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Die Augen von einem verraten nichts

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05.07.2020
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Die Augen von einem verraten nichts

Mein Vater brachte mir die schnelle Linke bei. Ich erinnere mich, wie er frühmorgens in der gekachelten Waschküche im Keller vor mir stand. Es war nicht viel Platz, die Wäscheleinen hatte er abgehängt, Flaschenkisten und Arbeitsschuhe an die Seite gestellt. Er beugte sich zu mir und hielt zwei Holzlöffel in die Luft. Dann ließ er einen los. War ich zu langsam, den fallenden Löffel mit meiner linken Hand zu greifen, bekam ich eine sanfte Ohrfeige.
„Die Augen von einem verraten nichts“, sagte er. „Schau deinem Gegner aufs Schlüsselbein. Da siehst du, wenn er zuckt, noch bevor er selbst weiß, was er tut.“

Ich wäre lieber zum Fußballspielen auf den Bolzplatz, wie die anderen Jungs aus unserem Block, aber mein Vater meldete mich beim Boxen an. Er fuhr mit mir zum ersten Training, lehnte an der Wand und sah beim Warmmachen zu. Als ihm jemand anbot, sich auf die Bank bei den Spinden zu setzen, winkte er ab. Wir machten Technikübungen, Partnerarbeit an den Pads, gingen an den Sandsack. Adam, ein kantiger Pole mit kurzen Haaren, der das Training leitete, klopfte mir auf die Schulter, weil ich mich nicht schlecht anstellte, wie er meinte.
Auf der Rückfahrt durfte ich das Radio aufdrehen. Die Fenster waren heruntergelassen und ich streckte meine Hand in den kühlen Fahrtwind.
Zwei oder drei Mal kam mein Vater mit. Er sah mir beim Aufwärmen zu, beim Technikteil, beim ersten Sparring, an die Wand gelehnt, die Arme verschränkt. Dann ging ich alleine - vier Mal in der Woche. Wenn ich herauskam, verschwitzt, die Sporttasche über meiner Schulter, stand er schon auf dem Parkplatz und wartete. Er nickte mir zu, ich legte meine Tasche auf den Rücksitz des alten Passats und stieg ein. Manchmal fuhr er mir durch die Haare.

Er war ein großer, hagerer Mann, immer gut rasiert, die kurzen Haare zur Seite gekämmt. Wenn ich an ihn denke, sehe ich ihn niemals grinsen. Ich sehe ihn mit seinen hellblauen Augen in unserer kleinen Küche sitzen, sehe, wie er einen Schluck Kaffee nimmt, ihn im Mund behält, lange, dann erst schluckt, so, dass das Schlucken was Besonderes ist. Seine Arme voller Sommersprossen. Dünn, aber stark wie ein Bär mit Venen, die hervorstanden, wenn er auf Arbeit schwere Dinge trug, als ob es nichts wäre.

Mein erster Kampf war nach anderthalb Minuten vorbei. Ich erinnere mich an das Gefühl, das ich beim Einatmen hatte, als ich durch die Seile in den Ring stieg. Mein Körper war so aufgeheizt, dass sich die Luft merkwürdig kühl anfühlte und in der Nase kitzelte. Ich hörte kaum, was der Ringrichter zu uns sagte, während er die Handschuhe kontrollierte und den Mundschutz sehen wollte. Als es losging, merkte ich, dass ich der Bessere war. Meine Schläge trafen hart und ich bewegte mich schnell. Mein Gegner hatte Angst im Blick. Am Ende stand er nur noch in der Doppeldeckung und nahm meine Haken, bis seine Ecke das Handtuch warf. Ich begriff nicht, was los war. Erst als Adam mir ein Zeichen gab, verstand ich. Die älteren Jungs klopften mir auf die Schulter oder schlugen mit mir ein, als ich aus dem Ring stieg und ich fühlte mich in diesem Moment ganz groß.
Mein Vater wartete vor der Halle. Als ich herauskam, streckte er seine Hand aus. Ich gab ihm die Medaille, die sie mir im Ring um den Hals gehängt hatten und er wog sie zwischen seinen Fingern.
„Gegen so jemand ist das nichts wert“, sagte er und gab sie mir zurück. Auf der Rückfahrt fuhr ich das Band entlang, strich über die Gravur und die Maserung. Zuhause legte ich sie in meine Schreibtischschublade.

Ich war oft der erste im Gym. Bevor ich mich warmmachte, bandagierte ich meine Hände. Ich begann mit dem Daumen, stabilisierte das Handgelenk, indem ich den Stoff mehrmals darum wickelte, zog nach, ging über den kleinen Finger, zog nach, Ringfinger, Mittel- und Zeigefinger. Zurück über den Daumen. Es gibt unterschiedliche Methoden, wie man die Hände wickelt, aber wenn man es einmal auf eine bestimmte Art und Weise gelernt hat, bleibt man dabei.
Zum Warmmachen sprang ich Seil - fünf mal drei Minuten. In den letzten Runden wechselte ich zwischen normalem Tempo und Sprints. Danach dehnte ich mich, begann bei den Beinen, ging über die Hüfte, die Arme und Schultern bis zu Hals und Kopf, drehte meine Fußknöchel und Handgelenke, um sie zu lockern. Beim Schattenboxen variierte ich explosive Kraft oder Tempo, machte einzelne harte Schläge oder arbeitete durchgehend mit niedriger Intensität. Ab und an nahm ich kleine Gewichte dazu. Danach waren meine Bewegungen doppelt so schnell und ich wusste, die nächsten Tage würden meine Schultern schmerzen, aber für einen Moment fühlte ich mich beinahe wie Roy Jones Jr.
Gelbe Linien auf den Matten am Boden halfen die Schritte, Abstände und die richtige Winkelarbeit zu überprüfen.
„Er zwingt dich in die Ecke“, rief Adam, während wir uns wie einsame Tänzer durch die Halle bewegten. „Was tust du? Er kontert deinen Jab – Was machst du?“ Ich suchte im Kopf nach Antworten, während ich die Linien im Blick behielt und meine Schritte so sorgsam setzte, als wäre ich ein Eisläufer auf einem gefrorenen See.
Adam hielt nichts von den Kommunisten, aber auf den sowjetischen Boxstil schwor er. Technik und Taktik - selten Sparring. Wo war das Blut, wunderte ich mich. Wo die aufgeheizte Atmosphäre, die ich aus den Filmen kannte?
Ich machte viele Kämpfe in den Jahren. Vergleichs- und Qualifikationsboxen, Einzel- und Ligaturniere. Später Bezirks- und Landesmeisterschaften. Ich war gut, gewann oft nach Punkten. Medaillen und Pokale meiner Siege standen auf dem Schrank im Wohnzimmer. Mein Vater strich ab und an mit einem feuchten Tuch darüber.

Als die ersten Niederlagen kamen, sagte Adam, dass das normal sei. Es wurden mehr. Zwei verlorene Kämpfe hintereinander. Irgendwann drei. Adam meinte, dass jeder echte Kämpfer mal ein solches Tief hatte. Etwas schwang zwischen den Zeilen mit, als er mir nach dem Training auf die Schulter klopfte. Meinen letzten Kampf hatte ich gewonnen, aber es war knapp gewesen und es hatte sich nicht nach einem Sieg angefühlt. Adam nahm mich aus den Planungen für die wichtigen Turniere heraus. Als ich ihn ansprach, sagte er, dass ich mir ein bisschen Zeit nehmen solle, um wieder reinzukommen. Er meinte es gut, aber er sah mir nicht in die Augen und im Training stand er fast nur noch bei den anderen Kämpfern, um ihnen die Pratzen zu halten.
Ich sollte bei einigen Gala-Kämpfen antreten, um Erfolge einzufahren und mich daran wieder hochzuziehen. In einer Halle in Dorstfeld stand ich einem Gegner gegenüber, der erst zwei oder drei Kämpfe gemacht hatte. Er war größer, hatte lange Arme und hielt mich von Beginn an auf Abstand. Wenn ich eine Aktion machte, reagierte er mit schnellen Konterbewegungen. Er wartete, behauptete die Ringmitte und bewegte sich nur so viel, wie er musste. Wir tasteten uns ab, testeten einfache Kombinationen und bewegten uns recht vorsichtig umeinander. Trotzdem hatten seine langen Geraden mich schon ein paar Mal erwischt und ich hatte Probleme, in den Kampf zu kommen. In der ersten Pause kniete Adam vor mir. Ich sah die Sorge in seinem Blick.
„Musst ran an ihn, Junge!“, sagte er. „Täusch an, mach zwei, drei schnelle Aktionen, dann gehst du rein. Arbeite am Körper, mach ein paar Dinger und dann löste dich wieder – den kriegst du über Geschwindigkeit, klar?“
In der zweiten Runde hielt ich mich zunächst zurück. Ich bewegte mich kontrolliert, ließ ihn ein paar Jabs machen und wich aus. Dann arbeitete ich mich schnell mit meiner Führhand nach vorne, setzte eine Gerade und einen Haken zum Bauch und einen Uppercut zum Kinn. Ich klammerte, stieß meinen Gegner zurück und wurde ermahnt. Ich hob entschuldigend die Arme, versuchte es aber sofort noch mal. Reingehen, Treffer setzen, klammern - schönes Boxen ist für Verlierer.
Beim nächsten Versuch wurde ich von einer schnellen Geraden getroffen. Ich wich zurück. Wir tänzelten eine Weile umeinander herum. Dann ging er nach vorne, arbeitete sich mit seiner Führhand zu mir, aber ich behielt die Nerven. Seinen dritten Schlag konnte ich blocken und warf auf gut Glück eine Overhand zum Kopf. Ich traf. Er wackelte und ich setze nach, aber der Gong beendete die Runde und gab ihm Zeit zum Ausruhen. In der Ecke nickte Adam mir zu.
„Die letzte Aktion war gut. Aber im Moment ist es eng. Du musst Punkte machen, klar? Lass ihn dich nicht über seine Geraden kontrollieren. Auch wenn du ein oder zwei Dinger fressen musst, geh rein und arbeite am Körper. Beiß dich richtig fest, verstehst du?“
Zu Beginn der dritten Runde traf ich häufiger. Mein Gegner war müde. Er versuchte mich jetzt vor allem auf Abstand zu halten. Ich bewegte mich um ihn, ging rein, traf zwei lange Geraden, machte eine Finte und wollte in den Infight, doch er wich mit einer schnellen Bewegung aus, die ich ihm nicht zugetraut hätte und erwischte mich mit seinem linken Haken wie aus dem Nichts. Ein harter, cleaner Schlag, der mich wanken ließ. Ich stolperte zurück, brauchte ein oder zwei Sekunden, um mich zu fangen, aber stand dann sicher. Ich atmete schwer. Jetzt griff er an, deckte mich mit langen Schlägen ein und drängte mich zum Ringseil zurück. Viele seiner Aktionen konnte ich blocken, aber ich hatte keine Kraft mehr, um ihn auszukontern oder selbst in die Offensive zu gehen. Noch mehr Schläge kamen - schnelle Links-rechts-Kombinationen, Haken zu Körper und Kopf. Ich duckte mich, aber er traf mit seiner Linken. Den nächsten Schlag blockte ich, machte eine Ausweichbewegung mit dem Oberkörper und schlug einen Aufwärtshaken ins Nichts. Ich bewegte mich nach vorne. Kopf an Kopf standen wir voreinander, ich nahm Schläge zu Rippen und Bauch, stieß mit meinem Kopf nach ihm – der Ringrichter übersah es. Als es klingelte, war ich völlig am Ende. In meiner Ecke beugte sich Adam zu mir.
„Wird schon passen, hast gut gekämpft“, sagte er, aber ich wusste es besser. Meine Atmung fuhr herunter und ich schüttelte den Kopf. Von den Schlägen spürte ich nichts - die Schmerzen würden später kommen. Der Ringrichter holte die Ergebnisse der Punktrichter ein. Er winkte uns heran. Wir standen neben ihm in der Ringmitte und ich suchte in den Zuschauerrängen nach meinem Vater. Viel war nicht los, ein paar Männer liefen zwischen Bierbänken umher, lachten oder unterhielten sich. Kinder spielten zwischen den Beinen der Erwachsenen und die Luft in der Halle stand. Mein Vater saß in der dritten Reihe. Der Ringrichter nahm das Mikrofon und verkündete das Ergebnis. Split-Decision, zwei zu eins in den Wertungen gegen mich. Mein Gegner hob seine Arme in die Luft. Ich hörte den Applaus des Publikums und wie der Ringrichter schon den nächsten Kampf ankündigte. Dann sah ich, wie mein Vater aufsprang und etwas schrie. Die Bierbank, auf der er gesessen hatte, fiel beinahe um. Er hob seine Hände, sein Gesicht war verzerrt, er sah aus wie ein anderer Mensch. Ein Mann fasste ihn an der Schulter. Ich sah, wie mein Vater zu ihm herumwirbelte und die Hand wegschlug. Ganz dicht standen sie voreinander. Mein Gegner kam, um mit mir einzuschlagen und ich verlor meinen Vater aus den Augen. Ich gab ihm die Hand und murmelte etwas, während ich zwischen den Zuschauern nach ihm suchte, doch ich konnte ihn nicht mehr entdecken. Ich ging zur gegnerischen Ecke, schüttelte Hände, aber ich hörte kaum, was die Leute dort zu mir sagten, während man mir auf die Schulter klopfte und mir zunickte. Alles fühlte sich an wie in Watte gepackt. Adam kam und führte mich aus dem Ring.
„Knappes Ding“, sagte er. Ist nicht schlimm, Junge.“
Ich bekam kaum mit, wie wir durch die Seile stiegen, die Treppe heruntergingen und an den Tischen der Punktrichter vorbei in Richtung Umkleide liefen. Als ich aus der Dusche kam, sah ich, wie Adam mit einem der anderen Trainer sprach Er sagte etwas, schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern.

Mein Vater wartete draußen. Sein Gesicht war gerötet, die Fäuste hatte er geballt. Er stand vor unserem Auto und warf jedem, der vorüberging, einen Blick zu, als wolle er ihn totschlagen. Ein paar Leute grinsten, einige drehten sich noch mal zu ihm um, aber ich lachte nicht. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Langsam ging ich zu ihm. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, verharrte und sah zum Himmel. Die Sonne brannte herunter und als ich vor ihm stand, sagte er kein Wort. Irgendwann stieg er ins Auto. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz. Im Inneren war es kochend heiß, aber ich traute mich nicht, das Fenster herunterzukurbeln. Er startete den Wagen. Wir fuhren umher, vorbei an der Zeche, in der mein Großvater noch Steiger gewesen war, vorbei an meiner Schule und an der Fleischfabrik, in der er und alle meine Onkel arbeiteten und in der ich im September beginnen würde. Ihm stand Schweiß auf der Stirn. Er hatte sein Hemd aufgeknöpft, ich konnte sein Brusthaar sehen. Wir sprachen nicht miteinander.

Wir parkten vor unserer Wohnung am Straßenrand. Er zog die Schlüssel ab und löste den Gurt.
„Sie nehmen es einem“, sagte er leise, bevor wir ausstiegen. „Du kannst dagegen protestieren, kannst schlagen und beißen und schreien und kämpfen, aber am Ende nehmen sie es dir. Und dann halten sie es vor dich und werfen es weg und treten darauf herum. Was dir bleibt, ist ihnen nichts von all dem zu verraten, wenn sie dir in die Augen sehen.“
Er fuhr sich mit der Hand über den Mund und sah mich an. Ich bemerkte ein kurzes Flackern in seinem Blick, in seinen hellblauen Augen, die einen nicht loslassen, wenn sie einen eingefangen haben.

 

Starkes Teil! Was mir gefällt: Die Figuren sind lebendig, besonders der Vater ist sehr schön gezeichnet. Sprachlich ist das auch sehr gut, es fließt.

Beim Zeitraffer, als dein Erzähler ins tellen kommt über die Boxkarriere, wie sie verläuft, frage ich, ob dieser Erzählteil nötig ist, oder ob es den Text nicht stärker machen würde, nur zu zeigen, das durch Szene/n zu lösen, anstatt es erzählen zu lassen.

Die Worte des Vaters am Ende: Hier schwanke ich, ob das nicht zu plakativ, zu direkt ist. Das, was er sagt, ist quasi eine Zusammenfassung seines Charakters, wie ich ihn davor erlebe, als er enttäuscht ist, und die Niederlage des Sohns als eine grundlegende Niederlage des Lebens auffasst. Das bräuchte es für mich an der Stelle nicht, es wirkt redundant, seine Worte, wobei die Atmosphäre im Wagen schön und passend ist. Würde hier an Wording schrauben, es ihn nicht so direkt sagen lassen.

Was mir gefällt, hier erzählt jemand kurzweilig, sprachlich sehr gut, szenisch gut, und du kennst die Materie, das Boxen, zumindest klingt das für mich authentisch, schöne Details hast du drin. Sehr schön.

