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Die bessere Hälfte

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24.04.2017
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Die bessere Hälfte

Es liegen drei weitere Nachrichten für Sie vor. Erste Nachricht empfangen am 16.07.2019, um 10:43 Uhr.

"... du weißt ja wie sie ist, ein echtes Mordsweib, meine Brigitte. Naja, was ich dich eigentlich noch fragen wollte, wann hast du eigentlich vor das Manuskript dem Verlag zukommen zu lassen? Ich möchte dich ja ungern stressen, aber du weißt ja wie die vom Verlagswesen so sind, halten sich selbst an keine Fristen, verlangen aber keinen Verzug. Verlage... Also wann kann ich mit einer Antwort von dir rechnen? Wäre gut, wenn du dich beizeiten meldest. Okay, ich leg dann jetzt auch auf."

Zweite Nachricht empfangen am 16.07.2019, um 15:23 Uhr.

"He, wie kommst du mit dem Roman voran? Ich habe von Martin gehört, der Verlag macht wieder Stress. Sag, hast du schon was für nächsten Freitag geplant? Da schmeißt nämlich ein Kollege aus der Agentur 'ne Feier zum Dreißigsten seines besten Kumpels, vielleicht magst du ja, falls du da noch nichts vorhattest vorbeikommen? Ist in der Allee. Also nur wenn du da noch nichts vorhattest, würde mich freuen, dich mal wieder zu sehen. Joa, bis dann."

Letzte Nachricht empfangen am 19.07. 2019, um 18:59 Uhr.

"Na, was los bei dir? Bist du noch immer fleißig mit deinem ersten Roman beschäftigt? Ich schreibe gerade an meinem fünften, der ist um einiges besser als die vier davor. Jeder fängt eben mal klein an, was? Du weißt ja wie das so ist, jetzt als frisch angehender Literat, bist ja noch jung, da kommt schon noch die nötige Erfahrung. Glaub mir, ich weiß genau wovon ich spreche.
He, sag Mal hast du nächste Woche was vor? Ich bin mit 'ner Freundin in der Gegend, vielleicht willst du dich uns ja anschließen, treffen uns am besten in der alten Kneipe ums Eck, so gegen Sieben, dann können wir ja schauen, wohin uns der Abend führt. Na dann, war cool mit dir zu sprechen, man hört oder besser sieht sich bestimmt noch."

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Es liegt eine Nachricht für Sie vor. Erste Nachricht empfangen. am 23. 07. 2019, um 11:34 Uhr.

"Jonas, eine Woche und ich habe noch immer keine Rückmeldung von dir erhalten. Verflucht, es ist ja nicht so, dass ich gern hinter dir herlaufe, aber Frau Wieauchimmer hat langsam die Schnauze gestrichen voll und meint, wenn du dich nicht innerhalb von einer Woche bei ihr meldest, dann muss der Termin um weitere drei Monate nach hinten verlegt werden. Ich glaube nicht, dass du das willst. Also sende mir einfach das Manuskript und den Rest erledige ich dann mit dem Verlagswesen.
Hör zu, ich weiß, du machst gerade eine ziemlich beschissene Zeit durch, aber das Leben geht nun mal weiter, auch für solch einen maulfaulen Typen wie dich. Also reiß dich ein wenig zusammen und lass endlich mal von dir hören!"

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Es liegen zwei Nachrichten für Sie vor. Erste Nachricht empfangen am 29.07. 2019, um 16:04 Uhr.

"He, du warst Freitag gar nicht auf der Feier. Sag, ist alles in Ordnung bei dir? Soll ich vielleicht mal die Tage bei dir vorbeikommen und nach dem Rechten sehen? Ich weiß, du wolltest etwas Abstand von dem stressigen Alltag gewinnen, um dich ganz auf die Schreiberei zu fokussieren, aber seit gut einem Monat hört man gar nichts mehr von dir. Ich mach mir nur Sorgen um dich kapiert? Gut, ich leg dann jetzt auf, wenn du reden willst, du kannst mich jederzeit zurückrufen, das weißt du."

Diese Nachricht wurde soeben gelöscht. Zweite Nachricht empfangen am 26.08.2019, um 15:30 Uhr.

"Herr B., Sie haben nun schon auf etliche meiner Anrufe weder reagiert noch irgendwie versucht, mich zurückzurufen und seit gut drei Wochen warte ich nun schon vergeblich auf Ihr fertiges Manuskript, da die Abgabefrist längst vorübergezogen ist. Ich möchte Sie daher nur in Kenntnis setzen, dass wir Ihren Roman nicht veröffentlichen werden und ich die Frist auch nicht weiter verlängern werde, wenn Sie nicht bereit sind mit uns zu kooperieren, sehen wir uns ebenfalls gezwungen, die Zusammenarbeit mit Ihnen hiermit zu beenden. Ich wünsche Ihnen für Ihr weiteres Bestreben alles Gute und viel Erfolg. Auf Wiederhören."

