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Die Augenweide

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01.09.2005
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Die Augenweide

Frodo hatte gerade einen seiner Anfälle von Selbstzweifel. Alexander konnte das Hörbuch mittlerweile auswendig mitsprechen. In Gedanken. Natürlich hätte er Sara das niemals angetan. Sie liebte den Herrn der Ringe. Die Abenteuer der Gefährten erinnerten sie an ihre Kindheit. Sie hatte Alexander einmal erzählt, dass es das erste Buch gewesen war, das sie jemals von sich aus gelesen hatte. Kein Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk, mit dem man sich nur beschäftigt, um Eltern, Onkel und Tanten nicht zu kränken. Seitdem hatte sie es ungefähr alle zwei Jahre einmal gelesen. Ein Hinweis auf seine eigene Übersättigung von Tolkiens Epos wäre Alexander schlicht herzlos erschienen. Er drückte Sara fester an sich.
„Au“, sagte sie leise. „Du brichst mir die Rippen.“
Alexander entschuldigte sich, meinte es aber genau so ernst wie Sara den Hinweis darauf, dass er ihr wehtat.
„Ich muss aufs Klo“, sagte sie.
Alexander stand vom Sofa auf, ging rüber zum Laptop auf dem Schreibtisch und klickte auf den Pause-Button des abspielenden Programms. Gimli der Zwerg verstummte urplötzlich. Als Alexander sich wieder umdrehte, war auch Sara aufgestanden.
„Warte!“, rief er erschrocken. „Ich helfe dir!“
Sara erstarrte in ihrer Bewegung. Alexander sah, dass seine Fürsorglichkeit sie einmal mehr wütend gemacht hatte.
„Ich bin blind“, zischte sie. „Nicht gehbehindert oder so. Und auf dem Klo komme ich auch ganz gut allein zurecht.“
Die folgenden Sekunden der Stille schienen grauenvolle Stunden anzudauern. Alexander war sicher, er könnte gleich sein Herz brechen hören, wenn sie weiter so unendlich zerbrechlich in ihrem Mickey-Maus-Schlafanzug dastehen würde, den Kopf in seine Richtung gewandt, ohne ihn wirklich anzusehen. Ihre Augäpfel huschten in einem mal mehr, mal weniger regelmäßigen Rhythmus von links nach rechts, Scheibenwischern gleich. Sie waren ständig in Bewegung und taten doch schon seit Monaten nicht mehr das, wofür sie eigentlich da waren.
„Sorry“, sagte Alexander.
„Ist okay“, erwiderte Sara. Sie machte sich mit vorsichtigen, kurzen Kleinkinderschritten auf den Weg und hielt dabei eine Hand schützend vor sich gestreckt, während sie mit der anderen die einst so vertraute Wohnung abtastete. An der Stehlampe neben dem Sofa stieß sie ihren Kopf und drehte sich lachend zu Alexander um, so als würde es irgendeinen Unterschied für sie machen, als könnte sie seine Reaktion auf ihr Missgeschick wahrnehmen. Alexander lachte auf, um Sara zu zeigen, dass auch er den Humor nicht verloren hatte. Er begegnete der bisher größten Grausamkeit seines Lebens mit Witz, genau wie sie, genau wie dieser irische Autor, den sie so mochte. Der seine von Kindstoden, Hunger und sozialer Ungerechtigkeit geprägte Vergangenheit in einem Buch niedergeschrieben hatte, das Kritiker trotz all dieser entsetzlichen Themen für seinen warmherzigen Humor gelobt hatten.
Warmherzig am Arsch, dachte Alexander wütend, als er Sara im Badezimmer weinen hörte. Er ballte die Hände zu Fäusten. Wuttränen stiegen ihm in die Augen, weil niemand da war, dem er das Gesicht einschlagen konnte.

Niemals würde eine Faust dem etwas anhaben können, der für Saras Blindheit verantwortlich war. Dafür war er nämlich zu klein. Zu klein tatsächlich, als dass ihn das menschliche Auge überhaupt hätte wahrnehmen können.
Es war ein Bakterium, von dem die Leute im Krankenhaus und die Schlauköpfe des Tropeninstitutes ihnen unterm Strich nicht mehr sagen konnten, als dass Sara es sich wohl in Afrika eingefangen habe. Sie hatten zusammen mit den Ärzten fast ihren gesamten Urlaub rekapituliert, und waren dann immer wieder auf das Bad in einem See zurückgekehrt, der in Alexanders Augen eher ein schlammiger Tümpel gewesen war. Er war Sara nicht ins Wasser gefolgt, weil er als erstmaliger Tourist auf dem schwarzen Kontinent hinter jedem Baum einen Löwen, unter jedem Stein eine Schlange und in jedem Wasserloch Krokodile vermutet hatte.
Sara hatte ihn dafür ausgelacht. Sie hatte in der ersten Hälfte ihrer Zwanziger quasi aus dem Rucksack gelebt und mit Freundinnen so ziemlich jede Ecke dieses Planeten erkundet. Alexander war sich immer schrecklich unerfahren vorgekommen, wenn sie von ihren Reisen erzählt hatte. Jetzt hatte seine provinzielle Angst vor der Welt außerhalb seiner Heimatstadt ihn vermutlich gerettet, während Saras Weltoffenheit den lieben Gott zu einem perversen Kalauer verführt hatte. Schließlich hatte mit ihr ausgerechnet eine ehemalige Literaturwissenschaftsstudentin und angehende Journalistin, der Inbegriff eines Bücherwurms, das Augenlicht verloren. Eine Leseratte geht ins Wasser und wird zum Blindfisch, haha.
Die kleinste Verletzung mochte schon gereicht haben, hatten die Ärzte gesagt. Und Sara hatte mehr als nur ein paar „kleinste Verletzungen“ an ihrem Körper gehabt. Blasen an den Füßen, kaputte Hände und Waden vom Wandern und Klettern – der Angreifer, der ihren Sehnerv verätzt hatte, hatte unzählige offene Türen und Tore an ihr vorgefunden.

Saras Augen trugen die Spuren des Weinens, als sie aus dem Badezimmer zurück ins Wohnzimmer kam.
„Alles okay?“, fragte Alexander.
„Mh?“, fragte Sara zurück. „Oh, ja klar, wieso?“
Ich habe dich weinen gehört, dachte Alexander, sagte es aber nicht.
„Naja, ehrlich gesagt …“, fuhr Sara fort. „Zuviel Eistee. Es war allerhöchste Zeit. Es hätte nicht mehr viel gefehlt und ich hätte mir in die Hose gemacht.“
„Du Schwein“, sagte Alexander. So hatte er sie oft genannt, als sie sich gerade kennen gelernt hatten, und sie hatte sich darüber jedes Mal fast besinnungslos gelacht. Auch jetzt lachte sie, allerdings nicht ohne den Mangel an Ausgelassenheit, den eine rasch voranschreitende Verringerung der Sehkraft bis zur völligen Erblindung wohl so mit sich brachte.
„Hast du Lust noch rauszugehen, auf einen Spaziergang?“, fragte Alexander. „Ich würde gern noch eine rauchen.“ Sara hasste Zigaretten. Natürlich hatte sie bei ihrem Lebenswandel Erfahrungen mit Drogen gemacht. Aber ein Joint war dabei nie eine Option gewesen. Stattdessen hatte sie sich die kleinen grünbraunen Blocks in Keksteig oder in den Kakao getan.
„Ne, keine Lust“, sagte sie. „Machst du bitte das Buch wieder an?“
Gimli der Zwerg nahm seinen angefangen Satz wieder auf. Alexander zog sich eine Jacke über, vergewisserte sich, dass seine Schachtel und sein Feuerzeug in der Seitentasche waren und ging dann rüber zu Sara, um sie auf die Stirn zu küssen.
„Bis gleich“, flüsterte er in ihr Ohr. Anstatt zu antworten, streichelte sie seine Wange.

