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Die Flucht

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16.08.2021
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Die Flucht

Eines stand fest. Hartmut Samuel Ockelbeck, genannt Mutz, war heute nicht bereit, zu sterben. Es blieb ihm keine andere Wahl, als sich schnellstens zu beruhigen. Aber wo war Foster?
In eine solche Lage hatte er sich in seinen ganzen vierzehn Lebensjahren noch nie begeben. Doch er musste hier weg. Er würde es kein weiteres Mal aushalten. Gehetzt flog sein Blick über das Gelände. Sein Herz raste und er nestelte hektisch am Verschluss seiner Hosentasche herum. Mit der freien Hand ließ er behutsam die eiserne Hintertür des Gutshauses ins Türschloss klicken. Trotz des geschäftigen Treibens auf dem Bauernhof empfand er für den Bruchteil einer Sekunde ein Gefühl von erholsamer Stille.

Matschig sammelte der zähe Lehmboden den Regenguss der vergangenen Nacht in großen Pfützen. Aber der weite, blaue Frühlingshimmel kündigte für heute warmes und trockenes Wetter an. Einige Feldarbeiter krempelten schon die Hemdsärmel hoch. Mutz liebte den Geruch der feuchten Erde. Der lehmige Untergrund war nicht leicht zu bewirtschaften, doch in dem matschigen Zustand weitaus besser als im Hochsommer. Hatte die Sonne erst einmal die Feuchtigkeit aus dem schwammigen Boden herausgesogen, bildeten sich Risse und die Erde wurde hart wie Stein.

Mit zusammengekniffenen Augen suchte er den Gemüsegarten ab. Hier hinter dem Haus konnte ihn niemand entdecken. Glück gehabt, dachte er. Er war allein.
Nur Foster fehlte.
Sein Atem pfiff und der Brustkorb hob und senkte sich hektisch und unrhythmisch - gleich würde der Anfall ausbrechen. Das beklemmende Gefühl schnürte ihn bereits ein, kroch die Brust hoch und würgte seinen Hals.
Atme – beruhige dich – atme, beschwor er sich.
Tastend schob er seine Hand in die andere Tasche der Latzhose. Seine ungeduldigen Finger erfühlten das alte Kaugummi, das er gestern, am letzten Schultag vor den Ferien, hastig vor Unterrichtsbeginn aus dem Mund genommen hatte. Es klebte sekundenlang am Daumen, bevor er es am Innenstoff der Hosentasche abstreifte. Ein flüchtiges Grinsen huschte über sein Gesicht. Nur knapp war er damit einem erneuten Klassenbucheintrag entkommen. Herr Zirwulf, sein Klassenlehrer, hatte es auf ihn abgesehen, seit er im vergangenen Herbst während des Unterrichts schmatzend in sein Käse-Brot gebissen hatte. Er liebte Käse-Brote. Oftmals blieb keine Zeit für ein ausgiebiges Frühstück, wenn er schon vor Sonnenaufgang aufstehen musste, um auf dem Feld oder im Stall mitzuhelfen.
Tiefer in der Tasche erfühlte er das alte Baumwoll Taschentuch seines Großvaters. Er berührte sanft das abgewetzte Stück Stoff mit dem blauschwarz verschnörkeltem «S». Dass er mit Zweitnamen den Namen seines Opas trug, störte ihn kein bisschen. Jetzt waren schon acht Monate vergangen, seit man Mutz in den kratzigen abgetragenen Anzug seines Cousins Hans gesteckt hatte und er an das offene Grab getreten war.
Er zog das Taschentuch heraus und rümpfte die Nase. Es müffelte nach Käse-Brot und Kuhspucke. Er erinnerte sich, seine Hände daran abgerieben zu haben. Vor Schulbeginn war er zu den Milchkühen gelaufen, um nach dem Gebiss der alten Hetta zu sehen. Einer ihrer Zähne faulte. Zäher gelber Speichel sabberte aus ihrem Maul. Um die entzündete Stelle zu kühlen, hatte er taufrisches Gras von der Weide auf das eiternde Zahnfleisch gelegt. Hetta dankte es ihm mit einem erleichterten Muhen und rieb den riesigen Kuhkopf an seiner Schulter. Augenblicke wie diese bestätigten ihn in seiner Entscheidung, auch einmal Landwirt zu werden.
Aber nicht solch einer, wie sein Vater!

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als seine Finger das flauschige Pelzknäuel streiften. Er hatte es im Hühnerstall entdeckt. Als er feststellte, dass es kein zusammengekrümmtes Küken war, war seine Besorgnis dem Drang gewichen, das Fellknäuel zu behalten. Er trug es seitdem immer bei sich und hatte es Gloohkie getauft. Gloohkie konnte er alles erzählen – er war ein prima Zuhörer, ohne blöde Kommentare von sich zu geben. Wenn etwas einen Namen bekam, hatte es eine Seele. Davon war er überzeugt. Sein Vater gab noch nicht einmal den Tieren einen Namen.
Da, endlich, fanden seine Finger die kleine Spraydose mit dem pinkfarbenen Plastikmundstück. Er hatte die folgenden Schritte in den letzten zwei Jahren schon viele Male wiederholt. Schutzkappe vom Mundstück entfernen, langsam und tief ausatmen, Mundstück mit den Lippen umschließen und Sprühstoß auslösen. Es dauerte nur wenige Sekunden und sein Atem beruhigte sich spürbar. Die Muskulatur in den Bronchien entkrampfte sich. Auf sein Asthmaspray war Verlass.
Er steckte Foster zurück in seine Hosentasche und blickte sich um. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Er musste sich aus dem Staub machen, bevor sein Vater ihn fand. Das war die einzige Chance, der Viehauktion in Neudorf zu entkommen.
Mutz stieß einen Seufzer aus. Jeden ersten Freitag im Monat hielt man die Tierversteigerungen im benachbarten Neudorf ab. Dann bevölkerten Zugpferde, Milchkühe, Zuchtschweine, Legehennen und Wildgänse den alten Marktplatz. Sogar ein Teil der Flussuferpromenade wurde mit frischem Heu ausgelegt, Pfosten aufgestellt und Taue dazwischen gespannt, so dass kleine Parzellen entstanden. Hier trieben Gesellen das Mastvieh zusammen und jeder Viehhändler pries mit lauter Stimme seine Vierbeiner als die prächtigsten Tiere im Umkreis von ganz Neudorf an. Mutz hatte früh gelernt, dass man es bei einer Auktion besser bleiben ließ, sich gedankenverloren über den roten Bürstenschnitt zu wuscheln, wie er es immer gerne in unangenehmen Situationen tat.
Damals war alles sehr schnell gegangen. Der Hammer des Auktionators sauste mit kräftigem Schlag auf das hölzerne Stehpult, man zeigte auf ihn, Männer klatschten und für wenige Stunden war Mutz Besitzer eines stattlichen Zuchtbullen. Der Widerruf war schwer durchzusetzen und erforderte eine Menge Bürokratie - und wie so oft Ärger mit seinem Vater.
Sein Vater besuchte die Ausstellungen regelmäßig und verlangte, dass Mutz ihn begleitete. Aber anstatt über paarungswillige und makellose Zuchtbullen zu fachsimpeln, wie man von ihm erwartete, verkrampfte sich jedes Mal sein Magen. Er hatte nur Augen für die gestressten Tiere, die eine lange Anfahrt in beengten Transportern zurückgelegt hatten und ihn panisch aus blutrot unterlaufenen Pupillen anstarrten.
Diese Tage endeten immer gleich. Sein Vater bezweifelte, dass aus Mutz jemals ein tüchtiger Viehbauer werden würde, da er scheinbar zu verweichlicht war. Er war enttäuscht von sich, da er wieder einmal kein einziges Tier retten konnte und Vater und Sohn waren geschafft von dem ermüdenden Tagesverlauf, der genauso endete, wie es beide erwartet hatten.

Wie ein Storch überstieg Mutz jetzt die ausladenden Blumenkohlpflanzen, die seine Mutter im Winter gezogen und vor wenigen Tagen eingepflanzt hatte. Im Sommer würde der Blumenkohl in sattem Weiß glänzen und die mit Wasser vollgesogenen dunkelgrünen Blätter den zarten Röschen einen geeigneten Schutz vor der Sonne bieten. Bis zum Gartentor war es nicht mehr weit. Gleich hatte er es geschafft. Dann musste er nur noch den Feldweg entlanglaufen und schon würde er zu dem alten Brauhaus gelangen. Bis zum Spätsommer hatte das leerstehende Gebäude eine ideale Rückzugsmöglichkeit geboten. Es war sein geheimer Ort, wenn er genug von Vater und den vielen Pflichten hatte. Er nahm sogar in Kauf, dass er in dem alten Gemäuer ab und an der vorlauten Gina aus seiner Klasse begegnete. Manchmal war ihm dort auch Benno Renneberg mit den Tetzlaff Brüdern über den Weg gelaufen. Im Spätsommer hatten Handwerker mit Renovierungsarbeiten im alten Brauhaus begonnen und im Winter zog ein Fremder aus der Stadt dort ein. Vor Kurzem hatte dieser seine Frau mit Tochter nachgeholt.
Mutz fand zum Glück schnell eine neue Zuflucht. Einen Bauwagen. Er gehörte zu den Bauarbeitern, die an der Sanierung des Brauhauses gearbeitet hatten. Bei seinen Beobachtungen stellte er fest, dass der Wagen nur dienstags, mittwochs und donnerstags genutzt wurde. Hineinzukommen, war ein Kinderspiel. In Hutswing verschloss nie jemand seine Scheune oder den Schuppen. In dem Hohlraum der Sitzbank des Bauwagens, warteten seine Aufzeichnungen über moderne Viehhaltung.

Er hob seine Füße und gab sich Mühe, dass die Gummistiefel keine Abdrücke im Gemüsegarten hinterließen. Die Schuhsohlen quatschten auf dem matschigen und unwegsamen Boden.
«Hartmut Samuel Ockelbeck- verdammt, wo steckst du, Junge? Komm her, wir wollen los.»
Polternd zerriss die wütende Stimme seines Vaters die konzentrierte Stille. Mutz schreckte aus seinen Gedanken auf. Er verlor das Gleichgewicht. Verzweifelt ruderte er mit den Armen, um wieder zum Stehen zu kommen. Sein rechtes Bein landete unsanft im Kräuterbeet neben den Blumenkohlsetzlingen. Der gerade mit ersten hellgrünen Stängeln erwachte Schnittlauch sank traurig zu Boden. Mit dem linken Bein federte er sein volles Gewicht auf dem Oreganobusch ab. Das Profil seines Gummistiefels war deutlich in dem lehmigen Beet zu erkennen.
«Mist» entfuhr es ihm, «Mist, Mist, Doppel-Mist!» Was für eine Katastrophe!
Den Kräuter-und Gemüsegarten hatte seine Mutter mit Hingabe angelegt. Malisa Ockelbeck zog die Pflanzen in den Wintermonaten unter umgestülpten Einmachgläsern heran. Die teils seltenen Heilpflanzen wie Ysop, Tausendgüldenkraut und Yacon waren Ableger der Mutterpflanzen vom Alten Woodie. Er war froh, dass er meistens in der Schule war, wenn dieser eigenbrötlerische Kauz seine Mutter besuchte, der in einem winzigen Haus am Waldrand wohnte, das noch nie jemand zu Gesicht bekommen hatte.