Es liegt eine Nachricht für Sie vor, empfangen am 19.08.2019, um 14:48 Uhr.

"Jonas! Nimm endlich den beschissenen Hörer ab. Verdammt nochmal, was in aller Welt ist denn nur in dich gefahren? Du treibst mich mit deiner Sturheit noch in den Wahnsinn! He, ich weiß, dass du da bist! Und was erfahre ich gerade von Rainer, dass du dich schon seit fünf Monaten nicht mehr gemeldet hast und man dir vor Wochen den Vertrag mit dem Verlag gekündigt hat. Was zur Hölle, warum zum Teufel verbaust du dir deine ein- zige Chance? Bist du jetzt völlig übergeschnappt! Nimm endlich den Hörer ab, meine Güte! Verdammt, nimm den Scheiß Hör-"

Als er das Kabel des Anrufbeantworters aus der Steckdose riss, kehrte endlich wieder Ruhe in das kleine Zimmer. Seit Tagen hatte er schon nicht mehr richtig geschlafen, saß nur noch vor dem weißen Bildschirm und starrte in die völlige Leere, drehte dann und wann immer dieselben Runden, um den immer gleichen Schreibtisch und schaute beizeiten aus dem Fenster, wo draußen das Leben der Homopoden an ihm vorbeizog, während bei ihm im Zimmer völliger Stillstand herrschte.
Er hatte sich die Zeit in der Selbstständigkeit irgendwie anders vorgestellt, sowie er damals das Literaturstudium hinter sich gebracht hatte und den ersten Teil in seiner Karriere in einer Nachrichtenagentur verbrachte, dort in den ersten Monaten der Pressestelle zugewiesen wurde und dann nach einem halben Jahr in den Kulturbereich über wechselte, wo eben auch Nadja, seine bessere Hälfte aus der Studienzeit seit einem Jahr befristet angestellt war, da kam ihm der Gedanke seine gesamte nächste Zeit einzig der Schreiberei zu widmen noch mehr wie ein Segen und nicht wie ein Fluch vor. Jetzt saß er also da in dem abgedunkelten Raum und war geradewegs dazu gezwungen etwas vernünftiges, geschweige denn außergewöhnliches aufs Papier zu bringen, etwas so Gehaltvolles, an dem ihn die Leute, die sein geschriebenes Werk jemals in den Händen halten würden auch in Zukunft noch messen würden. Die Last, die er sich somit selbst auferlegt hatte war einfach schon zu schwer für seine abgemagerten schwächlichen Schultern geworden, sodass er unter der gesamten Last irgendwann zusammenbrechen musste. Er drehte sich nunmehr seit Monaten schon immerzu im Kreis, jedes seiner Worte erschien ihm mit jedem weiteren Tag derart fremd, dass er glaubte, keines seiner zuvor geäußerten Worte ergab auch nur irgendeinen Sinn. Wie sehr er die Zeit doch zurückdrehen wollte, nun da er sich in dem kargen Raum aufhielt und die Tapete anstarrte, wie sehr er den Schritt bereute bei der Nachrichtenagentur gekündigt und daraufhin vollkommen auf sich selbst gestellt nunmehr ein Leben in völliger Einsamkeit zu führen. So hatte er sich die Zeit wahrlich nicht vorgestellt. Wie gern er jetzt nur einen einzigen Kurzartikel verfasst hätte oder wie sehr er doch den Geruch nach frischem Kaffee am Morgen vermisste, sowie er durch den Eingangsbereich schlenderte, seinen Presseausweis vorzeigte und dann in den