Als Alexander das Treppenhaus hinter sich gebracht hatte und gerade durch den Haupteingang raus wollte, öffnete sich die Wohnungstür der Vermieterin. Alice Freudenreich war alt und einsam, manchmal gut gelaunt, manchmal schlecht. Kein Hausdrachen, aber mit Sicherheit auch nicht die gute Seele ihrer vier Wände. Wirklich unerträglich fand Alexander lediglich ihre Tratschsucht, auf die Sara sich stets mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen eingelassen hatte. Alexander war es immer zuwider gewesen, mit einem Menschen, den er kaum kannte, über den Privatkram anderer Menschen zu reden, die er überhaupt nicht kannte. „So sind wir Mädchen nun mal“, hatte Sara immer grinsend zu ihm gesagt. Damals, als sie noch ab und an grinste.
„Hallo“, sagte die alte Freudenreich vorsichtig und leise. So leise, dass Alexander einfach weiterging, in der Hoffnung, sie würde vielleicht denken, er hätte sie nicht gehört.
„Hallo!“, wiederholte Freudenreich lauter. Alexander blieb stehen und drehte sich nach einigem Zögern zu ihr um.
„Hallo“, erwiderte er mit einem müden Lächeln.
Freudenreich hielt ein Kissen in der Hand. Das aufgestickte Muster ergab ein Katzenbaby mit riesigen Augen. Die alte Frau knetete das Kissen nervös mit beiden Händen.
„Wie geht es denn der Sara?“, erkundigte Freudenreich sich.
„Den Umständen entsprechend“, sagte Alexander.
Freudenreich nickte verständnisvoll. „So eine Schande“, sagte sie. „So ein hübsches Mädchen.“
Alexander entfuhr ein zynisches Lachen. „Hübsch ist sie immer noch“, sagte er. „Blind allerdings auch.“
Seine Bemerkung bewirkte nicht, dass Freudenreich beschämt zu Boden sah, wie er sich das erhofft hatte. Stattdessen hielt sie seinem Blick stand und sagte: „Komm bitte rein zu mir, Junge. Ich möchte etwas mit dir besprechen.“
Alexander spürte, dass das ertragene Leid der vergangenen Monate sein Verständnis für die Macken seiner Mitmenschen derart reduziert hatte, dass ein falsches Wort ihn unendlich wütend machen konnte. “Glauben Sie allen Ernstes, dass ich im Moment Lust auf einen Kaffeeklatsch habe?“, fragte er Freudenreich.
Seine Vermieterin lächelte ihn verständnisvoll an. „Rede mit mir, Junge“, sagte sie. „Glaub mir, es wird dir gut tun. Euch beiden.“
Alexander stand da und bereute den scharfen Ton, den er angeschlagen hatte. Schließlich war Freudenreich nur eine alleinstehende, langsam vergreisende Frau. Er ging auf sie zu und schüttelte ihr die Hand. „Ich habe aber nicht viel Zeit“, sagte er.
„Ich bin alt“, sagte Freudenreich. „Ich habe noch viel weniger.“ Sie lachte ein ehrliches Lachen und streichelte Alexanders Arm.

Die Wohnung sah aus wie die Wohnungen vieler alter Frauen. Genau wie all die Wohnungen, die Alexander während seines Zivildienstes betreten hatte. Er sah echte und falsche Blumen in grellen Farben und Porzellanfiguren von vermenschlichten Tieren, mit Hüten auf dem Kopf und grinsenden Gesichtern. Der etwa zwanzig Jahre alte Fernseher war umrahmt von silbernen Tannenzapfen. Unter dem Geruch von Muff, Suppe und billigem Waschmittel lag ein feiner Hauch von Urin. Etwas in Alexander rebellierte, als er sich auf die löchrige gelbe Couch im Wohnzimmer setzte.
„Möchtest du etwas trinken, Junge?“, fragte Freudenreich.
„Nein“, erwiderte Alexander barsch. „Können Sie aufhören, mich Junge zu nennen?“
Freundreich grinste. „Aber Junge …“ Alexander warf ihr einen bösen Blick zu.
„Möchtest du etwa, dass ich dich auch sieze?“, fragte Freudenreich verwundert. „Ich verlange nicht, dass du das tust. Du tust es von ganz alleine.“
„Alexander wäre nett“, sagte er. „Ich heiße Alexander. Ich bin seit mehr als zehn Jahren schon kein Junge mehr.“
Freudenreich setzte sich müde stöhnend auf einen Sessel. Zwischen ihnen stand ein Tisch, auf dem ein leerer Kerzenständer und ein sehr alt aussehendes Buch lagen. Wahrscheinlich Urgroßmutters Hackfleischrezepte, dachte Alexander. Hätten unsere Jungs in Stalingrad sich alle zehn Finger nach abgeleckt.
„Alexander also“, sagte Freudenreich. „Alexander, ich bin sehr alt und sehr einsam.“
Alexander nickte. „Ihr Mann ist tot?“, fragte er.
„Ich habe nie einen gehabt“, antwortete Freudenreich. „Das ist mein Los.“
Alexander rieb sich die müden Augen. „Hören Sie“, sagte er. „Es tut mir Leid, dass Sie sich allein fühlen, okay? Ich bin sicher, wir können sie öfter mal zu uns einladen, oder hier auf einen Kaffee vorbeikommen. Aber mein eigenes Leben ist im Moment nicht gerade ein Ponypark, und ich würde gern– “
„Hör auf mit mir zu reden, als wäre ich eine senile alte Schachtel“, unterbrach Freudenreich ihn scharf. Alexander sah sie verdutzt an. Er öffnete den Mund, aber sie bedeutete ihm mit einer Geste, ruhig zu sein. In diesem Moment hätte Alexander schwören können, dass er tatsächlich nichts sagen konnte. Sein Kiefer fühlte sich verkrampft und unbeweglich an.
Freudenreich beugte sich vor und streichelte das Buch, das auf dem Tisch lag.
„Ich habe schon sehr viel gesehen, Alexander. Und ich habe sehr viele Dinge getan. Schreckliche Dinge. Ich habe geglaubt, dass ich mit meinen angeborenen Fähigkeiten einem höheren Zweck diene. So hoch, dass ich mich um richtig oder falsch nicht zu sorgen brauche. Aber nun wird mein Licht bald erlischen. Und ich habe Angst vor dem, was danach auf mich wartet. Deshalb möchte ich in der mir verbleibenden Zeit Gutes tun. Nenn es Buße.“
Freudenreich nahm das Buch vom Tisch und legte es auf ihren Schoß. Sie ließ ihre Finger darüber gleiten und schien hie und da etwas zu verstellen, anzuziehen, einzudrücken, so als wäre das Buch verschlossen. Und tatsächlich klickte etwas metallisch, bevor sie den Einband schließlich öffnete.
„Was ist das?“, fragte Alexander.
„Ein Schlüsselbund“, sagte Freudenreich. „Die Schlüssel darin habe ich über viele Jahrzehnte gesammelt. Einige führen in herrliche Wunderwelten. Andere öffnen die Tore zu Dimensionen, in denen unsere Alpträume leben.“
„Haben Sie getrunken?“, fragte Alexander.
Freudenreich lächelte nachsichtig. „Möchtest du, dass Sara wieder sehen kann?"
Alexander spürte wieder den Zorn, den er bereits an der Haustür empfunden hatte.
„Ich gehe jetzt“, sagte er.
„Warte!“
„Worauf?“
„Denkst du nicht, dass sie wenigstens einen Versuch verdient hat?“
Alexander starrte Freudenreich an. Er fragte sich, wie lange er noch durchhalten würde, ohne sie über den Tisch hinweg anzuspringen und ihr ein paar saftige Ohrfeigen zu verpassen. Die alte Frau ging zu einem Regal über dem Fernseher und nahm einen Flakon daraus. In dem kleinen Gefäß befand sich eine bräunliche Flüssigkeit.
„Ich habe ihn schon gebraut, als sie noch im Krankenhaus gelegen hat“, sagte Freudenreich. „Tu was ich dir sage und Sara wird wieder sehen können.“
Sie reichte Alexander den Flakon. Er betrachtete die Flüssigkeit darin spöttisch und sagte: „Wissen Sie, Sie mögen es ja nett meinen, aber ich bezweifele ernsthaft, dass diese Sache sich mit einem Kurzen aus der Welt schaffen lässt.“
Freudenreich reagierte nicht auf die Witzelei. Stattdessen holte sie jetzt noch eine Pipette aus einer Kommodenschublade unterhalb des Regals hervor. „Zwei Tropfen“, sagte sie. „Weniger wird nicht zum gewünschten Resultat führen. Viel wichtiger ist aber, dass du ihr auf keinen Fall mehr gibst. Zwei Tropfen. Verstehst du?“
„Ja, sicher“, sagte Alexander. „Zwei Tropfen. Vermutlich muss sie die bei Vollmond nehmen, oder? Und brauche ich nicht noch eine Krötenzunge oder so was?“
„Zwei Tropfen“, wiederholte Freudenreich. „Auf keinen Fall mehr.“ Dann lächelte sie wieder. „Vertrau mir.“
„Ja“, sagte Alexander und machte sich auf den Weg zur Wohnungstür. „Danke für die, äh, Hilfe.“
Freudenreich nickte und winkte ihm zum Abschied.
„Blöde Kuh“, zischte Alexander flüsternd vor sich hin, während er rauchend durch die Nebenstraßen der Nachbarschaft spazierte. Er nahm den Flakon aus der Tasche, öffnete ihn und roch dran. Der angenehm lakritzartige Geruch von Anis stieg ihm in die Nase. „Ouzo“, urteilte Alexander. „Die neue Geheimwaffe im Kampf gegen Krebs, Aids, und was es sonst noch so gibt.“ Er leerte den Flakon in einem Zug und warf ihn wütend gegen eine Mülltonne. Dem Krach folgte das Gebell von Hunden. Ein Schlüsselbund, dachte Alexander. Nicht zu fassen.

