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Die Farbe des braunen Baumes

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30.08.2005
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Die Farbe des braunen Baumes

„...aus den dargelegten Gründen ist es zwingend notwendig und unerlässlich, ja geradezu statthaft, die Studiengebühren im gesamten Freistaat Bayern ab dem Sommersemester 2008 auf verbindliche 800€ pro Semester zu erhöhen.“
Die letzten, verzweifelten Böen des flüchtigen Winters trugen in stetiger Wiederholung diesen einen Satz an Bricks schmerzende Ohren. Von einer Symphonie schrillen Pfeifens und der Häme begleitet, entstand beinahe der Eindruck, als mache sich nun selbst der erliegende Winter über den jungen Mann lustig. Der beißende Wind schnitt ihm bis in die wunden Hände, ein dünner Blutstreifen torkelte ziellos über die zerschundene Handfläche, doch noch bevor Brick das kleine Café am Ende der Promenade betrat, endet jener Streifen als „notwendiges Opfer“ auf seiner fleckigen Jeans. So hieß es zumindest in den Nachrichten.
Es dauerte noch weitere fünfzehn Minuten bis Rocko das Café erreichte. Keine lange Erklärung, keine Entschuldigung. Den Zeit war jetzt nur noch ein stumm tadelnder Begleiter. Rocko trug seine dicke Hornbrille tief unter die Augen gezogen, um die dunklen Tassenränder, die sich dort wellenförmig ausbreiteten, ein wenig zu kaschieren. Sein kakaobraunes Haar zerzauste bereits in filzige Strähnen, doch seinen müden Augen entsprang ein Funken Zuversicht, dort loderte ein schwaches Feuer neuen Mutes. Bricks aufgesetztes, brüchiges Lächeln hingegen, erstarb sogleich wieder, ohne eine weitere Chance.
„Hey Mann, wie geht´s dir?“ Beide reichten sie sich zaghaft die Hände. Es war der Händedruck zweier junger Männer, die nichts miteinander zu teilen hatten, außer ihr beengendes Schicksal.
„Na ja, wie soll´s mir schon gehen? Ich arbeite auf einer Baustelle.“ Brick musterte Rockos Hände für einen kurzen Moment. Sie waren sauber und makellos.
„Und wie ist es dir, die letzten Wochen so ergangen?“, fragte Brick und vergas dabei den vorwurfsvollen Unterton auszublenden, den er sich eigentlich aufsparen wollte. Nachdem er sein Politikwissenschaftsstudium abbrechen hatte müssen, war Rocko immerhin bei der IT-Firma seines Cousins, als Hilfskraft untergekommen. Brick hingegen hatte nur einen Onkel bei mit einer Baufirma.
„Ich fühl mich im Moment zwar noch beschissen, aber mir geht´s eigentlich gut“, antwortete Rocko schließlich, beiläufig und bestellte Almdudler. Bricks Zen-artiges Starren auf die akkurat geschnittene Fingernägel seines Gegenüber erstarb plötzlich, wich einem unempfänglich, schweren Zucken seiner Lider und Mundwinkel.
Beider Studium war unter der Last der neuen Studiengebühren in sich zusammengefallen. Selbst mit abendfüllenden Nebenjobs war es keiner der Familien mehr möglich, die lähmenden Studienkosten zu absorbieren. Jetzt schlugen sich beide noch als Hilfsarbeiter durch und im September konnten sie schließlich, noch einmal eine Ausbildung zum Bank- oder Industriekaufmann versuchen. Sie waren 25 Jahre alt.
„O-ok, das musst du mir jetzt erklären...“ Brick spürte wie ihm seine Gesichtszüge entglitten. Es war nicht nur der Verlust seines Studienplatzes, der ihm Tag für Tag zu schaffen machte, ihm fehlte auch der damit verbundene politische Aktivismus. Rocko und er hatten an der Uni der Aktionsgruppe „Neue ökologische Gerechtigkeit“ angehört, die sich Klimaschutz und eine nachhaltigere Nutzung erneuerbarer Energien auf die Fahnen geschrieben hatte. Doch beider Erbe hing auf Halbmast und würde sicher bald ganz verschwunden sein, denn ohne gültige Immatrikulation durften sie keiner studentischen Vereinigung angehören. Sie hatten beide Führungsqualitäten bewiesen, waren eloquent und zielstrebig, aber mit völlig unterschiedlichen Konzeptideen ausgestattet gewesen. Insofern wunderte es Brick wenig, dass er Rockos Optimismus jetzt nicht verstand und doch blitzte kurz Wut zwischen seinen bebenden Augen auf.
„Was soll dieser philosophisch eingewickelte Quatsch?“, fragte er.