 

Hallo @Habentus ,
hat mir sehr gefallen Deine Geschichte. Ein Vater, der seine Träume in seinem Sohn verwirklicht sehen will. Sowas geht meistens schief. Ich sehe das Ganze auch als ein Gleichnis auf das Leben, wie "Der Alte Mann und das Meer". Ich weiß nicht, ob das so von Dir beabsichtigt war, aber die Boxerei steht in meinen Augen für den Lebenskampf, wo der Sohn nicht zu den Winnern gehört. Es ist schon ungünstig für die Kinder, wenn sie ihre Eltern enttäuschen. Die sehen dann ihre eigenen Niederlagen nur in einem Anderen widergespiegelt. Mir stößt immer der Satz von manchen, die Kinder haben auf: "Ich bin stolz auf ihn". Vielleicht geht sowas gar nicht. Vielleicht setzt man so seine Kinder zu sehr unter Druck. Geliebt muss man wegen einem selbst werden und nicht wegen irgendwelcher Taten. Gruß FK

 

Wir machten Technikübungen, Partnerarbeit an den Pads, gingen an den Sandsack.

Moin,

sehr ungewöhnlich, Partnerarbeit an den Pads. Vielleicht Partnerübungen, wo du bestimmte Abläufe trainierst, Dip oder Roll, aber mit Pads, das macht der Trainer im Ring, kein anderer Boxer im Allgemeinen. Arbeit an den Pads ist auch schwierig, die richtig halten etc, das muss man wirklich können. Hier fehlt mir auch das Spezifische: Was genau für Technikübungen? Passgang etc?

Als es losging, merkte ich, dass ich der Bessere war.
Woran merkt er das? Lässt der Gegner die Deckung hängen, wird er müde, kassiert er mehr? Ist er schwächer?
Meine Schläge trafen hart und ich bewegte mich schnell. Mein Gegner hatte Angst im Blick.
Wo trafen die hart, am Körper, am Kopf? Was heißt hier: schnell bewegen? Pendelt er, geht er rein/raus, kontert er? Wechselt er die Auslage? Da könnte man tiefer rein. Und sieht er den Gegner wirklich an? Das ist ein Amateurkampf, vielleicht paar Jahre her, also tragen die Kopfschutz, da sieht man nicht so viel im Blick, würde ich behaupten.
Am Ende stand er nur noch in der Doppeldeckung und nahm meine Haken, bis seine Ecke das Handtuch warf.
Vorher würde der Ringrichter den anderen Kämpfer anzählen. Selten, dass bei Amateurkämpfen jemand richtig eiskalt ausgeknockt wird, sieht man schon, aber selten. Unwahrscheinlich auch, dass da der Trainer ein Handtuch schmeißt, vorher würde der Kämpfer angezäht werden und aus dem Kampf genommen.
Ich war oft der erste im Gym.
Vollkommen unmotiviert, oder? Zuerst will er lieber Fußball spielen, dann ist er aber der Erste im Gym? Warum? Woher der Wandel?

Bevor ich mich warmmachte, bandagierte ich meine Hände. Ich begann mit dem Daumen, stabilisierte das Handgelenk, indem ich den Stoff mehrmals darum wickelte, zog nach, ging über den kleinen Finger, zog nach, Ringfinger, Mittel- und Zeigefinger. Zurück über den Daumen.
Auch ungewöhnlich. Erste halbe Stunde Technik, Passgang, Diagonalgang, trockene Übungen in der Grundstellung und aus der heraus, Führhand, Rechte, hinterer Fuß, vorderer Fuß, vielleicht sogar Tennisball, Schattenboxen zuerst nur mit links, Dehnen. Alles ohne Bandagen!
„Sie nehmen es einem“, sagte er leise, bevor wir ausstiegen. „Du kannst dagegen protestieren, kannst schlagen und beißen und schreien und kämpfen, aber am Ende nehmen sie es dir. Und dann halten sie es vor dich und werfen es weg und treten darauf herum. Was dir bleibt, ist ihnen nichts von all dem zu verraten, wenn sie dir in die Augen sehen.“
Verstehe ich nicht. Was nehmen sie denn einem? Klingt auch recht dick aufgetragen.
Mein Vater brachte mir die schnelle Linke bei.
Auch die grundsätzliche Frage: Warum tut er das? Was hat der Vater davon? Was ist seine Motivation? Wie setzt er sich gegen den anfänglichen Widerstand seines Jungen durch? Ich sehe bei uns oft Väter die früher selbst geboxt haben und ihr Jungs bringen, die dann null Bock haben, sich zu quälen. Dreimal Probetraining, sind die wieder weg. Warum ist das hier anders? Gab es ein Moment, der das auslöste?

Mir ist die Entwicklung zu schnell, zu rasant. Eben will er noch bolzen, plötzlich ist er Westdeutscher Meister oder so. Das kostet Jahre! Wir haben einen deutschen Meister aus dem Verein, David Khaled, der ist 14, Kadett. Das bedeutet 4-5 die Woche Training in der Wettkämpfergruppe, da machen die alles, Sprints, Cardio, die checken PH-Werte und alles, und dann die Fahrten zu den Turnieren, das Hotel, wer bezahlt das alles? Das müsste hier der Vater bezahlen, denn offensichtlich will er ja, dass aus dem Sohn mal ein erfolgreicher Boxer wird, also müsste er investieren. Letzter Kampf vom David in Rostock, von Köln 700 KM eine Fahrt plus Hotel. 500 Euro, die muss man erstmal haben.

Als die ersten Niederlagen kamen, sagte Adam, dass das normal sei.
Dann passiert es. Aber was? Was wird ihm genommen? Der Biß? Der Schneid? Es wird mir nicht klar, es wird nicht angedeutet, nicht aufgelöst. Es passiert so nebensächlich, und puff!, verliert er. Das sind zwei Moment, die nicht klar motiviert sind, kein Figurendruck entsteht: Warum initiiert der Vater die Idee mit dem Boxen? Das ist ungemein wichtig, denn wenn der Vater durch den Sohn leben soll, dann muss das klar werden. Du erreichst etwas, was ich nie erreicht habe, und so kann ich trotzdem stolz sein auf dich und damit irgendwie auf mich! Und das Absacken der Leistung? Wenn er so gut war, dann ist das doch eine mentale Sache, das will ich genau wissen. Das fehlt mir. Das Ende soll das auflösen, aber der Teil, der das vorbereitet, ist schon fast auseinandergebröselt, da fehlt das Fundament. Ich empfände ein langes Schweigen auch besser, sie sitzen da im Wagen und beide wissen, nun ist es vorbei, das wars, braucht man nicht mehr drüber reden. Der Vater sagt dann: Kommt mit in die Steigerklause, da gibts n Pils und n Herrengedeck! Bumm, aus. Oder so was. Lieber zurückfahren.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @zigga hab mich über deinen Kommentar gefreut, gerade weil ich deine Texte und die Art, wie du an Texte herangehst sehr schätze! Daher ist mir deine Einschätzung auch wichtig und dass du den Text grundsätzlich gelungen findest, gibt mir Mut.

Zu deinen Anmerkungen:

Beim Zeitraffer, als dein Erzähler ins tellen kommt über die Boxkarriere, wie sie verläuft, frage ich, ob dieser Erzählteil nötig ist, oder ob es den Text nicht stärker machen würde, nur zu zeigen, das durch Szene/n zu lösen, anstatt es erzählen zu lassen.
Ich denke, dass ich verstehe, was du meinst. Der Gedanke war aber, da recht knapp zu bleiben, um dann direkt in den Kampf und die Situation mit dem Vater zu kommen. Aber so ganz bin ich da auch noch nicht zufrieden mit. Ich werde da noch mal drübergehen müssen. Deine Anmerkung werde ich mitdenken.

Hier schwanke ich, ob das nicht zu plakativ, zu direkt ist.
Würde hier an Wording schrauben, es ihn nicht so direkt sagen lassen.
Ja, mittlerweile sehe ich das. Zu Beginn dachte ich, das wäre genial. Jetzt denke ich: Ist ja voll plump ... So schnell kann es wohl gehen, haha. Die Richtung wird so bleiben, aber ich werde in einer Überarbeitung probieren, das noch mal ein wenig aufzulösen, ohne dieses Grundlegende (die Enttäuschung des Vaters, die Karriere des Sohnes schon vorgezeichnet usw.) zu verlieren.

Danke für deinen Kommentar - hilft mir!

Hallo @Frieda Kreuz und auch dir vielen Dank fürs Vorbeischauen und Kommentieren!

hat mir sehr gefallen Deine Geschichte
Das freut mich!

aber die Boxerei steht in meinen Augen für den Lebenskampf, wo der Sohn nicht zu den Winnern gehört.
Ja, kann man so sehen. Es ging mir zwar schon auch um den Vater, aber vor allem auch um die Sicht des Vaters auf den Sohn. Also weniger das klassische "Du musst nun für mich meine Ziele erreichen, Sohn" als vielmehr die Erkenntnis, dass der Sohn vielleicht vor ähnlichen Erfahrungen des Scheiterns stehen wird. Bin mir aber nicht so sicher, ob das so geklappt hat in der Darstellung.

Beste Grüße
Habentus

Hallo @jimmysalaryman auch dir vielen Dank für Kommentar und Kritik. Du schaffst es mal wieder den Finger schön in die Wunde zu legen. Aber darum geht es hier ja!

Ich gehe mal auf deine Punkte ein:

sehr ungewöhnlich, Partnerarbeit an den Pads. Vielleicht Partnerübungen, wo du bestimmte Abläufe trainierst, Dip oder Roll, aber mit Pads, das macht der Trainer im Ring, kein anderer Boxer im Allgemeinen. Arbeit an den Pads ist auch schwierig, die richtig halten etc, das muss man wirklich können.
Neben der Kritik am Text schwingt in deinem Kommentar immer wieder mit, dass ich keine Ahnung vom Boxen bzw. den Trainingsabläufen hätte. Da merke ich, dass mich das ziemlich anfasst, weil ich seit etlichen Jahren Kampfsport betreibe, ich mir anmaße, auch was davon zu verstehen und mir dann so ein impliziter Vorwurf wirklich gegen den Strich geht. Du machst es an Stellen im Text fest und mitunter hast du da auch definitv einen Punkt. Ich wollte es dennoch voranstellen, weil mein Ton da (ich versuche es zu vermeiden) vielleicht etwas angefasst wirkt.
Zum Inhalt: Es mag sein, dass es in deinem Gym so abläuft. Bei mir ist das anders. Es mag sein, dass es daran liegt, dass ich nicht einem reinen Boxgym trainiere, sondern wir auch einen besonderen Schwerpunkt auf Muay Thai haben. Dass sich die Trainingsabläufe daher unterscheiden, ist möglich. Aber das Arbeiten an den Pratzen und Pads gehört absolut zum Standard. Der Trainer hält dabei äußerst selten die Pads, sondern kontrolliert die Paare. Du hast recht, dass das richtige und dynamische Pratzenhalten gelernt sein will - gerade deshalb wird da aber auch Wert drauf gelegt, dass es eben sehr schnell vermittelt wird. Natürlich gibt es auch noch andere Traininsinhalte und Teile, die ich vlt. anders (zB. habe ich im Text geschrieben, die Arbeit am Sandsack - die findet bei uns zB. im Grunde nicht statt) oder zu wenig darstelle. Im Grunde läuft ein Training aber so ab. Was im Text fehlt - das dynamische miteinander arbeiten - vlt. müsste ich das noch hinzufügen.

Hier fehlt mir auch das Spezifische: Was genau für Technikübungen? Passgang etc?
Im Grunde sagst du ja, dass hier zu wenig Schwerpunkt auf den Trainingsinhalt gelegt wird. Das müsste ich mir noch mal anschauen, ob ich das vielleicht noch mehr ausbauen kann. Könnte gut sein, dass es den Text stärken würde. Ich denke darüber nach.

Woran merkt er das? Lässt der Gegner die Deckung hängen, wird er müde, kassiert er mehr? Ist er schwächer?
Wo trafen die hart, am Körper, am Kopf? Was heißt hier: schnell bewegen? Pendelt er, geht er rein/raus, kontert er? Wechselt er die Auslage? Da könnte man tiefer rein.
Ja, verstehe deinen Punkt. Du willst hier eine detailiertere Kampfbeschreibung. Das wollte ich auch in dem Text - daher habe ich es beim späteren Kampf versucht, mehr auszuformulieren. Hier an dieser Stelle hat es für mich nicht gepasst. Würdest du dafür plädieren, sowohl hier als auch später den Kampf auszuformulieren oder meinst du, hier müssten einfach noch 1-2 detailiertere Beschreibungen hin?

Das ist ein Amateurkampf, vielleicht paar Jahre her, also tragen die Kopfschutz, da sieht man nicht so viel im Blick, würde ich behaupten.
Ich verstehe, was du sagen willst. Ich würde behaupten, dass man im Kampf sehr schnell merkt, wie der Gegner auftritt und wie er kämpft, wie er sich bewegt, was er austrahlt, wie viel Wille da ist. Und natürlich siehst du (Kopfschutz hin oder her), wie dein Gegner dich ansieht. Es mag dann hier eine Übertreibung in der Formulierung sein (Angst im Blick klingt tatsächlich vielleicht ein wenig zu dick), aber es ist doch völlig klar, was gemeint ist. Ich denke nicht, dass ich das an dieser Stelle noch auswalzen müsste.

Vorher würde der Ringrichter den anderen Kämpfer anzählen. Selten, dass bei Amateurkämpfen jemand richtig eiskalt ausgeknockt wird, sieht man schon, aber selten. Unwahrscheinlich auch, dass da der Trainer ein Handtuch schmeißt, vorher würde der Kämpfer angezäht werden und aus dem Kampf genommen.
Der würde dann anzählen, wenn die Wirkungstreffer wirklich dazu führen, dass der Gegner sich nicht mehr ordentlich deckt oder sogar zu Boden geht. Das passiert ja eben nicht. Er hat ja sogar eine funktionierende Doppeldeckung am Start. Dann zählt er natürlich nicht an. Es wäre ja möglich, dass sich der Gegner da herausarbeitet und ein Ringrichter würde diese Möglichkeit nicht unterbinden und den Kampf verfälschen. Aber es stimmt, es ist ungewöhnlich, dass so etwas passiert. Und das Handtuch werfen, ist auch ungewöhnlich. Allerdings habe ich beides bereits erlebt (auf einem absoluten Newcomerturnier, wo u.a. ein fremdes Gym zu Besuch war, mit 3 Kämpfern angetreten ist, die sich wie die Axt im Wald mit ihrer Crew aufgeführt haben, zwei Siege durch KO in der ersten Runde erzielt haben und ganz sicherlich NIE wieder eingeladen werden ...).

Vollkommen unmotiviert, oder? Zuerst will er lieber Fußball spielen, dann ist er aber der Erste im Gym? Warum? Woher der Wandel?
Naja, das ergibt sich doch schon aus dem Text. Eine Wahl scheint er ja nicht zu haben. Und, alleine, dass er da ja mit Vorkenntnissen hinkommt und der Trainer ihn beim ersten Training schon spüren lässt: Hey, du kannst ja richtig was, Junge macht schon was mit einem. Gepaart mit Erfolgsdruck finde ich das schon nachvollziehbar an dieser Stelle.

Auch ungewöhnlich. Erste halbe Stunde Technik, Passgang, Diagonalgang, trockene Übungen in der Grundstellung und aus der heraus, Führhand, Rechte, hinterer Fuß, vorderer Fuß, vielleicht sogar Tennisball, Schattenboxen zuerst nur mit links, Dehnen. Alles ohne Bandagen!
Eben nicht. Vor dem Training wird bandagiert - immer. Alle. Wir haben in all den Jahren vielleicht fünfmal die Aufforderung bekommen, die bandagen NICHT anzuziehen. Das war weil es explizit um ein Thai-Clinch-Training ging.
Trainingsablauf: Seilspringen, Schattenboxen (da hast du recht - erst Führhand, später beides (im Muay-Thai dann noch Kick-, Knie- und Ellbogentechniken), dynamisches Arbeiten am Partner, später Pads. Aber auch hier: Der Trainingsablauf unterscheidet sich doch sicherlich von Gym zu Gym und sogar nach jeweiligem leitenden Trainer. Das ist dann eben nicht ungewöhnlich, sondern einfach unterschiedlich, würde ich behaupten.

Verstehe ich nicht. Was nehmen sie denn einem? Klingt auch recht dick aufgetragen.
Ja, gehe ich mit. Beim Schreiben war ich sehr überzeugt davon. Jetzt denke ich: Puh, bisschen plump die Stelle - ich gehe da auf jeden Fall noch mal dran.