Als er am nächsten Morgen erwachte, war er allein. Sara war bei ihrem Kurs für Blindenschrift, zu dem er sie anfangs noch gefahren hatte. Dann hatte sie es ihm praktisch verboten. Ihre private Krankenversicherung übernahm die Taxifahrt zur „Initiative Leben“ fast komplett. „Es gibt keinen Grund für dich, dir noch diesen zusätzlichen Stress anzutun“, hatte sie zu ihm gesagt. „Du brauchst deinen Schlaf.“ Damit hatte sie absolut Recht gehabt, aber Alexander hätte sich eher einen Finger abgeschnitten, als das zuzugeben. Noch heute protestierte er manchmal, es wäre „überhaupt kein Problem“ für ihn, sie zu fahren, um dann innerlich erleichtert aufzuatmen, wenn Sara das Angebot ablehnte.
Alexander kratzte sich die Brust und zuckte zusammen. Unterhalb seines Schlüsselbeins hatte sich ein schmerzhafter kleiner Pickel gebildet. Er stand auf und ging ins Badezimmer, um sich die verstopfte Pore im Spiegel zu betrachten.
Der Pickel war etwa fingerkuppengroß. Obwohl er sich bereits deutlich ausgebeult hatte, war nur eine Rötung zu erkennen, keine gelbliche Spitze. Das bedeutete natürlich, dass der Pickel nicht reif zum Ausdrücken war und der Eiter darin noch zu tief unter der Haut lag. Da Alexander das Gefühl unausgedrückter Pickel hasste, die sich an der Kleidung rieben, beschloss er, trotzdem sein Glück zu versuchen. Mit den Daumen setzte er an und drückte erst langsam und vorsichtig, dann abrupt und stark.
Alexander schrie auf. „Großer Gott!“, stöhnte er, als das Gefühl eines mit Widerhaken bewehrten, in seiner Brust steckenden Angelhakens nachließ. Er lachte vor Entspannung.
„Du kleiner Scheißkerl“, sagte er und fuhr vorsichtig mit dem Zeigefinger über den Pickel. „Heute Abend bist du fällig, das garantiere ich dir.“

In der Uni saß er im Computerraum seiner Fakultät und konnte sich nicht auf die endlosen Zeilen PHP-Codes konzentrieren, die auf dem Bildschirm vor ihm flimmerten. Sein Diplom-Projekt war mit Saras Unfall ins Stocken geraten, aber Professor Gramley war ein netter Typ, der Alexander väterlich auf die Schulter geklopft und gemeint hatte, es würde „so lange dauern, wie es nun einmal dauert, gerade auch in Anbetracht der Umstände“.
Trotzdem war die Arbeit an dem Programm, das einmal die Buchungsvorgänge einer mittelständischen Privatbank überwachen sollte, gemessen an den „Umständen“ schon recht weit vorangeschritten. Arbeit, hatte Alexander festgestellt, ließ ihn fast noch besser vergessen als ein von Alkohol getränkter, komaartiger Schlaf. Denn selbst der war manchmal nicht frei von Träumen. Und es war Monate her, dass Alexander nichts Schlechtes geträumt hatte.
Heute aber hielt ihn der Pickel davon ab, Schleifen und Wenn-Dann-Befehle zu einem harmonischen virtuellen Getriebe zusammenzufügen. Auf den Druck der Return-Taste folgte Fehlermeldung nach Fehlermeldung, und irgendwann wurde Alexanders Fluchen so laut, dass die ersten Gesichter sich böse blickend zu ihm umdrehten.
Der Pickel brannte. So fühlte es sich an. Als würde jemand im Fünfzehn-Sekunden-Takt eine glühende Zigarette auf seiner Brust ausdrücken. Alexander steckte seine Hand unters T-Shirt und ertastete den kleinen Plagegeist, der, wie er schockiert feststellte, gar nicht mehr so klein war, sondern in etwa die Größe einer halben Walnussschale angenommen hatte. Der Pickel pulsierte, als hätte er einen eigenen Herzschlag. Außerdem fühlte Alexander eine ölige Schmiere, die sich wie Körperlotion anfühlte. An einem der Computer saßen drei recht junge Mädchen, höchstwahrscheinlich Erstsemesterinnen. Eine davon flüsterte: „Oh Gott, wenn er jetzt noch die andere Hand in die Hose steckt, gehe ich.“ Die anderen beiden brachte das zum Kichern.
Alexander zog seine Hand wieder hervor. Etwas Braunes klebte an seinen Fingern, das genau wie Kacke aussah, aber nach einer Mischung aus Minzöl und Achselschweiß roch. Er griff nach seinem Rucksack unter dem Tisch und verließ den Raum, ohne den Rechner herunterzufahren. Er hörte das Mädchen, das ihm Selbstbefriedigungsabsichten unterstellt hatte, flüstern: „Na, Gott sei Dank.“
„Blöde Fotze“, zischte Alexander beim Hinausgehen, war aber zu sehr in Eile, um sich an den entsetzten Blicken erfreuen zu können, die ihn aus dem Raum begleiteten.
Er ging zur Toilette ganz unten in der Fakultät für Geschichte und Philosophie, die an einem der zahlreichen Nebeneingänge lag und auf der er in sechs Jahren Studium noch nicht einmal einen anderen Menschen getroffen hatte. Er riss sich sein T-Shirt über den Kopf, als würde es in Flammen stehen.
Der Pickel war zu einer entzündlich dunkelrot leuchtenden Beule herangewachsen. Aber statt eines eitrigen Kopfes zog sich in der Mitte eine feine, horizontale Vertiefung darüber wie ein Graben. Alexander tastete mit dem Zeigefinger daran entlang und stellte fest, dass er die Ränder des Grabens unter gemeinen Schmerzen ein bisschen auseinander ziehen konnte. Darunter war eine bräunliche Membran zu erkennen, und die nach schweißigem Minzöl stinkende Flüssigkacke, die er zuvor am Finger gehabt hatte, floss ihm jetzt tropfenweise über Brust und Bauch bis zum Bund seiner Unterhose.
Alexander benutzte Daumen und Zeigefinger wie eine Klemme, um den kleinen, grabenartigen Schnitt noch mehr zu weiten. Auch wenn die Bewegung genau die entgegen gesetzte war, fühlte er sich doch an das Pickelausdrücken erinnert. Natürlich tat es immer mehr weh, aber hielt man durch, wurde man mit einem erleichternden kleinen Platzen belohnt, nach dem der Schmerz dann wohltuendend nachlässt.
Alexanders Bewegung entsprechend platzte die Beule nicht. Stattdessen zerriss der Graben mit einem nassen, schmatzenden Geräusch. Alexander hatte keine Luft zum Schreien. Er atmete wie ein Kettenraucher, der gerade den Berlin-Marathon hinter sich gebracht hatte. Sonst hätte er seinem Entsetzen vermutlich genau so Ausdruck verliehen. Mit einem Schrei.
Eine wässrige, transparente Murmel war unter der Beule zum Vorschein gekommen. Als der Graben aufriss, war sie etwas tiefer in Alexanders Brust geflutscht, so dass die Schwellung jetzt kleiner geworden war. Die Murmel kugelte panisch von links nach rechts, von oben nach unten.
Es war ein Auge. Ein farbloses, blindes Auge. Es war noch nicht reif, dämmerte es Alexander. Es war eine Frühgeburt, die er per Kaiserschnitt in die Welt geholt hatte. Das flüssige Braune tropfte aus dem Auge. Es sah aus, als würde es Scheiße weinen. Alexander zog sein T-Shirt an und hastete zum Ausgang.

