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Die feurerote Cray

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08.11.2008
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Die feurerote Cray

Die feuerrote Cray

Es war ein verregneter Dienstagvormittag als wir ankamen. Wir, die Studenten, und Professor Braun.
Auf der Glasfront des Computermuseums konnte man grauschwarze Wolken vorbeiziehen sehen, die mit rascher Geschwindigkeit über den Himmel gleiteten. Der Wind fuhr mir durch das Haar und ich fror, trotz des Parkas, den ich beinahe im ICE vergessen hätte.
Professor Braun ging unbekümmert von all dem vor uns her; neben ihm sein Assistent König. König war im Gegensatz zu Professor Braun ein hagerer Typ, etwa Mitte dreißig mit ausgeprägten Geheimratsecken im kurzen schwarzen Haar. Auf dem Oberkopf von Braun zeichnete sich scharf eine Glatze im kastanienbraunen mit Silberstreifen durchzogenen, verbliebenen Haar ab. Ich schätzte den Professor auf etwa fünfzig. Er pflegte penibel seinen Oberlippenbart. Weder stand ein einzelnes Haar über, noch ein sonstiger Makel, der die vollendete Symmetrie zerstören könnte, entstellte den Professor.
Korrektheit und nichts anderes verlangte er von sich und den anderen ab. Daher war auch dieser Besuch des Computermuseums keine Freizeitveranstaltung, sondern ein vor Wochen angekündigter Pflichttermin.

Im Foyer schritt Professor Braun zwei weiße Stufen empor und ließ einen flüchtigen Blick über unsere Gruppe wandern.
„Bevor einer von Ihnen fragt, ob der Inhalt dieser Exkursion Relevanz für die Klausur besitze, kürze ich das mal ab: Gehen Sie einfach davon aus, dass dem so ist.“
Niemand hätte auch etwas anderes erwartet. Bei seiner Klausurplanung machte Braun keine Kompromisse. Wenn eine Aufgabe mit Assembler zu lösen sei, so führte an der Maschinensprache kein Weg vorbei.
Auf dem Programm stand eine Führung mit Erläuterungen zu ausgewählten Exponaten. Danach war eine Pause eingeplant, in der man selbst durch die Ausstellung gehen konnte. Zum Abschluss würde Braun noch einen Vortrag halten.
Draußen regnete es und der Wind peitschte die Regentropfen gegen die Fensterscheiben. Das Geräusch der mal stärker, mal schwächer trommelten Regentropfen füllte meine Gehörgänge aus und verdrängte im Kopf jeden Gedanken. Stille.
Einem Impuls folgend, setzte ich mich mit den anderen in Bewegung. Links und rechts öffneten sich Räume mit technischen Apparaturen, die ich teils nur aus den Augenwinkeln wahrnahm. Andere aus der Gruppe reckten im Vorbeigehen die Köpfe.
„Sie haben nachher noch Gelegenheit die anderen Exponate der Ausstellung zu betrachten“, tönte die raue Stimme Professor Brauns, bevor wir die erste Station der Führung erreichten. Im Halbkreis scharrten wir uns um ein metallisches Gestell, das mich für einen kurzen Moment an die Modelleisenbahn meines Großvaters erinnerte. Unweit vom Aufbau entfernt, befand sich eine großformatige Schwarzweißfotografie von Konrad Zuse. Zuses Z3 stand vor uns, den man durchaus als den Urahn aller modernen Computer betrachten konnte. Die Führung begann mit der Beschreibung der technischen Details. Umstehende Kommilitonen griffen hastig zu ihren Blöcken, um die gesprochenen Worte mit schwarzer, blauer und sogar grüner Tinte zu bannen. Diese Szene würde sich heute noch einige Male wiederholen.
Weiter ging es zu einem Modell des Illiacs, der im wahrsten Sinne des Wortes ein Großrechner war. Ich betrachtete mir einige Aufnahmen des echten Illiacs auf einer Tafel. Illiac wirkte wie ein überdimensionierter Kleiderschrank, der mehr als zwei Mann hoch war. Um solch eine Rechenmaschine zu bedienen, waren mehrere Menschen vonnöten, die Einstellungen vornahmen und die Daten einspeisten. Klobig waren sie alle, die alten Computer.
Auch wenn ich nicht die Jahreszahlen im Kopf hatte, erschien mir die Führung in chronologischer Reihenfolge abzulaufen. Die Rechenmaschinen wurden immer kleiner und ihre Rechenleistung wuchs beständig. Integrierte Schaltkreise verdrängten die Relaisschaltungen der ersten Computer.

