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Die Bäckerei
Sanft löste er sich aus der warmen Umarmung seiner schlafenden Freundin, atmete noch einmal tief den Duft ihres langen Haares ein. Schimmernde Rosen ... Vorsichtig setzte er sich auf, deckte sie wieder mit der flauschigen, körperwarmen Flanelldecke zu, bevor er sich leise anzog. Ein letzter zarter Blick zurück auf den vertrauten Körper, der zusammengekuschelt in den Kissen lag.
Als er die Wohnung verließ und Richtung Bäckerei losging, summte er fröhlich vor sich hin. Zwei Jahre, das ist eine lange Zeit. Zwei Jahre, in denen sie schon zusammenlebten. Zwei Jahre Verständnis und Zärtlichkeit, Zuneigung und Aufrichtigkeit. Zwei Jahre der Wärme ...
Er bog um die Ecke, ging mit großen Schritten auf die alte Bäckerei zu. In Gedanken überlegte er, was er alles für ein richtig gutes Frühstück am Bett einkaufen sollte. Die beleibte Verkäuferin, seit Jahren schon immer die selbe, hatte Verständnis und half ihm gerne weiter.
Als er den kleinen Laden betrat, das vertraute helle Klingeln der unendlichen Glöckchen über der Tür. Der Duft nach frischem Brot, kräftigen Gewürzen, süßem Backwerk und heiß dampfendem Kaffee. Wärme durchströmte ihn. Er freute sich schon auf das gemeinsame Essen, Brezen oder Semmeln und ein paar frische Vanillekipferl, die sie so liebte...
Ein junger Mann kam durch die Tür, die die Backstube mit dem Laden verband. Ein junger Mann? Panik stieg in ihm hoch. Ein junger Mann?
„Guten Morgen. Was möchten Sie, bitte?“ routiniert, aufgesetztes Lächeln.
Ein junger Mann!
„---“ Weit geöffneter Mund, starr, eine Blockade.
Irritierter Blick. Das Lächeln stirbt. „Bitte?“
„--- I --- iiich hä-hä-hä-hä-hätte gerne --- z --- zwei B ---“ Es geht nicht, verdammt, es geht nicht!
Verzweiflung, Hilflosigkeit, Enge.
Tief Luft holen.
„--- B --- Brezen ... uuuuund ---“ Der Brustkorb, die Halsmuskulatur, ein einziger Panzer, keine Kontrolle. Verkrampfte, zuckende Mimik. Der Block ist das Schlimmste.
Blick zur Wand. „Zwei Brezen?“
Aufgeben. Nicken.
Die Glöckchen klingen fröhlich Alarm, als eine ältere Dame eintritt.
Fein säuberlich werden die beiden Brezen, noch handwarm, in die rot-weiß gemusterte Papertüte eingeschlagen.
„Sonst noch einen Wunsch?“ ablehnende Stimme, Blick zu der zierlichen Dame.
„---“ Verdammt, verdammt, verdammt! Wo sind die Worte?! Vanillekipferl!
„---“ Scham und Wut steigen in ihm hoch, suchen einen Ausweg. ... Vanillekipferl ...
Ungeduldige Stille.
Still schüttelt er den Kopf, schließt den Mund.