Wie setzt er sich gegen den anfänglichen Widerstand seines Jungen durch?
Wo ist da denn Widerstand? Weil er eigentlich lieber zum Fußball wäre? Das ist doch kein Widerstand.

Mir ist die Entwicklung zu schnell, zu rasant. Eben will er noch bolzen, plötzlich ist er Westdeutscher Meister oder so. Das kostet Jahre!
Das kann ich nachvollziehen. Und hier sprichst du wohl den wesentlichen Schwachpunkt des Textes an. Da muss ich noch mal mit klarem Kopf drüberschauen und ausbessern. Auch was dann die Entwicklung hin zum Ende angeht.

Eben will er noch bolzen, plötzlich ist er Westdeutscher Meister oder so. Das kostet Jahre!
Ist er doch nicht. Wird doch nirgendwo gesagt. Er gewinnt einige Kämpfe, ist zu Beginn (in den ersten Jahren - es wird ja zeitlich ziemlich gesprungen - erfolgreich). Aber es wird doch nirgendwo behauptet, dass er wirklich in solche Sphären vordringt. Aber bevor ich jetzt wütend gegen alles schreibe, was du dem Text vorhälst, muss ich sagen, dass du hier wohl doch einen Punkt hast. Man kann es reinlesen. Mmh, ich werde versuchen, das noch mal anders zu lösen. Danke fürs Aufzeigen.

Dann passiert es. Aber was? Was wird ihm genommen? Der Biß? Der Schneid? Es wird mir nicht klar, es wird nicht angedeutet, nicht aufgelöst. Es passiert so nebensächlich, und puff!, verliert er. Das sind zwei Moment, die nicht klar motiviert sind, kein Figurendruck entsteht: Warum initiiert der Vater die Idee mit dem Boxen? Das ist ungemein wichtig, denn wenn der Vater durch den Sohn leben soll, dann muss das klar werden. Du erreichst etwas, was ich nie erreicht habe, und so kann ich trotzdem stolz sein auf dich und damit irgendwie auf mich! Und das Absacken der Leistung? Wenn er so gut war, dann ist das doch eine mentale Sache, das will ich genau wissen. Das fehlt mir. Das Ende soll das auflösen, aber der Teil, der das vorbereitet, ist schon fast auseinandergebröselt, da fehlt das Fundament. Ich empfände ein langes Schweigen auch besser, sie sitzen da im Wagen und beide wissen, nun ist es vorbei, das wars, braucht man nicht mehr drüber reden. Der Vater sagt dann: Kommt mit in die Steigerklause, da gibts n Pils und n Herrengedeck! Bumm, aus. Oder so was. Lieber zurückfahren.
Hier gehe ich in vielen Teilen mit. Ich muss mir das aber mit ruhigem Blick noch mal ansehen, denn ich denke, dass du mit so einigem, was du bemängelst, recht hast. Wenn ich es überarbeitet habe, werde ich dich noch mal anpinnen, wenn es in Ordnung ist?

Insgesamt, auch wenn meine Antwort bisschen schärfer ausgefallen ist - großen Dank für deinen Kommentar, der mir wieder sehr weiterhelfen wird. Auch über diesen Text hinaus.

Beste Grüße
Habentus

 

Da merke ich, dass mich das ziemlich anfasst, weil ich seit etlichen Jahren Kampfsport betreibe, ich mir anmaße, auch was davon zu verstehen und mir dann so ein impliziter Vorwurf wirklich gegen den Strich geht.

Du, nee, alles gut. Ich impliziere gar nichts. Ich kommentiere ja aus meiner Erfahrung, und da ich halt schon ewig beim Amateurboxen (mehr schlecht, als recht!) dabei bin, und ich auch weiß, wie das bei anderen Clubs hier in der Gegend läuft, ist das eben das Fundament meiner Kritik. Geht immer anders, wie du ja sagst, klar, sollte nicht despektierlich oder so klingen, sorry, wenn das so rüberkam. Spielt aber auch keine Rolle, denn das wäre für mich auch nur Kosmetik; wichtiger finde ich die Gewichtung der Figuren und ihrer Motivation.
Eine Wahl scheint er ja nicht zu haben. Und, alleine, dass er da ja mit Vorkenntnissen hinkommt und der Trainer ihn beim ersten Training schon spüren lässt: Hey, du kannst ja richtig was, Junge macht schon was mit einem. Gepaart mit Erfolgsdruck finde ich das schon nachvollziehbar an dieser Stelle.
Das ist ja ein super Punkt, den du hast: Wenn der Vater, so stelle ich mir das vor, sagt, du gehst da jetzt hin und basta!, dann würde ich das szenisch darstellen. Da müsste eine Szene hin, wo das thematisiert wird; es kann ja auch ruhig den Twist geben, dass der Junge zuerst gar nicht gehen will, aber dann feststellt, der polnische Trainer hat etwas, was der Vater ihm gar nicht geben kann, nämlich diese Fürsorge und den Glauben an ihn. Dann würde der Trainer zu einer Art Ersatzvater werden.
Ich war gut, gewann oft nach Punkten. Medaillen und Pokale meiner Siege standen auf dem Schrank im Wohnzimmer. Mein Vater strich ab und an mit einem feuchten Tuch darüber.
Hier, das meinte. Das klingt schon nach Titeln. Ist ja auch total okay, kann man ja so lassen. Es könnte ja durchaus sein, dass sich das so entwickelt, der Sohn, der vom Trainer immer weiter gebracht wird, dadurch entfernt sich aber der Vater ja auch von ihm, er hat nicht mehr diesen Einfluss. Der Vater müsste aber ja auch mit den Erfolgen seines Sohnes anders umgehen, denke ich: das lässt ihn hier so offensichtlich kalt, aber er müsste doch viel involvierter sein, finde ich. Ist halt ein wenig Klischee, aber es gibt diese Väter, die durch ihre Söhne leben, die erzählen dann jedem, was ihr Sohn für eine Granate ist. Wenn der Vater das aber nur für sich macht, vielleicht sogar schon weiß, dass irgendwann das Ende kommt, dann stellt er die Pokale auf die Wandschrank im Wohnzimmer und sieht sie sich alleine an, abends wenn er zuhause ist. Noch ein Punkt: Wo ist überhaupt die Mutter? Und hat der keine Freunde? Da steckt noch viel drin, die Mutter als weiche Stelle, die Freunde als Echo-Kammer, die können ja genau die Fragen beantworten, die der Leser wissen möchte.

Insgesamt, auch wenn meine Antwort bisschen schärfer ausgefallen ist - großen Dank für deinen Kommentar, der mir wieder sehr weiterhelfen wird. Auch über diesen Text hinaus.
Versteh mich nicht falsch, ich finde den Text gut. Mir geht es beim Kommentieren auch weniger um das Narrative, sondern eher um die Struktur, so lerne ich am meisten für meine eigenen Texte. Hier steckt halt schon viel drin, und diese Texte, in denen Entwicklungen drinne stecken, da denke ich immer, ja, bitte auf 10k hochschrauben. Ich weiß, ich klinge dann immer gleich lahm, aber ein kurzer Text braucht, wie ich finde, einen knappen Fokus: Sein letzter Kampf. All die jahrelange Arbeit und der Konflikt mit dem Vater müssten dann angedeutet zwischen den Zeilen sein, danach sitzen sie im Auto, es wird klar: das war es nun. Also nochmals komprimieren vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich würde gerne lesen, wie er das erste Mal ins Gym geht, vielleicht mit einem Freund, dann lernt er ein Mädchen kennen, die lenkt ihn ab, dann wieder der Vater, der ihn triezt. Da steckt so viel an Potential drin. Das ist ja deine Geschichte, das sind nur so Gedanken, die ich beim lesen habe.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Habentus,

beim ersten Lesen hatte ich den Eindruck, dass das deine reifste Story ist. Sie las sich sehr routiniert geschrieben und ich hatte den Eindruck großer Stimmigkeit, wenngleich sie mich stark an Texte von @zigga erinnert hat, was Abzug in der B-Note (Originalität) gab ;-)

Dann habe ich den Text noch einmal gelesen und festgestellt, dass er bei aller Qualität jede Menge Potenzial verschenkt. Das liegt vielleicht sogar daran, dass er so glatt gezogen erscheint: Ihm fehlen Emotionen (auf Seiten des Erzählers) und sprachliche Eigenarten. Er ist insgesamt dadurch sehr nüchtern und technisch geraten. Ausserdem verliert er im Verlauf sein Thema, also den Grundkonflikt völlig aus den Augen: Der Text eröffnet klassisch mit einem auftretenden Konflikt für den "Helden", doch dieser Konflikt steigert sich nicht, ja, er wird eigentlich nicht mal als problematischer Prozess weitererzählt. Stattdessen passieren die Dinge und der Protagonist nimmt sie lakonisch hin, bis der Text dann zum Ende hin plötzlich vom Vater zu handeln beginnt. Das ist technisch nicht sauber austariert, denke ich.

Dazu kommt, dass ich einige Stellen gefunden habe, die man beim ersten Lesen so hinnimmt, die aber bei genauerer Betrachtung eine Überarbeitung nötig hätten, finde ich (mal mehr, mal weniger stark, versteht sich):

Hier meine Detailanmerkungen:

Mein Vater brachte mir die schnelle Linke bei. Ich erinnere mich, wie er frühmorgens in der gekachelten Waschküche im Keller vor mir stand. Es war nicht viel Platz, die Wäscheleinen hatte er abgehängt, Flaschenkisten und Arbeitsschuhe an die Seite gestellt. Er beugte sich zu mir und hielt zwei Holzlöffel in die Luft. Dann ließ er einen los. War ich zu langsam, den fallenden Löffel mit meiner linken Hand zu greifen, bekam ich eine sanfte Ohrfeige.
„Die Augen von einem verraten nichts“, sagte er ruhig. „Schau deinem Gegner aufs Schlüsselbein. Da siehst du, wenn er zuckt, noch bevor er selbst weiß, was er tut.“

Ich finde diese Stelle nicht konsistent, wenn man sie genau liest, denn du vermischt hier meiner Meinung nach zwei Aspekte: Angriff und Verteidigung. Der Titel und der Satz des Vaters – „Die Augen von einem verraten nichts“ – erklären ja, wie man einen Schlag des Gegners erkennt, um ihm auszuweichen bzw. ihn direkt zu kontern. Das wäre also eine Defensivtechnik.

Die "schnelle Linke", um die es in der Szene geht, ist indes Offensive. Hier wäre also neben dem generellen Tempo entscheidend, seinen eigenen Schlag eben nicht mit einer größeren (Schulter)Bewegung anzudeuten.

Die Übung, die sie machen, hat meiner Meinung nach mit den Augen bzw. dem Schlüsselbein nichts zu tun, denn der Vater hält die Löffel hat starr vor sich – er agiert nicht aus einer Bewegung heraus.

Du solltest das klarer herausarbeiten bzw. diese beiden Techniken und Aspekte räumlich im Text trennen.

Ebenfalls nicht überzeugen tut mich "die sanfte Ohrfeige" – das ist ja in diesem Setting fast eine Kontradiktion: eine Strafe, die keine ist. Entweder müsste die Ohrfeige gut spürbar sein (was ich aber für übertrieben hielte), oder man müsste stattdessen eine Strafe mit Mehrwert nehmen, wie eine bestimmte Anzahl Liegestütze oder Kniebeugen.

Ich wäre lieber zum Fußballspielen auf den Bolzplatz, wie die anderen Jungs aus unserem Block, aber mein Vater meldete mich beim Boxen an.

Das klingt mir zu kategorisch. Meistens ist Training in den frühen Abendstunden, so gegen 6. Da kann man vorher noch eine Menge Fussballspielen, wozu man als Teenager auch die Energie hat (ich war oft den ganzen Nachmittag auf dem Basketballplatz und bin dann zum Fussballtraining).

Ausserdem klingt das so, als käme irgendein Zeitpunkt im Leben eines Jungen, bei dem er mit Sport beginnt. Aber so ist es ja nicht. Er ist sicherlich mit seinen Freunden auf dem Bolzplatz unterwegs, bis der Tag kommt, wo er mit dem Boxen anfängt.

Du könntest das alles einbauen, indem er mit auf den Bolzplatz geht, aber dann früher als die anderen losmuss und neidisch wird, weil sie noch weiterspielen dürfen.

Er fuhr mit mir zum ersten Training, lehnte an der Wand und sah beim Warmmachen zu. Als ihm jemand anbot, sich auf die Bank bei den Spinden zu setzen, winkte er ab. Wir machten Technikübungen, Partnerarbeit an den Pads, gingen an den Sandsack. Adam, ein kantiger Pole mit kurzen Haaren, der das Training leitete, klopfte mir auf die Schulter, weil ich mich nicht schlecht anstellte, wie er meinte.

Irgendwie denke ich hier "Klischeealarm" – der (überlegene) Boxer aus dem Ostblock, wo es noch echte Männer gibt. Wie wäre es mit ein wenig Frische? Warum nicht einen Akademiker einbauen, der dem Vater als Figur gar nicht passt und dem er reinreden will?

Auf der Rückfahrt durfte ich das Radio aufdrehen. Die Fenster waren heruntergelassen und ich streckte meine Hand in den kühlen Fahrtwind.

Das ist schon ein strenges Regime dort – "er durfte das Radio andrehen". Vielleicht etwas zu weit getrieben? Ich meine, in welcher Zeit spielt das? In den 50ern? 60ern?

Zwei oder drei Mal kam mein Vater mit. Er sah mir beim Aufwärmen zu, beim Technikteil, beim ersten Sparring, an die Wand gelehnt, die Arme verschränkt. Dann ging ich alleine - vier Mal in der Woche.

Ist das realistisch? Vier Mal die Woche Training plus Spiele/Kämpfe am Wochenende ist schon klar im Leistungssport anzusiedeln. Geht man einfach mal in einen Verein, weil der Vater das so will, und ist dann direkt so involviert? Und hat der Verein die Kapazitäten, vier Mal die Woche die Anfänger-Kids zu trainieren?

Wenn ich herauskam, verschwitzt, die Sporttasche über meiner Schulter, stand er schon auf dem Parkplatz und wartete. Er nickte mir zu, ich legte meine Tasche auf den Rücksitz des alten Passats und stieg ein.

Da die Geschichte schon so einen Old-School-Vibe hat, sollte er auch im Verein duschen, finde ich. Das ist ja quasi ein Ritual.

Manchmal fuhr er mir durch die Haare. Er war ein großer, hagerer Mann, immer gut rasiert, die kurzen Haare zur Seite gekämmt. Wenn ich an ihn denke, sehe ich ihn niemals grinsen.

Ist dieser Satz nicht eigentlich Unsinn? – Das klingt so, als würde er zufällig an ihn denken, und sich dann darüber wundern, dass er nicht an etwas anderes gedacht hat, so quasi wie: "Wenn ich an einen Baum denke, sehe ich nie eine Giraffe vor mir."

Die Frage ist doch: Hat er jemals gegrinst und hat der Erzähler das mitbekommen, kann er sich also daran erinnern? Oder nicht?

Es sollte also dort so etwas stehen wie:

Er hat nie gegrinst – gelacht ja, aber gegrinst nie.

Oder:

Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn jemals grinsen gesehen zu haben.

Ich sehe ihn mit seinen hellblauen Augen in unserer kleinen Küche sitzen, sehe, wie er einen Schluck Kaffee nimmt, ihn im Mund behält, lange, dann erst schluckt, so, dass das Schlucken was Besonderes ist. Seine Arme voller Sommersprossen. Dünn, aber stark wie ein Bär mit Venen, die hervorstanden, wenn er auf Arbeit schwere Dinge trug, als ob es nichts wäre.

Hier geht es weiter: Du willst dem Leser hier etwas unterjubeln, was so nicht stattfindet. Ich meine, es ist sein Vater, er hat ihn in tausenden Situationen erlebt. Und er soll ihn immer nur in der Küche vor sich sehen, wie er Kaffee trinkt?

Warum sollte das so sein? Warum sollte die wahrscheinlich wichtigste Bezugsperson auf eine Situation zusammenschrumpfen? (Ausserdem widerlegt der Text ja diese Schema selbst, denn er schildert ja, wie der Vater im Kontext des Boxen agiert.)

Mein erster Kampf war nach anderthalb Minuten vorbei. Ich erinnere mich an das Gefühl, das ich beim Einatmen hatte, als ich durch die Seile in den Ring stieg. Mein Körper war so aufgeheizt, dass sich die Luft merkwürdig kühl anfühlte und in der Nase kitzelte. Ich hörte kaum, was der Ringrichter zu uns sagte, während er die Handschuhe kontrollierte und den Mundschutz sehen wollte. Als es losging, merkte ich, dass ich der Bessere war. Meine Schläge trafen hart und ich bewegte mich schnell. Mein Gegner hatte Angst im Blick. Am Ende stand er nur noch in der Doppeldeckung und nahm meine Haken, bis seine Ecke das Handtuch warf. Ich begriff nicht, was los war. Erst als Adam mir ein Zeichen gab, verstand ich. Die älteren Jungs klopften mir auf die Schulter oder schlugen mit mir ein, als ich aus dem Ring stieg und ich fühlte mich in diesem Moment ganz groß.

Der Eingangssatz der Passage ist nicht gut platziert, finde ich: Er spricht vom Ende, bevor die Schilderung losgeht. Heißt: Der Leser schließt mit dem Kampf ab und liest dann von seinem Beginn und seinem Verlauf.

Mein Vater wartete vor der Halle. Als ich herauskam, streckte er seine Hand aus. Ich gab ihm die Medaille, die sie mir im Ring um den Hals gehängt hatten und er wog sie zwischen seinen Fingern.
„Gegen so jemand ist das nichts wert“, sagte er.
Er gab sie mir zurück. Auf der Rückfahrt fuhr ich das Band entlang, strich über die Gravur und die Maserung. Zuhause legte ich sie in meine Schreibtischschublade.

Erscheint mir nicht konsistent, denn der Vater ist ja alleine schon stolz, weil der Junge mit dem Boxen anfängt. Warum sollte er also einen Fortschritt – den ersten Kampf und den ersten Sieg – missbilligen? Es läuft doch scheinbar alles nach seinem Plan und er könnte es auch so auslegen, dass sich hier das Talent oder die Überlegenheit des Sohnes gezeigt hat.

Ich fände es plausibler, wenn er den Sohn lobt und direkt dazu übergeht, eigentlich viel zu hohe Ziele anzuvisieren.

Ich war oft der erste im Gym. Bevor ich mich warmmachte, bandagierte ich meine Hände. Ich begann mit dem Daumen, stabilisierte das Handgelenk, indem ich den Stoff mehrmals darum wickelte, zog nach, ging über den kleinen Finger, zog nach, Ringfinger, Mittel- und Zeigefinger. Zurück über den Daumen. Es gibt unterschiedliche Methoden, wie man die Hände wickelt, aber wenn man es einmal auf eine bestimmte Art und Weise gelernt hat, bleibt man dabei.

Zum ersten Satz wurde schon was gesagt. Man kann das frühe Erscheinen ja auf einige Weisen deuten: Vielleicht macht es ihm mittlerweile so großen Spaß. Oder der Erwartungsdruck von Vater und Trainer zeigen Wirkung, sorgen für ein Überengagement.

Was mich mehr stört – und das betrifft die Story insgesamt – ist die Erzählstimme und das Fehlen von Emotionen bzw. Persönlichkeit auf Seiten des Protagonisten. Am Ende wird er wie der Vater im Arbeitermilieu einsortiert und zwar im unteren sozioökonomischen Bereich. So klingt seine Erzählweise aber nicht. Und auch das – ich nenne es mal: "Grobschlächtige" oder "Unempfindliche" schlichterer Gemüter geht ihm weitgehend ab. Er ist zwar unsentimental und lakonisch, aber er beobachtet auch und schildert die Ereignisse als problematischen Ablauf. Es wäre also mehr Reflektion und Einordnung zu erwarten, finde ich.

Und so eine Stelle wie die mit dem Bandagen klingt für mich hier unstimmig: Hier spricht quasi ein Experte über seine Kunst oder sein Handwerk. Aber der Konflikt der Story ist doch, dass sich der Junge eben nicht voll mit dem Boxen und den ganzen Riten und Techniken identifiziert. Das müsste sich also in den Kleinigkeiten ausdrücken.

Erzähltechnisch konsistent wäre, wenn er verschiedene Bandagierungsmethoden ausprobiert und mit keiner ganz glücklich wird, aber dann einfach bei einer bleibt. So unterstreicht die Stelle die Textaussage, anstatt aus dem unmotivierten Jungen im Handumdrehen einen gewissenhaften Boxer mit wohl kalkulierten Routinen zu machen.

Soll er hingegen Feuer für die Sache gefangen haben, müsste der Text das Erzählen. Ja, er fühlte sich nach dem ersten Sieg "ganz groß", aber man erfährt ja nicht, warum. Weil ihm der Kampf Spaß gemacht hat? Oder weil er seinem Vater was liefern konnte? Nur aus dem ersten Fall folgt für mich diese Bandagierungsstelle: Sie zeigt dann, wie er die Sache immer ernster nimmt, mit dem Boxen quasi verschmilzt (symbolisiert durch das enge Einwickeln in das Material).

Zum Warmmachen sprang ich Seil - fünf mal drei Minuten. In den letzten Runden wechselte ich zwischen normalem Tempo und Sprints. Danach dehnte ich mich, begann bei den Beinen, ging über die Hüfte, die Arme und Schultern bis zu Hals und Kopf, drehte meine Fußknöchel und Handgelenke, um sie zu lockern. Beim Schattenboxen variierte ich explosive Kraft oder Tempo, machte einzelne harte Schläge oder arbeitete durchgehend mit niedriger Intensität. Ab und an nahm ich kleine Gewichte dazu. Danach waren meine Bewegungen doppelt so schnell und ich wusste, die nächsten Tage würden meine Schultern schmerzen, aber für einen Moment fühlte ich mich wie Roy Jones Jr.
Gelbe Linien auf den Matten am Boden halfen die Schritte, Abstände und die richtige Winkelarbeit zu überprüfen.

Auch diese Stelle erzählt nichts von seinen Emotionen, gibt also im Grunde den am Anfang gesetzten Grundkonflikt fast auf: Wird hier überhaupt noch von einem Jungen erzählt, der sich durchs Boxen quält? Oder wird von einem erzählt, der sich plötzlich in einen Sport verliebt? – Weder noch! Es wird nur nüchtern geschildert, von Technischem gesprochen. Aber zu welchem Zweck?

Woher kennt zum Beispiel einer, der sich für Fußball interessiert, plötzlich Roy Jones Jr.? Gerade in Deutschland ist das ja nicht gerade der erste Boxer, über den man stolpert. Wo hat er diesen überhaupt gesehen? Im Fernsehen schon mal nicht.

„Er zwingt dich in die Ecke“, rief Adam, während wir uns wie einsame Tänzer durch die Halle bewegten. „Was tust du? Er kontert deinen Jab – Was machst du?“ Ich suchte im Kopf nach Antworten, während ich die Linien im Blick behielt und meine Schritte so sorgsam setzte, als wäre ich ein Eisläufer auf einem gefrorenen See.

Von "wir" und "einsamen Tänzern" im selben Satz zu sprechen ist für mich widersprüchlich, impliziert Einsamkeit doch die Absenz anderer Leute. Auch nicht so schön: Dann noch einmal die "Eisläufer" als Referenz aufzurufen – besser: entweder, oder.

Adam hielt nichts von den Kommunisten, aber auf den sowjetischen Boxstil schwor er. Technik und Taktik - selten Sparring. Wo war das Blut, wunderte ich mich. Wo die aufgeheizte Atmosphäre, die ich aus den Filmen kannte?

Roy Jones Jr. war im Grunde die 90er und frühen 2000er über aktiv; die Story spielt also in dieser Zeit oder später – von welchen "Kommunisten" ist hier also die Rede? Meines Wissens brach der Ostblock 1990 zusammen.

Ich machte viele Kämpfe in den Jahren. Vergleichskämpfe, Qualifikationsboxen, Einzel- und Ligaturniere. Später Bezirks- und Landesmeisterschaften. Ich war gut, gewann oft nach Punkten. Medaillen und Pokale meiner Siege standen auf dem Schrank im Wohnzimmer. Mein Vater strich ab und an mit einem feuchten Tuch darüber. Als die ersten Niederlagen kamen, sagte Adam, dass das normal sei. Es wurden mehr. Zwei verlorene Kämpfe hintereinander. Irgendwann drei.

Heißt das, er verlor drei Mal? – Dann so schreiben. Oder heißt das, dass er einmal zwei Mal hintereinander verlor, dann wieder gewann, um schließlich irgendwann drei Mal hintereinander zu verlieren?

Adam meinte, dass jeder echte Kämpfer mal ein solches Tief hatte. Etwas schwang zwischen den Zeilen mit, als er mir nach dem Training auf die Schulter klopfte.

Unpassender Ausdruck: Schulterklopfen hat ja keine Zeilen – was soll da dazwischen mitschwingen?

Meinen letzten Kampf hatte ich gewonnen, aber es war knapp gewesen und es hatte sich nicht nach einem Sieg angefühlt. Adam nahm mich aus den Planungen für die wichtigen Turniere heraus. Als ich ihn darauf ansprach, sagte er, dass ich mir ein bisschen Zeit nehmen solle, um wieder reinzukommen. Er meinte es gut, aber er sah mir nicht in die Augen und im Training stand er fast nur noch bei den anderen Kämpfern, um ihnen die Pratzen zu halten.
Ich sollte bei einigen Gala-Kämpfen antreten, um Erfolge einzufahren und mich daran wieder hochzuziehen. In einer Halle in Dorstfeld stand ich einem Gegner gegenüber, der erst zwei Kämpfe gemacht hatte. Er war größer, hatte lange Arme und hielt mich auf Abstand. Wenn ich eine Aktion machte, reagierte er mit schnellen Konterbewegungen. Er wartete, behauptete die Ringmitte und bewegte sich nur so viel, wie er musste. Wir tasteten uns ab, testeten einfache Kombinationen aneinander und bewegten uns noch recht vorsichtig. Trotzdem hatten seine langen Geraden mich schon ein paar Mal erwischt und ich hatte Probleme, in den Kampf zu kommen. In der ersten Pause kniete Adam vor mir. Ich sah die Sorge in seinem Blick.
„Musst ran an ihn, Junge!“, sagte er. „Täusch an, mach zwei, drei schnelle Aktionen, dann gehst du rein. Arbeite am Körper, mach ein paar Dinger und dann löste dich wieder – den kriegst du über Geschwindigkeit, klar?

Hierüber bin ich gestolpert: Wenn der Gegner zu schnell für ihn ist, warum ist dann Geschwindigkeit der Schlüssel zum Erfolg? Hier ist der Protagonist doch gerade unterlegen. Und weiter unten wird ja dann eigentlich auch eine andere Taktik propagiert: Treffer in Kauf nehmen und in den Infight gehen und eher ackern als (schnell und schön) boxen.

In der zweiten Runde hielt ich mich zunächst zurück. Ich bewegte mich kontrolliert, ließ ihn ein paar Jabs machen und wich aus. Dann arbeitete ich mich schnell mit meiner Führhand nach vorne, setzte eine Gerade und einen Haken zum Bauch und einen Uppercut zum Kinn.

Habe Mühe, dieses Manöver zu visualisieren – ist das aus der Praxis bzw. Kennerschaft geschrieben? Mir scheint das bewegungstechnisch nicht ganz aufzugehen.

Ich klammerte, stieß meinen Gegner zurück und wurde ermahnt. Ich hob entschuldigend die Arme, versuchte es aber sofort noch mal. Reingehen, Treffer setzen, klammern - schönes Boxen ist für Verlierer.

Der Satz ist nicht ganz passend im Kontext, denn weiter oben fühlt er sich noch als Verlierer, weil er unschön gewonnen hat, und sein Trainer sieht das wohl genauso. Hier verkündet er nun eine gegenteilige Überzeugung.

Beim nächsten Versuch wurde ich von einer schnellen Geraden getroffen. Ich wich zurück. Wir tänzelten eine Weile umeinander herum. Dann ging er nach vorne, arbeitete sich mit seiner Führhand zu mir, aber ich behielt die Nerven. Seinen dritten Schlag konnte ich blocken und warf auf gut Glück eine Overhand zum Kopf.

Hier stolpere ich auch: Er wird getroffen, muss zurückweichen, aber verfällt dann sogleich ins Tänzeln? Ausserdem: Wie genau tänzelt man beim Boxen "umeinander herum"? Ist es nicht nur ein Boxer, der um den anderen herumtänzelt, während dieser mittig steht und sich mitdreht?

Ich traf. Er wackelte und ich setze nach, aber der Gong beendete die Runde und gab ihm Zeit zum Ausruhen. In der Ecke nickte Adam mir zu.
„Die letzte Aktion war gut. Aber im Moment ist es eng. Du musst Punkte machen, klar? Lass ihn dich nicht über seine Geraden kontrollieren. Auch wenn du ein oder zwei Dinger fressen musst, geh rein und arbeite am Körper. Beiß dich richtig fest, verstehst du?“
Zu Beginn der dritten Runde traf ich häufiger. Mein Gegner war müde. Er versuchte mich jetzt vor allem auf Abstand zu halten. Ich bewegte mich um ihn herum, ging rein, traf zwei lange Geraden, machte eine Finte und wollte in den Infight, doch er wich mit einer schnellen Bewegung aus, die ich ihm nicht zugetraut hätte und erwischte mich mit seinem linken Haken wie aus dem Nichts. Ein harter, cleaner Schlag, der mich wanken ließ. Ich ging zurück, brauchte ein oder zwei Sekunden, um mich zu fangen, aber stand dann wieder sicher. Ich atmete schwer. Jetzt griff er an, deckte mich mit langen Schlägen ein und drängte mich zum Ringseil zurück. Viele seiner Aktionen konnte ich blocken, aber ich hatte keine Kraft mehr, um ihn auszukontern oder selbst in die Offensive zu gehen.

Erst ist der Gegner müde und reaktiv, nur um dann ohne Pause doch voll in die Offensive zu gehen und den Protagonisten regelrecht mit Schlägen einzudecken? – Mag es geben, aber würde er das im Rückblick so erzählen? Er weiß ja zu diesem Zeitpunkt des Erzählens, dass sein Gegner eben nicht müde war.

Noch mehr Schläge kamen - schnelle links-rechts-Kombinationen, Haken zu Körper und Kopf.

Substantive groß: Links-rechts-Kombination

Ich duckte mich, aber er traf mit seiner Linken. Den nächsten Schlag blockte ich, machte eine Ausweichbewegung mit dem Oberkörper und schlug einen Aufwärtshaken ins Nichts. Ich bewegte mich nach vorne. Kopf an Kopf standen wir voreinander, ich nahm Schläge zum Körper, stieß mit meinem Kopf nach ihm – der Ringrichter übersah es. Als es klingelte, war ich völlig am Ende. In meiner Ecke beugte sich Adam zu mir.
„Wird schon passen, hast gut gekämpft“, sagte er, aber ich wusste es besser. Meine Atmung fuhr herunter und ich schüttelte den Kopf. Von den Schlägen spürte ich nichts - die Schmerzen würden später kommen. Der Ringrichter holte die Ergebnisse der Punktrichter ein. Er winkte uns heran. Wir standen neben ihm in der Ringmitte und ich suchte in den Zuschauerrängen nach meinem Vater. Viel war nicht los, ein paar Männer liefen zwischen Bierbänken umher, lachten oder unterhielten sich. Kinder spielten zwischen den Beinen der Erwachsenen und die Luft in der Halle stand. Mein Vater saß in der dritten Reihe. Der Ringrichter nahm das Mikrofon und verkündete das Ergebnis. Splitdecision, zwei zu eins in den Wertungen gegen mich.

Split-Decision

Mein Gegner hob seine Arme in die Luft. Ich hörte den Applaus des Publikums und wie der Ringrichter schon den nächsten Kampf ankündigte. Dann sah ich, wie mein Vater aufsprang und etwas schrie. Die Bierbank, auf der er gesessen hatte, fiel beinahe um. Er hob seine Hände, sein Gesicht war verzerrt, er sah aus wie ein anderer Mensch. Ein Mann fasste ihn an der Schulter. Ich sah, wie mein Vater zu ihm herumwirbelte und die Hand wegschlug. Ganz dicht standen sie voreinander. Mein Gegner kam, um mit mir einzuschlagen und ich verlor meinen Vater aus den Augen. Ich gab ihm die Hand und murmelte etwas, während ich zwischen den Zuschauern nach ihm suchte, doch ich konnte ihn nicht mehr entdecken. Ich ging zur gegnerischen Ecke, schüttelte Hände, aber ich hörte kaum, was die Leute dort zu mir sagten, während man mir auf die Schulter klopfte und mir zunickte. Alles fühlte sich an wie in Watte gepackt. Adam kam und führte mich aus dem Ring.
„Knappes Ding“, sagte er. Ist nicht schlimm, Junge.“
Ich bekam kaum mit, wie wir durch die Seile stiegen, die Treppe heruntergingen und an den Tischen der Punktrichter vorbei in Richtung Umkleide liefen. Als ich aus der Dusche kam, sah ich, wie Adam mit einem der anderen Trainer sprach Er sagte etwas, schüttelte den Kopf und zuckte mit den Schultern.

Was soll das aussagen? Hier müsste der Erzähler seine Einschätzung der Situation geben. Denkt er, sie haben über ihn geredet? Klar ist das nämlich nicht, die Reaktionen sind zu allgemein, um das zu folgern.

Mein Vater wartete draußen. Sein Gesicht war gerötet, die Fäuste hatte er geballt. Er stand vor unserem Auto und warf jedem, der vorüberging, einen Blick zu, als wolle er ihn totschlagen. Ein paar Leute grinsten, einige drehten sich noch mal um zu ihm, aber ich lachte nicht. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Langsam ging ich zu ihm. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, verharrte und sah zum Himmel. Die Sonne brannte herunter und als ich vor ihm stand, sagte er kein Wort. Irgendwann stieg er ins Auto. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz. Im Inneren war es kochend heiß, aber ich traute mich nicht, das Fenster herunterzukurbeln. Er startete den Wagen. Wir fuhren umher, vorbei an der Zeche, in der mein Großvater noch Steiger gewesen war, vorbei an meiner Schule und an der Fleischfabrik, in der er und alle meine Onkel arbeiteten und in der ich im September beginnen würde. Ihm stand Schweiß auf der Stirn. Er hatte sein Hemd aufgeknöpft, ich konnte sein Brusthaar sehen. Wir sprachen nicht miteinander. Wir parkten vor unserer Wohnung am Straßenrand. Er zog die Schlüssel ab und löste den Gurt.


„Sie nehmen es einem“, sagte er leise, bevor wir ausstiegen. „Du kannst dagegen protestieren, kannst schlagen und beißen und schreien und kämpfen, aber am Ende nehmen sie es dir. Und dann halten sie es vor dich und werfen es weg und treten darauf herum. Was dir bleibt, ist ihnen nichts von all dem zu verraten, wenn sie dir in die Augen sehen.“

Wie anderen Kommentatoren ist mir diese Passage zu sehr auf Aussage getrimmt. Mir war auch nicht klar, wer hier wem was nimmt – und wo das "schlagen und beißen und schreien und kämpfen" herkommt.

Er fuhr sich mit der Hand über den Mund und sah mich an. Ich bemerkte ein kurzes Flackern in seinem Blick, in seinen hellblauen Augen, die einen nicht loslassen, wenn sie einen eingefangen haben.

Auch hier ist mir nicht ganz klar, was das sagen soll. Irgendwie wird der Fokus hier viel zu sehr auf den Vater gelegt, der ja nicht der Protagonist des Textes ist. Wenn man den Plot bzw. die Story ansieht, dann ist der Vater, also sein Wille das den Konflikt auslösende Ereignis: Der Vater schickt den Sohn zum Boxen und damit auf dessen "Heldenreise". Am Ende müsste der Text also beleuchten, was diese Reise mit dem Helden gemacht hat. Wie hat sie ihn verändert? Was hat er gelernt? Gibt es einen zweiten Kursus, also eine erneute Reise wie im Artusroman? Die Gefühle des Vater sind hier eigentlich irrelevant für die Story, sofern sie nicht im Spiegel der Gefühle des Protagonisten betrachtet werden.

Freundliche Grüße

Henry

 

Hallo @H. Kopper, da hast du dich ja intensiv mit meinem Text auseinandergesetzt! Schon mal vielen Dank für deine Mühe und Zeit! Ich merke beim Beantworten, dass mir deine Anmerkungen helfen, alleine schon, weil ich mich mit dem Text auseinandersetzen muss. Bei einigen Dingen gehe ich aber nicht mit und habe versucht, aufzuzeigen, warum nicht. Anderes sehe ich und werde ich in die Überarbeitung mitnehmen.

Ich gehe auf deine einzelnen Punkte ein:

wenngleich sie mich stark an Texte von @zigga erinnert hat, was Abzug in der B-Note (Originalität) gab ;-)
Ich verstehe diese Anmerkung nicht. Was erinnert dich denn konkret? Gehts dir darum, weil ich auch eine Vaterfigur in diesem Text habe? Kann das nicht nachvollziehen und ist dann natürlich auch immer so ein leicht zu machender und unangenehmer Vorwurf im Hinblick auf Abkupferei. Welche Stelle empfindest du denn als nicht original?

Das liegt vielleicht sogar daran, dass er so glatt gezogen erscheint: Ihm fehlen Emotionen (auf Seiten des Erzählers) und sprachliche Eigenarten.
Ich weiß nicht. Also mir kam der Ton einigermaßen gelungen vor. Auch hier: welche Stelle meinst du konkret? Dann kann ich damit arbeiten.

Ausserdem verliert er im Verlauf sein Thema, also den Grundkonflikt völlig aus den Augen
Ich glaube, dass wir hier einen anderen Konflikt reinlesen. Dazu kommst du später ja auch noch mal. ---> weiter unten

Die Augen von einem verraten nichts“ – erklären ja, wie man einen Schlag des Gegners erkennt, um ihm auszuweichen bzw. ihn direkt zu kontern. Das wäre also eine Defensivtechnik.
Ja, du hast das schon genau richtig beobachtet. Es geht aber an dieser Stelle generell eher darum, sich gar nicht erst anzugewöhnen, seinem Gegner immer in die Augen zu blicken (sondern eben auf das Schlüsselbein). Es geht also um den Blick, nicht unbedingt um die Bewegung des Vaters. Zur Übung gehört neben dem Fangen und schnellen Reagieren eben auch die Konzentration weg von den Augen. Aber trotzdem hast du hier schon einen guten Punkt. So ganz passt das noch nicht. Ich überlege mir was.

das ist ja in diesem Setting fast eine Kontradiktion: eine Strafe, die keine ist. Entweder müsste die Ohrfeige gut spürbar sein
Sehe ich anders. Ist ja weniger eine Strafe als eher eine Ankündigung: Wenn du nicht schnell reagierst oder eine gute Linke setzt, deinen Gegner also kontrollierst, bekommst du vielleicht mal eine ab. Daher würden Strafliegestütze hier keinen Sinn machen. Aber ich werde auch diese Stelle bei der Überarbeitung noch mal genauer anschauen und ggf. was ändern.

Das klingt mir zu kategorisch. Meistens ist Training in den frühen Abendstunden, so gegen 6. Da kann man vorher noch eine Menge Fussballspielen, wozu man als Teenager auch die Energie hat (ich war oft den ganzen Nachmittag auf dem Basketballplatz und bin dann zum Fussballtraining).
Da hast du einen Punkt. Das geht nicht so ganz zusammen. Ich sehe es mir noch mal an. Danke fürs Aufzeigen.

Irgendwie denke ich hier "Klischeealarm" – der (überlegene) Boxer aus dem Ostblock, wo es noch echte Männer gibt. Wie wäre es mit ein wenig Frische? Warum nicht einen Akademiker einbauen, der dem Vater als Figur gar nicht passt und dem er reinreden will?
Ich sage es mal so: Erfahrungswerte. Sicherlich wäre eine Figur, die mit der Erwartungshaltung (Akademiker usw.) bricht irgendwo frisch. Aber es geht mir ja nicht darum, auf Teufel komm raus hier irgendwie Frische zu erzeugen, sondern ein nachvollziehbares Setting zu erzeugen. Völlig überzogene Klischees sind natürlich daneben, aber ich denke, dass das hier noch im Rahmen ist.
Das mit der Nachvollziehbarkeit ist mir mitunter nicht so gelungen, aber aus anderen Gründen. Würde ich jetzt noch versuchen, da verkrampft die Erwartungshaltung zu brechen, würde mir der Text um die Ohren fliegen, denke ich.

Das ist schon ein strenges Regime dort – "er durfte das Radio andrehen". Vielleicht etwas zu weit getrieben? Ich meine, in welcher Zeit spielt das? In den 50ern? 60ern?
Nein, er durfte das Radio nicht andrehen, sondern aufdrehen. Also über die normale Lautstärke hinaus. Denke, dass das schon so passt.

Ist das realistisch? Vier Mal die Woche Training plus Spiele/Kämpfe am Wochenende ist schon klar im Leistungssport anzusiedeln. Geht man einfach mal in einen Verein, weil der Vater das so will, und ist dann direkt so involviert? Und hat der Verein die Kapazitäten, vier Mal die Woche die Anfänger-Kids zu trainieren?
Ja, das kommt schon hin. Er wird ja auch nicht mehr ins Kindertraining gehen sondern, eher ins Jugendtraining. So ab 12 Jahren hätte ich gedacht. Da gibts das schon. Andererseits hast du niemals jedes Wochendene einen Kampf. Alleine schon, weil du bestimmte Sperrzeiten nach Känmpfen (wegen evtl. Hirnschäden/- Verletzungen) hast. Du dürftest also gar nicht in einem solchen Takt kämpfen, mal davon abgesehen, dass das auch kein Kämpfer mitmachen würde und es mitunter auch gar nicht so viele Möglichkeiten zum Kämpfen gibt. Der Rhythmus wäre eher alle 6 bis 15 Wochen. Das könnte realistisch sein. Gibt auch anderes, aber so würde ich es hier ansiedeln.

Das klingt so, als würde er zufällig an ihn denken, und sich dann darüber wundern, dass er nicht an etwas anderes gedacht hat, so quasi wie: "Wenn ich an einen Baum denke, sehe ich nie eine Giraffe vor mir."
Das ist doch Quatsch. Es geht doch nicht um das Grinsen per se, sondern darum, dass der Vater offensichtlich nicht zu den allerfröhlichsten Menschen gehört, die permanent gut gelaunt durchs Leben laufen. Wenn er sich an den Vater erinnert bzw. an ihn denkt, dann ist es eben kein fröhlicher Mensch, der ihm da in den Sinn kommt, sondern einer, der Dinge bewusst tut, kontrolliert, ernst, stark, unnahbar und wasnochalles. Aber eben keiner, der viel lacht oder grinst. Die Worte kannst du hier ja austauschen. Vertsehe deinen Punkt nicht so ganz.

Hier geht es weiter: Du willst dem Leser hier etwas unterjubeln, was so nicht stattfindet. Ich meine, es ist sein Vater, er hat ihn in tausenden Situationen erlebt. Und er soll ihn immer nur in der Küche vor sich sehen, wie er Kaffee trinkt? Warum sollte das so sein? Warum sollte die wahrscheinlich wichtigste Bezugsperson auf eine Situation zusammenschrumpfen? (Ausserdem widerlegt der Text ja diese Schema selbst, denn er schildert ja, wie der Vater im Kontext des Boxen agiert.)
Einen Satz später beschreibt er doch sogar noch eine andere Situation (der Vater stark bei der Arbeit. Rein technisch: Sollten da jetzt hundert andere Situationen auch aufgeführt werden, damit es eine Vollzähligkeit hat? Das passiert doch in keinem Text. Da ist doch immer eine Auswahl, ein Erinnern an bestimmte, eben ausgewählte Momente (hier der Kaffee in der Küche, die Ernsthaftigkeit, die Arbeit).

Der Eingangssatz der Passage ist nicht gut platziert, finde ich: Er spricht vom Ende, bevor die Schilderung losgeht. Heißt: Der Leser schließt mit dem Kampf ab und liest dann von seinem Beginn und seinem Verlauf.
Finde es sogar genau richtig platziert. Denn im Gegensatz zum späteren Kampf, der genau das nicht tut, weil es da ja auch darum geht, wie der Kampf wohl ausgeht, spielt das hier gar keine Rolle. Hier geht es doch um was anderes, nämlich darum, wie der Sieg auf ihn wirkt und was der Vater damit macht.

Erscheint mir nicht konsistent, denn der Vater ist ja alleine schon stolz, weil der Junge mit dem Boxen anfängt.
Nee, er ist zufrieden, weil der Trainer ihn im ersten Training lobt. Weil sein Junge heraussticht. Nicht, weil er sich überhaupt auf das Boxen einlässt. Das würde ja bedeuten, dass er da eine Wahl hat. Die ist so ja nicht wirklich vorhanden.

Am Ende wird er wie der Vater im Arbeitermilieu einsortiert und zwar im unteren sozioökonomischen Bereich.
So klingt seine Erzählweise aber nicht. Und auch das – ich nenne es mal: "Grobschlächtige" oder "Unempfindliche" schlichterer Gemüter geht ihm weitgehend ab.
Das sind deine Zuschreibungen. Warum sollte er denn überhaupt ein schlichteres Gemüt haben? Warum sollte er denn nur aufgrund der Tatsache, dass sein Vater als Arbeiter in einer Fleischfabrik schuftet, weniger differenziert auf Dinge schauen können? Warum muss er denn grobschlächtig sein? Das sind doch holzschnittartige Zuschreibungen.

Aber der Konflikt der Story ist doch, dass sich der Junge eben nicht voll mit dem Boxen und den ganzen Riten und Techniken identifiziert.
Ich denke, dass du hier einfach einen anderen Konflikt hereinliest. Der Junge wollte zu Beginn lieber Kicken als zum Boxen, stimmt. Aber schon im ersten Training bekommt er doch seine Bestätigung (vom Trainer und vom Vater). Er fährt Erfolge ein, wird gleichzeitig auch unter Druck gesetzt, liefern zu müssen. Eine doppelte Motivation, würde ich sagen, gerade in einem gewissen Alter. Natürlich identifiziert er sich dann damit.

Erzähltechnisch konsistent wäre, wenn er verschiedene Bandagierungsmethoden ausprobiert und mit keiner ganz glücklich wird, aber dann einfach bei einer bleibt. So unterstreicht die Stelle die Textaussage, anstatt aus dem unmotivierten Jungen im Handumdrehen einen gewissenhaften Boxer mit wohl kalkulierten Routinen zu machen.
Das wäre nicht stimmig, denn dann würde er ganz sicherlich keinen einzigen Kampf gewinnen, das Training schwänzen, mit dem Vater aneinandergeraten usw. Auch spannend! Aber eben eine andere Geschichte.

Soll er hingegen Feuer für die Sache gefangen haben, müsste der Text das Erzählen. Ja, er fühlte sich nach dem ersten Sieg "ganz groß", aber man erfährt ja nicht, warum. Weil ihm der Kampf Spaß gemacht hat? Oder weil er seinem Vater was liefern konnte?
Aber das erzählt der Text doch. Also er fühlt sich groß, weil er gewonnen hat, weil ihm alle Respekt zeigen. Die älteren Jungs aus dem Verein, sein Trainer, der Gegner, der Angst im Blick hat, eine Medaille, die er stolz seinem Vater überreichen kann.
Der Vater bricht das dann, indem er ihm schnell wieder auf den Boden holt, aber da ist doch vorher ein ganz klares Aufzeigen, warum er Feuer fängt. Verstehe deine Kritik an dieser Stelle nicht so ganz, muss ich sagen.

Wird hier überhaupt noch von einem Jungen erzählt, der sich durchs Boxen quält?
Nein, eben nicht. Darum geht es nicht.

Es wird nur nüchtern geschildert, von Technischem gesprochen. Aber zu welchem Zweck? Woher kennt zum Beispiel einer, der sich für Fußball interessiert, plötzlich Roy Jones Jr.? Gerade in Deutschland ist das ja nicht gerade der erste Boxer, über den man stolpert. Wo hat er diesen überhaupt gesehen? Im Fernsehen schon mal nicht.
Du widersprichst dir hier doch selbst. Alleine, dass er eben Roy Jones Jr. kennt, scheint doch ein Hinweis zu sein, dass er sich damit auseinandersetzt, dass er auch für den Sport, in dem er ja Erfolge erringt, Feuer gefangen hat. Und klar kennt man Roy Jones Jr. in einer bestimmten Zeit, in der der Text angesiedelt ist, wenn man sich mit Boxern beschäftigt.

Von "wir" und "einsamen Tänzern" im selben Satz zu sprechen ist für mich widersprüchlich, impliziert Einsamkeit doch die Absenz anderer Leute.
Naja, er hat ja kein Privattraining. Sondern mehrere Boxer bewegen sich beim Schattenboxen alleine (also nicht in Partnerarbeit) durch die Halle.

Auch nicht so schön: Dann noch einmal die "Eisläufer" als Referenz aufzurufen – besser: entweder, oder.
Da gehe ich mit. Da wäre weniger mehr. Ich schaue mir das noch mal an.

Roy Jones Jr. war im Grunde die 90er und frühen 2000er über aktiv; die Story spielt also in dieser Zeit oder später – von welchen "Kommunisten" ist hier also die Rede? Meines Wissens brach der Ostblock 1990 zusammen.
Das stimmt. Adam (aus Polen) hat da bestimmte Erfahrungen gemacht, was ihn zu keinem Freund des Kommunismus macht. Auch nicht 10 oder 15 Jahre später. Er hat da aber auch das Boxen (die gute sowjetische Schule) gelernt. Das bringt er eben zusammen. Findest du es so abwegig?

Oder heißt das, dass er einmal zwei Mal hintereinander verlor, dann wieder gewann, um schließlich irgendwann drei Mal hintereinander zu verlieren?
Genau das.