Ich kann mich zwar nicht mehr an jedes einzelne Detail erinnern, doch blieb mir dieses eine so gut im Gedächtnis, wie es im Verlauf der Jahre nur wenige Dinge dermaßen eindringlich taten.
Wir folgten einem der langen weißen Flure, ähnlich dem, der uns zum Z3 geführt hatte. Die Führung stand kurz vor ihrem Ende. Ich schaute mich nur flüchtig zu beiden Seiten um. Erst rechts, dann links. Dann, der Moment musste bestenfalls nur wenige Sekunden an gedauert haben, zeichnete sich auf meiner Netzhaut etwas ab, dessen Form mir nur sehr unscharf erhalten blieb, doch die Farbe zog meine Aufmerksamkeit an sich.
Ein weiterer Blick blieb mir allerdings verwehrt. Die Bewegung der Gruppe riss mich fort und ich war gezwungen mit ihr mit zu gehen. Hinter mir und vor mir gingen andere Kommilitonen. Links und rechts befanden sich unverrückbar die weißen Wände des Flurs.
Braun und König führten uns links in einen sich öffnenden Raum. Die Museumsangestellte begann mit ihrer Einführung zu einer originalen Lisp Maschine, die das M.I.T. als Leihgabe dem Museum überlassen hatte.
„Das bemerkenswerte an der Lisp Maschine ist, das fast die gesamte Systemsoftware, bis auf einen sehr maschinennahen Part – für diesen benötigte man immer noch Instruktionen in Maschinencode – komplett in Lisp geschrieben war. Der Programmierer bewegte sich somit in einer sich gleich bleibenden Umgebung.“
Ich war abwesend mit meinen Gedanken, obwohl ich mir mechanisch Notizen machte. Im Geist holte ich immer wieder das eine Bild hervor.
Die Form.
Die Farbe.
Das letzte Bisschen Genauigkeit versuchte ich mit aller Gewalt aus der Erinnerung heraus zu pressen. Innerlich wurde ich von großer Unruhe befallen, weil das Gesehene nicht schärfer werden wollte. Plötzlich wurde ich dem Blick Professor Brauns gewahr. Sah er mich bewusst an? Hatte er bemerkt, dass ich dem Vortrag nicht mit voller Konzentration folgte?
Ja, ertappt hatte er mich! Wie den Schüler, der heimlich auf den Zettel unter dem Tisch gelugt hatte und nun darauf wartete vom Lehrer vor die Tür geschickt zu werden.
Professor Braun wendete den Blick ab und bedankte sich bei der Museumsangestellten für die Führung.
Unhörbar ließ ich die Luft aus meinen Lungen entweichen. Erst auf dem Rückweg zur Cafeteria legte sich meine Anspannung.
König stellte sich vor uns: „Sie haben jetzt die Gelegenheit die Zeit für eine kleine Stärkung oder für einen eigenen Rundgang zu nutzen. In einer Stunde treffen wir uns dann wieder hier.“
Alle zerstreuten sich, wobei die meisten die Cafeteria aufsuchten und einen Kaffee tranken. Erneut leuchtete die Farbe vor meinem inneren Auge auf. Schnellen Schrittes trat ich ein in das Labyrinth der Flure. Draußen regnete es. Es hatte die ganze Zeit über ohne jegliche Unterbrechung geregnet, nur prasselte der Regen lauter gegen die Fenster und die Mauern.
Niemand kam mir entgegen. Nur meine eigenen Schritte hallten in den Fluren wider.

