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Die Dämonen

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26.08.2002
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Anmerkungen zum Text

wr bf nw out; neu 1.24
Nach der Kritik von @JPHoffmann ohne 2 Sätze im ersten Absatz 1.24

Die Dämonen

.


Meine Vermieterin ist eine schreckliche Dämonin aus der Bluthöllenwelt des Todes. Ich bin ein offener Mensch und mag fremde Kulturen, aber ein bisschen was störte mich dann schon dran, irgendwann. Es ist ja nie ganz einfach, wenn man mit dem Vermieter im selben Haus wohnt. Anfangs war die seltsame Musik und das permanente Getrommel von unten kein allzu großes Problem, und man nimmt ja gerne alles Mögliche in Kauf, solange man froh ist, endlich eine Wohnung gefunden zu haben. Mein Zuhause befindet sich in einem netten Einfamilienhaus und ich war vor zwei Wochen ins Erdgeschoss gezogen.
Oben drüber wohnt die Kerstin Kranz, eine alleinstehende 77-jährige Rentnerin, und im Keller lebt meine Vermieterin, mit bürgerlichem Namen Rosemarie Böglmeier.

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Sie ist Anfang fünfzig, mit kurz geschnittenem, schon leicht graumeliertem Haar, schlank und groß, aber in Wirklichkeit sieht sie anders aus und ist auch keine Frau und wahrscheinlich auch nicht Anfang fünfzig. Ich hab da ausführlich gegoogelt: Dämonen sind meist ein paar zehntausend Jahre alt und haben kein Geschlecht. Ein Dämon fühlt sich nur sicher, wenn er alleine lebt, und sobald er eine Fortpflanzung für nötig hält, geht er ins Bad und zieht einfach sein Spiegelbild herüber in unsere Welt – mit dem Vorteil, der neue Dämonenerdbewohner ist von Anfang an ausgewachsen und niemand muss ihm die Windeln wechseln.

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Es war ein heißer Sommertag, als ich hinunterging zu Frau Böglmeier, um mir Tomatensoße auszuleihen. Die Soße hatte ich mir als Vorwand ausgedacht, ich wollte nicht sofort mit einer Beschwerde anfangen, aber zu den dröhnenden Trommelklängen die ganze Nacht über, den klagenden Heulgesängen der Sirenen und dem Brüllen der Raubdinosaurier im Chor - waren jetzt auch öfter schreckliche Todesschreie von Tieren und Menschen zu hören, und irgendwann muss man ja schon mal was sagen dürfen.
Ich ging runter und klopfte an die Tür und hatte als Beweis, dass ich Tomatensoße brauchte, eine Packung Nudeln dabei. Die Sache mit dem Lärm wollte ich wie nebenbei ansprechen. Die Tür ging auf.

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Einige Tage zuvor hatte ich die Kerstin oben besucht, um sie zu fragen, ob ihr an unserer Vermieterin im Keller etwas Ungewöhnliches aufgefallen sei. Wegen dieser Geräusche.
„Aufgefallen? Was Ungewöhnliches?“, sagt sie an der Tür. „Natürlich, natürlich! Kommen Sie doch rein, mein Lieber. Gehen wir in die Küche. Wollen Sie einen Tee?“
„Nun? Was ist Ihnen aufgefallen?“, frage ich, als wir sitzen.
„Oh, ganz viel, ganz viel“, sagt Kerstin. „Zum Beispiel, sie bügelt ihre Wäsche nicht. Dabei wäscht sie ganz viel. Den ganzen Tag läuft ihre Waschmaschine, den ganzen Tag, sag ich Ihnen. Und sie ist zuhause und hat doch viel Zeit, aber sie bügelt nicht, alles ist ganz zerknittert.“
„Interessant“, sage ich. „Und weiter?“
„Gelegentlich steht sie im Garten und erschießt mit ihrer Armbrust die Katzen. Ich habe mich oft bei ihr beschwert!“
„Wegen Tierquälerei!“
„Nein, wegen der Pakete“, sagt sie. „Die vielen Pakete, die jeden Tag kommen, und alle muss ich annehmen; sie ist ja zu Hause, doch sie macht meistens nicht auf; sie ist beschäftigt. Immer diese Pakete. Wissen Sie, dass manche versuchen davonzukriechen?“ Sie flüstert: „Als ob die Pakete Angst hätten, bei ihr anzukommen. Manchmal wimmern sie. Und was draufsteht: 'An Frau Rosemarie Böglmeier, schreckliche Dämonin, Absender: 'Bluthöllenwelt des Todes'. Da stimmt doch auch was nicht ganz!“
Ich nicke. Lächle sie an und nippe am Tee. Wahrscheinlich ist im Kopf der Alten vor kurzem die Batterie ausgelaufen und das Hirn erreicht nur noch ein Zehntel der früher möglichen Punktzahl.
„Noch was?“, frage ich.
„Ja, ganz viel. Die Leute kommen nicht mehr raus“, sagt sie.
„Die Leute kommen nicht mehr raus?“
„Ja, sagte ich doch. Frauen, Männer, sie gehen zur Tür rein und kommen nicht mehr raus. Ich schau den ganzen Tag vorn auf die Straße. Was soll ich sonst machen? Mir ist langweilig.“
„Dann … klettern sie später wahrscheinlich hinten durch das Fenster?“
„Ja. Viele, ganz viele! Und die Wohnung! Eines Nachts bin ich reingeklettert und hab Fotos gemacht, als sie geschlafen hat. Hab ich schon erzählt, mein Mann war Detektiv? Ach, er ist schon sieben Jahre tot. Wollen Sie die Fotos anschauen?“
Ich verneine. Ich bedanke mich für den Tee.