Er klopfte an Freudenreichs Tür als wollte er sie einschlagen. Auf der anderen Seite hörte er die alte Frau näher kommen. Als sie die Tür öffnete, stieß Alexander sie in die Wohnung. Er packte Freudenreich am Hals und würgte sie.
„Junge!“, wimmerte Freudenreich. Ihre alten, kraftlosen Finger gruben sich in Alexanders Unterarm. „Junge, was soll denn das?“
„Was haben Sie mir gegeben?“, schrie Alexander sie an.
„Was?“, fragte Freudenreich. Sie schien ehrlich bestürzt und hatte offenbar keine Ahnung, was Alexander von ihr wollte. Er schubste sie vor sich her ins Wohnzimmer.
„Das Fläschchen“, sagte Alexander. „Was war da drin?“
„Etwas, das deiner Freundin helfen sollte“, antwortete Freudenreich. „Was ist denn passiert?“
Alexander lachte. „Was passiert ist, du blöde Schlampe?“ Er zog sein T-Shirt aus.
„DAS IST PASSIERT, VERDAMMT!“
Für einen Moment genoss Alexander mit Genugtuung das Entsetzen in Freudenreichs Gesicht.
„Aber … aber“, stammelte Freudenreich. „Hast du etwa die Tropfen genommen?“
„Wie kommst du denn darauf, du alte Schlampe?“, fragte Alexander. „Hast du ihr so helfen wollen? Mit einem Scheiß Auge auf der Brust?“
Freudenreich atmete tief durch und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war der Ausdruck des Entsetzens aus ihrem Gesicht verschwunden. Jetzt sah sie sehr ernst, gefasst, fast schon analytisch drein. „Ach, Junge“, sagte sie. „Wie viele hast du genommen? Drei? Vier?“
Alexander fühlte sich plötzlich, als wäre er wieder fünfzehn und müsste seinen Eltern gestehen, dass er Alkohol getrunken hatte.
„Ich hätte doch nicht gedacht …“, begann er seinen Satz. „Wie hätte ich denn wissen sollen–“
"Wie viele?“, unterbrach Freudenreich.
„Ich habe das scheiß Fläschchen ausgetrunken!“, schrie Alexander sie an. „Ich habe gedacht, das wäre verdammt noch mal ein Flachmann.“ Etwas Weinerliches hatte sich in seine Stimme geschlichen.
Freudenreich legte ihre Hände aneinander wie zum Gebet, bedeckte damit Nase und Mund und schloss die Augen.
„Was?“, wollte Alexander wissen. „Was denn?“
Alexander sah an sich herunter. Zu dem wild in seiner Höhle kugelnden Auge auf der Brust hatten sich etwa zwei Dutzend weiterer kleiner Pickel gesellt, die sich über seinen gesamten Oberkörper bis runter zum Schritt verteilten. Er wollte schreien, doch was ihm stattdessen entfuhr, war ein lang anhaltendes, hohes Jaulen. Hasserfüllt sah Alexander Freudenreich an.
Auf dem Wohnzimmertisch lag ein aufgeschlagenes Schundmagazin. Eine Seite erzählte von der selbstverständlich „schmutzigen“ Scheidung irgendwelcher Vons und Zus, auf der anderen prangte ein fast fertig ausgefülltes Kreuzworträtsel. Darauf lag auch der spitze Bleistift, den Alexander nahm und in Freudenreichs Hals bohrte. Sie taumelte zurück, stieß sich den Kopf am Wohnzimmerschrank und fiel auf den Hintern. Mit beiden Händen ertastete sie das Radiergummi-Ende des Bleistifts, das aus ihrem Hals hervorlugte. Sie fixierte Alexander mit ungläubig schmerzverzerrten Augen, als sie den Stift langsam herauszog. Blut spritzte im Rhythmus ihres Herzschlages aus der Wunde, die sie verzweifelt zuzuhalten versuchte. Voller Genugtuung beobachtete Alexander, wie mit jedem neuen Blutstoß ein bisschen mehr Leben aus der alten Hexe entwich, die ihm so übel mitgespielt hatte.
Freudenreich setzte viermal an, etwas zu sagen. Beim fünften Mal schließlich gurgelte sie: „Ich wollte doch bloß helfen, Junge.“
Viele der Pickel auf Alexanders Körper waren in der kurzen Zeit bereits zur bekannten Walnussgröße geschwollen. Eines der Augen neben seinem Bauchnabel öffnete sich. Für einen Moment war ihm schwindelig. Er dachte, er würde ohnmächtig werden. Dann begriff er, warum seine Welt plötzlich so anders aussah. Im Gegensatz zu dem Auge unter seinem Schlüsselbein war dieses nicht blind.
Alexander deutete auf das Auge. „Helfen? Was ist denn das für eine Hilfe, bitte?“
„Zwei Tropfen habe ich gesagt“, röchelte Freudenreich. „Sie sollte zwei Tropfen nehmen. Und wer soll jetzt den Gegentrank brauen, du Dummkopf?“ Freudereich sank in sich zusammen. Das Blut aus ihrem Hals schoss nicht mehr in Fontänen hervor, sondern floss kraftlos aus ihr heraus. Der Teppichboden saugte sich damit voll.
„Gegentrank?“, fragte Alexander. „Ich kenne den Gegentrank, du verdammte Hexe.“

In seiner und Saras Wohnung riss Alexander sich die Kleidung vom Leib, bis er völlig nackt war. Überall auf seinem Körper fanden sich nun die Pickel, alle in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung. Jedes Mal, wenn sich eines der Augen öffnete, spürte Alexander das kleine bisschen mehr Belastung, das dieser neue Sinneseindruck für sein Gehirn bedeutete. Er stolperte in die Küche.
„AAAAAAAAUUUU, VERDAMMT!“ Er war in eine Heftzwecke getreten, die unter einem Poster von Good Fellas auf dem Boden gelegen hatte. Sie steckte nun in dem Auge unter seinem Fuß. Alexander bohrte die Finger seiner rechten Hand in die Augenhöhle in seinem Fußballen und riss das Sehorgan heraus, wobei er einen weiteren gellenden Schrei ausstieß. Er hielt den Augapfel in der Hand. Der Sehnerv hing noch daran und verband ihn weiterhin mit Alexanders Körper. Alexander machte eine reißende ruckartige Bewegung. Er spürte, wie etwas in seinem Körper gezogen wurde, das über sein Bein, durch seine Hüfte bis hoch zu seinem Kopf zu verlaufen schien. Der Nerv riss kurz hinter dem Augapfel ab.
„Ha!“, rief Alexander in einer Mischung aus Schmerz- und Triumphgeheul. „Und jetzt?“, fragte er das Auge in seiner Hand. „Wie geht’s jetzt weiter, hä? Ich zeig dir, wie’s weitergeht, du Dreckstück!“ Er drückte zu, und das Auge zerplatzte wie eine Wasserbombe, die die flüssige Minzkacke verspritzte.
In der Küche riss er eine Schublade heraus, so dass sie auf den Boden krachte und ihren Inhalt darüber verteilte. Zunächst wollte er sich das größte Messer nehmen. Er sah es zigfach und griff einige Male daneben. Als er es endlich geschafft hatte, entschied er, dass er mit dem viel kleineren Schälmesser besser arbeiten können würde.
Er bohrte die Klinge in das Auge, das ihm zuerst gewachsen war. Blind oder nicht, er wollte keine dieser kleinen Missgeburten bei sich behalten. Er hatte heute noch einige Abtreibungen vor sich. Das verriet ihm ein Blick auf seine Arme und Beine, seine Hände und Füße, seine Brust und seinen Bauch. Die ihn allesamt zurück anblickten.