Fahrstuhl stieg, um in den dritten Stock zu gelangen, vorbei an der Empfangsdame und direkt rein in den großen Komplex der Agentur, wo auch schon seine Kollegen saßen und fleißig auf die Tasten hämmerten, er seinen Kollegen grüßte, mit dem er sich über den letzten tagesaktuellen Stand im gesellschaftlichen Geschehen aus- tauschte, gerade diese doch sehr geistreichen Gespräche fehlten ihm jetzt, wo alles so still war, am meisten. Die Geräuschkulisse, der hämmernden Tastaturen, die Druckergeräusche, die ertönten sobald eine Eilmeldung noch heraus musste sowie der Konferenzraum, in dem es nach Kaffee und frischem Gebäck roch und in dem er mit seinen Kollegen hockte, wenn der Redakteur sie allesamt zu einer Besprechung anberaumt hatte. Wie sehr er doch die Mittagspausen in der Kantine vermisste, wenn Nadja ihm mit ihrem veganen Eintopf Gesellschaft leistete und sie sich gemeinsam irrwitzige Wortgefechte lieferten oder sie über die Recherchearbeit klagte, wenn sie noch nebenher an drei weiteren Artikeln schrieb, die alle noch vor Schichtende fertig werden mussten, damit sie rechtzeitig in den Druck gehen konnten. Nun herrschte in dem Zimmer absolute Stille. Nur das leise Brummen des Lüfters seines alten Rechners war, wenn er denn darauf achtete, noch zu vernehmen. Seit er die Nächte damit zugebracht hatte, im Internet nach Gründen. zu suchen, wie er sich die Zeit während der Arbeit totschlagen konnte, war es um seinen Schlaf mehr als mager bestellt. Er hatte sich schon daran gewöhnt zu den unterschiedlichsten Zeiten ins Bett und wiederum zu den seltsamsten Zeiten wach zu sein. Manchmal blieb er auch gleich drei Tage am Stück wach, schlief dann aber schon am vier ten Tag vor dem Rechner ein, schreckte sogleich hoch, setzte sich auf, starrte auf den Cursor, der noch immer auf dem weißen Bildschirm fröhlich vor sich hin blinkte und haute dann jedes nur erdenkliche Wort, dass ihm durch seinen Schädel strömte auf die Tastatur, direkt auf den weißen Bildschirm. Wenn er sein Geschriebenes danach Korrektur las, konnte er meist nicht wirklich verstehen, was er da aufgeschrieben hatte, das Kauderwelsch wollte einfach keinen Sinn ergeben. Gerade wenn er versuchte den Buchstabensalat zu entziffern, fielen ihm zumeist die völlig erschöpften Augen zu und er nickte abermals vor dem Rechner ein und wachte erst wieder auf, wenn es draußen schon längst dunkel geworden war.
Am Ende war es die Deadline, die ihm keine Ruhe ließ, jetzt da sie längst vorüber gezogen war, hatte es sowieso keinen Sinn sich derentwegen aufzuregen, so erinnerte er sich noch an den Abend als sein Management anrief und ihn für den nächsten Tag ins Büro bestellte. Sowie er dort aufgeschlagen war, so saß an dem viel zu großen Tisch neben seinem Management noch die adrett gekleidete Dame mit dem viel zu eng gebundenen Dutt aus dem Verlagswesen sowie ein viel zu kurz geratener Herr mit Doppelglasbrille, dessen eines Auge immer in eine andere Richtung schielte, sobald er mit ihm sprach.