„Ich meinte ja nur, dass ich mich natürlich noch mies fühle, wegen allem, ist ja klar, aber eben auch, dass ich einen Ausweg aus diesem ganzen finanziellen Feudalsystem gefunden habe...und deshalb geht´s mir auch gut.“ Rockos Stimme schwang versöhnlich durch den letzten Rest Röstkaffeedufts in der Luft, dort verweilte sie, klar und geduldig, als hätte er gewusst, dass Brick wütend reagieren würde. Es schien als hätte man sie erst ihrer gemeinsamen Grundlage berauben müssen, dass sie sich richtig kennen lernen konnten.
„Aha. Na, dann schieß mal los“, entgegnete Brick, spitz und sarkastisch. Doch Rocko ließ sich davon nicht beirren: „Zwei Freunde von mir haben im letzten Monat eine neue Partei gegründet. Sie nennen sich DÖG. Sie treten für die gleichen Ziele ein, wie wir damals an der Uni...“
Damals, dachte Brick. Er redet als wären wir altgediente Ärzte oder Politikwissenschaftler, die noch einmal ihre Angeln der Nostalgie nach ihrer gemeinsamen Studienzeit auswerfen. Und dabei sind wir Nichts. Er erkannte das stürmische Funkeln in Rockos Augen wieder, doch er fühlte es nicht. Was er fühlte war die Last einer gleichgültigen Zukunft, die sengende Unerträglichkeit verlorener Chancen und Visionen, die seinen gesunden Menschenverstand zu zerquetschen drohten.
„...und natürlich distanziert sich das Parteiprogramm ausdrücklich von erpresserischen Studiengebühren.“
„Wie soll uns eine Viermannpartei wieder zurück an die Uni bringen?“
„Ich gehe nie wieder an eine Uni!“ Unvermittelt raute Rockos Stimmung auf.
„Was wir jetzt brauchen, ist sicher kein idealistischer, kopfloser Studentenaktivismus. Wir machen jetzt Politik, bis zum Äußersten“, sagte er. Brick fiel dazu zunächst nur ungläubiges Grinsen ein. Doch so sehr er um die Absurdität Rockos wilder Träumereien wusste, so sehr wünschte er sich auch, endlich wieder einen Traum zu haben. Er zögerte.
„Was gibt’s da zu grinsen!? Fischer und die Grünen haben auch auf der Straße angefangen! Ich glaube an dieses Konzept. Es gab eine Zeit, da standen wir nebeneinander für die gleiche Sache ein – und jetzt bekommen wir eine zweite Chance, unseren Traum war werden zu lassen!“ Rockos ausgefeilte Worte massierten Bricks Gehirnwindungen, sie waren lindernder Balsam auf der entzündeten Haut seiner malträtierten Hände.
„DÖG – was bedeutet das?“, fragte er schließlich. Die Angst vor der Konvertierung, die den vom Glauben abgefallenen zu sinnentleerten Phrasen anregt.
„Deutsche Ökologische Gerechtigkeit“, antwortete Rocko, jetzt wieder geduldig.
„Klingt das nicht irgendwie...na ja, ein wenig braun?“
Brick wusste, dass seine Phrasen keine stichhaltiges Argument enthielten, doch zum ersten Mal seit langem fühlte er die Idee einer Diskussion, wie ein wärmendes Feuer in seinen Worten aufflammen und das fühlte sich einfach gut an. Doch Rocko wurde jetzt wirklich ungehalten: „Nur weil jemand das Wort Deutsch benutzt, ist er noch kein gottverdammter Nazi. Wir leben ja schließlich in Deutschland, oder etwa nicht!?“ Dann sah er aber erneut die Unsicherheit über Bricks trübe, grüne Augen hereinstürmen, wie müde Soldaten, die schon zu lange an der Front gekämpft hatten und da begann er, ganz plötzlich zu lächeln. „Welche Farbe hat ein brauner Baum?“, fragte er und sein Lächeln wurde dabei noch ein wenig breiter, als zuvor. Dies war die erste Frage gewesen, die ihnen ihr Professor an der Uni gestellt hatte. Natürlich hatte daraufhin jeder >braun< geantwortet, doch der Professor belehrte sie eines Besseren: „Ja, der Stamm ist zumeist braun, soweit so gut. Doch sieht man nun von oben auf den selben Baum, so kann er auch grün sein. Im Sommer. Oder rot bzw. gelb im Herbst. Es kommt also immer auch auf den Blickwinkel an, vergessen sie das bitte nie, meine Damen und Herren.“ Ein schwaches Grinsen flog rasch über Bricks Gesicht hinweg. Sie beide dachten an diesen jungfräulichen Moment ihres verwobenen Schicksals und für einen Wimpernschlag schien sich dieser wieder aufzutun und wie eine wärmende Decke über sie zu legen. Für einen Moment waren sie Freunde.
„Grün“, antwortete Brick endlich und Rocko lächelte wieder. „Gute Antwort“, sagte er, „um 18 Uhr heute, veranstalten wir eine erste Kundgebung auf dem Marktplatz – du musst einfach kommen.“ Brick nickte gleichmäßig, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Bald darauf verließ Rocko das Café wieder - getaner Arbeit - und so blieb es, wie er gesagt hatte.