Unpassender Ausdruck: Schulterklopfen hat ja keine Zeilen – was soll da dazwischen mitschwingen?
Mmh, ja. Müsste ich mir noch mal ansehen, ob ich was Passenderes finde.

Hierüber bin ich gestolpert: Wenn der Gegner zu schnell für ihn ist, warum ist dann Geschwindigkeit der Schlüssel zum Erfolg? Hier ist der Protagonist doch gerade unterlegen. Und weiter unten wird ja dann eigentlich auch eine andere Taktik propagiert: Treffer in Kauf nehmen und in den Infight gehen und eher ackern als (schnell und schön) boxen.
Vielleicht ist das bisschen missverständlich formuliert. Er ist nicht per se schneller, sondern ein schneller Konterboxer. Heißt: Er reagiert mehr, als wirklich über eigene Akzente den Kampf zu machen. Dazu kommen schnelle Geraden bei einem auch körperlich größeren Gegner - schwierig. Da bleibt dem Protagonisten eigentlich nur ran kommen und in den infight gehen. Und rein kommst du eben nur über Geschwindigkeit. Sonst kann dich dein Gegner ja permanent mit langen Bewegungen auf Abstand halten und du bist nur am Kassieren.
Ich versuche es bei der Überarbeitung noch mal deutlicher herauszustellen.

Habe Mühe, dieses Manöver zu visualisieren – ist das aus der Praxis bzw. Kennerschaft geschrieben? Mir scheint das bewegungstechnisch nicht ganz aufzugehen
Er bewegt sich mit seiner Führhand (der linke gerade Schlag) nach vorne, um Raum zu überbrücken. Dann schlägt er eine lange Gerade zum Bauch und setzt einen Haken auch zum Bauch nach. Durch die Drehung der Hüfte (das Schraubenprinzip) kann er jetzt gut einen Uppercut nachsetzen. Ist vielleicht sehr technisch jetzt aber das geht nach meiner Warte her schon auf.

Er wird getroffen, muss zurückweichen, aber verfällt dann sogleich ins Tänzeln?
Eine Gerade bzw ein Treffer heißt ja nicht sofort, dass er da einen vollen Wirkungstreffer abbekommen hat. Daher geht das schon klar, denke ich. Was soll er auch sonst machen nach dem Zurückweichen? Stehen bleiben und direkt die nächste kassieren? Nein, er muss sich bewegen.

Wie genau tänzelt man beim Boxen "umeinander herum"? Ist es nicht nur ein Boxer, der um den anderen herumtänzelt, während dieser mittig steht und sich mitdreht?
Ja, da hast du einen Punkt. Im Idealfall ist derjenige, der nicht die ganze Zeit tänzelt, im Vorteil, weil er eben Kraft spart. Aber dass sich beide umeinander bewegen und schnelle Bewegungen machen, kommt schon auch vor. Aber stimmt, ich gehe hier noch mal drüber.

Erst ist der Gegner müde und reaktiv, nur um dann ohne Pause doch voll in die Offensive zu gehen und den Protagonisten regelrecht mit Schlägen einzudecken?
Naja, dass er müde ist, heißt ja nicht, dass er keine Aktionen mehr machen kann. Er spart seine Kräfte (ist viel in Deckung und im Zurückgehen), um dann eben im richtigen Moment überhaupt wieder in die Offensive gehen zu können. Kämpfe sind da einigermaßen dynamisch.

Was soll das aussagen? Hier müsste der Erzähler seine Einschätzung der Situation geben. Denkt er, sie haben über ihn geredet? Klar ist das nämlich nicht, die Reaktionen sind zu allgemein, um das zu folgern.
Sehe ich anders. Im Kontext des Textes ist doch überdeutlich, was der Protagonist denkt. Der Trainer lässt ihn mehr oder weniger fallen (das ist zumindest das Gefühl oder die Befürchtung). Er hat ihn schon aus den wichtigen Kämpfen genommen, hat ihn jetzt gegen einen mit nur zwei Kämpfen antreten lassen und scheint sich (so die Lesart des Protagonisten) nun auch noch über ihn und seine Leistung bei einem anderen Kämpfer auszulassen. Vielleicht reden die beiden auch nur über das Wetter - who knows. Aber das spielt keine Rolle, denn der Protagonist glaubt, dass über ihn und seine Leistung geredet wird. Finde das hier schon stimmig.

Wie anderen Kommentatoren ist mir diese Passage zu sehr auf Aussage getrimmt. Mir war auch nicht klar, wer hier wem was nimmt – und wo das "schlagen und beißen und schreien und kämpfen" herkommt.
Ja, da gehe ich mit. Ich bin da auch nicht mehr so ganz happy mit. Muss ich mir definitiv auch noch mal ansehen.

Auch hier ist mir nicht ganz klar, was das sagen soll. Irgendwie wird der Fokus hier viel zu sehr auf den Vater gelegt, der ja nicht der Protagonist des Textes ist. Wenn man den Plot bzw. die Story ansieht, dann ist der Vater, also sein Wille das den Konflikt auslösende Ereignis: Der Vater schickt den Sohn zum Boxen und damit auf dessen "Heldenreise". Am Ende müsste der Text also beleuchten, was diese Reise mit dem Helden gemacht hat. Wie hat sie ihn verändert? Was hat er gelernt? Gibt es einen zweiten Kursus, also eine erneute Reise wie im Artusroman? Die Gefühle des Vater sind hier eigentlich irrelevant für die Story, sofern sie nicht im Spiegel der Gefühle des Protagonisten betrachtet werden.
Mmh, ich verstehe zwar, was du hier im Bezug auf den generellen Aufbau sagen willst, denke aber, dass du vielleicht zu schematisch rangehst. Ehrlich gesagt ist das ja kein sonderlich experimenteller Text, der jetzt total mit einem gängigen Aufbau bricht. Ich denke, dass man das schon so machen kann, wie ich es hier getan habe. Ob es gut ist, ist vielleicht eher die Frage. Ich nehme deine Anmerkung hier mal mit in die Überarbeitung. Wenn es für dich passt, pinne ich dich an, wenn ich den Text überarbeitet habe?

Noch mal: Auch wenn ich jetzt bei so manchem gegenargumentiere danke ich dir für deinen ausführlichen und sehr gründlichen Kommentar! Das hilft mir sehr.

Beste Grüße
Habentus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Habentus,

danke für deine Replik. Ich bin geneigt noch einmal detailliert auf alles einzugehen, aber ehrlich gesagt fehlt mir dafür gerade die Zeit – und ein wenig habe ich auch die Befürchtung größtenteils für den Orbit zu schreiben, denn natürlich wirst du die Punkte, die du anders siehst im Anschluss immer noch anders sehen, denke ich. Und wie es hier immer gerne heißt: "Es ist ja dein Text" – du weißt am besten, was er abbilden soll und ob das für dich stimmig ist. Dazu kommt, dass einige Punkte, an denen ich mich gestört habe, grundsätzlicher Natur sind und meiner Erwartungshaltung an Literatur bzw. Kurzgeschichten ausdrücken. Das ist ein sehr subjektiver Aspekt und die positiven Antworten auf deinen Text zeigen ja, dass andere Menschen ganz andere Erwartungen haben.

Um hier nicht nur abstrakt zu bleiben, formuliere ich es mal so pointiert und provokant wie möglich: Mein Eindruck von den allermeisten Texten im Forum ist, dass sie sich konsequent weigern, gute Geschichten zu erzählen – "Geschichten" im klassischen Sinne. Und erprobte Konzepte guten Erzählens prallen an diesem Forum ab. Das heißt nicht, dass die Texte keinerlei Qualität aufweisen – da sind viele Ansätze und tolle Dinge da. Aber die meisten Texte hier sind dennoch Nicht-Geschichten und entsprechend underwhelming. Meine eigenen Texte nehme ich von dieser Kritik nicht aus. Was meine ich damit? – Damit meine ich, dass die meisten Texte hier irgendetwas, irgendwelche Aspekte des Lebens milde beleuchten und dann enden. Es gibt keine großen Entwicklungen, keine Dramen, keine wirkliche Lebhaftigkeit der Figuren oder Kulissen oder der jeweiligen Zeit. Stattdessen: Reduziertes Schreiben, wohl gesetzte Bedeutungsanker und dann möglichst schnell Abspann. Man kann meine These leicht überprüfen, indem man die Texte hier mal versucht, als Drehbuch zu lesen und sich dann den entsprechenden Film vorzustellen. Man wird sehen, dass man kaum mehr als zwei, drei Szenen findet und ein Spannungsbogen quasi absent ist. Oder er ist im Prinzip gegeben – wie in deinem Text – bleibt dann aber völlig unterentwickelt. Ich meine, der Vater in deinem Text ist Anfangs hart und abgewandt und am Ende auch. Gut, es blitzte kurz etwas auf, so gesehen gibt es zwei Wendepunkte, aber die führen im Kreis – und der Protagonist reagiert gar nicht wirklich auf diese Wendepunkte. Er beobachtet sein eigenes Leben und schildert es in einer distanzierten, emotions- und auch charakterlosen Sprache – all das nüchtern zu lesen als reine Beobachtung: Kein Sprachelement des Textes ragt stilistisch heraus, sodass der Erzähler Eigenarten erhielte. Er berichtet, es ist ein Berichtsstil, im Grunde wie im Journalismus, wo Emotionen und das Ich das Autors normalerweise herausgehalten werden sollen.

Ironischerweise bietet dein Stoff eine Menge Potenzial. Man könnte daraus einen super Text oder auch einen Spielfilm machen – aber dafür müsstest du meiner Meinung nach genau an die Punkte ran, die ich im ersten Kommentar schon benannt habe. Die Aspekte, die man vielleicht mit gutem Willen in den Text hineinlesen kann, die man ihm aus der Distanz als Leser proaktiv anhängen kann, die sollten explizit in den Text hinein – darum geht es doch beim Erzählen: aussprechen, formen, erschaffen, nicht aussparen und hoffen, dass ein Minimaleinsatz von Mitteln schon reichen wird.

Heißt: In den Text muss rein, wie der Protagonist nach seinem anfänglichen Zaudern voll Feuer fängt fürs Boxen. Er muss das erzählen. Da reicht es nicht, wenn du Roy Jones Jr. erwähnst, weil die Erwähnung allein ja schon zeigen kann, dass er sich dann wohl mit der Szene beschäftigt haben muss. So etwas muss ausgearbeitet werden, anstatt als Möglichkeit einer kognitiven Ableitung zu wirken. Lies mal – wenn du es nicht kennst – "Als wir träumten", wie dort vom Boxen die Rede ist, wie die Jungs sich auf RTL die Kämpfe von Graciano Rocchigiani oder Dariusz Michalczewski angucken und das dann nachstellen (oder so was in der Art). Hier muss man auch clevere Entscheidungen treffen: Die meisten älteren Leser kennen diese Kämpfe und Abende vor RTL auf dem Fernseher noch selbst, da wecken entsprechende Namen Erinnerungen. Bei Roy Jones Jr. klingelt doch in Deutschland nur bei wenigen eingefleischten Fans irgendwas. Das ist verschenktes Kolorit. Und wenn es unbedingt Roy Jones Jr. sein muss, dann musst du ihn vor diesen deutschen Boxern abgrenzen, ihn als Figur zeichnen, den Erzähler mit ihm als Figur interagieren lassen. Ich hab mich heute beim Mario-Cart-Spielen, als ich über meine Antwort nachgedacht habe, an Roy Jones' Rap-Hit "Can't be touched" erinnert und ihn angemacht und war direkt voll aufgepeitscht. So was! – Der Protagonist trainiert irgendwann alleine in der Waschküche und sein Ghettoblaster pumpt das Lied. Der Text muss seine Gefühle und Erfahrungen und Konflikte erlebbar, nachspürbar machen for fuck's sake :-) Niemandem ist damit geholfen, wenn ein Vater-Sohn-Drama nüchtern und faktenbasiert erzählt wird, da muss der Text intim werden, Nähe zu den Figuren herstellen. Wie es in einer Rezension zu einem Buch von Simenon hieß, das ich gerade gelesen habe: Der Leser muss zum Voyeur werden, Figuren bei Dingen zuschauen, die er eigentlich gar nicht sehen soll, sodass er fast schon wegsehen will, weil sich diese Nähe falsch anfühlt.

Was erzählt denn dein Text wirklich? – Ein Junge im Teenageralter wird gegen seinen Wunsch von seinem Vater zum Boxen geschickt. Er entwickelt trotzdem einen hohen Ehrgeiz und fährt einige Erfolge ein, bis seine Serie reißt und der Vater enttäuscht ist.

Das ist der Plot. Na und weiter?, will man fragen. Wie ist er mit der Enttäuschung umgegangen? Hat er sich weiter vom Vater entfernt? Hat er endlich rebelliert? Hat er selbst was im Boxen gefunden und weitergemacht? Was hat die ganze Reise bis dahin mit ihm gemacht? Welche Lehren hat er aus dem Ganzen gezogen?

Der Text sollte also auf mehr hinauslaufen als eine Benennung von Zuständen: Vater ist hart, Vater ist involviert, Vater ist enttäuscht (und Junge macht einfach mit). Wir als Leser interessieren uns doch gar nicht für einen x-beliebigen Vater, der uns kaum nahegebracht wird. Wir interessieren uns für den Jungen, der unter diesem Vater zu leiden hat. Aber der Junge öffnet sich uns ja überhaupt nicht, er erzählt seine eigene Geschichte nicht, denn er setzt keinen emotionalen Bezugspunkt, weil er nur schildert und nichts bewertet.

Die Kernfrage an deinen Text – stellvertretend für meine Fundamentalkritik – wäre: Was deckt er auf? Was deckt der Text auf und was nehme ich mit? Irgendwie kann ich hier nur antworten: Er sagt mir, dass es harte und unfaire Väter gibt. Das ist die Essenz des Textes. Er ist ein Schlaglicht auf einen Persönlichkeitstypus. Aber das ist ja nichts, was mir ein Text sagen muss. Jemand aus dem Märchenland, wo alles schön und sauber und fair ist, der würde deinen Text lesen und etwas neues über die Welt und die Menschen erfahren: Oh, es gibt auch schlechte, vom Leben enttäuschte Väter da draußen!, würde er sich denken. Aber wir hier wissen das doch alle schon. Interessant sind also die Fragen, die um so eine Figur kreisen:
- Warum ist er so geworden?
- Wie begegnet man so einem Menschen?
- Wie stellt man sicher, nicht so zu werden?
- Sollte man sich an solchen Menschen rächen?
- Sollte man ihnen vergeben?
- ...
Siehst du, worauf ich hinaus will? Eine gute Geschichte macht dein Schlaglicht zum Ausgangspunkt, zur Prämisse: Es gibt da diesen harten Vater und einen Sohn, der mit ihm umgehen muss, um sich zu entwickeln. Aber der Sohn in deiner Story entwickelt sich nicht, wenn man sein Verhältnis zum Vater betrachtet. Er steht anfangs unter seiner Fuchtel und am Ende auch.

Freundliche Grüße

Henry

 

Hallo @jimmysalaryman

Ich impliziere gar nichts. Ich kommentiere ja aus meiner Erfahrung, und da ich halt schon ewig beim Amateurboxen (mehr schlecht, als recht!) dabei bin, und ich auch weiß, wie das bei anderen Clubs hier in der Gegend läuft, ist das eben das Fundament meiner Kritik
Haben wir geklärt. Ich denke, dass ich zu viel in deinen Kommentar hereingelesen und dünnhäutig reagiert habe.

Noch ein Punkt: Wo ist überhaupt die Mutter? Und hat der keine Freunde? Da steckt noch viel drin, die Mutter als weiche Stelle, die Freunde als Echo-Kammer, die können ja genau die Fragen beantworten, die der Leser wissen möchte.
Ein guter Punkt. In einer früheren Version hatte ich die Mutterfigur drin. Als Gegenpol zum Vater. Es gab dann einen Konflikt beim Essen, weil der Junge mit dem Boxen aufhören wollte. Streit, große (auch körperliche) Eskalation zwischen Vater, Sohn und Mutter - ich habe das nicht gut erzählen können und habe dann die Stelle wieder gestrichen. Dadurch hat sich der Text auch noch mal grundsätzlich verändert. Vielleicht ist das dann auch der Knackpunkt: Wo will die Geschichte hin? Zu Beginn war ich ja noch relativ überzeugt vom Aufbau. Mittlerweile führt die Kritik dazu, dass ich anders auf den Text schauen kann. Nicht Fisch, nicht Fleisch trifft es vielleicht.

Wenn der Vater, so stelle ich mir das vor, sagt, du gehst da jetzt hin und basta!, dann würde ich das szenisch darstellen. Da müsste eine Szene hin, wo das thematisiert wird;
Es könnte ja durchaus sein, dass sich das so entwickelt, der Sohn, der vom Trainer immer weiter gebracht wird, dadurch entfernt sich aber der Vater ja auch von ihm, er hat nicht mehr diesen Einfluss. Der Vater müsste aber ja auch mit den Erfolgen seines Sohnes anders umgehen, denke ich: das lässt ihn hier so offensichtlich kalt, aber er müsste doch viel involvierter sein
Das sind gute Punkte, aber ich werde das in der Geschichte, wie sie momentan ist, nicht unterbringen können, was mich so ein wenig zu einer grundlegenden Entscheidung zwingt. Ich sehe zwei Richtungen, die ich mit dem Text einschlagen könnte. Ich könnte die Geschichte deutlich ausbauen: Dann könnte ich versuchen, die von dir vorgeschlagenen Elemente, aber auch das, was andere hier vorgeschlagen haben, unterzubringen. Der Text würde dadurch länger werden. Das würde dem Protagonisten, seiner Umwelt (Mutter, Freunde, Schule, Trainer usw.) und auch seiner Entwicklung als Charakter mehr gerecht werden. Dann könnte ich vielleicht auch dem klassischen Aufbau, den Henry ja vorschlägt, mehr Raum einräumen.
Oder aber, ich kürze den Text (nicht von der Länge, sondern vom Inhalt) auf eine oder zwei ausgewählte Szenen herunter, gehe viel näher an die Figur des Protagonisten, räume dem Kampf mehr Raum ein, gehe an seine direkten Emotionen heran und beschränke die Dinge drumherum auf das absolut Wesentliche. So oder so wird es eine Überarbeitung brauchen.

Danke dir nochmal für deinen Kommentar
Beste Grüße
Habentus


Hallo @Marla Christo und erst mal Willkommen hier im Forum! Danke auch, dass du den Text gelesen und einen Kommentar geschrieben hast!

Du erzählst vom Kämpfen, aber du erzählst viel mehr: vom Schweigen, das lauter spricht als jeder Applaus. Vom Blick aufs Schlüsselbein, dorthin, wo sich Regung zeigt, bevor sie Handlung wird – vielleicht auch, bevor man selbst begreift, was in einem lebt. Dein Text ist dicht, geerdet, ohne Posen – und gerade dadurch kraftvoll.
Ich schaue auf den Text wie im vorherigen Kommentar geschrieben mittlerweile ja selbst etwas kritischer drauf und werde da vermutlich noch mal einiges verändern. Dass dir diese Grundversion aber gefällt, freut mich natürlich! Vielleicht schaust du bei der nächsten Version ja noch mal vorbei.
Ich wünsche dir hier viel Spaß im Forum!
Grüße!


@H. Kopper ich habe deinen Kommentar gesehen und gehe da gerne noch drauf ein. Zeitlich schaffe ich es heute nicht, liefere eine ausführliche Antwort aber die Tage nach!
Bis dahin beste Grüße!

 

Hallo @Habentus,

danke für deine nette Replik auf meinen Kommentar bei deiner letzten Geschichte! Ist ja auch mal schön, wenn man als Kritiker einen Treffer gelandet hat ...

Zu deinem Text:

Ich wäre lieber zum Fußballspielen auf den Bolzplatz, wie die anderen Jungs aus unserem Block, aber mein Vater meldete mich beim Boxen an
Man wundert sich, dass der Junge nicht mehr rebelliert. Vielleicht später deutlich(er) machen, welchen Gewinn der Junge durch das Nachgeben hat:

Auf der Rückfahrt durfte ich das Radio aufdrehen. Die Fenster waren heruntergelassen und ich streckte meine Hand in den kühlen Fahrtwind.
Es war super, gut, dass ich nicht zum Fußball gegangen war.

Manchmal fuhr er mir durch die Haare.
... Haare, das tat er sonst nie.
(Du siehst, ich hätte gerne den Beziehungsgewinn stärker formuliert, um seine Motivation zu untermauern).

Wenn ich an ihn denke, sehe ich ihn niemals grinsen.
Dieses "ginsen" ist etwas, was der Junge vermisst. "grinsen" ist für mich eher negativ besetzt. Zuerst wusste ich nicht, was du mit dem Satz aussagen willst. Aber es geht doch darum darzustellen, dass der Vater kein fröhlicher/lockerer Zeitgenosse war?

Da siehst du, wenn er zuckt, noch bevor er selbst weiß, was er tut.“
Kam mir verschachtelt vor, wahrscheinlich ein sehr subjektiver Eindruck.
(Wenn er da zuckt siehst du, was er tun wird - noch bevor er es selbst weiß.)

Dünn, aber stark wie ein Bär mit Venen, die hervorstanden, wenn er auf Arbeit schwere Dinge trug, als ob es nichts wäre.
Hier habe ich "stark wie ein Bär mit Venen" gelesen - dachte: Huch, warum wird erwähnt, dass ein Bär Venen hat? Vielleicht nach "Venen" ein Punkt?

Ich begriff nicht, was los war.
Gut beobachtet - dieser Tunnel in dem man sich befindet, voll mit Adrenalin, gefangen im eigenem Focussierungstaumel. (Zumindest vom Karate her kenne ich einen Kampfstil, der genau das anstrebt: dieses kompromisslose Fighten, wie eine übermächtige Maschine).

„Gegen so jemand ist das nichts wert“, sagte er und gab sie mir zurück.
Das ist hart, passt aber zu dem harschen Mann. Hier denkt man schon, der Sohn müsse für ihn erfolgreich sein, seinen Ansprüchen genügen. Da könnte man natürlich einhaken, viel schreiben. Aber du deutetest einiges, ganz kurzgeschichtenadequat, nur an, bleibst beim Haupterzählstrang. Gut.

Ich war gut, gewann oft nach Punkten. Medaillen und Pokale meiner Siege standen auf dem Schrank im Wohnzimmer. Mein Vater strich ab und an mit einem feuchten Tuch darüber.
Da scheint der Vater einigermaßen zufrieden zu sein. Als die Erfolge ausbleiben, ist er nicht gerade der Unterstützer.

Meinen letzten Kampf hatte ich gewonnen, aber es war knapp gewesen und es hatte sich nicht nach einem Sieg angefühlt.

Das gibt etwas Einblick in die Gefühlslage des Protagonisten, angesichts der Bedeutung des Ganzen für ihn zu wenig. Auch der anschließende Kampf wird sehr technisch beschrieben. Mehr physische und psychische Elemente könnten das Geschehen für Laien noch nachvollziehbarer machen.

Von den Schlägen spürte ich nichts - die Schmerzen würden später kommen.
... auch die psychischen, die Erwartung der Enttäuschung des Vaters ...

Ich hörte den Applaus des Publikums und wie der Ringrichter schon den nächsten Kampf ankündigte.
Das ist gut, die Vergänglichkeit des (ehemaligen) Ruhms, der Anerkennung.

Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Langsam ging ich zu ihm. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar,
Gut konstruiert - der Gegensatz zum 'übers Haar Streichen' beim Jungen.

aber ich traute mich nicht, das Fenster herunterzukurbeln.
Auch hier - wieder die Parallele zum Textanfang, dem Wohlfühlen bei offenem Fenster.

Ein Mann fasste ihn an der Schulter. Ich sah, wie mein Vater zu ihm herumwirbelte und die Hand wegschlug. Ganz dicht standen sie voreinander. Mein Gegner kam, um mit mir einzuschlagen und ich verlor meinen Vater aus den Augen. Ich gab ihm die Hand und murmelte etwas, während ich zwischen den Zuschauern nach ihm suchte, doch ich konnte ihn nicht mehr entdecken.
Gut versteckt, dieses Verlustmotiv, die Gegensätzlichkeiten, die diesen Großabschnitt ausmachen!


„Sie nehmen es einem“, sagte er leise, bevor wir ausstiegen. „Du kannst dagegen protestieren, kannst schlagen und beißen und schreien und kämpfen, aber am Ende nehmen sie es dir. Und dann halten sie es vor dich und werfen es weg und treten darauf herum. Was dir bleibt, ist ihnen nichts von all dem zu verraten, wenn sie dir in die Augen sehen.“
Ist vielleicht etwas theatralisch, aber - nee, is okay. Gelungen die Umkehrung der durch den Titel gemachten Aussage: Die Augen des anderen verraten nichts - jetzt dürfen die eigenen nichts verraten, damit ein Rest von Würde bewahrt werden kann (nachdem so viel genommen wurde ...).

Ein insgesamt stimmiger Text, interessant zu lesen; Vater-Sohn-Beziehung, Selbstbehauptung im Leben, wird frisch verpackt in einen Text ohne Pathos, der sich stattdessen auf Realismus konzentriert.

Eine Kleinigkeit noch:

Adam meinte, dass jeder echte Kämpfer mal ein solches Tief hatte. Etwas schwang zwischen den Zeilen mit, als er mir nach dem Training auf die Schulter klopfte.

Die "Zeilen" finde ich ungünstig, da es nicht um etwas Geschriebenes geht.
Vielleicht kannst du dich mit sowas anfreunden: 'Sein Tonfall vermittelte mir ein ungutes Gefühl, obwohl er mir ...'

Jedenfalls hast du, glaube ich, deinen Stil gefunden, auch ein gewisses Themenniveau, welches durchaus ansprechend ist.

Beste Grüße,

Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Habentus,

auf den folgenden Teil deiner Antwort will ich unbedingt noch eingehen, damit erstens kein falscher Eindruck bei dir entsteht, zweitens weil es nur fair ist, das auszuführen, und drittens, weil ich es auch selbst spannend finde, hier meinen Eindruck auch konkret auszuformulieren.

wenngleich sie mich stark an Texte von @zigga erinnert hat, was Abzug in der B-Note (Originalität) gab ;-)
Ich verstehe diese Anmerkung nicht. Was erinnert dich denn konkret? Gehts dir darum, weil ich auch eine Vaterfigur in diesem Text habe? Kann das nicht nachvollziehen und ist dann natürlich auch immer so ein leicht zu machender und unangenehmer Vorwurf im Hinblick auf Abkupferei. Welche Stelle empfindest du denn als nicht original?

Vorwegschicken will ich, dass ich keinesfalls sage, dass du von @zigga abgekupfert hast. Alles, was ich sage, ist, dass mich dein Text so stark an die Texte von Zigga erinnert hat, dass man mir deinen Text als einen von ihm hätte verkaufen können, obwohl natürlich auch Unterschiede bestehen. Aber das hätte ja ein neuer Ansatz oder ein Experiment von ihm sein können, sodass ich es wahrscheinlich gekauft hätte. (Gab es hier nicht mal dieses Spiel, wo man ohne Autornamen veröffentlichen konnte? Und die anderen User mussten dann raten, von wem der Text stammt? Da hätte ich auf jeden Fall zwischen dir und Zigga geschwankt.)

Wie dem auch sei, mit etwas Abstand muss ich sagen, dass ich meine Beobachtung, so nenne ich es mal, nicht als Vorwurf ("Abzug in der B-Note") hätte formulieren sollen, sondern neutraler. Sorry dafür! Wenn man einmal darüber nachdenkt, sind starke Ähnlichkeiten in Werken ja ganz normal (gewesen), zumindest mal in der Kunst und in der Musik. Man spricht dann ja von "Schulen" oder "Genres". Ich finde es nicht unplausibel, dass sich bei einer so langen und intensiven Auseinandersetzung wie hier eine "Wortkrieger-Schule" abzeichnen könnte in Texten. Letztlich ist vor hundert Jahren in Paris auch nichts Grundsätzliches anderes passiert als hier, wenn sich Künstler gegenseitig ihre Werke gezeigt und über ihr Kunstverständnis geredet haben.

So viel mal als Einleitung. Hier nun konkret die Aspekte deines Textes, wo ich Ähnlichkeiten sehe.

Titel

Der Titel deines Textes ist sehr nah dran an den letzten beiden von Zigga. Die Augen von einem verraten nichts – da haben wir dieses "von einem", also eine nicht näher bestimmte (männliche) Person. Diese steckt in einer Art archaischen Lebensweisheit. Es scheint also in dem Text um das große Kaliber zu gehen, um etwas Elementares.

Bei Ziggas letzten beiden Titeln ist das genauso. Sie lauteten Jemand, der den Teufel gesehen hatte und Das, was uns am Leben hält. In beiden Fällen haben wir wie bei dir dieses unbestimmte Subjekt (einmal menschlich, einmal sächlich) und dazu geht es beide Male ebenso archaisch-elementar zu: Im ersten Fall ist gleich der Teufel selbst im Spiel, im zweiten Fall werden wir am Leben (!) gehalten. Auch hier also die ganz großen Kanonen, verpackt in so etwas wie kryptische Elementarität.

Nachtrag: Und natürlich sind zwei Mal die Augen im Spiel.

Der Schluss

Springen wir direkt zum Schluss deiner Story. Da steht:

Wir parkten vor unserer Wohnung am Straßenrand. Er zog die Schlüssel ab und löste den Gurt.
„Sie nehmen es einem“, sagte er leise, bevor wir ausstiegen. „Du kannst dagegen protestieren, kannst schlagen und beißen und schreien und kämpfen, aber am Ende nehmen sie es dir. Und dann halten sie es vor dich und werfen es weg und treten darauf herum. Was dir bleibt, ist ihnen nichts von all dem zu verraten, wenn sie dir in die Augen sehen.“
Er fuhr sich mit der Hand über den Mund und sah mich an. Ich bemerkte ein kurzes Flackern in seinem Blick, in seinen hellblauen Augen, die einen nicht loslassen, wenn sie einen eingefangen haben.

Der Protagonist und sein Vater halten, die Handlung abschließend, auf der Straße an und es folgt der Schlüsselmoment der Story. Es wird grundsätzlich, geht ums Leben selbst und der Protagonist erkennt das in den Augen seines Vaters.

Bei Ziggas Text Jemand, der den Teufel gesehen hatte passiert im Grunde genommen das Gleiche:

Mein Vater blieb stehen und drehte sich zu mir, ein paar Schritte vor mir, auf dem Gehweg. Ich erinnere mich, wie sehr mich dieser Augenblick schockierte. Die Laternen leuchteten das Gesicht meines Vaters auf eine Art aus, wie ich es zuvor nicht wahrgenommen hatte. Für einen Augenblick sah ich die Dinge, wie sie waren.

Der Protagonist und sein Vater sind unterwegs, sie halten an, es kommt so etwas wie ein die Story definierender Schlüsselmoment und der Protagonist erhält Einsicht in das Wesen der Dinge durch die Augen seines Vaters.

Vaterfiguren

In deiner Story, aber auch in Ziggas Storys Jemand, der den Teufel gesehen hatte, so wie in seinem Text Hitze im August geht es um das distanzierte Verhältnis eines jugendlichen Protagonisten zu seinem Vater, der auf eine nur anklingende Art in seine eigenen Probleme verstrickt ist.

Alle diese Texte sind im Arbeiter-Milieu bzw. im Kleinbürgertum angesiedelt und hängen sich an Physis auf: In Hitze im August wird entrümpelt, in Jemand, der den Teufel gesehen hatte wird geschrien, gepackt und ertrunken (und mehr), in deinem Text wird geboxt. Frauenfiguren spielen in allen drei Texten keine wirkliche Rolle und in allen drei Texten sind die Protagonisten mehr oder weniger passiv-beobachtend ihren Vätern gegenüber, indem sie ihr Verhältnis nicht wirklich reflektieren, was den Texten einen nüchtern-berichtenden Anstrich gibt.

Detailauswahl / Beschreibungen / Sprache

Nicht zuletzt finde ich starke Ähnlichkeiten im Wie der Texte, darin, wie sie geschrieben sind. Wie gesagt, sie hängen sich an Physischem auf – das ist generell kennzeichnend für deine Texte wie auch für Ziggas Texte. Ihr nähert euch den Themen eigentlich immer über ein Außen, über den Körper, würde ich sagen, ohne meine These nun noch einmal komplett auf Richtigkeit abklopfen zu können. Aber ich erinnere mich eigentlich immer nur an solche physischen Texte von euch. Da ist also ohnehin schon eine starke Parallele.

Aber in diesem Text ist das auch sprachlich und szenisch sehr nah beieinander. Neben dem Titel und dem Ende vor allem bei der sprachlichen Einfassung des Vaters. Du schreibst etwa:

Ich sehe ihn mit seinen hellblauen Augen in unserer kleinen Küche sitzen, sehe, wie er einen Schluck Kaffee nimmt, ihn im Mund behält, lange, dann erst schluckt, so, dass das Schlucken was Besonderes ist. Seine Arme voller Sommersprossen. Dünn, aber stark wie ein Bär mit Venen, die hervorstanden, wenn er auf Arbeit schwere Dinge trug, als ob es nichts wäre.