So ereignete sich folgendes Gespräch, welches der Erinnerung des müden Gedächtnis des Autors entstammte, womit ihm jegliche Unvollständigkeit verziehen sei:

"Jonas, schön, dass du es noch hergefunden hast. Jetzt setz dich erst mal einmal hin. Das ist Frau Wieauchimmer, von der Verlagsgruppe Kackbraun, ihr kennt euch ja bereits."
"Hallo, auch."
"Und zu deiner Linken sitzt auch schon unser guter Herr Sowieso von der Meldestelle Steingeröll, der sich bereits mit uns und dem Verlag in Verbindung gesetzt hat und nunmehr der festen Überzeugung ist, dass er sich mit euch beiden auf einen neuen gemeinsamen Termin verständigen kann."
"Oh, Herr B., schön, dass Sie es noch geschafft haben, hier rechtzeitig zu erscheinen, wir waren nicht sicher, ob Sie es wirklich noch persönlich hierher schaffen würden. Nun, da Sie hier sind, zum besseren Verständnis, ich fungiere ausschließlich als Ihr Vermittler, damit Sie sich gemeinsam mit Frau Wasauchimmer -"
"Wieauchimmer."
"Bitte?"
"Es heißt Wieauchimmer, nicht Wasauchimmer."
"Ja, gut. Frau Wieoderwasauchimmer auf einen Termin einigen können, damit der Veröffentlichung Ihres Romans nichts mehr im Wege steht."
"Alles klar."
"Ach so, sehen Sie bitte davon ab, mich anderweitig um Rat zu bitten, ich bin nur der Vermittler." (Er lacht verzweifelt.)
"Ja gut, bitte, dann lassen Sie uns nicht noch mehr Zeit verlieren."
"Da gebe ich der guten Dame Recht, Jonas, dann erzähl uns doch erst einmal, wie der aktuelle Stand der Dinge ausschaut."
"Ja, keine Ahnung, was willst du hören?"
"Wie weit bist du mit dem Manuskript vorangekommen?"
"Also, wenn ich ehrlich bin, nicht sehr weit."
"Geht das noch etwas genauer?"
"Wie genau wollen Sie's denn haben, werte Dame?"
"Jonas, bitte! Sag uns einfach, wie viele Seiten du in etwa schon geschrieben hast. Kommt drauf an, wie groß ich die Schrift setze. Gut, lass mich kurz überlegen. Eine oder vielleicht anderthalb Seiten, kommt halt drauf an, wie groß die Schrift auf dem Bildschirm ist."
"Sie wollen uns wohl veräppeln!"
"Nö, hatte 'ne kleine Blockade und dann ist mir tatsächlich auch noch der PC verreckt, als ich gerade dabei war, ich glaube die sechsundvierzigste Seite meines Manuskripts zu erreichen, hab natürlich wie es sich es für einen Anfänger gehört, vergessen zwischenzuspeichern und dann war eben erst mal alles weg."
Die Dame mit dem zu eng gebundenen Dutt schnaubte schon und verschaffte ihrer Antipathie dem Wortakrobaten gegenüber sichtlichen Freiraum.
"Gut, also dann anders gefragt: Was glauben Sie, wie lange benötigen Sie in etwa für das Manuskript?"
"Weiß nicht."
"Steht denn zumindest ein Konzept oder wenigstens ein Rohentwurf, den Sie nur noch korrigieren und dann einfach nur abtippen müssen?"
"So arbeite ich nicht."
"Soll heißen?"
"Soll heißen, bei mir fließt alles aus dem Moment heraus. Ich plane nichts im Voraus entweder fließen die Worte nur so aus mir heraus oder eben nicht."
"Gut, also kein Rohentwurf?"
"Nope."
"Das war rhetorisch - Ach, wie auch immer. Geben Sie mir einfach einen Zeitraum, in dem Sie planen, mit dem Manuskript fertig zu sein."
"Kann ich nicht sagen."
"Was soll das jetzt wieder bedeuten?"
"Wie gesagt, kommt eben auf die Umstände an. Wenn mich meine Muse küsst, produziere ich Ihnen das verfluchte Manuskript, wenn nicht, dann eben nicht."
"Jonas, jetzt reiß dich bitte etwas zusammen!"
"Was, ist doch wahr! Sie werden schon früh genug von mir hören, versprochen."
"Junger Mann, nun werden Sie aber mal nicht unverschämt. Es geht hier um ihren Arsch, nicht um meinen! Also zeigen Sie wenigstens etwas mehr Anstand, Sie -"

Diesen Abschnitt mussten wir leider aus Gründen des Jugendschutzgesetzes entfernen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

"Jetzt alle Mal tief durchatmen. Ich sehe, es ist wohl jetzt an der Zeit, dass auch ich mich in das Gespräch einmische."
"Bitte nicht."
"Werte Dame, ich denke, es ist das Beste, wenn Sie mir zumin dest die Möglichkeit geben, diesen Streit zu schlichten. Also Herr B., da Sie sich nicht gerade sonderlich kooperativ gegenüber der werten Frau Woauchimmer.-"
"Wieauchimmer! Verdammt noch mal, es heißt Wieauchimmer!"
"Wieauchimmer, Woauchimmer ist doch egal, nun da Sie Herr B. sich ihr gegenüber nicht sonderlich kooperativ zeigen, vermute ich, dass Sie sich vielleicht nochmal mit Ihrem Management beraten wollen?"
"Wozu? Die Alte kapiert es eben einfach nicht!"
"Ich verbitte mir Ihre Unverschämtheiten!"
"Wenn ich nicht in der Stimmung bin, dann kommt auch nix zu Stande, dass für Sie von Interesse wäre, kapieren Sie es jetzt?"
"Das ist uns allen hier durchaus bewusst, nur Herr B., bei allem nötigen Respekt und Verständnis für Ihre kreative Schaffensphase, so kommen wir hier eindeutig nicht weiter. Wollen Sie sich nicht doch lieber zunächst noch
einmal mit Ihrem Management beratschlagen, bevor die Sache noch weiter eskaliert?"
"Ja, also Jonas, ich denke ebenfalls, es wäre wohl nun ein guter Zeitpunkt, um sich vielleicht doch erst einmal kurz zu beratschlagen, bevor es dann zu einer Entscheidung kommt. Findest du nicht?

Die Dame mit dem zu eng gebundenen Dutt schnaubte nun nicht nur vor Wut, sie war sichtlich erbost über die völlige Inkompetenz der beiden Herren.
"Also um es kurz zu machen. Ich gebe Ihnen genau drei Monate Zeit den Entwurf fertigzustellen. Wenn Sie bis dahin nichts zu Papier gebracht haben sollten, können Sie sich gerne einen anderen Verlag suchen, der Ihren so außergewöhnlichen Roman abgedruckt.

Damit war dann alles gesagt, sie hatte ihm nunmehr weitere drei Monate verschafft, weitere drei Monate, in denen er um den Schreibtisch herumging und die Wände mit seinem Blick durchlöchern sollte.
Schon damals wusste er, den Roman würde er unter diesen Gegebenheiten nie zu Ende kriegen, geschweige denn, dass man ihn jemals druckte. Doch das war ihm dahingehend längst nicht mehr wichtig. Stattdessen verkroch er sich für weitere drei Monate in seinem Zimmer und war für alle anderen außerhalb seiner Vier Wände wie vom Erdboden verschwunden.

Als er erwachte lächelte ihm die Tapete abermals rotzfrech entgegen, er hatte seinen versteinerten Körper gerade so in die Senkrechte gehoben, da schrie auch schon der Rollladen vor lauter Entsetzen auf, wurde er doch von den grellen Sonnenstrahlen geradezu geblendet. Ja, das würde ein herrlicher Tag werden, dachte er sich wie er sich auf der Matratze streckte und räkelte, um dann voller Schwung von eben dieser schon platt gelegenen Matratze aufzuspringen, die sichtlich erleichtert aufatmete und so begrüßte er schon den Fußboden, der unter seinen schweren Schritten versuchte ihm einen sicheren Halt zu geben. Entlang an dem großen Küchentisch, drückte es ihm auch schon gewaltig auf die Harnblase und so drückte er die Türklinke ebenfalls ganz fest, und schlug auf den Lichtschalter, der nun freudestrahlend entbrannte und dem Lichtkegel im Raum somit verhalf aufzuglühen. Was war das doch für ein Spektakel! Die Kloschüssel weinte vor Freude als er sich auf sie setzte, um seine Blase zu entleeren, diese dankte ihm, dass er ihr jegliche Art von Druck genommen hatte, sodass sie vor lauter Erleichterung ganz leicht wurde und als er sich die Hose überzog, den Gürtel noch enger schnallte und den gelben Urin in die ewigen Jagdgründe hinab in die Kanalisation schickte, da heulte nicht nur die Toilette ganz entsetzlich laut auf, weil sie insgeheim ganz verrückt nach ihm gewesen war, nein, es brach ihr regelrecht das Herz, wenn er sich über Stunden nicht bei ihr blicken ließ. Sowie er den Wasserhahn zum Krähen brachte, drückte er heute gleich doppelt so oft auf den Seifenspender, um eine extra Ladung der wohlduftenden Lauge auf seinen trockenen Handflächen zu verteilen und diese dann unter dem gewaltigen Strahl kalten Wassers wieder zu entfernen, um sämtlichen Keimen, die sich darauf tummelten den Gar auszumachen. Ja, selbst das Handtuch durfte ihn auch heute wieder für sich alleine haben. Als er die Tür aufstieß und sich mit seinem rechten Fuß in Bewegung setzte, vorbei an dem Regal und rein in den gefliesten Küchenboden, da verkroch sich der Apfel schon und grub sich immer weiter unter all dem anderen Obst in der großen Schale, denn ihm war klar gewesen, diesen Tag überlebte er nicht und so blitzte das Messer bedrohlich und geradezu furchteinflößend über seinem Haupt, in rasender Geschwindigkeit hinab und spaltete seinen Schädel entzwei. Wie erwartet hatte der Apfel heute tatsächlich daran glauben müssen, als seine zerstückelten Einzelteile in der Schüssel lagen, die Haferflocken sie noch ein wenig bedeckten, bevor sie im letzten Rest der Milch kläglich untergingen. Den Tetrapack drückte er und warf diesen achtlos zu den anderen leeren Verpackungen, welche er die Tage und Wochen zuvor in dem gelben Sack begrub. Nun verweste auch dieser. So schlang er das Müsli in großen Zügen in sich hinein, stellte die leere Schüssel neben das Waschbecken, in dem die Fruchtfliegen sich tummelten und von den letzten Resten naschten, die er übrig ließ. Gestärkt betrat er das Wohnzimmer, ging zur Balkontür, umklammerte den Griff und ließ sogleich er daran zog die wohlige Brise der kühlen Frühlingsluft in die Wohnung herein, da wusste er, heute würde ein ganz besonderer Tag werden. So begab er sich nach draußen auf den ziemlich hoch gelegenen Balkon, atmete tief ein, stieg auf das Geländer, sichtlich erleichtert lächelte er voller Freude der ebenso lachenden und wild winkenden jungen Frau von gegenüber zu, die auch heute wieder am Fenster stand und rauchte und wusste heute würde ein wunderbarer Tag auf ihn zukommen.