Die Sonne schien jetzt ein wenig heller von einem makellos blauen Himmel herab und selbst in den trüben Panoramafenster diverser Spirituosen- und Schuhläden sah sich Brick jetzt in unverhofftem Facettenreichtum, wieder. Oder zumindest fühlte es sich so an.
Jemand hatte die schneidenden Schmerzen des Windes von ihm genommen, sogar sein kondensierender Atem schien weißer, fast reiner zu sein, als zuvor.
Es gab wieder etwas, worauf er sich freuen konnte.
Er sah über die eingefallenen Wangen, welche lose über seinen spitz hervorstehenden Knochen hingen hinweg, durch die rauen, drahtigen Bartstoppeln, die bereits begannen seine Nasenhärchen mit seinem Kinn zu verbinden, hindurch und lächelte, nur für sich selbst.
All sein Hoffen und Streben war jetzt auf diese Kundgebung gerichtet. Brick stellte sich vor, wie er die Zwischenrufer und politische Taugenichtse abwehren würde, mit harter, geradliniger Argumentation. Es würde wieder so werden wie früher. Endlich.
Da zog ein unvermuteter Schatten hinter dem Spiegel seines Lächelns hervor. Irgendetwas das Rocko gesagt oder vielleicht getan hatte? Es war nicht greifbar und doch begann es sich, langsam aus seinen rasenden Gedanken herauszuschälen.
„Das gibt´s doch nicht...Brick Kramer?!“ Da stand urplötzlich Rebecca vor ihm. Ihr blühendes whiskeyrotes Haar umarmte seine müden Wangen, während sie sich an ihn drückte, wie an einen alten Freund. „Mann, wie geht´s dir denn?“ „Ganz gut.“ Sie war eine Bekannte aus seiner Aktivismuszeit und er schon lange ein wenig verliebt in sie gewesen. Doch das war jetzt nicht mehr von Bedeutung. „Ich habe gehört, was dir passiert ist, das tut mir so Leid.“ In ihrer Stimme klang echtes Bedauern, doch Brick hörte nicht hin. „Nein, kein Problem“, antwortete er, ein wenig zu hastig, „...ich bin jetzt aktiv in einer richtigen Partei tätig. Vielleicht kennst du sie ja...Deutsche Ökologische Gerechtigkeit.“ Rebeccas Stirn verzwirbelte sich in schwache Fältchen. „ Ich habe von denen gehört. Da soll nicht alles mit rechten Dingen zugehen, soll auch nicht ganz legal sein...pass lieber auf.“ Da wurde Brick wütend. Sie hatte alles was man sich wünschen konnte, sie sah toll aus, war gebildet...oder hätte es sich zumindest leisten können! Was für ein Recht hatte sie, über die weniger Gesegneten wie ihn, ihr vorschnelles Urteil abzugeben? „Diese heile Welt in der ihr Studenten lebt, ihr mit euren Umweltproblemchen...es ist nichts weiter als Illusion!“, fauchte er sie an und ging, ohne sich noch einmal umzusehen, auch wenn er es gerne wollte.
Sie waren ganze zwölf Leute. Brick wurde sofort Bull und Tommy, den Parteigründern vorgestellt. Beide hatten sie auf ihre neongelben Plakate mit brauner Farbe >Nieder mit den Studiengebühren< gepinselt. Bulls kahlgeschorener Schädel erinnerte Brick an den Actionstar Jason Statham. Er ließ es Bull wissen und beide lachten sie darüber. Der Rest der Gruppe – Tommy eingeschlossen – waren unscheinbare Typen wie er selbst. Alle hatten Trillerpfeifen und trugen mannshohe Plakate vor sich. Überall standen kleine Blecheimerchen mit brauner Farbe. „Die war am billigsten“, erklärte Bull hämisch lächelnd. Brick bekam ein Plakat und Farbe. Zunächst wollte er >Klimaschutz nicht erst heute sondern jetzt!< pinseln, doch niemand, überhaupt keiner hatte ein klimapolitisches Statement auf seinem Banner stehen, weshalb er sich schließlich auch für >unGEBÜHRend!!!< entschied. „Sehr subtil“, nannte es Rocko. Er lächelte kurz, doch dann verfinsterte sich seine Miene augenblicklich. „Es geht los...“, brüllte er. Brick sah sich verwirrt um. Am anderen Ende des Marktplatzes fuhr ein Polizeibus vor und ohne jegliche Vorwarnung formierten sich Polizisten mit Helmen und Schlagstöcken vor dem Wagen. Völlig entgeistert wendete sich Brick Bull zu. Bulls Miene war angespannt bis zum äußersten, aber er schien nicht im geringsten überrascht. Neben Bull stand ein weiterer Typ, den Brick zuvor nicht bemerkt hatte. Doch als er las, was braun auf dessen Plakat geschmiert war, wusste er was er getan hatte: >Deutsche Unis für deutsche Studenten!< Je öfter er diesen Satz las, desto heftiger brannte seine Lunge, er konnte kaum atmen. Da tauchte Rocko plötzlich wieder neben ihm auf. In der Hand hielt er einen rechteckigen, roten Pflasterstein. „Rocko, du kannst doch nicht ernsthaft...“, röchelte Brick beinahe apathisch. „Welche Farbe hat ein brauner Baum?“, fragte Rocko erneut, vergrub den Stein zwischen seinen sehnigen Fingern, und wartete dieses Mal nicht auf die Antwort: „Ein brauner Baum wird immer braun sein, egal was du dir versuchst, anderes einzureden“, sagte er und warf.