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Die Tür ging auf. Frau Böglmeier stand vor mir. Ihre untere Hälfte. Die obere Hälfte, von der Hüfte aufwärts, war etwas anderes: der geschuppte, muskulöse Körper eines Krokodils. Statt eines Kopfs grinste mich etwas an, das aussah wie der Totenschädel einer Giraffe, überzogen mit rötlichem Aspik, allerdings mit den Reißzähnen eines Säbelzahntigers. Hinter den Schultern ragten zwei ledrige Flügel hoch, wie bei einer Riesenfledermaus. Über ihr, nur wenige Sekunden lang, hing ein fleischfarbener Körper mit Arachnoidenkopf und sechs langen, haarigen Beinen an der Decke, quiekte, kletterte rasch zur Wand und verschwand flink im Badezimmer.
„Ja? Was kann ich für Sie tun?“, sagte das Böglmeier-Gebilde.
Ich war nicht sofort so weit, Fragen zu beantworten.
„Oh“, sie blickte an sich herunter, „tut mir leid, ich hab mich noch nicht umgezogen.“ Ihr Knochenschädel grinste und die Reißzähne klackten.
Ich hielt ihr die Nudeln hin. „Hier“, sagte ich. „Für Sie.“
„Wie nett! Aber danke nein – wir fressen Pudel, keine Nudel!“ Sie machte den Versuch, zu lachen; ich machte den Versuch, nicht zu verstehen, was sie meinte. Ich sagte: „Also dann bis später vielleicht!“ Sie hob die Klaue zum Abschied, bevor sie die Tür schloss.
Die Fusilli hatte ich zu Weizenmehl zerbröselt.

<<<>>>​

Ich sitze, mit dem Smartphone vor mir, am Schreibtisch, warte auf den Anruf. Ich war bei Kerstin gewesen, um doch noch die Fotos anzuschauen. Digital, mit Datums- und Zeitsignatur. Ich hatte mir die Karte ausgeliehen, alles auf den Rechner kopiert, die Fotos, zusammen mit einem kurzem Bericht über die Wohnsituation und die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit, per E-Mail-Anhang abgeschickt; die Antwort kam prompt: Man müsse miteinander telefonieren, die Sache persönlich besprechen. Außerdem benötigten sie noch eine Kopie meines Mietvertrags. Auch den schickte ich.
Die Klingelmelodie ertönt, schon bin ich dran: „Hallo!“
„Guten Tag, Müller“, antwortet eine Frauenstimme.
„Sind Sie die Dame vom Mieterschutzbund?“
„Ja“, sagt sie. „die bin ich, schön, dass ich Sie erreiche.“
„Ja, ist gut, äh - und was sagen Sie dazu? Haben Sie die Fotos gesehen?“
„Ja“, sagt sie.
„Und?“, frage ich. Ich blättere am Bildschirm durch die Galerie. Die Fotos zeigen schwarze Wände aus Blech, Ketten und Handschellen hängen an Eisenkonstruktionen, rote und schwarze Substanzen kleben zähschleimig an rostigen Zangen, an großen Bohrern und Sägen; überall verstreut blutige Hühner- und Katzenköpfe, abgenagte Tierskelette gefangen in Schnappfallen, Schädelknochen dümpeln in Säurewannen, Gehirne in Einmachgläsern auf Regalen entlang der Wände, Hundekörper mit abgezogenem Fell, Tröge voll mit faulig stinkendem Blutschlamm, Teile von Tier- und Menschenkörpern darin sumpfig verwesend, am Boden verteilt abgetrennte Arme, Beine, Köpfe, faulige Innereien - das ist das 'Wohnzimmer' direkt unter mir. Im Bad hängt ein riesenhaftes Spinnennetz mit fingerdicken Netzsträngen, ein Spinnenmonster, groß wie ein Autoreifen, hängt darin – und weiter in der Küche …
„Ja“, sagt Müller. „Tut mir Leid. Ich schau's mir grad noch mal an. Da ist nicht viel drin, fürchte ich.“
„Echt?“
„Klar, die Bilder sind nicht so schön“, sagt sie. „Aber ich hab mir Ihren Mietvertrag durchgelesen. Von Leichenteilen und so was ist da halt keine Rede. Von so optischen Sachen. Und Bilder haben nun mal keinen Ton, da kann man jetzt keine Lärmbelästigung mit beweisen, für eine Mietminderung müssten wir halt schon was … ah, Moment mal“, sie stockt, „da seh' ich eben was … Bild dreizehn … da in der Küche!“
„Sie meinen den Berg blutiger Wäsche?“
„Nein, dahinter, ich meine die Waschmaschine, da sieht man die Waschmaschine laufen! Um die Uhrzeit! Nach 23 Uhr! Das geht natürlich gar nicht! Davon brauchen wir jetzt halt eine Filmaufnahme mit Ton und Zeitstempel, dann ein Lärmprotokoll - und die Aussagen anderer Hausbewohner.“

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Ich überlege seit einer Stunde. Vielleicht kann ich Kerstin überreden, die Böglmeierdämonin zu sich einzuladen, auf ein Glas Tee oder – kochendes Krötenblut; um sie aus der Wohnung zu locken. In der Zeit könnte ich mit meinem Smartphone durch's Fenster in die Küche kriechen und die Filmaufnahmen machen … Da höre ich, wie die Terrassentür hinter mir zersplittert. Zwei Polizisten stoßen sie auf. Sie tragen Helme und Sturmgewehre.
„Aufstehen! BFE! Beweissicherung und Festnahme!“, ruft der erste. „Wohnen Sie hier? Kennen Sie Frau Böglmeier?“
„Ja klar! Beides!“, sage ich und stehe auf. „Gut, dass Sie kommen – da unten, es ist furchtbar ...“
„Schnauze und Hände hoch!“, ruft er, der Zweite legt auf mich an. „Sie sind festgenommen!“ Er nestelt ein Paar Handschellen vom Gürtel.
„Aber die Böglmeier, sie wohnt unten, unten im ...“
„Um die geht es nicht!“, ruft er. „Sondern um Sie!“
„Um mich? Aber … wer hat denn die Leichen im Keller? Sie oder ich? Das muss ein Fehler sein!“
„Es ist kein Fehler!“, sagt die Gestalt, die jetzt mein Wohnzimmer betritt. Sie trägt kein Gewehr und auch keinen Helm; der hätte auch nur schlecht auf ihren Hundekopf gepasst – ohne Zweifel der Schädel eines Bullterriers. Die Hände gleichen den krallenbewehrten Klauen eines Raubsauriers aus der Kreidezeit.
„Sind Sie auch ein Dämon?“, frage ich.
„Ich bin Kommissar Kötermeier“, sagt er. „Die Anklage lautet: Verstoß gegen das Vermieterschutzgesetz. Sie wollten eine Mietminderung einklagen?“
„Nein ... ja ... aber das war nicht meine Idee - das war die blöde Gans - vom Mieterschutzbund …“
„Mieterschutzbund!“, bellt er. „Wir haben die Kommunistin schon verhaftet! Wir haben euer kleines konspiratives Gespräch abgehört. Glaubt ihr, wir schlafen?“
Von oben höre ich die Stimme von Kerstin: „Nein! Lassen Sie mich! Ich habe nichts gemacht! Ich hab damit nichts zu tun! Das war nur er, allein er, der Idiot von unten!“
Ein weiteres Geschöpf kommt durch die Terrassentür – eine Frau mit Vogelkopf und Tentakelarmen.
Ich wende mich an die Polizeibeamten: „Schaut doch mal einfach hin! Fällt euch nix auf? Sehen die etwa normal aus?“
Sie zucken mit den Schultern - für Dämonenbekämpfung sind wahrscheinlich andere zuständig. Es gibt keinen Grund, sich jetzt selbst damit herumzuärgern.
„Das ist Richterin Pickmeier“, sagt Kötermeier. Er dreht sich zu ihr: „Das Urteil?“
„Ab mit ihm ins Arbeitslager“, krächzt das Vogelgeschöpf nach kurzer Überlegung.
„Was? In was für ein Arbeitslager denn?“, rufe ich.
„In das Neue bei München“, sagt Pickmeier, und zu den Polizisten: „Abführen!“

Ich hole Luft und renne los, remple mich zwischen den beiden Beamten durch bevor sie reagieren können und dann durch die Terrassentür, schnell über den Rasen und über den Zaun, da höre ich hinter mir erst das „Halt, stehen bleiben!“, dann einen Schuss, stolpere auf die Straße und halte einen Wagen an, stürze zur Fahrerseite, das Fenster ist geöffnet: „Schnell, lass mich rein!“ Hinter mir die Rufe: „Haltet ihn auf, er will seine Miete nicht mehr zahlen!“ Der Fahrer fletscht seine Zähne, sein Kopf morpht in einen gewaltigen Haifischkopf, ich taumle zurück, sehe die Beamten kommen, hinter ihnen den Terrierdämon; eine Frau ist auf der anderen Straßenseite stehen geblieben, ich sehe ihr entsetztes Gesicht, sie lässt ihren Einkaufswagen stehen, kommt auf mich zu, verwandelt sich in einen Drachen und schlägt mit ihrem Schwanz nach mir; der verfehlt mich knapp; ich kann mich nicht mehr bewegen, bin seit einer Sekunde oder seit einem Jahrhundert vollkommen gelähmt, und es ist kein Problem mehr für die Monster und ihre Helfer, mich einzusammeln. Sie bringen mich, in Handschellen, zum Polizeikombi und drängen mich auf die Hintersitze. Wir fahren los.

Ich sehe Rosemarie Böglmeier im Hauseingang stehen – in ihrer menschlichen Gestalt: Sie ist gut gekleidet. Und sie sieht gut aus, richtig gut. Und es war eine schöne Wohnung. Aber nachts: viel zu laut. Im Arbeitslager – vielleicht kann ich da endlich wieder schlafen.

 

Hallo @FlicFlac ,

das ist ja ein Stück wie aus dem richtigen Leben. Ich kann das bestätigen, in den sog. Einheitsmietverträgen steht tatsächlich nichts von einem Anspruch auf dämonenfreies Mietleben. Insoweit hatte die Herrdame vom Mieterbund deinen Protagonisten korrekt beraten. Allenfalls Lärmbelästigungen hätte er zum Gegenstand seiner Beschwerde machen können.
In deiner Geschichte ist aber auch das nicht mehr beschwerdefähig, denn sonst wäre er nicht abgehört worden und am Ende wegen versuchter Mietmangelklage verhaftet worden.
Ich fürchte, dass es bei dem Wohnungsmangel in unseren deutschen Landen noch wüster werden wird mit dem Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter.
Dann werden die Dämonen ...ach, aber das ist eine andere Geschichte.

