setzen.
Weiter habe ich mir Gedanken zur Sprache gemacht. Du erzählst die Geschichte recht narrativ, dadurch entsteht für mein Gefühl ein ironischer Abstand, der das Seltsame der Geschichte in der Form zu stark betont, dass ich mich die ganze Zeit darauf hingewiesen fühle, es soll merkwürdig sein. Ist natürlich Geschmacksache, aber mir eben leider etwas zu dick.
Ebenfalls möchte ich das in vielen Fällen zu Spannungsaufbau gute Mittel der Andeutung in Frage stellen, jedenfalls innerhalb deines Erzählstils für diese Geschichte. Denn mir war schon bei m ersten Auftauchen von Emil endgültig klar, womit die Fred und Schmitt ihr Geld verdienen. Du hättest also durchaus mit offenen Karten spielen oder mich zum Ende durch eine ganz harmlose Auflösung leimen können.
Beide Aspekte zusammen dämpfen meines Erachtens in dieser Geschichte die Spannung und mindern die Wirkung des Surrealen, obwohl sie wahrscheinlich eher gedacht waren, das Gegenteil zu erreichen.
Noch ein paar Details:

Ärgerlich drückte er die Klinke mit dem Unterarm herunter
er drückte sie hinunter.
lernte Emil kennen, staunte über seine Größe und freundete sich mit ihm an.
über dessen Größe
„Das sieh aus wie… Emil!“
bitte ein t und ein Leerzeichen zwischen "wie" und den Auslassungspunkten.

Lieben Gruß
sim

 
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Hallo sim,

Endlich ist ein Kommentar eingetroffen, ich hatte schon Angst. Das ist meine erste Kurzgeschichte und ich bin begierig auf alle Hinweise, Hilfestellungen, Tips und Anregungen, die ihr geben könnt. Besonders interessiert mich natürlich, wie ihr Sprache und Rhythmus findet. Ob es sich gut lesen läßt oder ob es irgendwo stockt. Ob etwas unverständlich ist oder etwas anderes oberflächlich erscheint. So kann ich besser einschätzen, wie die Geschichte auf den Leser wirkt. Wie der Inhalt der Geschichte hingegen ankommt, ist mir erstmal garnicht so wichtig ;)
Vielen Dank also für deine erste, sehr detaillierte Kritik, sim. Du sprichst schon einige Dinge an, die mir sonst nicht aufgefallen wären.

Ein bisschen passt dein Nick ja zu deiner ersten Geschichte.

Das stelle ich auch gerade fest. Allerdings ist der Nick mindestens eine Dekade älter als mein erster Kontakt mit der Idee zu dieser Geschichte ;).

Unplausibel auch, weil Emil ganz sicher auch Marlenes Leiche entsorgt hätte, warum also gingen sie das Risiko ein, die Frau lebend vor die Tür zu setzen.

Hier wurde unser Protagonist, Schmitt, von der Macht, die schon so viele dahingerafft, geblendet: Der Liebe. Er ist leichtsinnig geworden und hat die Möglichkeit einer Entdeckung von Emils Aktivitäten durch Marlene verdrängt, denn er wußte, seine Romanze mit ihr fände dann ein Ende. Auch umbringen wollte er sie, aus dem gleichen Grund, nicht.


Weiter habe ich mir Gedanken zur Sprache gemacht. Du erzählst die Geschichte recht narrativ, dadurch entsteht für mein Gefühl ein ironischer Abstand, der das Seltsame der Geschichte in der Form zu stark betont, dass ich mich die ganze Zeit darauf hingewiesen fühle, es soll merkwürdig sein. Ist natürlich Geschmacksache, aber mir eben leider etwas zu dick.

Das ist ein sehr interessanter Punkt. Du hast vollkommen recht, ich wollte eine (zarte) ironische Distanz zum Geschehen herstellen. Auf diese Weise würde die Handlung mit ihren surrealen Momenten den Leser nicht vor den Kopf stoßen, sondern hinnehmbar sein. Daß ich dabei aber anscheinend zu sehr auf die Ironietube gedrückt habe, macht mir klar, daß die Feinjustierung solcher Mittel sehr schwierig ist. Das ist eine wichtige Anregung für die Zukunft, ich werde mir Gedanken darüber machen.
Vielleicht hilft es, wenn ich verrate, daß ich den Stil der bösen Märchen Roald Dahls beim Schreiben im Hinterkopf hatte.

Ebenfalls möchte ich das in vielen Fällen zu Spannungsaufbau gute Mittel der Andeutung in Frage stellen, jedenfalls innerhalb deines Erzählstils für diese Geschichte. Denn mir war schon bei m ersten Auftauchen von Emil endgültig klar, womit die Fred und Schmitt ihr Geld verdienen. Du hättest also durchaus mit offenen Karten spielen oder mich zum Ende durch eine ganz harmlose Auflösung leimen können.
Beide Aspekte zusammen dämpfen meines Erachtens in dieser Geschichte die Spannung und mindern die Wirkung des Surrealen, obwohl sie wahrscheinlich eher gedacht waren, das Gegenteil zu erreichen.