Ich kam an der Lisp Maschine vorbei, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Jetzt waren es nur noch wenige Schritte, dann würde ich zu jener Stelle gelangen.
Neben mir tat sich ein breiter Durchlass auf.
Ich ging den letzten Schritt.
Klar und deutlich zeichnete sich nun auf meiner Netzhaut die geometrischen Formen ab. Aus einem runden Sockel erwuchs sich ein eben so runder Zylinder zur Decke.
Mein Blick huschte zu einer nebenstehenden Tafel, um sofort wieder zurück zu kehren. Zurück zur feuerroten Cray X-MP. Ich mochte mich kaum satt sehen, so intensiv drang mir die Farbe durch die Pupillen und manifestierte sich in meinem Bewusstsein.
Bedächtig glitten meine Blicke über die Rundungen der durch Halogenlampen angestrahlten Maschine, wodurch das Rot der Verkleidung noch intensiver hervortrat.
Einen Fuß vor den anderen setzend, ging ich um den Computer herum. Dabei sah ich – zu meiner eigenen Verwunderung -, dass die Cray nicht aus einem Stück bestand, sondern sich aus zwei Teilen zusammensetzte, die über einen schwarzen, horizontal verlaufenden Balken miteinander verbunden waren.
Bald hatte ich meine Ausgangsposition erreicht. Für die anderen Exponate im Raum hatte ich keinen Blick. Es erschien mir fast so, als ob ein weiterer, imaginärer Balken mich unlösbar mit der Cray X-MP verband; ich lediglich eine weitere Komponente des Systems war.
Mein Kopf fuhr herum. Niemand da – ich war immer noch allein.
Doch mein Herz schlug mir bis zum Hals, verursachte ein Rauschen in meinen Ohren. Mein Blut, mein feuerrotes Blut drängte sich durch meine Adern.
Ich sah die Cray direkt vor mir. Alles andere war aus meinem Bewusstsein gelöscht. Professor Braun, sein Assistent, meine Freunde unter den Kommilitonen, selbst das Museum existierten einen Moment lang nicht mehr.
Es überkam mich die seltsame Lust mich der der Cray zu nähern, mich auf einer ihrer Sitzflächen niederzulassen und mich an das rot glänzende Leder zu schmiegen. Aber das durfte ich nicht! Ich war ein Student, ein Besucher in einem Museum. Ich durfte das nicht tun! Hier hing sicherlich ein Aushang mit dem Hinweis nichts an zu fassen.
Aber es war niemand außer mir im Raum. Kein Besucher, kein Mitarbeiter des Museums. Ich könnte mich von einer uneinsehbaren Position heran tasten und es wäre ja nur ein kleiner Augenblick. Dann würde ich auf direktem Weg wieder zur Cafeteria zurückkehren, in Ruhe meinen Kaffee trinken und alles auf sich beruhen lassen. So einfach war das.
Nein, so einfach würde es nicht sein und es gehörte sich schließlich auch nicht. Bestimmt würde jemand kommen und …
Die Schamesröte würde mir unweigerlich ins Gesicht steigen.
Ich machte ein paar Schritte, bis ich wieder die Verbindung der zwei Teile der feuerroten Maschine vor mir sah. Wenn man den Raum betrat, blieb diese Seite der Cray X-MP verborgen bis man um sie herum ging.
Ich lauschte, ob jemand auf dem Flur ging oder sich vom Raum gegenüber näherte. Und wieder schlug mein Herz. Tief im Bauch pulsierte ein Gefühl merkwürdiger Vorfreude, das mir selten so bewusst geworden war wie jetzt. Hastig suchten meine Augen die Umgebung nach verräterischen Signalen ab, die die Ankunft eines Menschen ankündigten. (War da ein Schatten? Oder spielten mir meine angespannten Sinne erneut einen Streich?)
Das Feuerrot zog mich zu sich, unaufhaltsam wie ein schwarzes Loch.
Wie in Trance ging meine Hand zur Cray. Ein kleiner Schauer durchlief meinen Arm bei der Berührung ihrer Außenverkleidung. Sie war kühl, dennoch strich ich mit meiner Handfläche sorgsam über sie. Sekunden später saß ich auf dem mit rotem Leder bespannten Sockel. Das Leder war so glatt und weich, dass ich alles um mich vergaß und mich verzückt an die Cray schmiegte. Ich umarmte die Maschine, beide Augen fest geschlossen. Glückseligkeit.
Erst als mich eine Hand grob an der Schulter packte und mich von der Cray X-MP weg zerrte, kehrte all das zurück, wovon ich glaubte, es wäre vollständig aus meinem Bewusstsein getilgt. Das leere Museum. Die zur Teilnahme verpflichtende Exkursion. Der verregnete Tag. Ich wusste nicht wie lange ich so da gesessen hatte. Es konnten mehrere Minuten, aber auch nur wenige Sekunden gewesen sein.
Mit gesenktem Kopf kehrte ich zur Cafeteria zurück, damit Professor Braun mit seinem Programm fortfahren konnte. Niemand sprach mich an, wo ich gewesen wäre.
Im Vorbeigehen hörte ich, wie sich zwei Kommilitonen über den Vortrag unterhielten.
„Weißt du worüber der Braun vorträgt?“
„Ich glaub’ über Vektorrechner oder so. Er meinte, die hätten hier ein schönes Exponat von Cray Research dastehen.“