 

kann das so stehen bleiben oder gehört das eher in die rubrik jugend? ich war mir nicht sicher...

 

Hallo Hitch,
die Grundidee deiner Geschichte finde ich gut, wie jemand Desillusioniertes so leicht in schlechte Gesellschaft geraten kann. Ist ja eine beliebte Methode aller Sekten usw. sich an Leute ranzumachen, die eine Lebensflaute haben.
So richtig gelungen ist es dir aber noch nicht, es gibt zu viele Unstimmigkeiten. Es ist ja wohl illusorisch, dass die Polizei mit schwerem Geschuetz auffaehrt, nur weil ein paar Hansel demonstrieren. Wieso heisst der Typ Brick? Den Namen habe ich in Deutschland nie gehoert und im englischsprachigen Raum wird wohl keiner sein Kind "Ziegelstein" nennen.


"Doch als er las, was braun auf dessen Plakat geschmiert war, wusste er, was er getan hatte."
Der Satz ist irgendwie schief, dabei soll er ja eine Schluesselstelle sein.
Besser waere vielleicht "begriff er, was hier vorging...", oder einfach nur "als er las ..... wurde ihm uebel", oder so was in der Art.
Am Anfang der Geschichte gehst du auch sehr detailliert vor, zum Beispiel bei der Beschreibung seiner Haende, gegen Ende aber wirkt es auf mich so hastig, ploetzlich geht er zu der eigenartigen Kundgebung, alles geht ruck zuck. Das wuerde ich noch detaillierter und subtiler machen.

