Was ist neu

Die erste Liebe

Mitglied
Beitritt
21.09.2001
Beiträge
189
Zuletzt bearbeitet:

Die erste Liebe

„Schatz, heut werd ich mich mal an das Gerümpel auf dem Boden machen. Da kann man kaum noch zutreten.“
Karl sieht von seiner Zeitung auf, die er dann zusammenlegt.
„Gute Idee, Tina. Dann lass dir doch auch gleich einen Sperrmülltermin geben. Ich kann ja heut nach der Arbeit noch bei den Möbeln mit anpacken.“
„Ja, mal sehen was ich so schaffe.“
Nachdem sich Karl auf den Weg zur Arbeit gemacht hatte, stiefelte Tina wild entschlossen die alte Bodentreppe hoch.
„Mann oh Mann, das lohnt sich aber.“ seufzte sie. Das Seufzen entfuhr ihr nicht nur, weil dieser Berg Arbeit vor ihr lag. Tina wusste um ihre Leidenschaft, in alten Sachen zu kramen, darüber die Zeit zu vergessen und letzten Endes unverrichteter Dinge wieder den Weg ins Erdgeschoss anzutreten.
Anfangs war sie gewappnet mit guten Vorsätzen, stopfte jetzt schon den dritten blauen Müllsack mit allerlei Gerümpel voll. Es war eine bunte Mischung an Vergangenheit die sich hier nun vereinigte wie die Plastiktütensammlung ihrer Tochter, altes Geschirr, welches eigentlich für irgendwelche Polterabende gedacht war, Blumentöpfe an denen noch Erde klebte, alte Schuhe und noch viele andere Erinnerungsstücke. Tina war mit sich zufrieden, bis sie sich an einen zerfledderten Pappkarton machte, der allerlei Geschriebenes zutage förderte. Ihr Herz begann zu klopfen. Sie stöberte in einem verbeulten Ordner, der Briefe aus ihrer Kindheit beherbergte. Es waren Briefe, die sie damals bekam, aber auch Briefe, die ihre Oma vor vielen Jahren sammelte und sie ihr kurz vor ihrem Tod übergab, da sie diese bei ihrer Enkeltochter gut aufgehoben wusste.
Tina kramte weiter. Ganz unten im Karton fand sie ein kleines Büchlein wieder, braun mit Goldrand, abschließbar, auf dem in goldener Schreibschrift „Tagebuch“ zu lesen war. Die goldenen Buchstaben tanzten in ihren Augen. Tina nahm mit beiden Händen dieses Buch an sich, suchte sich Platz auf einem Strohballen, der abseits in der Nähe des Bodenfensters lag
und betrachtete dieses Stück festgehaltenes Leben aus ihrer Jugendzeit. Sie drehte das Buch um. Als sie an der Schlaufe zog, ließ diese sich ohne Schwierigkeiten aus dem Schlitz ziehen. „Du Blödmann.“ dachte Tina. Diese Worte waren für ihren Bruder gedacht, dem der Begriff Briefgeheimnis fremd war, kurzerhand auf der Rückseite die Schlaufe herausriss und zusammen mit einem Freund Tinas geheimste Gedanken einfach so mir nichts dir nichts las und sich darüber lustig machte.
Tina schlug das Buch auf. Sie las Seite für Seite, wanderte zurück in ihre Jugendzeit. Schon auf der zweiten Seite tauchte sein Name auf. Peter hieß er. Sie spürte ein Grummeln in der Magengegend. Sie sah Peter vor sich stehen. Schlank, 15 Jahre alt, pechschwarzes Haar und dieses Lächeln, dieses verwegene Lächeln von dem sie dachte, dass es nur ihr galt.
Peter war ihre erste große Liebe. Auf jeder Seite tauchte sein Name auf. Tina fand sich auf dem Gepäckträger seines Fahrrades wieder, als sie ihre Arme um seinen Bauch klammerte. Sie spürte seinen warmen Körper, spürte sein pochendes Herz. Sie sah sich in seinem Zimmer sitzen, auf seinem Schoß. Peter war stolz auf seine Bierdeckelsammlung und Tina zeigte sich beeindruckt. Sie dachte an den Schreck, der ihr in die Glieder fuhr, als Peters Mutter plötzlich ins Zimmer kam. Tina setzte sich aufs Sofa und spürte ihre strafenden Blicke. Sie spürte den ersten Kuss auf ihrer Wange.

Nach einiger Zeit zog Peter weg. Seine Eltern steckten ihn in ein Internat, da er mit der Schule nicht klar kam. Anfangs schrieben sie sich Briefe. Dann zog auch seine Familie weg. Seit dem hörte sie nichts mehr von Peter.