Die Geschichte ist angelegt als lockere, dunkel humorvolle Erzählung ohne Überraschungen, aber mit einem krass die Handlung nicht auf den Kopf stellenden, sondern zerstörenden Ende.
Es ist durchaus beabsichtigt, den Leser frühzeitig von Schmitts und Freds Aktiviäten wissen zu lassen. Das Interesse am Plot soll sich nicht aus der Auflösung des Geheimnisses um deren beiden Beruf entwickeln, sondern aus der verschrobenen, skurrilen Art, wie sie als Profikiller ähnlich einem alten Ehepaar zusammenleben.
Die Funktion Emils soll sich zwar nicht gleich, aber doch nach einigen Absätzen, erschließen. Der Leser soll sich ein wenig wundern ("meint der Autor das ernst? Fantastische Elemente in dieser pseudorealistischen Erzählung?") und mit einem abschließenden, netten Gag in Bezug auf Emil rechnen. Doch stattdessen wird die Geschichte mit einem verrückten Gag, der so hoffentlich nicht voraussehbar ist und mit der vorherigen Geschichte nicht das geringste zu Tun hat, beendet.
Warum dieses Ende? Vielleicht treibt es den latent surrealen Ton, der vorher herrscht, schlagartig auf die Spitze und eignet sich gut, um den Leser vor den Kopf zu stoßen und dann mit sich alleine zu lassen. Andererseits habe ich beim Schreiben ehrlichgesagt nicht allzuviel drüber nachgedacht.

Du sprichst die Andeutungen an. Auch hier war mir zuvor nicht aufgefallen, daß ich die Geschichte mit Andeutungen in der Tat quasi übersät habe. Wie bereits gesagt, bräuchte die Geschichte diesen forcierten Spannungsaufbau garnicht. Ich bin also auch hier über das Ziel hinausgeschossen und werde in Zukunft genauer darauf achten, wieviele billige Spannungserzeuger meine Hände in die Geschichten schmuggeln wollen.

Den Plot finde ich durchaus ansprechend und witzig, das völllig überzogene Tempo der Gewichtszunahme Emils und Marlenes durchaus im Ambiente passend, das Ende etwas unplausibel, weil durch die Geschichte nicht wirklich vorbereitet. Auch der Titel passt einzig zum Ende.

Der Titel steht genau wie das Ende außerhalb der restlichen Geschichte. Beide sollen die unspektakuläre und belanglose Geschichte, in der es eigentlich um nichts geht, mit einem Knalleffekt beenden. Und zwar mit einem Knalleffekt, der wegen des Kontrastes zur vorherigen Geschichte völlig übertrieben und deplaziert wirkt.

Noch ein paar Details:
er drückte sie hinunter.
über dessen Größe
bitte ein t und ein Leerzeichen zwischen "wie" und den Auslassungspunkten.
Lieben Gruß
sim

Nochmals herzlichen Dank, ich werde die Detailkorrekturen gleich übernehmen. Beim "dessen" finde ich allerdings, daß "seine" nicht so distanziert klingt und sich deswegen in diesem Satz (Marlene lernt alles kennen) besser eignet. Aber ich lasse es noch ein wenig auf mich wirken.
Die "..." habe ich nun vom jeweils voranstehenden Wort abgesetzt. Ist das die übliche Schreibweise?

Viele Grüße,
Felix

 

Hallo fressor,

Die "..." habe ich nun vom jeweils voranstehenden Wort abgesetzt. Ist das die übliche Schreibweise?
Laut Duden: ja. Die Rechtschreibprüfungen von Word und Open Office markieren allerdings gerade das Leerzeichen als Fehler. Aber ich vertraue da eher dem Duden.
Beim "dessen" finde ich allerdings, daß "seine" nicht so distanziert klingt
Mir ging es weniger um die Distanz (die wir bei korrekter Anwendung des Genitivs tatsächlich oft empfinden, weil wir den Klang gar nicht mehr gewohnt sind), sondern um die Genauigkeit im Bezug. Und der Bezug ist bei "dessen" eindeutiger als bei "seine".

Lieben Gruß
sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo fressor!

Von der Grundidee finde ich diese (eben seltsame ;o) Geschichte nicht übel, aber ein Punkt ist meiner Meinung nach sehr fahrlässig: Das die Gewichtszunahme von Marlene viel zu schnell vonstatten geht mag noch in Ordnung sein (da "seltsame Geschichte"; obwohl ich das vielleicht etwas langsamer hätte angehen lassen. Allerdings ... okay, ich muß zugeben, bei DEM Verlauf der Geschichte wäre das schwierig ;o), aber das Ende hätte - und da gehe ich mit sim konform - erheblich besser vorbereitet werden müssen. Es kommt zu "plump", wenn ich das mal so ausdrücken darf.

Nichtsdestotrotz hat mir das lesen Spaß gemacht! :o)

P.S.: Tipps von wegen Interpunktion usw. kann ich leider nicht geben, da ich bei diesem Thema selbst nicht der große Held bin (und mich IMMER freue, wenn mir in dieser Beziehung geholfen wird. ;o)) Soweit ich das aber erkennen kann, ist diesbezüglich alles im grünen Bereich.

LG!

 

aber das Ende hätte - und da gehe ich mit sim konform - erheblich besser vorbereitet werden müssen. Es kommt zu "plump", wenn ich das mal so ausdrücken darf.
LG!

Hallo Stoker,

Vielen Dank für deine Anregung, verzeih bitte, daß ich erst jetzt reagiere, aber meine Anwesenheit hier ist wirklich nur sehr "gelegentlich" ;).
Ich werde mir das Ende bei einer weiteren Gelegenheit nochmal vornehmen, denn die Kommentare, die ich erhalten habe, sehen es fast einstimmig als Schwachpunkt.

@sim: habe das "dessen" nun doch eingefügt. Die Genauigkeit im Bezug dürfte in diesem Fall jedoch keine große Rolle spielen, da Frau Viston gerade ein paar Worte zuvor den Emil kennengelernt hat und sich das "seine" somit bei vorausgesetzter Weiblichkeit Marys eindeutig auf ihn beziehen läßt, oder? In jedem Fall aber gefällt mir "dessen" mittlerweile besser, es ist ersetzt.

Euch vielen Dank,
Grüße,
Felix

 

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