Wieso hatte ich mich zu solch einer Torheit hinreißen lassen? Warum hatte ich nicht diesem verhängnisvollem Drang standgehalten, den flüchtigen Moment der ersten Begegnung als belanglos eingestuft und ihn für alle Zeit vergessen?
Über die Jahre fragte ich mich das immer wieder, nur um doch keine Antwort darauf zu finden. Ich habe nie wieder das Museum betreten. In den Tiefen meines Seins wusste ich, dass sich der fatale Drang erneut Bahn brechen würde.
Aus beruflichen Gründen verschlug es mich in die Vereinigten Staaten. Und in den kommenden Jahren lief es für mich derartig gut, dass ich aufhörte mir die bohrenden Fragen zu stellen und der Vorfall im Museum verblasste in meiner Erinnerung.
Ich lernte meine Frau kennen und wir heirateten wenig später. Sie war bei Cray Research Inc. angestellt, während ich für Sun tätig war. Daher kam es oft vor, dass wir nur am Wochenende füreinander Zeit hatten. Ein Umstand, der sie seelisch belastete und daher bat sie mich die freie Ingenieursstelle anzunehmen. Ich konnte ihr den Wunsch nicht abschlagen. Wir waren für einige Zeit sehr glücklich miteinander – zumindest nahm ich das an. Als es mit meiner Karriere immer weiter voran ging, wuchs auch die Entfremdung zwischen uns beiden. Ich verbrachte mehr und mehr Zeit im Büro. Einmal meinte sie, dass dies mir eines Tages zum Verhängnis werden würde. Doch bevor es soweit käme, wäre sie schon längst weg.
Es fing zuerst damit an, dass wir nicht mehr gemeinsam zur Arbeit fuhren. Auch jegliche Liebesbekenntnisse nahmen ab, ohne das es mich bekümmerte. Nach fast fünf Jahren war die Beziehung am Ende. Jeder ging wieder seiner Wege und verdrängte das, was gewesen war.
Meine Schläfen waren ergraut und mein Haar war dünner geworden. Morgens fuhr ich zu Cray Research, kam dann spät abends in meiner Wohnung an, um sogleich wie ein Stein ins Bett zu sinken.