Viele Jahre sind vergangen, aber Tina hat Peter nie vergessen. Er war ihre erste große Liebe.
Tina schlug das Tagebuch wieder zu und blieb noch eine Weile sitzen, bis sie unverrichteter Dinge die Bodentreppe wieder hinabstieg.

 

Hallo Heidi!

Leidenschaft, in alten Sachen zu kramen, darüber die Zeit zu vergessen und letzten Endes unverrichteter Dinge wieder den Weg ins Erdgeschoss anzutreten.
ohja, das kenn ich irgendwie... und dann hat man einen ganzen NAchmittag, den man eigentlich aufräumen s/wollte, gesessen und geblättert und sich erinnert...:)
Mir gefällt Deine Geschichte sehr gut, vielleicht eben auch, weil ich diese Gefühl kenne...der Dialog am Anfang allerding liest sich für mich ein bisschen ... konstruiert? Kann aber an mir liegen, ich mag Dialoge generell weniger. Aber Deine anschließenden Beschreibungen gefallen mir sehr gut...

"als sie ihre Arme um seinen Bauch klammerte. Sie spürte seinen warmen Bauch," zweimal "Bauch", kannst du den Bauch vielleicht einmal durch "Körper" oder "Brust" o.ä. ersetzen?


Liebe Grüße, Heidi, Anne

 

liebe Anne,
danke!
Den Bauch hab ich schon geändert.
Ich liebe Dialoge - aber Deine Anmerkung werde ich nochmal überdenken. Vielleicht lass ich mir was anderes einfallen.
Grüße
Heidi

 

Hallo Heidi,

alte Liebe rostet nie. Leider habe ich nicht erfahren, welche Emotionen die Darstellerin hatte, dass hätte mich so sehr interessiert. Brennend hätte es mich interessiert. Also musst du eine Fortsetzung schreiben. Es ist nämlich eine aktuelle Frage bei mir? Rost oder kein Rost!

Ja Heidi, die Geschichte ist recht gut und hätte noch besser sein können, so sehe ich es im Moment.

Liebe Grüsse Archetyp

 

Hallo Archetyp,
tja, dann muss ich mir wohl mal überlegen,wie´s weitergeht.
Danke!
Grüße Heidi

 
Zuletzt bearbeitet:

Es war eine bunte Mischung an VergangenheitKOMMA die sich hier nun vereinigte wie die Plastiktütensammlung ihrer Tochter, altes Geschirr, welches eigentlich für irgendwelche Polterabende gedacht war, Blumentöpfe an denen noch Erde klebte, alte Schuhe und noch viele andere Erinnerungsstücke.

Nach dem 50. greife ich nun einen nahezu 20jährigen Rückblick auf „die erste Liebe“ auf,

liebe @Heidi,

denn da haben wir was gemeinsam, denn auf meine hab ich erst vor Kurzem (vgl https://www.wortkrieger.de/threads/quasi-modische-deorie-der-deologie.65816/), wenn auch noch im pubertären Alter, im copywriting zurückgreifen können und an sich gibt’s da bei Dir nix zu mosern – bis auf ein paar Winzigkeiten, die wahrscheinlich auch (also eher nicht nur) dem Reformatiönchen der Jahre 1996 ff. geschuldet ist – aber vorweg ein Hinweis, wenn es zwomal heißt

„Schatz, heut werd ich mich mal an das Gerümpel auf dem Boden machen. ...“
...
„... Ich kann ja heut nach der Arbeit noch bei den Möbeln mit anpacken.“
Das wirds sicherlich in 50 Jahren Ehe geben, dass die Sprachmelodie der beiden sich anpasst, aber selten zu Anfang.
Allein die Varianten »heut’« (der Apostroph lässt das verschwiegene e noch ein wenig mitschwingen) und »heute« ließen selbst im kollektiefen Paar die Individuen aufleuchten ...)

„Ja, mal sehenKOMMA was ich so schaffe.“
Der Fall hat garantiert nix mit der Rechtschreibreform zu tun … galt schon vordem …

„Mann oh Mann, das lohnt sich aber.“ seufzte sie.
Punkt vorm auslaufenden Gänsefüßchen weg und Komma hinter demselben angelegt … ansonsten müsstestu mit Majuskel „Seufzen“ … das hat schon der olle Charlemagne fürs thiudiske (teutsche) festlegen lassen. Vorsicht, das th ist tatsächlich wie ein tea-äitsch auszusprechen!

Gilt analog auch hier

„Du Blödmann.“ dachte Tina.

Wie dem auch wird -

gern gelesen vom

Friedel,

der noch einen schönen Rest-ersten-Advents-Sonntag wünscht!

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom