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Die erste Zigarette
Die erste Zigarette an einem kalten Morgen
Es ist kalt, mein Atem bildet kleine weiße Wölkchen. Wölkchen, die aussehen wie verirrte Schäfchen. Ich rauche die erste Zigarette heute Morgen, und ich weiß, dass es heute nicht die letzte bleiben wird.
Aber es ist eine besondere Zigarette, die erste, jungfräuliche an diesem kalten, frischen neuen Tag, der noch in zu großen Kinderschuhen steckt, als das er richtig voranschreiten könnte. Die Zeit scheint stillzustehen, um mich herum nichts als Stille, alles verschlingende Stille. Es schneit. Dicke, weiße, und wunderschöne zarte Flocken suchen sich gemächlich ihren weiten Weg vom Himmel auf die Erde, lassen sich auf meinem Mantel nieder, färben meine langen, zu kleinen Kringeln gefrorenen Haare weiß, glitzern noch ein letztes Mal im trüben Licht der Straßenlaterne und sterben.
Ich nehme einen letzten Zug von meiner Zigarette. Überall um mich herum ist Schnee, auf dem Gehweg geht er mir bis zu den Knien. Aber ich habe Stiefel an, und deshalb macht es mir nichts aus, hier zu stehen und die verschneite Straße zu betrachten. Da höre ich plötzlich in der mich umhüllenden Stille ein leises Geräusch. Es kommt immer näher, meine Knie fangen an zu zittern und ich kneife mir vor Freude in die kalten Hände.
Es wird lauter, und ein wohliger Schauer läuft mir den Rücken hinunter als ich deutlich das vertraute, brummende Motorengeräusch höre, das sich gemächlich und bestimmt durch die Straßen schiebt, bis es in meiner Straße angekommen ist und anhält. Da kommt er schon um die Ecke, majestätisch, mächtig und rettend. Er schiebt Schneemassen vor sich her, bahnt sich seinen Weg zu mir, bis er vor mir steht und die Straße erfüllt wird von seinem lauten, ratternden Motorengeräusch.
Es riecht nach Diesel. Oben, in der kleinen gelben Kabine trohnend, sitzt er, mein Freund der Schneeschieberfahrer. Bei seinem Anblick freue ich mich wie ein kleines Kind welches unheimlich stiolz auf seinen großen neuen, herlich flauschigen Teddybär ist. Schnell klettere ich zu ihm hinauf und bekomme einen Kuss, der mir voller unbeholfener Zärtlichkeit auf die Lippen gepresst wird. Ein warmer Kuss von rauhen kalten Männerlippen, suchend nach Wärme und Geborgenheit bei meinen. Ich setze mich neben ihn, wickle meine Wolldecke um uns beide und gebe ihm einen Schluck heißen Kaffee aus der Thermoskanne.
Dann fahren wir weiter. Gemütlich, donnernd, weißen Schnee vor uns herschiebend. Noch zwei Stunden bis die Hektik des Alltags beginnt. Zwei Stunden bis der Stress meines normalen Lebens weitergeht, bis ich mir wieder die Füße wund laufen darf als mies bezahlte Bedienung in einem kleinem Cafe. Doch in diesen zwei Stunden fahre ich durch die verschneiten Straßen unserer Stadt, trinke Kaffee aus der Thermoskanne, lausche dem brummenden Motor unter uns, denke an unsere gemeinsamen Jahre und an unsere gemeinsame Zukunft, spüre einen liebevollen Händedruck, betrachte die weiße Schöhnheit draußen, teile die zweite Zigarette mit meiner großen Liebe. Meinem Freund dem Schneeschieberfahrer.