„Hallo?“ Saras Stimme. „Oh Gott, was stinkt denn hier so? Alexander, bist du da?“
Er musste ohnmächtig geworden sein. Alexander war gebadet in Blut und dem stinkigen braunen Fruchtwasser seiner ungeliebten Kinder. Er stöhnte, als er sich aufrichtete. In einigen der Wunden, mit denen sein Körper übersät war, pulsierte bereits die bevorstehende Entzündung.
„Alexander?“
„Ich bin hier.“
Sara tastete sich vorwärts. Sie rutschte einige Male fast auf der rotbraunen Flüssigkeit aus. Schließlich fand sie ihn.
„Oh Gott, Alexander!“ Sie umarmte ihn fest und schreckte sogleich mit angewidertem Gesichtsausdruck zurück. „Alexander, was … ist das für ein Zeug?“
„Halt mich“, flehte Alexander, denn das war alles, was er jetzt wollte. „Bitte halt mich.“
Sara tat, was er gesagt hatte. Alexander genoss die Schwärze der Blindheit. Das Sehen hatte sein Hirn zu zerreißen gedroht, deshalb hatte er Freund und Feind schließlich nicht mehr voneinander unterschieden und das gesamte Feld abgebrannt, um dem Schädlingsbefall Herr zu werden.
Es hätte dir passieren sollen, dachte Alexander, als der Schmerz unerträglich zu werden drohte. Er schämte sich, aber es tat so unglaublich weh, dass er diesen Gedanken einfach nicht aus dem Kopf bekam. Es hätte dir passieren sollen. Immer wieder. Es hätte dir passieren sollen.
Ein Auge öffnete sich und Alexander konnte Saras Hände auf seinem Rücken liegen sehen. Er brach in schallendes Gelächter aus.

 

Hallo Proof

Das ist so unbeschreiblich widerlich. Also wirklich richtig krank eklig wäh. War wohl der Plan, insofern hats geklappt, mit Augen-Pickel-Ekel-Horror bin ich eh leicht anzuwidern.
Dabei hab ich mich am Anfang noch ganz sicher gefühlt. :D Bis zu der Stelle, als die Frau Nachbarin Alexander den Ouzo gibt liest es sich ganz harmlos und locker weg, ich bin auch über keine Fehler oder komische Sätze gestolpert. Der Spannungsbogen stimmt und ich bin auch erleichtert, dass es keine Geschichte ist, die ich zwei Mal lesen müsste, das hätte ich wohl nicht gemacht bei diesem Augenkram. Obwohl es natürlich klar ist was passiert, ab dem Zeitpunkt, als die Frau mit ihrem Zaubergefasel anfängt. Naja, die Dialoge haben manchmal etwas Albernes, aber alles im Rahmen des Erträglichen, ins Absurde wirds deshalb nie gezogen, es schrammt nur grade dran vorbei.

Details:

Hätten unsere Jungs in Stalingrad sich alle zehn Fingern nach abgeleckt.
Finger
„Die Schlüssel darin haben ich über viele Jahrzehnte gesammelt.
habe
Alexanders Bewegung entsprechend platzt die Beule nicht.
platzte
„Was haben sie mir gegeben?“, schrie Alexander sie an.
Sie
„Was passiert ist, du blöde alte Kuh?“ Er zog sein T-Shirt aus.
Ehm, der gute ist so furchtbar aggressiv in Rage, würde der wirklich "du blöde alte Kuh" sagen? Sagt das überhaupt noch einer über 10 Jahre?
Wie viele?“, unterbrach Freudenreich.
Da fehlt ein Teil der wörtlichen Rede.

Hat mir gefallen.

Liebe Grüße,
strudel

 

Mich hat das beschreiben der wachsenden Augen ein bisschen an Kafka erinnert, obwohl Worte wie Kacke, den Eindruck dann wieder ein wenig gedämpft haben :) Mir hat die Geschichte gut gefallen, besonders der Schluss.

Aber nun wird mein Licht bald erlischen

 

Hi Proof,

ich habe mir keine Aufälligkeiten notiert (zudem wäre mir auch nichts besonders in Auge gestochen *zwinkerzwinker*). Die Geschichte hat mir gut gefallen, sie lässt sich flüssig lesen (ich mag deinen flapsigen Stil) und hat genau die richtige Länge. Ein kleiner Ekel-Schocker, sozusagen. Übrigens erinnern mich deine Kurzgeschichten aufgrund der etwas ... nunja, nennen wir sie abnormen Ideen, hin und wieder an die KGs von King. Z. B. an die mit dem Spaßklappergepiss in der Wüste, der Titel ist mir allerdings entfallen.
Die Geschichten lesen sich schnell weg, allerdings fehlt ihnen noch ein wenig an Eigenheit, um im Gedächtnis zu bleiben (besser gefallen hat mir da z. B., sie fällt mir gerade ein, die Geschichte mit dem Kino Astoria).

Verbesserungsvorschläge kann ich keine einbringen, was aber nicht heißt, dass ich sie perfekt finde. Ich denke, aus dieser Handlung kann man nur nicht mehr rausholen.

Trotzdem, wie gesagt, gern gelesen.

Liebe Grüße
Tamira


P. S.: Wo bleibt deine Vampirgeschichte?

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Abend,

Strudel:

Danke für die Verbesserungen!

Obwohl es natürlich klar ist was passiert, ab dem Zeitpunkt, als die Frau mit ihrem Zaubergefasel anfängt.

Äh, ja, also, dass es da irgendwie ein Verhängnis geben wird, aber doch nicht genau das, was dann tatsächlich passiert? Oder? Jetzt mach mich nicht schwach.

die Dialoge haben manchmal etwas Albernes

Oh, das war definitiv nicht beabsichtigt. Könntest du mir da ein paar Stellen aufzeigen? Das Hexending vielleicht ... Hab mich nicht so recht getraut, die Augen aus dem Nichts erstehen zu lassen, was vermutlich das Niveau der Geschichte angehoben hätte, denn meistens ist das Unerklärliche stilvoller als das Herunterreißen der Maske, unter der sich der alte Mr. Witherspoon verbirgt, dem der Rummelplatz gehört. Aber wie gesagt, hab mich nicht getraut und kam dann zu dieser recht banalen Erklärung, die die übernatürlichen Ereignisse in Gang setzt.

Am absurden Vorbeischrammen ist ja für eine Horrorgeschichte auch nicht unbedingt das Schlechteste.

Gute Besserung, Zahnweh:

Kafka. Das kann ich jetzt sowohl als Kompliment als auch als Affront werten. Ist schließich ein ziemlicher Publikumsspalter, der frivole Franz. Aber ich glaube zu lesen, dass dir die Augenweide ganz gut gefallen hat. Nur was soll das abschließende Zitat? Willst du mich auf einen Fehler hinweisen?

Sameier, du wildes Gestüt:

nennen wir sie abnormen Ideen

Ich konnte nach einem sehr früh morgendlichen Pullerngehen nicht mehr einschlafen, dachte ein bisschen über dies nach, ein bisschen über jenes, und plötzlich war da der Gedanke: Was sind das eigentlich für Schmerzen, wenn man ein Auge unterm Fuß hat und dann in eine Heftzwecke tritt? So geht es uns allen wohl hin und wieder.

King ist natürlich immer ein Stichwort. Es gibt auch eine KG mit dem deutschen Titel "Ich bin das Tor", ein Beitrag zum Lovecraftschen Cthulhu-Mythos, den ich vor fünfzehn Jahren oder so mal gelesen habe. Ist auch eine Metamorphosen-Geschichte, und die Veränderung des Protagonisten, wenn ich mich jetzt richtig erinnere, beginnt mit einem Auge, das ihm in der Handfläche wächst. Steckt unbewusst mit Sicherheit auch in der Augenweide drin.

Interessant finde ich, dass du meine Astoria-Geschichte, die ja vor klassischen Elementen nur so strotzt (Verfluchtes Haus), eigenständiger findest als den vorliegenden Beitrag. Aber na ja. Lieber gut klauen usw.


Vielen Dank für eure Kritiken, Verbesserungen und Anmerkungen!

Grüße
JC

PS Tamira: Bin beruflich bedingt bei weitem nicht so oft hier, wie ich das gern hätte, und habe entsprechend erst mit deiner netten Aufforderung vom Thema des Monats erfahren. Und naja, sorry, aber das werd ich jetzt wohl leider nicht mehr schaffen. Was steht denn im Januar an?

 

Hi nochmal,

wahrscheinlich liegt das Gefühl der Eigenständigkeit bei einer vielleicht mehr abgekupferten Geschichte als eine andere daran, dass der Stil dort von weniger prägnanten Wörtern bestimmt wird. Ich hab natürlich viel Stephen King gelesen (jaja, früher, in meiner Jugend :D), die Geschichte Ich bin das Tor kenn ich auch (zufällig mochte ich die sogar unglaublich gern), aber an die hat mich deine GEschichte merkwürdigerweise nicht erinnert. Es lag auch weniger an der Idee an sich, denke ich. Vielleicht das Fluchen, davon macht King (oder machte, die neueren Geschichten und Romane kenn ich nicht mehr) ja gern Gebrauch.

Ach ja, eins ist mir noch aufgefallen:

Freudenreich nickte verständnisvoll. „So eine Schande“, sagte sie. „So ein hübsches Mädchen.“
Alexander entfuhr ein zynisches Lachen. „Hübsch ist sie immer noch“, sagte er. „Blind allerdings auch.“
Die Antwort von Alexander wäre nur passend, hätte ich Frau gesagt: Sie war so ein hübsches Mädchen. Jetzt kann man ja aus ihrem Satz gar nichts schließen, was die Antwort: Hübsch ist sie immer noch erlauben würde.

Liebe Grüße
Tamira


zum TdM: Da musst du dich schon überraschen lassen. ;)

 

*lächel* danke aber ich finde Zahnschmerzen inspirierend
Ja, ich wollte auf das erlischen hinweisen, war mir aber unsicher ob es nicht künstlerische Freiheit mit einem tieferen Sinn ist... immerhin ist vergehendes Licht zentral in deiner Geschichte.

 

Die Antwort von Alexander wäre nur passend, hätte ich Frau gesagt: Sie war so ein hübsches Mädchen. Jetzt kann man ja aus ihrem Satz gar nichts schließen, was die Antwort: Hübsch ist sie immer noch erlauben würde.

Sorry, ich steh auf'm Schlauch ... ? :confused:

künstlerische Freiheit mit einem tieferen Sinn

JUHU, Ich werde interpretiert! :bounce:

 

Also, die Frau sagt: So ein hübsches Mädchen.
Es ist nicht herauszulesen, möchte sie sagen: Sie war so ein hübsches Mädchen oder Sie ist so ein hübsches Mädchen.

Bei ersterem wäre die von dir geschriebene Antwort von Alexander korrekt: Hübsch ist sie immer noch.

Aber da die alte Frau sich nicht genau ausdrückt, denke ich, dass Alexanders Konter irgendwie unpassend ist. Die alte Frau sagt ja nicht: Sie war so ein hübsches Mädchen.

Ich finde den Dialog nicht 100% korrekt.

Aber: es ist auch nicht der Weltuntergang. ;)

 

Hey Proof

Nur ganz kurz: Guter Einstieg - guter, vor allem spannender Mittelteil und lahmes Ende.

Ich fand die Augen nicht eklig, nur die Pickel. Am ganzen Körper Augen zu haben, hmm, da hätte ich den vollen Durchblick! Das ist gut!
Auch Alexander, den ich für einen absoluten Trottel halte, ist mir sympathisch, weil er wie ein Normalo handelt - okay, ein Normalo würde der Nachbarin keinen Stift in den Hals rammen - aber wo würde dann die Horrorstory bleiben?

Und Tips für ein Ende habe ich nicht, das ist nur der einzige Teil, der mir nicht gefallen hat.

Ich geh jetzt ein paar Pickel jagen.

JoBlack

 

Hallo Proof,

Dass mir die Geschichte nicht schlecht gefallen hat, sage ich lieber gleich eingangs, damit ich mich im Folgenden darüber ausmehren kann, was mich störte. :D

Dabei muss ich dann ziemlich allgemein ansetzen, denn im Detail ist mir nichts Negatives aufgefallen. Also: Die Geschichte macht auf mich einen zu professionellen Eindruck. Klingt komisch, ist aber so.
Tamira meinte, die Geschichte erinnere sie an King und auch ich kann mich dieses Eindrucks nicht ganz erwehren. Es ist einfach so, als habest du hier eine Grusel-Geschichte verfasst, genau so wie eine gute Grusel-Geschichte sein soll. Sie schmeckt, wie exakt nach Rezept gekocht.
Der Einstieg: Ein bisschen Charakterisierung (nicht zu viel, nicht zu tief!), das persönliche Spannungselement. Dann hält das Phantastische über die alte Lady samt Zauberbuch Einzug. Eigener Unglaube und Unvernunft besiegeln das Verhängnis, auf das dann geradewegs zumarschiert wird. Spannungskurve wie aus dem Lehrbuch, samt Pointe mit Rückgriff auf den Anfang.
Die Geschichte ist, wenn auch kurzweilig, absolut unspektakulär und hat rein gar nichts Geheimnisvolles oder Fremdartiges. Der Leser kennt das - nicht so, aber genau so ähnlich.

Und ich glaube, beim Schreiben hast du das selbst zumindest gespürt. Besonders deutlich wird dies für mich während des Besuchs des Protagonisten bei Freudenreich. Hier, wo das Widernatürliche eingeführt wird, versuchst du nicht einmal mehr, dem Leser die Szene ernsthaft zu verkaufen.
Die Geschichte nimmt sich da selbst nicht ernst. (Ein Phänomen, dass ich bei immer mehr Horror-Geschichten bemerke ...) Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, der Autor erzähle mir die Geschichte unter andauerndem, entschuldigendem Augenzwinkern und mache dazu Bemerkungen wie: "Ja, ja, ich weiß schon ... ist arg ausgelutscht." und "Aber natürlich kennt man so was schon ... das läuft jetzt ab wie immer ... Wie sollte ich's sonst lösen?"

Mit der Geschichte trottest du alte Pfade entlang und entsprechend ist dann auch das Resultat: Nett aber nicht ernstzunehmend.


Gruß,
Abdul

 

Äh, ja, also, dass es da irgendwie ein Verhängnis geben wird, aber doch nicht genau das, was dann tatsächlich passiert? Oder? Jetzt mach mich nicht schwach.
Naja, dass irgendjemand am Ende ein paar Augen zu viel haben wird (siehe Titel und so, bisschen kombinieren kann ich ja auch :p).

Alberne Stellen, ja gut, Sekunde.

Freudenreich beugte sich vor und streichelte das Buch, das auf dem Tisch lag.
„Ich habe schon sehr viel gesehen, Alexander. Und ich habe sehr viele Dinge getan. Schreckliche Dinge. Ich habe geglaubt, dass ich mit meinen angeborenen Fähigkeiten einem höheren Zweck diene. So hoch, dass ich mich um richtig oder falsch nicht zu sorgen brauche. Aber nun wird mein Licht bald erlischen. Und ich habe Angst vor dem, was danach auf mich wartet. Deshalb möchte ich in der mir verbleibenden Zeit Gutes tun. Nenn es Buße.“
Das fand ich bisschen albern, weil sie da so mit der Tür ins Haus fällt und es halt so schauderschauder-gruselgrusel-mäßig klingt, wenn du verstehst was ich meine. Besser kann ichs grad auch nicht erklären. Allerdings ist die Reaktion des Erzählers dann angemessen, was das wieder ausgleicht.
„Du kleiner Scheißkerl“, sagte er und fuhr vorsichtig mit dem Zeigefinger über den Pickel. „Heute Abend bist du fällig, das garantiere ich dir.“
Weiß nicht ob das als Dialog durchgeht, aber mit seinen Pickeln zu reden hat auch was Grenzdebiles.