An einem Dezemberabend saß ich wie so viele Male in meinem Büro. Fast alle waren schon gegangen, bis auf meinen Assistenten Murray und mir.
Er klopfte an die Tür, während ich die neuen Projekte durch sah.
„Nur herein!“, rief ich.
„Oh, guten Abend, Sir. Sie arbeiten noch so spät?“, entgegnete er mir beim Hereintreten.
„Ich werde bald fertig sein. Und Sie, immer noch hier? Die anderen sind schon gegangen. Bestimmt wartet schon jemand auf Sie.“
Ein Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
„Na gehen Sie schon“, setzte ich nach. Er verabschiedete sich höflich von mir und ging schließlich. Ich rieb mir die müden Augen, die trocken geworden waren von der Bildschirmarbeit. Die auf meinem Schreibtisch zerstreuten Unterlagen stapelte ich fein säuberlich aufeinander, löschte das Licht, um danach mein Büro zu verlassen.
Gemächlich trottete ich in Richtung Foyer. Dort hielt ich für einen Moment inne. Ich konnte alles überblicken: in direkter Linie vor mir der Ausgang, weiter links, etwas versteckt der alte Konferenzraum, der seit geraumer Zeit nicht mehr als solcher genutzt wurde.
Was sich wohl darin befand, fragte ich mich. Über der Stadt lag tief schwarze Nacht.
Warum bin ich nicht schon längst zu Hause? Wahrscheinlich weil es keinen Unterschied machen würde, ob ich in meiner Wohnung oder hier durch das Fenster starre. Niemand wartete auf mich. Somit konnte ich mir eben so gut den alten Konferenzraum ansehen, um einen kahlen Raum zu entdecken, in dem vielleicht ein paar Kartons standen, oder die Putzfrauen ihre Schrubber und Staubwedel abstellten in einer überdimensionierten Besenkammer.
Meine Schritte hallten wider auf dem weißen, gefliesten Boden. Augenblicke danach stand ich vor der Tür, die nicht abgeschlossen war. Sie öffnete sich mit einem lauten Knarren. Dunkelheit lugte aus dem Raum und ich tastete beinahe hilflos nach dem Lichtschalter.
Als ich diesen endlich fand, gab das helle Licht etwas frei, das ich schon seit Jahren nicht mehr so unmittelbar vor mir gesehen hatte. Von der einen auf die andere Sekunde wurde mir heiß, als ob ich innerlich verbrennen wollte.
Nein - das kann nicht sein, hallte die Entrüstung durch meinen Kopf. Eine feuerrote Cray X-MP stand einige Meter von mir entfernt.
Sie ist mir gefolgt! Sie ist mir gefolgt! All die Jahre – nur ein jämmerliches Versteckspiel.
Ein Karton, der an der Wand lehnte, machte es deutlich: es war die Maschine aus dem Museum.
Kein Zweifel.
Ich ging auf den Computer zu; umrundete ihn.
„Warum tust du mir das an?“, brüllte ich, sodass ein flaches Echo von den Wänden zurückprallte.
Es kam alles hoch. Die peinliche Situation im Museum. Die Scheidung.
Ich suchte nach etwas, womit ich auf die hinterhältige Ansammlung veralteter Elektronik einschlagen konnte. Doch in der Leere des Raums konnte ich so schnell nichts finden.
Voller Zorn ballte ich meine Hände zu Fäusten. Holte mit der Rechten aus, schlug mit aller Kraft zu und bereute noch im Moment des Aufpralls meinen Entschluss.
Betäubt vor Schmerz sank ich neben der Cray nieder und krümmte mich. Ich hatte so fest zugeschlagen, dass mir die Haut aufgeplatzt war. Auf dem Boden fielen die ersten Tropfen Blut. Und als ich mir meine Wunde und das Leder der Sitzfläche ansah, stellte ich fest, dass es keinen Unterschied zwischen den Farbtönen gab. Schmerzhaft erkannte ich den einzigen Schluss, der sich daraus ergab.
Ich richtete mich auf, um auf dem Sockel Platz zu nehmen, wie ich es im Museum getan hatte. Mein Kopf lehnte gegen den erhabenen Zylinder, in dem ein Teil der Elektronik untergebracht war.
„Es war schon immer so! Ich war ein Narr, zu glauben, ich könnte mich ohne dich in der Welt herumtreiben, um das Geld für Nutzloses auszugeben. Es war von Anfang an so.“
In Glückseligkeit klammerte ich mich fest. Draußen herrschte die Dunkelheit.