Ich fand sie echt lustig, deine Geschichte und auch zügig zu lesen. Hat mir gefallen.

allem Nachts kann man so was ja ein bisschen leiser machen.
nachts
Man müsse sich zusammen telefonieren, um die Sache
sich bitte streichen
der zweite legt auf mich an.
Zweite?
und irgendwann muss man ja schon mal was sagen dürfen.
haha...genau
„Nun? Was ist Ihnen aufgefallen?“, frage ich, als wir sitzen.
Hier wechselst du plötzlich in die Gegenwart? Wolltest du es gezielt? Es würde auch gut klingen, wenn du in der Vergangenheit bleibst.
„Dann … klettern sie später wahrscheinlich hinten durch das Fenster?“
„Ja. Viele, ganz viele! Und es rasselt in den Paketen. Und bellt.
Logische Vermutung deines Protagonisten, aber die Antwort von Kerstin ist seltsam.
Willst du an dieser Stelle auf ihren Geisteszustand hinweisen? Ist sie jetzt tüdddelig geworden? Doch eher nicht. Sie ist die untypische "Alte", die sogar alles, was sie an Ungeheuerlichem sagt, belegen kann. Wenn man einer glauben kann in der Geschichte, dann ihr. Deswegen irritiert mich dieser Schwenk ins Merkwürdige an dieser Stelle.
Ihre untere Hälfte. Die obere Hälfte, von der Hüfte aufwärts, war etwas anderes: der geschuppte, muskulöse Körper eines Krokodils.
Verrückt widerlich und skurril und damit irgendwie irre komisch. Prima gemacht.
Ich hielt ihr die Nudeln hin. Ich hatte sie in der Packung wieder zu Weizenmehl zerdrückt. „Hier“, sagte ich. „Für Sie.“
An dieser Stelle habe ich laut gelacht. Da hattest du mich mit deinem Humor.
„In etwa“, sagt sie. „Seelisch bin ich ein Mann, der im falschen Körper sitzt, also ist es mir lieber, wenn sie mich 'Herr Müller' nennen – ich darf das aber nicht offiziell ...“
Herrlich, dass noch nicht mal diese Figur ganz schlicht ist. Passt sehr gut zur gesamten Überzeichnung der Figuren. Die einzig wirklich völlig Gewöhnliche ist die Kerstin.
„Ja“, sagt Müller. „Tut mir Leid. Ich schau's mir grad noch mal an. Da ist nicht viel drin, fürchte ich.“
Klasse Wendung. Man denkt, nun aber ist sie schockiert und dann diese Antwort.
„Nein, dahinter, ich meine die Waschmaschine, da sieht man die Waschmaschine laufen! Um die Uhrzeit! Nach 23 Uhr! Das geht natürlich gar nicht!
Haha...Fokus nur auf das, was eine Mietminderung möglich macht und da könnte jemand eine Bombe hochgehen lassen, auch da würde nur die Lärmbelästigung den Ausschlag geben. So was nennt man Fachidioten, nicht wahr?


Launige Geschichte, die vielleicht ganz bisschen eine gesellschaftliche Kritik an unseren
Lebensbedingungen als Mieter offenlegt und auch am Gebahren mancher Fachleute kratzt.
Hat mir gut gefallen!

Lieben Gruß

lakita

 
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@lakita Vielen Dank für lesen und kommentieren :)

das ist ja ein Stück wie aus dem richtigen Leben
Sagen wir: fast.

ich fand sie echt lustig, deine Geschichte und auch zügig zu lesen. Hat mir gefallen.
Das freut mich!

sich bitte streichen
Das hab ich jetzt anders gelöst - und auch die 2 Fehler verbessert, die du gefunden hattest.

Hier wechselst du plötzlich in die Gegenwart? Wolltest du es gezielt? Es würde auch gut klingen, wenn du in der Vergangenheit bleibst.
Ja, gewollt ist das. Ich hab nur eben die Stelle, an der es passiert, um einen Satz vorverlegt.
Für mich ist das ein Zoom. Herangezoomt wird die Szene.
Wie TV. Der Moderator berichtet von etwas, was gestern war. Und dann kommt der Filmbericht, kommen die Bilder - und die bringen den Zuschauer in die Gegenwart des Geschehens, in das Jetzt. Im Film findet alles stets jetzt statt.
Deshalb, "historisches Präsens".

Der Grund, beim Vorlesen (und Lesen) ist das wirklich wie ein Zoom, das Geschehen wird sofort unmittelbar; bissl seltsam, aber es ist so: Präsens nimmt mehr mit, es ist eben nicht vorbei, sondern "passiert grad eben".

Bei der Böglmeier-Türszene hab ich wieder rausgezoomt, nach ihr wieder rein. Das wär anders zu machen gewesen, also auch die Türszene im Präsens und die zeitliche Einordnung unten anmerken ("Ich sitze ..." ist danach.)
Vielleicht mach ich noch was dran?

Logische Vermutung deines Protagonisten, aber die Antwort von Kerstin ist seltsam.
Willst du an dieser Stelle auf ihren Geisteszustand hinweisen? Ist sie jetzt tüdddelig geworden?
'Tüddelig' ist sie nicht. Aber wie es halt manchmal in Gesprächen so ist, man ist so "im eigenen Film", man hört bzw versteht gar nicht (richtig), was der andere sagt. Kerstin ist gefangen in dem, was sie erzählt, absorbiert für einen Moment.

Launige Geschichte, die vielleicht ganz bisschen eine gesellschaftliche Kritik an unseren
Lebensbedingungen als Mieter offenlegt und auch am Gebahren mancher Fachleute kratzt.
Hat mir gut gefallen!
Mir ging es um den "Tunnel", in dem Leute sind. Wahrnehmung oder Handlung nur nach Relevanz für die eigenen Interessen selektiert, tun was ansteht oder was bringt, kilometerweit vom Tellerrand entfernt.

Danke dir!

Dann werden die Dämonen ...ach, aber das ist eine andere Geschichte.
Du schreibst sie? ;)

 
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Hallo @FlicFlac,

Mein erster Gedanke war: Horror und Humor. Oha. Geht meist in die Hose. Humor in Horror ist fast immer ein Stimmungskiller, du baust Spannung auf und rumms, alles weg. Die Bedrohung kann ja so arg nicht sein, wenn Zeit zum Rumblödeln ist.