"Jonas! Mach die verdammte Türe auf! Gott, warum bist du nur so ein sturer Mistkerl? Wenn du nicht sofort öffnest, lasse ich jemanden kommen, der die verdammte Tür öffnet!"
Sie hatte tatsächlich vor seiner Türe gestanden und war sichtlich außer sich, als er endlich öffnete und sie ihn in der vollkommen abgemagerten Gestalt erblickte.
"Gott, was in aller Welt ist mit dir passiert? Du siehst furchtbar aus."
"Komm doch erst mal rein."
Sowie sie seine Wohnung betrat und das gesamte Ausmaß der letzten Monate erblickte, in welchem er hauste, wurde ihr doch anders zu mute.
"Mein Gott, sag, was ist denn geschehen, dass es hier so aussieht?"
"Willst du was trinken ?"
"Ein Wasser."
"Nun sag schon, hast du dich vielleicht nicht etwas zu sehr übernommen."
"Kann sein."
"Ich mein hier sieht es ja nicht gerade wohnlich aus."
"Mmh, vielleicht."
"Warst du denn seit unserem letzten Kontakt überhaupt schon einmal vor der Türe?"
"Weiß nicht, ja vielleicht mal kurz."
"Jonas, im Ernst, du hättest auf mich hören sollen, ich sagte dir ja, dass dich die Schreiberei irgendwann noch zugrunde richtet, wenn du es übertreibst."
"Keine Ahnung, kann sein, weiß nicht. Vielleicht ..."
"Vielleicht? Mann, du musstest ja wieder einmal deinen Dickschädel durchsetzen und jeden vom Gegenteil überzeugen! Ich meine, was hast du denn die letzten Monate überhaupt gemacht?"
"Nichts."
"Gar nichts?'
"Vielleicht geschrieben, aber wie du schon sagtest, ich denke ich hab mich überschätzt, bin noch nicht so weit, um etwas zu veröffentlichen. Vielleicht war das alles doch keine so gute Idee."
"Ach, Jonas. Du hättest einfach mal auf deine Mitmenschen hören sollen."
"Schon klar, du hattest wie immer mit allem Recht, ich weiß."
"Nö, vielleicht nicht mit allem. Hätte ich gewusst, dass dich die Schreiberei so sehr belastet, dann hätte ich mich vielleicht früher bei dir gemeldet. Aber ich war anfangs sogar ganz froh darüber, dass du dich endlich deiner Leidenschaft widmen konntest."
"Ich weiß zumindest, warum es Leidenschaft heißt, man muss schon arg gelitten haben, um tatsächlich etwas Ungewöhnliches zu erschaffen, was?"
"Mag schon sein. Sag, willst du vielleicht nicht etwas Abstand von diesem Chaos bekommen? Die Kleine schläft übers Wochenende bei ihrem Vater, ich würde dich einladen, um zumindest übers Wochenende aus diesem Zimmer zu kommen."
"Hast du eigentlich überhaupt mal richtig geschlafen?"
"Nicht so wirklich, nein. Wieso?"
"Mein Gott Jonas. Was hast du denn die letzten Tage und Wochen hier drin eigentlich getrieben, dass es hier so aussieht?"
"Keine Ahnung. Ich habe wohl einfach nur versucht, irgendwas zu Papier zu bringen. Wahrscheinlich wollte ich mir nur selbst beweisen, dass ich wie all die anderen mit denen wir damals zur Uni gegangen und die sich nun langsam auf der Weltbühne tummeln, ebenso dazu fähig bin, etwas zu schreiben, dass in den Köpfen der Leute verhaften bleibt, dass sie zutiefst berührt."
"Du wolltest ihre Anerkennung?"
"Ja."
"Das klingt doch zumindest menschlich."
"Findest du? Ich bin ja im Grunde noch viel schlimmer als die, da ich nicht nur ein Dilettant, sondern noch dazu ein Möchtegern-Autor bin, der nichts zustande gebracht hat."
"Jetzt sei Mal nicht zu hart mit dir selbst. Ich weiß, wie schwer es ist, erfolgreich mit dem zu sein, was man glaubt, einigermaßen gut zu beherrschen. Bevor mich überhaupt jemand bemerkt hat und mir einen Vertrag angeboten hat, sind schon zehn Jahre an mir vorübergezogen. Manchmal braucht es eben seine Zeit, aber am Ende wirst auch du noch mit ein bisschen Fleiß und mehr Erfahrung etwas großartiges zu Stande bringen. Aber was du jetzt am meisten brauchst, ist etwas Schlaf und reichlich Abstand von diesem Chaos."