 
Zuletzt bearbeitet:

Prost Neujahr. Oh Gott, ist mir schlecht.

Tamira Samir:

Jetzt hat's Klick gemacht!

JoBlack:

okay, ein Normalo würde der Nachbarin keinen Stift in den Hals rammen - aber wo würde dann die Horrorstory bleiben?

Mit der Stelle hadere ich selbst noch ein bisschen. So groß Verzweiflung und Schockzustand auch sein mögen, das ist ja doch eine etwas sehr derbe Geste, zu der Alexander sich da hinreißen lässt.

Kannst du sagen, was genau dir an dem Ende nicht gefallen hat?

Abdul:

Ich mag klassische Geschichten. Lese, höre und gucke sie gerne. Schreibe sie selbst. Bin neulich über so eine Anthologie mit "modernen" Horrorgeschichten gestolpert. Wohlklingende Adjektive wie "innovativ" schmückten den Einband. Drin waren zum Beispiel Geschichten mit Prots, die Schüttellähmung haben und die ihre Gedanken während irgendwelcher Krampfanfälle notieren. Ich respektiere Leute, die sowas mögen und schreiben. Ungern habe ich es auch nicht gelesen. Aber mein Weg ist der der ausgetretenen Pfade. Die im Übrigen irgendwann wieder zuwachsen. Und neu entdeckt werden müssen.

Ab davon muss man als Erzähler natürlich den Stoff, aus dem das bisher Dagewesene gesponnen ist, in- und auswendig kennen, um davon abweichen und damit spielen zu können. Insofern nehme ich das "zu professionell" mal als Kompliment.

Ein interessanter und ausführlicher Kommentar. Vielen Dank dafür!

apfel:

ICH BIN NICHT DEBIL! :fluch:

Vielen Dank für alle Kommentare, Kritiken, Denkanstöße und Verbesserungen!

Es grüßt
JC

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo proof,

ja, wer auf Ekelstorys steht, ist hier gut bedient. Ich fahr deshalb nicht drauf ab, weil ich mich grundsätzlich vor nix ekeln kann. Sonst hätte ich den Job als Sanitäter damals nicht machen können. Ist schon ein netter Anblick, wenn einer versucht, nach einem Leitersturz aufzustehen und sich der Schienbeinknochen bei jedem Versuch ständig aus dem Fleisch heraus- und wieder reinschiebt, und dann ist auch noch der Socken irgendwie dazwischen gerutscht.

Oder einmal hatten wir einen, der hat sich nen Finger beim Modellbau abgetrennt. Als wir nach dem Finger gefragt haben, war der irgendwie verschwunden und alle haben den blöden Finger gesucht. Der Papa hat ihn dann aus der Westentasche gezaubert. Hatte er ganz vergessen, dass er das Ding da rein gesteckt hatte. Wir haben den Finger dann eingetütet und mit dem Sohnemann in die Klinik gefahren.

Oder einmal hatten wir einen, der ist gestolpert und senkrecht mit dem Oberkörper in Richtung einer nicht abgdeckten Kreissäge gefallen, die auf Hochtouren gelaufen ist. Das Sägeblatt hatte einen Durchmesser von rund einem Meter.

Oder die Geschichte vom Müllmann, der gerade einen Tonne hinten am Müllwagen einhängt. Und im selben Moment kracht ein außer Kontrolle geratener dicker Mercedes hinten in den Mülllaster.
(etc etc).

Was also bleibt für einen, der sich grundsätzlich vor Nix ekelt?

Da muss der Rest der Geschichte irgendwie gruselig sein oder einen sonstigen Horror bereithalten. Und da muss ich sagen, hat mir die Idee der vielfachen Augenbildung sehr gut gefallen. Hervorragend sogar.

Jawoll, eine Geschichte, die mir gefallen hat!

Einerseits.

Andererseits hast Du derart auf den Ekel abgestellt (bilde ich mir ein), dass Du ein viel interessanteres Dilemma nur leicht angebürstet aber ansonsten leider weitgehend vernachlässigt hast. Die Augen sind nicht nur lästige Pickel, er kann (oder muss) ja auch damit x-fach sehen. Nur an einer Stelle ist dieses Problem des mehrfachen Sehens angeschnitten, ansonsten hätte man da viel mehr draus machen können. An einer Stelle ist auch die Logik etwas verzerrt. da heißt es:

Das verriet ihm ein Blick auf seine Arme und Beine, seine Hände und Füße, seine Brust und seinen Bauch. Die ihn allesamt zurück anblickten.

Unlogisch. Nicht die Arme und Beine blicken ihn an, vielmehr blickt er sich selbst durch seine Arme und Beine an. Das ist etwas völlig anderes. Stell Dir all diese Bilder vor, die sein Gehirn verarbeiten müsste und die ihn theoretisch in den Wahnsinn treiben dürften... Aber nein, jedes neue Augenlicht ist für Alexander nur eine "kleine Belastung". Holla, eine maßlose Untertreibung. Man stelle sich vor, z.B. am Knie geht ein Auge auf... das auch noch sehen kann ... das muss doch einen umhauen.

Diese Art von Wahn wäre auch mal was richtig Neues gewesen. Stattdessen suhlst Du Dich weiter in schleimigem Augenzeugs. Na gut, dann gehts halt um Ekelsachen.

Und trotzdem: es hat mir unterm Strich wirklich gefallen (siehe oben), schon wegen der grundsätzlichen Idee mit den vielen Augen und so...

Grüße
nic

P.S. Der Titel ist sooo irre gut, dass ich mich fast frage, was zuerst da war: der Titel oder die Geschichte...;)

 

Kannst du sagen, was genau dir an dem Ende nicht gefallen hat?

Ja, es gibt keinen Knall, bei so etwas abgefahrenem erwarte ich noch einmal gegen Ende eine Explosion.

nictita schrieb:
Diese Art von Wahn wäre auch mal was richtig Neues gewesen. Stattdessen suhlst Du Dich weiter in schleimigem Augenzeugs. Na gut, dann gehts halt um Ekelsachen.
Na, das ist doch mal eine Überlegung wert.


JoBlack

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten,

nictita:

Über den Namen stolpere ich immer wieder. Als hättest du dich eigentlich anders nennen wollen, dich vertippt und dann gedacht "Ach, scheiß drauf".

Beliebte allgemeine Interpretation von Horrorstorys ist ja, dass sie uns ermöglichen, in codierter Form mit Tod, Schmerz, Blut und dem ganzen anderen Kram umzugehen, den wir im wahren Leben lieber auf Distanz halten. Lebte ich im Irak, würde ich mir wohl auch lieber Vier Hochzeiten und ein Todesfall ansehen als Stirb langsam 4. Wenn ich Geballer und zerfetzte Leichen sehen wollte, bräuchte ich ja bloß das Fenster aufzumachen.

Dass das multiple Sehen wesentlich interessanter, origineller und niveauvoller
daherkommt als die blutrünstige Schmiererei, unterschreibe ich. Wäre die Geschichte von jemand anderem, wäre mir das wahrscheinlich aufgefallen. Ich hätte eine Art Der-Mann-mit-den-Röntgenaugen-Variante schreiben können, ein großartiger Film, in dem ja auch nur in der allerletzten Szene Blut fließt, was daher umso schockierender kommt.

Ich schieb's mal auf mein Alter. Als Autor bin ich schlicht noch nicht ganz trocken hinter den Ohren. Andererseits muss ich gestehen, dass mir das letzte Drittel einen irren Spaß beim Schreiben bereitet hat.

Das verriet ihm ein Blick auf seine Arme und Beine, seine Hände und Füße, seine Brust und seinen Bauch. Die ihn allesamt zurück anblickten.

Ich finde, diese beiden Sätze klingen einfach gut. Da muss die Logik mal zurückstecken. "Durch deren Augen er sich selbst zurück anblickte" ... Hm, obwohl. Kriegt man Kopfschmerzen von, wenn man drüber nachdenkt, so wie bei fast allen Zeitreisestorys.