Da ist es schon gut, dass gleich der erste Satz recht klamaukig daherkommt und klarmacht, wo die Reise hingeht. So gibt es keine falschen Erwartungen. Wegen des „Wohnen“-Themas könntest du vielleicht noch überlegen, Satire und/oder Gesellschaft zu taggen.

Aber Schwerpunkt ist Humor. Einiges fand ich witzig, streckenweise war es mir zu albern. Was nun witzig ist, klar, sagt jeder was anderes. Was ich aber tatsächlich objektiv als Makel ausgemacht habe: Der im Kern selbe Gag wiederholt sich in unterschiedlichen Varianten, nämlich so herunterspielende, unangemessene Einschätzungen zu ungeheuerlichen Dingen, meist Gewalt. Also meinetwegen, über Hiroshima und Nagasaki sagen, die Amerikaner müssten sich da rückblickend sicherlich die Kritik gefallen lassen, in der Sache schon auch ein bisschen überreagiert zu haben. Die Geschichte ist kurzweilig und macht Spaß, aber mit gelungenen Witzen ist das halt so … die erste Wiederholung zündet meist schon schwächer, die dritte, vierte oder fünfte säuft ab.

alleinstehende 77jährige
77-jährige

auch öfter schreckliche Todesschreie von Tieren und Menschen zu hören, und irgendwann muss man ja schon mal was sagen dürfen.
Klar gibt es verschiedene Geschmacksrichtungen bei Musik, ich bin ein toleranter Mensch, aber vor allem nachts kann man so was ja ein bisschen leiser machen
Das Dicke fand ich echt gut, ich meine, hier tritt der Witz auch das erste Mal so auf. Der zweite Satz ist für mich der erste in viel schwächer und könnte raus.

Gelegentlich steht sie im Garten und erschießt mit ihrer Armbrust die Katzen. Ich habe mich vor paar Tagen bei ihr beschwert!“
„Wegen der Katzen?“
„Nein. Wegen der Pakete“,
Ohne Kontext lustig, in der Geschichte habe ich das Gefühl: Hattest du schon. Geht noch, weil es anders verpackt ist, in Form eines Dialogs. Apropos: „Wegen der Katzen?“ klingt, als wüsste die Figur, dass sie eine Punchline vorbereitet. Natürlicher wäre „Kann ich verstehen, Tierquälerei.“ Funzt dann natürlich nicht mehr so schön und ich habe gerade auch keine Lösung parat, gebe das nur mal zu bedenken.

'An Frau Rosemarie Böglmeier, schreckliche Dämonin, Absender: 'Bluthöllenwelt des Todes'.“
Ich verstehe wohl, dass du auf eine Geschichte hinauswillst, die nicht ein Wort lang den Anspruch erhebt, irgendwie ernstgenommen zu werden, aber das war mir trotzdem zu drüber.

Ich sitze, mit dem Smartphone vor mir, am Schreibtisch, warte auf den Anruf. Ich war bei Kerstin gewesen,
Präsens - Perfekt, nicht Plusquamperfekt. Der Zeitsprung hat mich auch ein bisschen rausgebracht.

„In etwa“, sagt sie. „Seelisch bin ich ein Mann, der im falschen Körper sitzt, also ist es mir lieber, wenn sie mich 'Herr Müller' nennen – ich darf das aber nicht offiziell ...“
Ui. Äh. Den fand ich ehrlich gesagt ein bisschen unangenehm. Ich will dir gar nicht unterstellen, dass du’s so gemeint hast, aber hier lachen glaube ich tendenziell schon eher Leute, die bei diesen Sachen gern zurück nach 1980 wollen. Oder lieber gleich 1890.

Tröge voll mit faulig stinkendem Blutschlamm,
Er sieht den fauligen Gestank auf einem Foto?

Sie meinen den Berg blutiger Wäsche?“
„Nein, dahinter, ich meine die Waschmaschine
Das meine ich, hier wiederholt sich das Gag-Schema.

durch's Fenster
durchs


Viele Grüße
JC

 
Zuletzt bearbeitet:

@Proof Vielen dank für die Mühe!

Das Dicke fand ich echt gut, ich meine, hier tritt der Witz auch das erste Mal so auf. Der zweite Satz ist für mich der erste in viel schwächer und könnte raus.
Ja, der kam auch als Nachzügler, war im ersten Take nicht drin. - dachte, es muss klar werden, dass er das für CD-Sound hält, nicht für "echt". Daher. Versteh aber was du meinst.

Natürlicher wäre „Kann ich verstehen, Tierquälerei.“ Funzt dann natürlich nicht mehr so schön und ich habe gerade auch keine Lösung parat, gebe das nur mal zu bedenken.
Ja, das Gefühl hatte ich auch. Stimmt unbedingt. Ich lass mir noch was einfallen. Vieleicht fragt er: ,"Tierquälerei" oder so und sie sagt: "Nein,, DHL."

Präsens - Perfekt, nicht Plusquamperfekt.
Nein, Plusquamperfekt; dazwischen gibt es die Ebene mit dem Emailaustausch (Imperfekt).

Ui. Äh. Den fand ich ehrlich gesagt ein bisschen unangenehm. Ich will dir gar nicht unterstellen, dass du’s so gemeint hast, aber hier lachen glaube ich tendenziell schon eher Leute, die bei diesen Sachen gern zurück nach 1980 wollen. Oder lieber gleich 1890.
Weißt du was? Das hab ich schon befürchtet. Ist mir schon oft passiert; natürlich hab ich es nicht so gemeint. Im Gegenteil, es ist der Aufhänger für den üblen Angriff des Kommissar-Dämons mit "Schwuchtel"; das kommt allerdings erst später.