 

Hallo Cray1,

und herzlich Willkommen auf Kurzgeschichten.de

Du setzt beim Leser einiges voraus, z.B., daß er sowohl weiß, was sich hinter einem Cray verbirgt und warum es deswegen möglich ist, einen solchen in einem Museum zu erleben und im wahrsten Sinne zu beSitzen. Ein paar Hinweise für Leser, die mit einem Computer vor allem das Mistding in ihrem Arbeitsbereich verbinden, wären da hilfreich.

Auch ansonsten ist mir Dein Erzählstil zu langatmig, ohne daß Du die wirklich für das Verständnis notwendigen Details beschreibst. Der Prof und sein Klausurverhalten wird beschrieben, nicht aber klar wird, welche Magie die Cray denn nun genau ausübt auf Deinen Prot.

Und auch der schnelle Abriss mit der Heirat und dem Zeitsprung und dem Wiedersehen will mir nicht endgültig nachvollziehbar sein, erstmal arbeitet er schon lange in dem Gebäude, in dem auch der alte Konferenzraum ist, warum also überrascht ihn in diesem Moment der Impuls, ihn zu betreten und wieso genau geht er dann so ab ?
Auch seine Obsession im Museum verstehe ich nicht, zumal Du da auch sehr verhuscht schreibst, so als wolltest Du den Leser auf die Folter spannen, z.B.

Integrierte Schaltkreise verdrängten die Relaisschaltungen der ersten Computer.

Ich kann mich zwar nicht mehr an jedes einzelne Detail erinnern, doch blieb mir dieses eine so gut im Gedächtnis, wie es im Verlauf der Jahre nur wenige Dinge dermaßen eindringlich taten.

ich vermute, Du meinst das Detail, daß er die Cray gesehen hat ?! So ergibt der Einschub nur in Bezug auf den vorhergehenden Satz Sinn, weil nach dem 2. Satz erstmal nichts kommt, was Detail und im Gedächtnis bleibend sein könnte.

Und welche Faszination genau übt denn nun die olle Maschine auf den Prot aus, Du bist da sehr unkonkret, was für mich als Leser unbefriedigend ist, denn ausser, daß offenbar eine starke Wirkung ausgeht erfahre ich nicht viel mehr über das Wesen der Wirkung, auf seine Gedanken, seine Motivation.

Schmerzhaft erkannte ich den einzigen Schluss, der sich daraus ergab.
tja, ich als Leser leider garnicht, weil das Dein Erzähler leider nicht verrät

Textrkam :

Wenn eine Aufgabe mit Assembler zu lösen sei, so führte an der Maschinensprache kein Weg vorbei.
zu lösen sei, so führe oder zu lösen war, so führte
Das Geräusch der mal stärker, mal schwächer trommelten Regentropfen füllte meine Gehörgänge aus und verdrängte im Kopf jeden Gedanken. Stille.
trommelnden - und warum ist erst Geräusch da, und direkt danach Stille ?

Für mich ist das in dieser Beta noch nichts, dabei finde ich den Gedanken von emotionaler Bindung an Technik durchaus ausbauenswert, da steckt Potential drin, z.B. für Psychodrama, für Slapstick, für Horror und auch für richtig seltsamen Krams. Mach was draus :)

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo Cray 1!

Ich mach mir mal beim Lesen Notizen.

Es war ein verregneter Dienstagvormittag als wir ankamen.

"Es war" am Anfang einer Geschichte klingt ein wenig nach Märchen. Außerdem steht das Wichtige hinten. Denn wichtiger ist ja, dass jemand ankam und nicht, dass es ein Dienstagvormittag war. Das ist eigentlich überhaupt nicht wichtig.

Auf der Glasfront des Computermuseums konnte man grauschwarze Wolken vorbeiziehen sehen, die mit rascher Geschwindigkeit über den Himmel gleiteten.

- "glitten".

Der Wind fuhr mir durch das Haar und ich fror, trotz des Parkas, den ich beinahe im ICE vergessen hätte.

Das kann weg. Ebenso das Komma nach "fror".