So führte sie ihn aus dem Zimmer, in dem er die letzten Monate, verbracht hatte und brachte ihn hinein in ihre Wohnung, in der auch schon die beiden Katzen sich an seine Beine schmiegten und sowie er sich in die kuschelige Decke eingemummelt und auf ihrer Couch alle Viere von sich weggestreckt hatte, schloss er seine Augen um langsam ins Traumland abzutauchen. In diesem Moment fühlte er sich endlich zu Hause angekommen.

Das Schäfchen war schon ganz außer sich vor Zorn sowie es von der Tribüne, dem rosaroten Plüschtier, finstere Blicke zuwarf. Ja, gerade noch hatte es geglaubt, das Plüschtier hätte endlich seinen Verstand verloren, da richtete es sich wieder auf und stolzierte mit wackeligen Schritten auf dem Plateau herum, an das man es zuvor gekettet hatte. Ja, die Menge an Schäfchen auf den Tribünen war ganz außer sich und so blöken sie voller Aufregung lauthals herum. Das Plüschtier konnte sich gegen die erzürnten Schafe nicht wehren, denn es war nicht bloß angekettet, es hatte zudem auch nicht die Kraft sich gegen die Horde wild gewordener Schafe zu erwehren, welche nunmehr versuchten das rosarote Plüschtier von dem Plateau zu bewegen, damit es endlich hinab in die Tiefen stürzte, ja mit Gewissheit konnten sie es nicht dulden, dass es weiterhin auf dem Plateau hockte und sich nicht einen Zentimeter vom Fleck bewegte.
So fingen sie an, sich über die Ränge zu beugen, runter zu klet tern und mit Steinen nach ihm zu werfen, damit es endlich vom Plateau hinab stürzte und für immer aus ihren Augen verschwand. Als auch das nichts brachte, trieben sich die Schäfchen gegenseitig eines nach dem anderen zu den Pflastersteinen und eines sprang mit weitem Anlauf hinüber auf das Plateau und begann mit einer präzisen Genauigkeit mit einem Stein auf die Eisenkette einzuschlagen, währenddessen warfen die anderen weiterhin mit Steinen auf das Plüschtier. Das Schäfchen, welches auf dem Plateau stand, hatte gerade die erste Kette durchtrennt, als das Plüschtier es mit aller Kraft hinunter schubste. Entsetzt über die geballte Grausamkeit des Plüschtiers, stieg ihr Zorn ins Unermessliche und so steinigten sie es unter einem enorm großen Felsbrocken, welchen sie gemeinsam auf das Plüschtier hin- abstürzen ließen. Als es sich dann nicht mehr regte, waren die Schäfchen außer sich vor Freude, konnten sie sich nun endlich wieder dem weiteren Treiben in der Arena zuwenden. Doch ihre Freude verebbte sogleich, als sich unten auf dem Plateau und innerhalb der Arena nichts mehr regte. Mit jeder weiteren Minute, die verstrich, in der sie mit Entsetzen auf das blutverschmierte Plüschtier blickten, wurden sie unruhiger, bis eines von ihnen es nicht mehr länger aushielt und sich die Klippen hinunter stürzte. Eine merkwürdige Stille erhob sich über die Ränge der Arena und als nach und nach Schäfchen aus purer Verzweiflung die Klippen hinab stürzten, war auch das letzte Schäfchen kurz davor es seinen Kameraden gleich zu tun, doch etwas ließ es dann doch innehalten, so verschränkte es seine dünnen Ärmchen und blieb einfach auf der Tribüne sitzen, schaute gebannt auf das erschlagene blutrote Plüschtier und wartete darauf, dass etwas geschah. Doch zu seinem eigenen Missfallen geschah eben rein gar nichts mehr. Alles blieb, wie es war. Keine göttliche Fügung, kein eiserner Vorhang, der sich erhob, um es in eine andere Zeit, in ein anderes Universum zu geleiten, es geschah rein überhaupt nichts. So verharrte das Schäfchen nunmehr seit sechs Tagen mit seinen noch verschränkten Ärmchen auf der Tribüne sitzend und als auch am sechsten Tag nichts weiter geschah, da sprang auch das letzte Schäfchen völlig erschöpft von der hohen Klippe. Am Morgen des siebten Tages öffnete sich endlich der Vorhang zur Welt und ein tränen durchtränktes Auge erblickte das blut überströmte Plüschtier auf dem Plateau, dessen Oberkörper unter dem enormen Felsbrocken begraben lag. Die Welt musste ein solch seltsamer Ort gewesen sein, dachte das tränende Auge und vergoss dann seine allerletzte Träne.