Es klingt jetzt, als haette es mir nicht gefallen, das hat es schon ein wenig, aber es ist noch ziemlich ausbaufaehig.
viele gruesse, sammamish

 

Hey sammamish!
erst einmal danke fürs lesen und kommentieren! zu deinen Kritikpunkten:
1. ich weiß nicht, was du an Polizisten mit Schlagstöcken für "schweres Geschütz" hältst. Allein bei dem Verdacht, das diese "Demonstranten" gewaltbereit sein könnten, zählt das zur Standardprozedur. Die gehen da kein Risiko ein. Ich habe ziemlich viel Verwandtschaft bei der Polizei.
2. Die detaillierte Beschreibung am Anfang und der hektische Schluss waren so konzipiert. Am Anfang herrscht beim Protagonisten die völlige Leere und Langeweile, die detaillierten Beschreibungen spiegeln seinen Verstand wider, der nichts hat, worauf er sich zunächst konzentrieren könnte. Am Schluss ändert sich das, die Erzählung wird konzentriert, hektischer.

Und zu Brick :)
einige Studienkollegen von mir heißen auch so, als Name kommt Brick glaub ich aus dem Skandinivischen, nagel mich da aber nicht fest. Mir gefällt der Name und in Sachen Bedeutung halte ich es mit Bruce Willis in Pulp Fiction: "Unsere Namen bedeuten einen Scheiss!" :D

viele grüße
hitch

 

Hi Hitch!

Als ich in der Mitte der Story war und das Lesen unterbrach, nahm ich mir vor zu fragen, wie denn wohl Ökologie aussehen soll, die in einem nationalen Bezugsrahmen bleibt, und wie es um einen Gerechtigkeitsbegriff bestellt sein muss, der ebenfalls national definiert wird. Die Pointe hat mich dann angenehm überrascht. Dann hätte sich also nur Brick diese Fragen stellen müssen. ;)

Es ist im Moment ja tatsächlich die Strategie von Neonazi-Vereinigungen, als nette Kumpels von nebenan zu erscheinen, die auch mal Straßenfeste und Picknicke ausrichten und nur "vernünftig" diskutieren wollen. Nein, man will ja keine Ausländer und Juden zusammenschlagen, man verurteilt das, aber man hat doch ein zurückhaltendes Verständnis, es muss endlich was getan werden gegen die Schmarotzer und Sündenböcke.
Gut hast du auch eingefangen, wie sich linker und rechter Mainstream in ihren Ansichten verbinden können. Am Nationenbezug findet kaum ein Allerwelts-"Linker" noch etwas anstößig, nationale und rassistische Ressentiments sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Inhaltlich hätte ich allerdings zu bemängeln, dass die Dramatik der Situation nur an der Oberfläche bleiben kann: Die beiden sind Mitte Zwanzig, sie sind zwar Studienabbrecher, aber es gibt immer ein Auffangbecken für sie, weil die Verwandtschaft jederzeit Arbeit für sie hat. Und am Ende wird dein Prot sich wahrscheinlich aus der Versammlung davonstehlen oder von der Polizei in ein peinliches Gewahrsam genommen werden, wobei er vielleicht erfolgreich versichern kann, dass er nur aus Versehen dabei war. Er kommt vielleicht in eine Kartei, aber sonst bleibt alles im grünen Bereich. Der braune Sumpf wird vielleicht Rocko verschlingen, aber nicht deinen Prot. Es gibt kein Worst-Case-Szenario, das den Leser auch nur im Geringsten erschrecken könnte.

Und dann wären da noch einige Glaubwürdigkeitslücken. Zum einen sind offenbar beide Ex-Studenten aus Mittelklassefamilien. Und die sollen die Studiengebühren nicht aufbringen können? 800 Euro in sechs Monaten? Wo doch beide Onkels bzw. Cousins mit eigenen Firmen haben? Das Problem mit den Studiengebühren ist, dass Studenten mehr arbeiten müssen bzw. mehr Unterstützung aus den Familien brauchen, aber dass sie Studienabbrecher produzieren, zumindest wenn sie aus der Mittelschicht kommen, ist mir bisher nicht zu Ohren gekommen.
Und am Ende:
Erstens: Wieso glaubt die Polizei, hier auf potenziell gewalttätige Demonstranten zu treffen? Schließlich verstecken diese ihre braune Gesinnung doch ganz gut und bemühen sich, im Mainstream einzutauchen. Das ist doch gerade das Ziel dieser "Deutschen Ökologischen Gerechtigkeit". Meines Wissens reagiert die Polizei auch nicht sofort wie ein Schwarm aufgescheuchter Wespen, wenn es irgendwo eine Neonazi-Demonstration gibt. Bei Autonomen kommen die Schlagstöcke dagegen sofort zum Einsatz.
Hinzu kommt das Verhalten der Braunen selbst: Sie wollen nicht als Neonazis in der Öffentlichkeit auftreten, gut, aber was hilft ihnen dann, sich eine Schlacht mit der Polizei zu liefern? Und dann noch Rockos Schlusssatz:

„Ein brauner Baum wird immer braun sein, egal was du dir versuchst, anderes einzureden“

Das klingt danach, als ob er die Braunen durchschaut hätte, aber vorher im Café, wo er keinen Grund hat, sich zu verstellen, redet er ganz anders. Wäre dieser Widerspruch nicht, könnte man meinen, er wolle die Neonazis in eine Schlacht mit der Polizei zwingen, damit sie in der Öffentlichkeit schlecht dastehen. Aber dann hätte es keinen Grund für ihn gegeben, Brick nicht einzuweihen. Und wenn er selbst ein Neonazi ist, macht sein Ausspruch überhaupt keinen Sinn.

Insgesamt eine nicht uninteressante Gesellschaftsgeschichte, die ein Schlaglicht auf ein tiefgehendes soziales Problem wirft, auch wenn ich mir mehr als ein "Schlaglicht" zu dem Thema wünschen würde. Mit ein paar inhaltlichen Korrekturen wird die Botschaft sicher an Intensität gewinnen.

Übrigens: Für "Jugend" sind deine Prots aber ein kleines bisschen zu reif. ;)

Textkram:

Von einer Symphonie schrillen Pfeifens und der Häme begleitet,

"Die" Häme würde heißen, du meinst eine konkrete Häme. Hier meinst du es aber abstrakt. "Der" weglassen.

endet jener Streifen als „notwendiges Opfer“ auf seiner fleckigen Jeans. So hieß es zumindest in den Nachrichten.

Dass dieser Streifen auf seiner fleckigen Jeans endet? ;) Ganz zu schweigen davon, dass es eher ein Tropfen als ein Streifen sein dürfte.

Denn Zeit war jetzt nur noch ein stumm tadelnder Begleiter.

Bricks aufgesetztes, brüchiges Lächeln hingegen, erstarb sogleich wieder,

Komma weg.

Es war der Händedruck zweier junger Männer, die nichts miteinander zu teilen hatten, außer ihres beengendes Schicksals.

„Und wie ist es dir, die letzten Wochen so ergangen?“

Weg.

Brick hingegen hatte nur einen Onkel bei mit einer Baufirma.

Was denn nun? Bei oder mit?

Bricks zen-artiges Starren auf die akkurat geschnittenen Fingernägel seines Gegenübers erstarb plötzlich, wich einem unempfänglich, schweren Zucken seiner Lider und Mundwinkel.

Ähm, wie meinst du jetzt bitte "unempfänglich"?

Insofern wunderte es Brick wenig, dass er Rockos Optimismus jetzt nicht verstand, und doch blitzte kurz Wut zwischen seinen bebenden Augen auf.

Seine Augen beben? Und wo blitzt Wut auf? In der Stirnfalte? Wusste gar nicht, dass die so ausdrucksstark ist.

Was er fühlte, war die Last einer gleichgültigen Zukunft, die sengende Unerträglichkeit verlorener Chancen und Visionen, die seinen gesunden Menschenverstand zu zerquetschen drohten.

Was für Visionen denn? Er wirkt doch völlig desillusioniert. Meinst du nicht eher "Zukunftsangst"?

„...und
irgendwie...na ja
Es geht los...

Zwischen Ellipse und Wort kommt immer ein Leerzeichen.

„Gute Antwort“, sagte er. „Um 18 Uhr

Bald darauf verließ Rocko das Café wieder - getaner Arbeit -

Was hat der Einschub zu bedeuten? Grammatisch kommt er nicht so recht hin ...

sah sich Brick jetzt in unverhofftem Facettenreichtum, wieder.

weshalb er sich schließlich auch für >unGEBÜHRend!!!< entschied.

Wieso auch?

Bulls Miene war angespannt bis zum Äußersten, aber er schien nicht im Geringsten überrascht.

Doch als er las, was braun auf dessen Plakat geschmiert war, wusste er was er getan hatte:

Das erscheint mir auch nicht so passend.

Ciao, Megabjörnie

 

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