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Die Einladung
Anspannung pur für mich im Taxi auf dem Weg zum Flughafen an diesem regnerischen Tag; die Stadt war im diffusen Licht nur noch schemenhaft zu erkennen. In mir stieg die Aufregung, ich rutschte auf dem Sitz hin und her. Ein Vorstellungsgespräch in der europäischen Zentrale eines multinationalen Unternehmens in Paris stand mir bevor – die einmalige Chance, einen entscheidenden Karriereschritt zu machen. Mit unruhigen Händen überprüfte ich die Reisedaten zum wiederholten Mal auf meinem Smartphone, alles gespeichert, gleichwohl, die Vorfreude mischte sich mit Nervosität. Ich hatte lange auf diesen Moment warten müssen, hatte ungezählte Bewerbungen formuliert und wieder verworfen, und nun diese, alles war stimmig.
Am Flughafen drängte ich mich ungeduldig durch die Menschenmenge. Auch am Check-in-Schalter herrschte ein beängstigendes Gedränge, und ich spürte Hektik in mir aufkommen. Als ich an der Reihe war, legte ich meine Buchungsunterlagen vor. Die Airline-Mitarbeiterin schaute mich kurz an und dann auf ihren Bildschirm. Nach einer gefühlten Ewigkeit erklärte sie mir, es liege keine Buchung auf meinem Namen vor. Ein Blick auf mein Handy sagte etwas anderes, dort wurde die Bestätigung angezeigt, die ich vor wenigen Tagen erhalten hatte. Ein Schock durchfuhr mich, ich suchte krampfhaft nach einer Lösung. Nach einigen hektischen Telefonaten fand ich einen Alternativflug – in letzter Minute. So hetzte ich durch den Flughafen, meine Gedanken rasten, während ich die Sicherheitskontrolle passierte. Als ich endlich im Flugzeug saß, schwankte ich zwischen Erleichterung und aufkommender Panik. Würde ich es rechtzeitig schaffen?
Dann der Flug nach Paris, der elend lange dauerte. Am dem Terminal angekommen, setzte sich das Chaos fort, der zugesagte Abholer erschien nicht. Es war nicht weit bis zum Meeting-Point. Ich lief von einem Ort zum anderen, fragte mich durch, doch niemand konnte mir helfen. Kurz vorm Verzweifeln konnte ich ein Taxi ergattern, dessen Fahrer allerdings kein Englisch sprach, egal, ich zeigte ihm die Adresse auf meinem Smartphone.
Als ich schließlich an dem imposanten Gebäude meines potentiellen neuen Arbeitgebers ankam, war es zu spät, die Besprechung war bereits beendet, hieß es. Mit Mühe fand ich einen kompetenten Ansprechpartner; ich fühlte mich fehl am Platz, fast wie ein Eindringling. Eine der Mitarbeiterinnen sah mich an, erkannte mich und zuckte bedauernd mit den Schultern. Dann eine Erklärung, und die war ungeheuerlich, jedoch klar und deutlich in der Aussage. Die Informationen, die ich vorab digital erhalten hatte, waren alle manipuliert, die Einladung sollte nicht direkt in ein tatsächlich stattfindendes Bewerbungsinterview führen, man wollte zuvor testen, wie ich unter extremer Belastung reagieren würde. Das konnten die haben! Ich hinterlegte grimmig lächelnd die Bewerbungsunterlagen auf dem Konferenztisch, bat um zügige Erstattung der Spesen und verließ das Gebäude, die Stadt, das Land – ich wurde immer lockerer.
Zu Hause angekommen fühlte ich, wie die Anspannung nachließ, sich meine Gedanken beruhigten. Zwei Gläser Rotwein später konnte ich über den mühseligen Kampf vorher nur noch lächeln. Kurz darauf erhielt ich eine Nachricht auf dem Handy. Ich hätte den Stress-Test mit Bravour bestanden, man würde mir einen Anstellungsvertrag zusenden, las ich dort. Mein Zeigefinger zuckte reflexartig in Richtung Löschtaste.