Ich seh schon, ich muss es ganz rausnehmen. Da kann ich Storys erzählen, aber gut, wer will, kann missverstehen.


Er sieht den fauligen Gestank auf einem Foto?
Ja, manchmal kann man das, meine ich. Ich denke, wenn du einen Topf voll Hundekacke siehst, wird auch deine olfaktorische Vorstellungskraft mit aktiviert.
Ich schau's mir jedoch noch mal an, ganz 'sauber' ist es nicht, das stimmt.

durchs
Ja.

Thanx und bye!

 

Meine Vermieterin ist eine schreckliche Dämonin aus der Bluthöllenwelt des Todes.
...
Dämonen sind meist ein paar [z]ehntausend Jahre alt und haben kein Geschlecht.

Ich wende mich an die Polizeibeamten: „Ja, seht ihr denn nicht, dass da was nicht stimmt? Schaut doch mal einfach hin! Fällt euch nix auf?

Das muss ja schieflaufen, keineswegs Kollege zu sein (was ich mal schwer vermute) und den vertraulichen Ton gegenüber beamteten Staatsdienern im Dienst anschlagen … Und gelegentlich wird die zeitliche Einheit verlassen, wie bereits hier

Ich war ins Erdgeschoss eingezogen, oben drüber wohnt die Kerstin Kranz, ...
Da müsstestu noch mal selbst schauen … bester

FlicFlac
hierorts!

Als Rheinländer ist mir Klamauk nicht fremd und Enkel fahren sogar darauf ab, selbst wenn ich die tollen Tage idR gar nicht so toll finde, aber Köbes Underground, Bläck Fööss (selbst den Dr. Pillemann) u. a. hör ich ganz gern.

Bissken Flüskenlese

... und das permanente Getrommel von unten nicht das mega Problem, und man …
besser mega-/Mega-Problem
(lt. Aktuellem Duden - ist wohl auf dem Weg zur Zusammenschreibung)

Sie ist Anfang Fünfzig, mit … und wahrscheinlich auch nicht Anfang Fünfzig.
„Anfang fünfzig …“ weil eigentlich ein verkürztes „fünfzig/fünfziger Jahre“

… und sobald er eine Fortpflanzung für nötig hält, geht er ins Bad und zieht einfach sein Spiegelbild herüber in unsere Welt – mit dem Vorteil, der neue Dämonenerdbewohner ist von Anfang an ausgewachsen, und niemand muss ihm die Windeln wechseln.
Warum das Komma?

Es war ein heißer Sommertag, als ich hinunter ging zu Frau Böglmeier, um …
hinuntergehen, ein Wort

„Schnauze und Hände hoch!“, ruft er, der Zweite legt auf mich an.
Wie zuvor oben beim Alter, eigentlich ein verkürztes „der zweite“ Polizist

Ein viertes Geschöpf kommt durch die Ter[r]assentür – eine Frau mit Vogelkopf und Tentakelarmen.

Gern gelesen vom

Friedel

 

@Friedrichard Danke dir für's Drüberschauen!

Meine Vermieterin ist eine schreckliche Dämonin aus der Bluthöllenwelt des Todes.
...
Dämonen sind meist ein paar [z]ehntausend Jahre alt und haben kein Geschlecht.

Ich wende mich an die Polizeibeamten: „Ja, seht ihr denn nicht, dass da was nicht stimmt? Schaut doch mal einfach hin! Fällt euch nix auf?
Das muss ja schieflaufen, keineswegs Kollege zu sein (was ich mal schwer vermute) und den vertraulichen Ton gegenüber beamteten Staatsdienern im Dienst anschlagen … Und gelegentlich wird die zeitliche Einheit verlassen, wie bereits hier
Dämonin - kein Geschlecht, schwierig, ich weiß, ein Dämon wär's dann auch nicht. Ich denke, er geht noch von ihrer menschlichen Form aus. Er nennt sie so.

Er siezt die Beamten nicht, er hat schon die Fassung verloren, der 'Verbrüderungsversuch' ist in Ordnung, meine ich.

ird die zeitliche Einheit verlassen, wie bereits hier
Ich war ins Erdgeschoss eingezogen, oben drüber wohnt die Kerstin Kranz, ...
Da müsstestu noch mal selbst schauen … bester FlicFlac
Der Einzug liegt zurück, die Fr. Kranz wohnt da immer noch?

„Anfang fünfzig …“ weil eigentlich ein verkürztes „fünfzig/fünfziger Jahre“
… und sobald er eine Fortpflanzung für nötig hält, geht er ins Bad und zieht einfach sein Spiegelbild herüber in unsere Welt – mit dem Vorteil, der neue Dämonenerdbewohner ist von Anfang an ausgewachsen, und niemand muss ihm die Windeln wechseln.
Warum das Komma?
Übersehen

hinuntergehen, ein Wort
„Schnauze und Hände hoch!“, ruft er, der Zweite legt auf mich an.
Wie zuvor oben beim Alter, eigentlich ein verkürztes „der zweite“ Polizist
Übersehen, den Ersten nannte ich ja auch erster. Danke!

Gern gelesen vom
Das freut mich! Danke für die Hinweise!

 

Habe das Ende (und auch einiges mittendrin) komplett neu gemacht @alle, die es interessiert ;)

 

Lieber @FlicFlac,

also ich erinnere jetzt nicht, was sich verändert hat. Sorry. Aber ich habe deine jetzige Version selbstverständlich nochmals durchgelesen und finde diese Geschichte nach wie vor rund und fein satirisch und das Ende ist sauber im Satiremodus geblieben. Also nix zu meckern.
Du reizt die Möglichkeiten, die Satire bietet, gut aus.
Hier gilt wirklich der Spruch von Tucholsky "Satire darf alles"!

Eine Winzigkeit:

Wir haben euer kleines konspiratives Gespräch gewissermaßen abgehört.
Ich würde es so formulieren: Wir haben euer konspiratives Gespräch abgehört.

Erneut gern gelesen.

Lieben Gruß

lakita

 

Hi @lakita!

also ich erinnere jetzt nicht, was sich verändert hat. Sorry
Keine Frage, ist schon länger her. De facto ist der gesamte Fluchtversuch am Ende und das Arbeitslager -- hinzugekommen, war vorher nicht im Text. Komplett neuer Schluss. Die anderen Änderungen waren ein paar Straffungen, also: Ich habe gekürzt.

Wir haben euer kleines konspiratives Gespräch gewissermaßen abgehört.
Ich würde es so formulieren: Wir haben euer konspiratives Gespräch abgehört.
Für das gab es wieder einen Klang-Grund. Im Augenblick weiß ich zumindest für das 'gewissermaßen' nicht mehr, wozu. Kommt dann vermutlich raus, wenn ich das nicht mehr beantworten kann ... :)

Danke für's Noch-mal-anschauen!

Gruß von Flac

 

Ich bin neu hier und wirklich beeindruckt, mit was für einer Ernsthaftigkeit, Akribie und Sachkenntnis hier Texte kommentiert werden. Sehr gut. Und natürlich bin ich auch beeindruckt von der handwerklichen Qualität des Textes, das läuft schon alles sehr reibungslos und smooth. Gefallen hat mir der Text trotzdem nicht. Die Uralt-Frage "Was will uns der Dichter damit sagen?" ist zugegeben abgedroschen, aber irgendwie stellt man sie sich ja trotzdem. Ich finde, die beiden Ebenen gehen gar nicht zusammen, das Satirische ("man nimmt ja gerne alles Mögliche in Kauf, solange man froh ist, endlich eine Wohnung gefunden zu haben, die weniger als eine Tagesreise von der Arbeitsstelle entfernt liegt"; "kostet nur vier Fünftel meines Nettoeinkommens") und das Fantastische. Dem einen fehlt ein bisschen der Biss, das andere erscheint mir allzu humorig. Am besten gefiel mir noch "Mir ging es um den "Tunnel", in dem Leute sind. Wahrnehmung oder Handlung nur nach Relevanz für die eigenen Interessen selektiert, tun was ansteht oder was bringt, kilometerweit vom Tellerrand entfernt", aber das steht ja im Kommentar des Autors und nicht im Text. Ingesamt bleibt dann "nur" ein gelungenes Kabinettstückchen übrig, was aber natürlich auch etwas ist.

 

Hallo @JPHoffmann! Vielen Dank für deinen Kommentar! Der hat mich dazu gebracht, einen Aspekt zu sehen, der mir bislang nicht so klar war. Dazu möchte ich ein wenig ausholen.
Sehr interessant, dass man solche Sachen auch noch bei Texten 'reinbekommen' kann, die man eigentlich für bereits 'abgeschlossen' hält.

Ich bin neu hier und wirklich beeindruckt, mit was für einer Ernsthaftigkeit, Akribie und Sachkenntnis hier Texte kommentiert werden.
Das schätze ich ebenfalls sehr.

Und natürlich bin ich auch beeindruckt von der handwerklichen Qualität des Textes, das läuft schon alles sehr reibungslos und smooth. Gefallen hat mir der Text trotzdem nicht.
Das kenne ich. Geht mir auch gelegentlich so mit Texten -- alles in Ordnung handwerklich, dennoch kann ich nix damit anfangen, inhaltlich oder thematisch -- oder eben weil ich es nicht witzig finde. Humor ist so eine Sache. Ich erzähle da gern diese Geschichte: Für eine Humoranthologie, in der eine meiner Storys erscheinen sollte, schlug die Lektorin resolut die Streichung von 4 Stellen im Text vor (und für eine weitere Stelle eine andere Formulierung). Die Begründung war, die Stellen wären nicht witzig.
Allerdings hatte ich die Geschichte vorab bereits mehrere Male vor Publikum gelesen und diese 5 Stellen gehörten zu den 6-7 Stellen, an denen die Leute am lautesten gelacht hatten. Was die Lektorin also wollte, entsprach dem Vorschlag, mehr als Hälfte der witzigsten Stellen zu entfernen. Etwas zu schreiben, was den Geschmack möglichst aller treffen kann, das habe ich von der Liste radiert.
Deine Kritik ist jedoch nicht pauschal, sondern differenziert und du nennst einen Punkt, den es sich anzuschauen lohnt.

Ich finde, die beiden Ebenen gehen gar nicht zusammen, das Satirische ("man nimmt ja gerne alles Mögliche in Kauf, solange man froh ist, endlich eine Wohnung gefunden zu haben, die weniger als eine Tagesreise von der Arbeitsstelle entfernt liegt"; "kostet nur vier Fünftel meines Nettoeinkommens") und das Fantastische.
Obwohl ich weiß, dass es gefährlich ist, in einem so kurzen Text ein 'scheinbar zweites Thema' aufzumachen, kann ich es mir oft nicht verkneifen. Das Obige (Kritik an den Mietverhältnissen) ist nur ein Seitenhieb, den ich nebenbei einfügen wollte, da sticht mich manchmal der Hafer. Weder ist das das Thema noch die ganze Mieter/Vermieter-Kiste. Die Vermieter/Mieter-Sache ist allein der Rahmen, in dem sich die Geschichte abspielt.
Nun habe ich an anderer Stelle von Lesern durchaus mehrere Male das Feedback erhalten, dass das funktioniert hat, ein Leser hielt das sogar für 'sehr gelungen': (Zitat) "ich finde diese Geschichte brillant! Sie hat mich sehr fasziniert. Ich sehe sie gesellschaftskritisch gegenüber der häufig anzutreffenden Haltung, im Angesicht des Ungeheuerlichen mit weit offenen Augen wegzuschauen, die Verantwortung auf andere zu schieben oder sich auf gängige Prozesse zu verlassen, obwohl man weiß, dass diese nicht dazu geeignet sind, das Ungeheuerlicher zu bändigen und unwillkürlich am Ziel vorbeigehen müssen. Natürlich spricht daraus auch eine große Hilflosigkeit. Du schaffst es, einem das Groteske der Situation durch die Übertreibung der Situation im Keller und dem quasi Showdown am Ende bis unter die Haut nahezubringen, ohne dass es "too much" wäre."

Und das ist haargenau das, was ich als Thema meiner Geschichte sehe.

Die Uralt-Frage "Was will uns der Dichter damit sagen?" ist zugegeben abgedroschen, aber irgendwie stellt man sie sich ja trotzdem
"Mir ging es um den "Tunnel", in dem Leute sind. Wahrnehmung oder Handlung nur nach Relevanz für die eigenen Interessen selektiert, tun was ansteht oder was bringt, kilometerweit vom Tellerrand entfernt"
aber das steht ja im Kommentar des Autors und nicht im Text
Tut es offenbar doch, wie das Zitat zeigt, deshalb habe ich es eingefügt. Da stellte ich mir die Frage, warum du 2 Ebenen wahrnimmst, die "nicht zusammenpassen", ja sogar mein eigentliches Thema nicht siehst, indem du fragst: "Was will uns der Dichter damit sagen?" ---
wo ich doch den ganzen Text über das Thema (Ebene 1) - einzuhalten glaubte,
während diese 2. Ebene nur 2 kleine Seitenhieb-Sätze sind -- (und dann noch, okay, eine kleine 'Spitze' gegen Ende).

Ich denke, vielleicht ist der Punkt, dass diese 'Seitenhiebe' im ersten Absatz stehen und damit möglicherweise den Fokus des Lesers festlegen. Oder ein zu großes Gewicht erhalten, weil sie anfangs solchen Raum bekommen.
Nun könnte ich mich 'rausreden', dass Rahmen und Handlung generell etwas anderes sind als das Thema eines Textes. In "Titanic" (dem Film) sind Rahmen und Handlung: Untergang des Schiffs und Liebesgeschichte; aber das Thema ist, dass die Liebe zweier Menschen Klassenunterschiede überwinden kann.

Aber so leicht will ich es mir nicht machen, denn es ist möglicherweise eben doch ein handwerklicher Fehler, mit solcherlei 'Seitenhieben' vom Thema abzulenken. Vor allem bei einem kurzen Text. Darauf hast du mich unsanft gestoßen. Daher werde ich die entsprechenden Stellen, zumindest die anfänglichen, für eine Weile rausnehmen und abwarten, ob das 'Problem' dann noch besteht.
Ich mache das nicht, damit dir der Text gefallen könnte, vielleicht tut er das ja auch aus anderen Gründen nicht, sondern weil dein Einwand mir einleuchtet. So ist das mit den lieben Gewohnheiten -- manchmal macht man was, obwohl man weiß, dass man es 'eigentlich' nicht sollte :)

Ich würde den Text übrigens eher eine Groteske nennen, weniger eine Satire. Satirische Elemente machen aber einen Teil der Mittel aus. Dennoch hab sie nicht mit 'Satire' getaggt. Auch wenn @lakita die Fachfrau hier ist, zu identifizieren, was Satire ist und was nicht :)

Gruß von Flac

p.s.: Normalerweise spreche ich nicht gern über die Themen, die ich in meinem Geschreibe habe, das ist wie 'Witzpointen erklären', selbst dann nicht, wenn der ein oder die andere dann zu dem Schluss kommen mag, ich schreibe sowieso nur kunterbunten Blödsinn :hmm:

 

Wow, wie gesagt: das war mein erster Kommentar hier - das ist ja schon enorm, wie ausführlich Du als Autor antwortest. Sehr überzeugende Replik; ich denke, ich werde in Zukunft weitere Texte von Dir lesen, dann aber etwas genauer und aufmerksamer. Alles, was Du sagst, ist einleuchtend; am Ende war meine teilweise Ablehnung wohl tatsächlich vor allem subjektiv - ich kann mit Fantastik und Grotesken einfach nicht viel anfangen. Aber da kannst Du ja nichts dafür. Beste Grüße und Glück auf!

 

Wow, wie gesagt: das war mein erster Kommentar hier - das ist ja schon enorm, wie ausführlich Du als Autor antwortest.
Glaubst du eigentlich wirklich, wir alle hier sind so blöde? Glaubst du wirklich, wir sehen nicht mit einem Klick, dass du hier seit 2017 angemeldet und bereits ein dutzend (übrigens nicht unkontroverse) Kommentare verfasst hast? Das war übrigens schon damals dein Schtik: zuerst rumschleimen, wie toll das Handwerk doch ist, um dann hinten rum zu kommen mit "Gefallen hat mir das alles aber trotzdem nicht, ätsch" oder "Ich sehe keine Notwendigkeit, warum diese Geschichte hätte geschrieben werden müssen." Könnte man bei deinen seltsamen Lügenkommentaren hier auch fragen: Was ist denn hier eigentlich die Notwendigkeit?

 

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