Professor Braun ging unbekümmert von all dem vor uns her

Immer misstrauisch werden, wenn mehr als drei Wörter mit jeweils drei Buchstaben hintereinander stehen. "ging unbekümmert vor uns her".

im kurzen schwarzen Haar.

Komma nach "kurzen".

Auf dem Oberkopf von Braun

Ich kann mir zwar denken, was ein "Oberkopf" ist, aber das kann man sicher auch anders schreiben.

im kastanienbraunen mit Silberstreifen durchzogenen, verbliebenen Haar ab.

Komma nach "kastanienbraunen". Insgesamt häufst du hier viel.

Weder stand ein einzelnes Haar über, noch ein sonstiger Makel, der die vollendete Symmetrie zerstören könnte, entstellte den Professor.

Das ist unfreiwillig komisch, dann man liest zuerst: "Weder stand ein einzelnes Haar über, noch ein sonstiger Makel ...", und fragt sich, welcher Makel sonst abstehen könnte.

Korrektheit und nichts anderes verlangte er von sich und den anderen ab.

Er verlangt es von, oder er verlangt es ab. "Von ab" geht nicht.

Nach dem ersten Absatz bin ich ratlos und habe eigentlich keine Lust, weiterzulesen. Es wurden ja bisher nur die Figuren vorgestellt, aber es passiert nichts. Deine Geschichte ist nicht spannend, bisher.

Im Foyer schritt Professor Braun zwei weiße Stufen empor und ließ einen flüchtigen Blick über unsere Gruppe wandern.

Warum ist es wichtig, dass sie weiß sind?

Wenn eine Aufgabe mit Assembler zu lösen sei, so führte an der Maschinensprache kein Weg vorbei.

Spätestens hier schließt du Menschen aus, die nicht wissen, was Assembler ist. Und davon gibt es eine Menge. Ist das Absicht? Schreibst du nur für Computerleute? Wenn später noch weitere solche Begriffe folgen, dann solltest du gleich am Anfang klarstellen, dass du nur auf ein bestimmtest Publikum abzielst. Sonst fühlt man sich an der Nase herumgeführt, da man ja den Angang völlig umsonst gelesen hat.

Außerdem muss es "war" heißen, nicht "sei".

mal schwächer trommelten Regentropfen

"trommelnden".

Das Geräusch der mal stärker, mal schwächer trommelten Regentropfen füllte meine Gehörgänge aus und verdrängte im Kopf jeden Gedanken. Stille.

Wie geht das?

Einem Impuls folgend, setzte ich mich mit den anderen in Bewegung.

Komma weg.

Im Halbkreis scharrten wir uns um ein metallisches Gestell,

"scharten".

Unweit vom Aufbau entfernt, befand sich eine großformatige Schwarzweißfotografie von Konrad Zuse.

Komma weg.

Umstehende Kommilitonen griffen hastig zu ihren Blöcken, um die gesprochenen Worte mit schwarzer, blauer und sogar grüner Tinte zu bannen.

Warum ist es wichtig, welche Farbe die Tinte hat?

Nach dem zweiten Absatz bin ich ebenso ratlos. Warum sollte ich weiterlesen? Es ist langweilig, irgendwer labert über Computer, ein sich wichtig vorkommender Protagonist, den ich nicht mag, hört zu. Toll.

an gedauert

"angedauert".

Maschine ist, das fast

"dass".

die Gelegenheit die Zeit

Komma nach "Gelegenheit".

Nach diesem Absatz ist es immernoch langweilig. Wirklich.

zurück zu kehren

"zurückzukehren".

an zu fassen

"anzufassen".

heran tasten

"herantasten".

(War da ein Schatten? Oder spielten mir meine angespannten Sinne erneut einen Streich?)

Keine Klammern in solchen Texten.

Ich wusste nicht wie lange

Komma nach "nicht".

Beim Rest hab ich dann ein wenig quergelesen.

Vom Stil her scheinst du nicht gerade erst gestern mit dem Schreiben angefangen zu haben, ausbaufähig ist das allemal.

