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Die Außerirdischen
Die Außerirdischen kamen in der Nacht nach dem Valentinstag, genau dann, als ich sie überhaupt nicht erwartet hatte. Es war eine ganze Schar, an die fünfzig. Sie machten sich in meinem Garten breit, plünderten den Weinkeller und waren drauf und dran, sich an meinem Schnapsschrank zu vergreifen. Aber so weit waren sie noch nicht gekommen. Die Terassentür hielt noch stand. Entsetzt saß ich im Wintergarten, trank ein Glas Whisky - zur Beruhigung und weil es mein letzter hätte sein können.
Die Außerirdischen unterschieden sich eigentlich kaum vom Menschen, außer dass sie drei Köpfe und vier Arme besaßen. Ihre Gesichter schimmerten unecht im Licht Mondes, wie billig gefertigte Gummimasken für ein Faschingsfest. Sie waren also gekommen, des nachts, in einem schleimüberzogenen Ufo von der Form eines Monate lang wuchernden Lungenkarzinoms. Sollte das mein Ende sein? Zumindest war es sicher das Ende meines Schnapsvorrates, denn schon beim Wein hatten die Aliens bereits ordentlich zugelangt. Resignierend ließ ich meinen Blick auf den Boden schweifen.
Plötzlich drang ein Ohren betäubender Lärm von draußen in den Wintergarten, so dass mir hören und sehen verging. Die Außerirdischen waren schon so besoffen, dass sie Lieder grölten (zumindest vermute ich, dass es Lieder waren, bei Außerirdischen kann man sich da nicht so sicher sein) und lauthals an die Scheiben donnerten. Offenbar forderten sie Einlass. Aber ich musste standhaft bleiben.
Ich nahm noch einen Schluck Whisky, der mich aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr beruhigen konnte. Vor kurzem war mein Leben doch noch ganz in Ordnung gewesen. Gut, ich hatte das Valentinstagsgeschenk für meine Freundin vergessen. Sie war bitter enttäuscht gewesen. Mir doch egal. Ansonsten ging es doch eigentlich, oder? War das etwa die Strafe: eine Horde Aliens, die mir den Garaus machen? Ich konnte mich nicht damit abfinden. Aber wie konnte ich mich wehren?
Ich ging zur Besenkammer an der Vorderseite des Hauses und kramte in den dort herumliegenden Kisten, während ich die Meute immer noch von draußen toben hörte. Doch alles was ich fand, waren groteske Gegenstände ohne jeglichen Nutzen: eine kleisterverschmierte Jesusstatue, die Fernsehfernbedienung ohne Tasten, die ich einst glücklos zum Patent anmelden wollte und einige halbvolle Whiskyflaschen, die ich im Suff - und glaubend, eine Reinkarnation Michelangelos zu sein - mit buntgefärbten Schweinskotellets bemalt hatte. Ich war verzweifelt und suchte weiter.
Dann wurde ich durch ein immenses Ansteigen des Lärmpegels jäh unterbrochen. Nun wusste ich: Die Außerirdischen hatten die Terassentür eingestossen, waren durch den Wintergarten gelangt und labten sich nun an den einschlägigen Schnapsflaschen in meinem geliebten Vorratsschrank. Nur so ließ sich der enorme Lärm erklären. Das Ende war nahe.
Verhalten bewegte ich mich in Richtung Hausrückseite. In der Tat: sie hatten den Schnapsschrank erreicht und gossen sich nun wohlwollend literweise Spirituosen in ihre jeweils drei Hälse. Wo sollte das nur hinführen?
Nach einigen Minuten, in denen ich entsetzt zusah, bemerkte jedoch einen Außerirdischen aus der Masse, der anders zu sein schien als der Rest. Ja, jetzt fiel es mir auf. Er hob sich gegenüber den anderen ab, weil er statt drei Köpfen fünf und statt vier Armen sechs solcher besaß. Er musste eine Art König unter diesen Seltsamgearteten sein, etwas anderes war nicht möglich! Obwohl er sich wie alle anderen hemmungslos besoff, schien er inzwischen registriert zu haben, dass ich ihn beobachtete. Er blickte mich an und versuchte offenbar, mit mir zu kommunizieren. Schon ziemlich benommen murmelte er irgendwas mit ... Tischtennis! „... Häbedu, ... Seniorphorzde ... Tischtennis ... webnurbnedurf...“ Ich war mir jetzt sicher, er wollte um alles in der Welt eine Partie Tischtennis mit mir spielen! Ich ergriff die Initiative. Vom Dachboden holte ich die alte Tischtennisplatte von meinem Vater, Schläger schnitzte ich mir mit den bloßen Händen aus den Parkettfliesen im Wohnzimmer, schließlich bestellte ich einen Tischtennisball beim lokalen Pizzaservice. Das Equipment war komplett. Ich war nun bereit, Tischtennis zu spielen bis der Arzt käme.
Wir begannen zu spielen, während die Menge uns zujubelte. Nach einer halben Stunde stand es 20:20. Nach einer Stunde stand es 50:50. Nach zwei Stunden stand es 123:123. Nach drei Stunden stand es 324:324. Ich wusste, dass ich das Spiel auf die konventionelle Weise hätte gewinnen können. Aber ich dachte mir vielmehr eine schlaue List aus. Während der gesamten Spieldauer gelang es mir nämlich immer besser, meinen Schlag hinauszuzögern, so dass ich immer mehr Zeit für einen Schlag in Anspruch nehmen konnte. Schließlich, nach inzwischen fünf Stunden Spieldauer, gelang es mir so zu spielen, dass ich während des Ausholmanövers genügend Zeit hatte, mich erneut in die Besenkammer einzuschleichen.
Ich suchte und suchte dort abermals in den etlichen Kisten herum. Endlich, Gott sei dank, hatte ich meine alles entscheidende Waffe gefunden. Es war ein unglaublich großer, schwerer und furchterregender Hammer! Damit schlug ich die Außerirdischen zu Brei. Einen nach dem anderen. Mit dem überdimensionalen Hammer konnte ich drei Aliens auf einmal zu Matsch hauen, d.h. neun Köpfe und zwölf Arme von ihnen gleichzeitig (bzw. im dem Fall, in dem der König der Außerirdischen dabei war, sogar elf Köpfe und vierzehn Arme gleichzeitig).
Schließlich hatte ich tatsächlich alle erledigt. Mein Wein war alle, mein Schnaps war alle. Meine Wohnung glich einem obskuren Schlachtfeld. Aber ich hatte es geschafft. Ich hatte sie endlich erledigt.