Der Vater wird wie gesagt physisch gezeichnet, was ja nicht so sein muss. Man könnte ihn auch geistig-charakterlich einführen. Völlig zufälliger Beispielssatz:

Mein Vater war ein kein sanfter, kein verständnisvoller Menschen, sondern ein unnachgiebiger Forderer, dessen aus seiner puritanischen Erziehung stammendes Wertegerüst nicht nur ihm, sondern auch mir oft nicht zum Leitstern wurde, sondern zum Korsett.

Bei dir ist der Vater aber "blauäugig", "stark wie ein Bär", hat hervortretende Venen usw. Und der Erzähler beobachtet ihn auch vor allem als physisch-agierendes Wesen, hält es sogar für erzählenswert wie er den Kaffee schluckt – eigentlich ja eine auffällig banale Handlung, die aber im Erleben des Erzählers wohl sehr bedeutsam ist.

Auch bei Ziggas letztem Text wird ein banaler physischer Akt symbolträchtig und zwar das Gehen:

Mein Vater läuft voraus. Das tat er immer schon. Wir hinter ihm; er mit großen Schritten, den Rücken durchgestreckt, fünf Meter vor uns, auf dem Sandweg. „Wie bei den Türken“, nannte mein Bruder das; er sagte es, wenn meine Mutter, er und ich hinter meinem Vater liefen, auf dem Weg zu irgendeinem Italiener, einem Wirtshaus oder dem Parkplatz.

Bei dir nimmt der Vater also große Schlucke, schluckt gemessen herunter, bei Zigga macht er große, wohl bemessene Schritte – das finde ich schon sehr auffallend ähnliche Stellen, weil es ja auch eine ungewöhnliche Wahl von Details ist. Und hier im Forumskontext muss man sagen: Das ist schlichtweg dasselbe literarische Konstruktionsmittel, wobei sich dieser eine banal-physische Aspekt (Schritte bzw. gehen) bei Zigga sogar zum Leitmotiv auswächst, wohingegen das Schlucken bei deinem Text nur ein Detail ist.

Zu den Unterschieden

Generell ist das auch der größte Unterschied zwischen euren Texten: Ziggas Texte sind meines Erachtens lauter in ihrer Literarizität, wohingegen deine Texte kühler, nüchterner gehalten sind. Und das ist auch der Grund, warum ich dir zu mehr Storytelling rate: Wenn ein Texte leise und nüchtern erzählt, dann muss er das durch Inhalt aufwiegen. Denn wenn man bescheidene Sprache hat und bescheidenen Inhalt (im Sinne von: wenige auserzählte Konflikte, kein starker Spannungsbogen, keine lebhaften Dialoge), dann bleibt naturgemäß nicht viel Punch übrig.

Die andere Möglichkeit, mehr aus deinem Text herauszuholen, wäre, an der Literarizitätsschraube zu drehen. Warum nicht zum Beispiel das Schlucken zum Leitmotiv entwickeln? Passt doch wunderbar: Vor seinem letztem Kampf kann der Protagonist kaum schlucken, weil seine Kehle so trocken ist (Angst!), in der Endszene will er etwas sagen, hat aber einen Kloß im Hals und schluckt die Worte herunter. Irgend so etwas ...

Weißt du, was ich meine? Im Endeffekt hat das ja auch @jimmysalaryman gesagt: Entweder den Text auswalzen und zu einer richtigen Geschichte entwickeln. Oder einen Schlüsselmoment schaffen und diesen maximal literarisch aufladen.

Anyways, das führt jetzt etwas vom Thema weg und ich bin auch am Ende mit meiner Erläuterung dazu, warum ich diese Ähnlichkeiten sehe. Ich hoffe, du kannst meine Punkte nachvollziehen.

Freundliche Grüsse

Henry


Nachtrag I

Die wichtigste Frage ist doch eigentlich: Wann findet die erste WK-Boxgala statt?

Nachtrag II

Mir ist noch eingefallen, dass ich einmal ein Youtube-Doku o. Ä. über einen schwarzen Boxer gesehen habe, der das Boxen gehasst hat, von seinem Vater aber quasi dazu gezwungen wurde. Er war dann sogar Weltmeister, hat das Boxen aber irgendwann endlich aufgegeben und machte dann woanders Karriere. Konnte allerdings nicht mehr nachrecherchieren, wer dieser Boxer war. Hatte an Frank Bruno gedacht, aber glaube, der war es nicht. Ich meine, es war ein Brite.

Nachtrag zum Nachtrag:

Ha! Mein Gedächtnis ist nicht so schlecht, wie ich dachte. Es war der jamaikanisch-britisch-amerikanische Schwergewichtsboxer Michael Bentt und seine Geschichte wird in der ersten Folge der Netflix-Doku-Serie "Losers" erzählt. Er ist 1993 gegen Tommy Morrison überraschend WBO-Champ geworden und wurde beim nächsten Kampf praktisch ins Koma geprügelt. Nach seiner Karriere wurde er Schauspieler und spielte in "Ali" Sonny Liston.

 

Ich bin geneigt noch einmal detailliert auf alles einzugehen, aber ehrlich gesagt fehlt mir dafür gerade die Zeit – und ein wenig habe ich auch die Befürchtung größtenteils für den Orbit zu schreiben
Dafür, dass du fürchtest, für den Orbit zu schreiben, hast du aber noch mal ziemlich was ergänzt @H. Kopper - Hut ab! Ich gehe erst mal nur auf den ersten deiner zwei langen Kommentare ein. Den zweiten Kommentar werde ich die Tage beantworten!

Naturgemäß stimme ich wesentlichen Teilen deines Kommentars nicht zu. Ich beginne mal mit dem, was ich grundlegend anders sehe, werde dann versuchen, das mit meinem Text beispielhaft zu verdeutlichen und werde dann darauf eingehen, wo ich mit dir übereinstimme.

Du sagst:

Mein Eindruck von den allermeisten Texten im Forum ist, dass sie sich konsequent weigern, gute Geschichten zu erzählen – "Geschichten" im klassischen Sinne.
Das ist ja genau der Punkt. Dir geht es um klassisches Erzählen. Du hast ein relativ klares Bild davon, was du von einer Kurzgeschichte erwartest. Löst ein Text das nicht ein, findest du ihn nicht gelungen (Qualitität hin, Qualität her). Mir ist das zu festgelegt. Ich kann mit klassichem Erzählen absolut etwas anfangen, aber das braucht es für mich nicht als notwendige Voraussetzung guter Geschichten. Ich finde, dass Texte so etwas leisten können, es aber nicht zwingend müssen.
Die Frage ist doch der Grad der Entwicklung: Für mich hat ein Text auch dann eine Berechtigung, wenn Entwicklung nur ganz minimal stattfindet, sich das aber aus dem Text ergibt. Solange der Text eben präzise beobachtet und nachvollziehbar dargestellt, es zum Geschilderten passt und stimmig ist. Da braucht es für mich dann eben keine klassische Heldenreise. Das ist für mich kein Fehler oder Defizit, sondern eine bewusste Entscheidung und Schwerpunktsetzung einer Geschichte.
Um es mal hier auf den Text zu beziehen: Der Versuch war, ein Bild des Scheiterns im Kontext des Boxens über mehrere Generationen zu zeichnen. Über eine Weiterreichung von bestimmten Werten wie Härte, emotionaler Abschottung (des über die Augen nichts zu verraten). Da ist dann nicht wirklich viel Entwicklung drin, stimmt. Abgesehen vielleicht von einem kurzen Moment der Erkenntnis. Ich finde das aber legitim. Das Problem, dass der Text hat, ist ein anderes - das Format. Die Themen haben auf so kurzem Raum keinen Platz, sich zu entfalten. Das Fehlen einer klassischen Heldenreise ist hier aber nicht das Problem.

Und erprobte Konzepte guten Erzählens prallen an diesem Forum ab.
Ich weiß, du hast das sehr provokant formuliert und wir beide wissen, dass das vermutlich ein wenig überspitzt ist. Das schätze ich an deinem Kommentar ja eigenltich auch!
Aber: Denkst du wirklich, dass sich das Forum (mal ganz unabhängig von diesem Text hier) insgesamt auf einem Irrweg befindet? Oder gibt es da einfach ganz verschiedene Sichtweisen, was ein Text leisten muss und was nicht. Ich finde, dass sich gute Geschichten entwickeln, emotionalisieren und am Ende eine Auflösung/ Entwicklung bieten können. Ich finde aber auch, dass es daneben andere Schwerpunktsetzungen und Gewichtungen der einzelnen Elemente geben darf.

s gibt keine großen Entwicklungen, keine Dramen, keine wirkliche Lebhaftigkeit der Figuren oder Kulissen oder der jeweiligen Zeit.
Das ist subjektiv deine Einschätzung. Was ist denn Drama? Ich formuliere es überspitzt: Wie sehr muss ich dem Leser denn etwas ins Gesicht drücken, um einen Punkt zu machen? Subjektiv: Werden mir Themen, Konflikte oder eben "Dramen" zu offen und platt eingeführt oder aufgezeigt, bin ich oft ziemlich schnell weg. Es sei denn etwas anderes (der Stil, der Aufbau, das Grundthema usw.) hält mich. Ich finde es oft viel gelungener, wenn mir durch minimale Gesten, Handlungen etwas hingelegt wird und ich das (auch im weiteren Verlauf) entschlüsseln muss.
Ich finde auch, dass Lebhaftigkeit gewissermaßen eine Floskel ist. Ich will jetzt hier gar nicht behaupten, dass der Junge und sein Vater hier als Musterbeispiele lebhafter Figuren durchgehen, da habe ich mittlerweile schon einen recht kritischen Blick darauf. Aber was macht denn ganz grundsätzlich Figuren lebendig? Das müssen doch nicht immer die großen Gesten und Taten sein. Das kann doch reduziert und angedeutet genauso effektiv passieren. Ich finde auch nicht, dass das hier das große Problem des Textes ist (die Probleme liegen woanders - habe ich schon benannt).

als Drehbuch zu lesen und sich dann den entsprechenden Film vorzustellen.
Naja, das liegt doch aber am Format. Wir schreiben hier ja eben keine Drehbücher, sondern Kurzgeschichten (alleine also aufgrund des Umfangs schon eine ganz andere Sache). Da müssen Dinge noch mal anders gedacht werden. Der Vergleich hinkt, wie ich finde.
Davon abgesehen, gibt es mit Sicherheit auch sehr reduzierte Filme (was Figuren, Sprache, Gestik, Dramatik), die trotzdem ganz hervorragend funktionieren!

Ich meine, der Vater in deinem Text ist Anfangs hart und abgewandt und am Ende auch
Er hat sich doch definitiv bewegt - in Richtung Eingeständnis und Erkenntnis, die Form im Text mal hinten angestellt. Davon abgesehen, dass das hier nicht zutrifft, was wäre die Alternative? Das der Vater sich massiv entwickelt, es aber null zu seinem Charakter passt? Soll er es dem Leser ins Gesicht schreien?
"Sohn, du bist gescheitert und ich im Übrigen auch. Weil es nun mal schwer ist, und ich sag dir, es wird auch in Zukunft nicht leichter, aber lass mich dich mal ganz fest drücken. Und das mit dem Boxen, das überleg dir doch noch mal. Wenn du keine Lust hast, Mensch, dann mach doch, was dich glücklich macht. Und ich häng morgen meinen Scheißjob bei Tönnies an den Nagel und verwirkliche mich auch woanders. Hach, es stehen herrliche Zeiten vor der Tür, mein Sohn! Gut, dass wir darüber geredet haben. Hat ja nur paar Jahre gedauert - aber besser spät als nie!"

Er sagt mir, dass es harte und unfaire Väter gibt. Das ist die Essenz des Textes.
Das ist für mich überhaupt nicht die Essenz des Textes. Nicht mal ansatzweise. Warum ist er denn unfair? Es ist vielleicht fraglich, mit welchem drive er den Sohn da zum Sport bringt, ihn stellvertretend für sich Erfolge erringen sehen will, Druck aufbaut (die Medaille) usw.
Aber er ist doch kein per se unfairer Vater. Das gibt doch weder der Text noch die Sicht des Jungen auf den Vater her.
Der Vater bricht am Ende (nur eben nicht laut, sondern so, wie es in meinen Augen angemessen zu seinem Charakter passt). Und darum geht es doch: Um Scheitern (sowohl Sohn als auch Vater) in Anbetracht einer Umwelt, auf die sie treffen. Puh, klingt jetzt wieder sehr dick aufgetragen von mir - finde ich ja eigentlich zum Kotzen so einen Ton, aber so ist es nun mal. Zurück zum Punkt: Dem Text geht es weder um eine Bewertung des Vaters noch um eine Herausstellung eines unfairen (was soll das überhaupt sein?) Verhaltens.

Er berichtet, es ist ein Berichtsstil, im Grunde wie im Journalismus, wo Emotionen und das Ich das Autors normalerweise herausgehalten werden sollen.
Mir wurde das hier schon mal gesagt, dass meine Art des Schreibens sehr nüchtern und beinahe journalistisch anmutet. Da ging es um den Text Bericht von unten. Ich würde sagen, dass das da schon eher zugetroffen hat.
Bei diesem Text finde ich aber, dass das nicht greift. Jetzt ist es müßig, hier gegen subjektives Leseempfinden zu argumentieren, aber ich werde es trotzdem tun, haha. Ich sehe in diesem und eigentlich bei meinen letzten Texten schon einen gewissen (vielleicht von anderen inspirierten ;) - dazu aber mehr bei deinem zweiten Kommentar) Stil fahre. Und ich finde auch, dass er Eigenheiten hat(reduzierte Sprache, aber auch bestimmte eigenwillige Formulierungen und Sprachbilder) die herausfallen. Will dich natürlich nicht zu noch mehr Kommentaren unter meinen Texten animieren, weil da ja auch viel Arbeit und Zeit deinerseits drinsteckt - aber alleine der Mollner fällt doch völlig aus dem raus, was du sagst. Naja, ich merke, dass ich in den Rechtfertigungsmodus gerate und bevor es peinlich wird, breche hier mal ab.
Grundsätzlich: Da der Vorwurf bereits zum zweiten Mal kam, muss ich ihn ernst nehmen und das mal ganz grundsätzlich überdenken. Wir entwickeln uns ja alle weiter beim Schreiben - mal sehen, was ich daraus für meine Geschichten mitnehme.

Ich komme jetzt mal zu den Teilen, wo ich dir (wenn auch aus anderen Gründen) zustimme.

Ironischerweise bietet dein Stoff eine Menge Potenzial. Man könnte daraus einen super Text oder auch einen Spielfilm machen – aber dafür müsstest du meiner Meinung nach genau an die Punkte ran, die ich im ersten Kommentar schon benannt habe. Die Aspekte, die man vielleicht mit gutem Willen in den Text hineinlesen kann, die man ihm aus der Distanz als Leser proaktiv anhängen kann, die sollten explizit in den Text hinein – darum geht es doch beim Erzählen: aussprechen, formen, erschaffen, nicht aussparen und hoffen, dass ein Minimaleinsatz von Mitteln schon reichen wird.
Bevor ich dir zustimmen kann, muss ich zunächst widersprechen. Es geht nicht zwingend um Aussprechen und hoffen, dass ein Minimaleinsatz ausreichen wird. Es kann doch auch bewusste Entscheidung sein, minimale Mittel nicht als Schwächung, sondern als Verstärkung einzusetzen usw. ... wir hatten es oben schon davon.
Aber: Der Text funktioniert nicht so gut, wie ich wollte. Ich denke, dass es am Raum liegt. Ich mache eben zu viele Dinge auf. Da hast du dann recht. Da greift dann der Minimalismus nicht mehr in dem Maße, wie ich es eigentlich wollte. Daher stimme ich deinem Kommentar (und auch anderen vorher) zu. Die Entscheidung muss sein: Entweder massiv ausbauen und die Elemente, die ich hier aufmache, atmen lassen. Oder reduzieren auf eine ausgewählte Szene und daran erzählen. Der Stil finde ich, die reduzierte Sprache, das nicht immer komplett ausgewalzte und offene Ausformulieren kann da aber trotzdem stattfinden, dabei bleibe ich. Nun ja, wir werden es ja sehen. Ich werde einen Versuch unternehmen und in ein paar Wochen hoffentlich eine gelungene Überarbeitung hochladen.

Die wichtigste Frage ist doch eigentlich: Wann findet die erste WK-Boxgala statt?
Bester Vorschlag seit Wochen! Und danach vielleicht ein paar Bier und ordentlich über Literatur streiten, haha. Es wäre herrlich

Vielen Dank für deinen Kommentar und die interessante Textdiskussion!
Zu deinem zweiten werde ich dir die Tage ausführlich antworten!

Hallo @Woltochinon, ich habe deinen Kommentar gesehen und werde auch darauf die Tage angemessen antworten!

Beste Grüße
Habentus

 

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