Inhaltlich finde ich die Idee gut, die Umsetzung zu umständlich. Da fehlt eine klare Linie. So, als hättest du zuerst die Museumsszene geschrieben, und dann irgendwann einfach weitergemacht. Das passt nicht, wirkt wie geflickschustert.

Deine Personen sind farblos, was sie uninteressant macht. Leider gilt das auch für den Protagonisten, den du am Anfang besser darstellen hättest können.

Schöne Grüße und willkommen auf KG.de,

yours

 

Hallo C. Seltsem und yours truly,

danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mir ein sehr umfangreiches Feedback zu schreiben.

Beim Schreiben und Durchlesen des Textes sind mir viele der von euch aufgeführten und zum Teil mit Beispiel belegten Kritikpunkte nicht bewusst aufgefallen. Wahrscheinlich weil mein Denken noch zu sehr von den sich manifestierenden Bildern der Geschichte in meinem Kopf eingenommen war. Wenn mir eine Geschichte einfällt, dann sehe ich meist nur Ausschnitte der Handlung und muss den Rest ergänzen, damit es nicht all zu abgehackt wirkt.

Das ist mir leider beim zweiten Teil nicht ganz gelungen. yours truly liegt mit seiner Annahme, dass die Museumsszene zuerst entstanden sei, vollkommen richtig.
Der zweite Teil ist aus folgender Intention heraus dazugekommen:

In meiner Geschichte geht es hintergründig um Zwänge, die sowohl kontrollierend als auch regulierend auf den Menschen (bzw. den Studenten und späteren Ingenieur) einwirken. Damit ist das Individuum scheinbar fest in ein sich gleichbleibendes System eingebunden. (Um das bildlich darzustellen, habe ich die Räume im Museum weiß gestaltet. Bis auf die Farbe des Cray Supercomputers sind alle im Text genannten Farben den als kalt bezeichneten Farbtönen zugeordnet.)
In dem Moment, als der Protagonist die Cray zum ersten Mal sieht, wagt er den Ausbruch aus dem, ihm umgebenden Beschränkungen und entfremdet sich schrittweise von diesem System. (Er blendet die Exkursion und ihre Teilnehmer aus.)
Schließlich zwingt man ihn wieder ein Teil der durch Regularien bestimmten Welt zu werden, in die er sich auf Dauer nicht vollständig einfügen kann. (Das Scheitern der Ehe.)

Jetzt zur letzten Szene, in der ich leider zu viele Informationen im Dunkeln gelassen habe. Hier erkennt er (der Protagonist), dass es einen Ausweg, eine Hoffnung auf einen Ausstieg aus dem tristen Dasein gibt.

So war die Geschichte in etwa gedacht.

Ich werde das Ganze noch einmal überarbeiten oder wie man im Programmierer-Jargon sagt: debuggen.
Was die (computer-)technischen Begriffe angeht, bin ich unglücklicherweise Opfer meines eigenen Faches geworden. Da werde ich vielleicht auf Fußnoten zurückgreifen oder direkt im Text deutlich machen, was z.B. mit einer Lisp Maschine oder einer Cray X-MP gemeint ist.

An dieser Stelle bedanke ich mich für euere Begrüßung und den Anmerkungen.

Liebe Grüße,

Cray 1

 

Hallo, Cray 1,

da Du schon so viel zu verbessern, zu bedenken und zu überarbeiten hast, will ich hier nicht noch eine Liste nachtreten.
Allerdings würde ich Dir dringend empfehlen, Dich an einen der freundlichen Seltsam-Moderatoren zu wenden, damit der Tippfehler im Titel korrigiert wird. Das wäre ein guter Anfang.

Freundlichen Gruß,
Makita.

 

Allerdings würde ich Dir dringend empfehlen, Dich an einen der freundlichen Seltsam-Moderatoren zu wenden, damit der Tippfehler im Titel korrigiert wird. Das wäre ein guter Anfang.

Oh, danke für den Hinweis, ich neige zum schnellen Tippen und erwische dabei hin und wieder die Tasten nicht in der Reihenfolge, wie sie eigentlich gehören.

Grüße

Cray 1

 

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