"Belastung" mag im Zusammenhang nicht die beste Wahl sein, aber ich bin mir doch ziemlich sicher, nicht "kleine Belastung" geschrieben zu haben ... :hmm:

Der Titel ist sooo irre gut

Ist das jetzt ironisch gemeint? Wie gesagt, zuerst war eine schlaflose Nacht mit einem Gedanken, bei dem jeder Psychoanalytiker die Kasse klingeln hört. Der Titel war ganz zum Schluss ... wie bei fast allen meinen Geschichten.

Danke für deine Kritik!

Joe:

es gibt keinen Knall

Naja, Alexander ergeht sich in übelster Selbstverstümmelung und in den letzten Sätzen offenbart sich, dass alles nichts gebracht hat. Das ist doch nicht ohne. Wenn ich ihn explodieren lasse, kommt wieder von allen Seiten: "Wieso explodiert er denn jetzt auf einmal? Schon klar, dass du am Schluss auf einen möglichst großen Knalleffekt setzen wolltest, aber das ist doch jetzt ..."

Grüße
JC

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi proof,

mein Name ist titanic geteilt durch zwei und dann vertauscht. Doch ein völlig logischer Vorgang, oder nicht? :schiel:

Klar, war das mit dem Titel ironisch gemeint. Dafür ist die Geschichte zu gut, als dass der Titel zuerst da gewesen hätte sein können.

Ich kann ja den größten Schwachsinn ertragen (z.B. Leute, die sich in Spinnenkostümen von Haus zu Haus schwingen oder Planeten, auf denen Affen über die Menschen herrschen etc), ja sogar richtig gut finden, solange eine gewisse innere Logik innerhalb des Erzählten erhalten bleibt. Dass eine Logik zugunsten eines hübsch formulierten Satzes "zurückstecken" muss, darüber kann ich einfach nur den Kopf schütteln - oder war das jetzt Ironie? Jetzt bin ich wohl reingefallen, was?!

Was mich an Deiner Geschichte so begeistert hat, waren die vielen Augen überall am Körper. Allein die im wahrsten Sinne des Wortes bohrenden Schmerzen, wenn Nervenbahnen unter der Haut bis ins Gehirn wachsen...

Noch interessanter finde ich ja, was passierte, wenn überall am Körper Augen aufgingen. Ein Chamäleon kann zwischen dem rechten und linken Auge hin- und herwechseln, einfach umschalten. Wir vermischen die Eindrücke. Was käme raus, wenn so verschiedene Perspektiven sich vermischten? Ich würde sagen, der kann sich nicht mehr gerade auf den Beinen halten, wenn ein Raum von oben und unten gleichzeitig gesehen wird.

Zudem tun unsere Augen nichts anderes als Licht sammeln. Bei so vielen Augen käme derart viel Licht im Gehirn an, dass der Eindruck einer Blendung entstehen müsste. So wie bei einem überbelichteten Bild. Anders gesagt: Alexander würde wegen seiner vielen Augen erblinden. Irgendwie aberwitzig, aber logisch ... irgendwie...

Ich bitte um Nachsicht für meinen Trotz...

Viele Grüße
nic

 

Diese zwei Sätze rütteln ja nicht an der inneren Logik der Geschichte, sondern nur an der ihres eigenen Inhaltes: Wenn Alexander auf seinem Arm mit seinem Gehirn verbundene Augen wachsen, dann blickt ihn halt - streng genommen - nicht sein Arm an, sondern Alexander sich selbst mit den Augen in seinem Arm. "Die ihn allesamt zurück anblickten" ist kürzer, einfacher und einprägsamer als "Durch deren Augen er sich selbst zurück anblickte". In der bestehenden Form endet der Absatz mit einem bescheidenen Paukenschlag, zielt eher darauf ab, beim Leser Emotionen zu wecken als darauf, seine analytischen Fähigkeiten anzusprechen. Du bist scheinbar auch der Erste, dem es aufgefallen ist, was vermutlich damit zusammenhängt, dass du dich von der ganzen herumspritzenden Suppe nicht hast ablenken lassen. Ich muss da mal drüber schlafen, bevor ich entscheiden kann, was ich mit der Stelle mache.

Klar, war das mit dem Titel ironisch gemeint.

Also findest du den Titel blöd?

 

Hallo Proof!

Ganz oben in meinen Notizen zu deiner Story steht: Die Geschichte ist nicht rund.
Nun kann ich nicht sagen, dass auch nur eine Geschichte von meinen rund wäre, es gibt auch sonst kaum welche, von denen ich sagen würde, sie wäre rund. Aber dein Stück hier eiert dermaßen, dass ich es als besonders erwähnenswert fand.

Der Anfang nämlich hat mir ziemlich gut gefallen. Du gehst rein in die Charakterisierung von Sara, ihres Verhältnisses zu Alexander und ihrer Situation. Wie gesagt, ich war drinnen in der Story und dann gehst du mir Alex runter zum Rauchen, wir treffen Alice Freudenreich (der Name! ändere ihn; ich war immer ein Vertreter der These, dass der Name schon etwas über den Träger aussagen darf, er soll ihn aber nicht ins Lächerliche ziehen!) und sie gibt ihm einen Trank. Und der Trottel (entschuldige bitte, aber hier wird das Verhalten eines Protagonisten hingebogen, wie der Autor es für seine Geschichte braucht!) glaubt ihr nicht. Ab dann wird es Trash!

War der Anfang recht einfühlsam und vielversprechend, war der Mittelteil und der Schluss unglaubwürdig und irgendwie nur von einem Gedanken beseelt: den Augen und dem Ekel vor ihnen.

Ich kann nicht sagen, dass ich mich gelangweilt hätte beim Lesen, ich hatte nur etwas vollkommen anderes erwartet.

Es waren kleinere Fehler drinnen,

Die folgenden Sekunden der Stille schienen grauenvolle Stunden anzudauern.

Es hörte sich besser an, wenn du davon redest, dass die Sekunden Stunden zu dauern schienen.

der Inbegriff eines Bücherwurms

Na, was nun? Hat sie die halbe Welt bereist oder ist sie der Inbegriff des Bücherwurms?

Auch jetzt lachte sie, allerdings nicht ohne den Mangel an Ausgelassenheit,

Doppelte Negation! Das ist schon arg kompliziert für eine Kurzgeschichte.

Aber statt eines eitrigen Kopfes zog sich in der Mitte eine feine, horizontale Vertiefung darüber wie ein Graben.

Würde mich interessieren, an womit du dies in Beziehung setzt.:)


Genug gemeckert, für einen leckeren Zwischenhappen hat es allemal gelangt!

Schöne Grüße von meiner Seite!

 

Hallo Han,

vielen dank für deine Kritik. Nicht rund ... Ich finde, die meisten deiner Argumente kann man drehen (;)), ohne sich dem Verdacht des Zurechtbiegens aussetzen zu müssen. Man kann es halt so oder so sehen.

Und der Trottel (entschuldige bitte, aber hier wird das Verhalten eines Protagonisten hingebogen, wie der Autor es für seine Geschichte braucht!) glaubt ihr nicht.

Was ist unglaubwürdig daran, dass ein offensichtlich bodenständiger Typ wie Alexander glaubt, seine Nachbarin habe einen Knall, wenn sie ihm einen Zaubertrank zur Heilung seiner erblindeten Freundin andrehen will?

und der Schluss unglaubwürdig und irgendwie nur von einem Gedanken beseelt: den Augen und dem Ekel vor ihnen.

Dem zweiten Teil könnte ich zustimmen, aber unglaubwürdig? Wieso? Weil es in Wirklichkeit keine Tränke gibt, die einem an den unmöglichsten Stellen Augen wachsen lassen?

Es hörte sich besser an, wenn du davon redest, dass die Sekunden Stunden zu dauern schienen.

Geschmackssache. Ohne Adjektive geht immer schneller und bringt entsprechend mehr Tempo, ist aber nicht per Naturgesetz immer die bessere Wahl.

Das ist schon arg kompliziert für eine Kurzgeschichte.

Würde wohl auch in einem Roman nicht besser klingen. :D

Würde mich interessieren, an womit du dies in Beziehung setzt.

Zum Boden unter den Füßen. Wie denn sonst?

Grüße,

JC

 

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