"Da haben Sie uns aber ganz schön lange warten lassen, was? Der gute Günther dachte schon Sie würden den Roman nie zu Ende bringen."
"Na ja, besser spät als nie, nicht?"
"Wohl wahr, wohl wahr. Nun, um über Ihr Manuskript zu sprechen, das liest sich durchaus vielversprechend. Muss aber noch in den Feinschliff, wie gesagt, lauter gute Ansätze, der gute Günther hat sich vor Lachen, von der schieren Menge selbstironischer Referenzen, kaum noch ein gekriegt, nicht wahr?"
"Jupp, herrlich selbstironisch, nach so etwas haben wir gesucht."
"Nun aber noch eine Sache, uns fehlt noch ein stringenter roter Faden sowie eine Botschaft, ja also was die Botschaft betrifft, was in aller Welt wollen Sie eigentlich mit dem Text aussagen? Wissen Sie, der Leser wird sich bei dem, was Sie da zusammen geschrieben haben, doch glatt verschaukelt vorkommen."
"Veräppelt?"
"Verarscht!"
"Ja, gut, wie auch immer, Sie scheinen zu verstehen, worauf ich Sie aufmerksam machen möchte. Bringen Sie die Leute von mir aus zum Grübeln, wenn Sie unbedingt pathetisch sein wollen, bringen Sie sie zumindest zu irgendeiner Reaktion. Die schlimmste Reaktion, die Sie erhalten können, ist gar keine Reaktion. Völlige Gleichgültigkeit ist der Tod eines jeden Künstlers."
"Nun deswegen gehen Sie nochmal in sich, feilen und hobeln Sie was das Zeug hält und versuchen Sie Ihrem Text zumindest ein wenig Pepp und etwas mehr Biss zu geben. Bringen Sie die Leute zum Staunen und beenden Sie diese Geschichte mit einem gelungenen, runden Abschluss. Der Rest erledigt sich dann schon von alleine."

Nach etlichen Monaten und drei weiteren verschenkten Jahren, in denen er rein gar nichts zu Papier gebracht hatte, gelang es ihm doch noch irgendwann dank der Unterstützung seiner besseren Hälfte den allerersten Roman seiner bisherigen schriftstellerischen Laufbahn in die freie Welt zu entlassen, um ihn an die Frau und den Mann zu bringen. Schon nach nur wenigen Wochen hagelte es die ersten Kritiken und auch in dem ehemaligen Nachrichtenblatt, für welches er Mal geschrieben hatte, zerriss man sein Erstlingswerk in einem neunzeiligen Artikel, mehr war er ihnen nicht wert gewesen. Die zahlreichen negativen Kritiken trugen nicht gerade dazu bei, dass sich sein Werk besonders gut verkaufte, weswegen der Spartenverlag auch in den kommenden Jahren weiterhin schwarze Zahlen schrieb und irgendwann pleite ging. Auch den Vertrag bei einem anderen Großverlag verlängerte man ihm nicht, als er die Abgabefristen für seinen zweiten Roman ebenso wenig einhielt, so kündigte man ihm, sodass sein zweiter Roman, an dem er gerade arbeitete, niemals mehr erschien. So dachte er sich nunmehr Gute-Nacht-Geschichten für das kleine Mädchen seiner besseren Hälfte aus und als sie schon etwas größer war, schrieb er für sie kleine Kurzgeschichten und illustrierte sie für sie, bis zu dem Tag als sie ein gewisses Alter erreicht hatte, in dem sie seine absurden Geschichten nur noch peinlich fand, weswegen er seine aberwitzigen Erzählungen über die Schrecken des alltäglichen Lebens nur noch seiner besseren Hälfte vorlas, die sich immer köstlich über seine abstruse Fantasie und die selbstironischen Einfälle amüsierte. Er blieb bis zuletzt ein verwegener Träumer, der noch lange zu seiner besseren Hälfte Kontakt hielt bis auch sie irgendwann schon sichtlich gealtert und geschwächt an dem großen Geschwür in ihrer Lunge verstarb, da öffnete er sich mit seiner Feder die Pulsadern, um zu ihr ins Jenseits hinüber zu gleiten, ohne seine bessere Hälfte, so wusste er, wollte und konnte er nicht leben.​

 

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