Mutz lauschte den Geräuschen des Gutshauses nach, aber zwischen dem Küchenlärm und dem Hacken von Holz im Hof war die Stimme seines Vaters kein zweites Mal heraus zu hören. Automatisch fuhr er sich mit der rechten Hand über den Bürstenhaarschnitt. Dann gab er sich einen Ruck und wischte aufsteigende Schuldgefühle beiseite. Die Spuren waren verräterisch. Er begrub die Hoffnung, dass seine Mutter ihn, wie schon oft, vor seinem Vater in Schutz nehmen würde. Die missglückte Flucht durch das Kräuterbeet nahm sie ihm so oder so übel und eine Strafe war nicht zu umgehen. Er riss sich zusammen und stieg behutsam über die restlichen Gemüsepflanzen, damit nicht noch mehr bei seinem Ausreißversuch schiefging.
Endlich hatte er das Gartentor erreicht und schlüpfte hinaus.
Geschafft!
Der angenehme Teil des Tages konnte beginnen.

 

Hallo @KerBin,

auf in die zweite Runde.

Hier geht es schon mal vielversprechend los, hier wird gleich deutlich, dass das eine Kurzgeschichte ist und kein großangelegter Romanauszug.

Noch mal ein Hinweis, eine kleine Sensibilisierung:

Matschig sammelte der zähe Lehmboden den Regenguss der vergangenen Nacht in großen Pfützen. Aber der weite, blaue Frühlingshimmel kündigte für heute warmes und trockenes Wetter an. Einige Feldarbeiter krempelten schon die Hemdsärmel hoch. Mutz liebte den Geruch der feuchten Erde. Der lehmige Untergrund war nicht leicht zu bewirtschaften, doch in dem matschigen Zustand weitaus besser als im Hochsommer. Hatte die Sonne erst einmal die Feuchtigkeit aus dem schwammigen Boden herausgesogen, bildeten sich Risse und die Erde wurde hart wie Stein.

:Pfeif:

Das ist schon echt viel. Zumal du da auch doppelst: Lehmboden, lehmig, feucht, Feuchtigkeit ...

Was dann kommt, gefällt mir sehr gut. Wie er sich beruhigen will und dabei auf eine quasi-Reise durch seine Hosentasche geht, da bringst du mir Mutz auf originelle Weise näher, das habe ich echt gerne gelesen.

Nicht gefallen hat mir, wie der ansonsten tolle Absatz endet:

Aber nicht solch einer, wie sein Vater!

Aus mehreren Gründen: Zum einen wegen der ... Unsprachlichkeit - solch einer wie sein Vater -, so redet und denkt der doch nicht, der Mutz. Zum anderen wegen des Kommas, das da nicht hingehört :shy: Und insgesamt vielleicht einfach wegen der ... Plakativität ... ist das ein Wort ... der Aussage ... vielleicht würde es da auch schon helfen, das Ausrufezeichen wegzulassen, wenn du auf die Aussage selbst nicht verzichten magst ... vielleicht kannst du die aber auch wirklich einfach weglassen, im weiteren Verlauf wird ja eh noch deutlich, was er von seinem Vater hält.

...

Ah, okay, Foster ist sein Asthmaspray. Hm. Weiß nicht. Da fühle ich mich fast bisschen vergackeiert als Leser, so: Hihi, du dachtest wohl, der Foster ist eine Person. Denn bis zum jetztigen Zeitpunkt lenkst du mich da ja eindeutig in diese Richtung (Er war alleine. Nur Foster fehlte.). Überraschende Wendungen sind gut, falsche Fährten auch, aber eindeutige ... Vergackeierungen ... das mögen wohl die wenigsten Leser. Aber vielleicht ist das auch ein sehr subjektiver Eindruck und anderen geht es da anders.

Sein Vater besuchte die Ausstellungen regelmäßig und verlangte, dass Mutz ihn begleitete. Aber anstatt über paarungswillige und makellose Zuchtbullen zu fachsimpeln, wie man von ihm erwartete, verkrampfte sich jedes Mal sein Magen. Er hatte nur Augen für die gestressten Tiere, die eine lange Anfahrt in beengten Transportern zurückgelegt hatten und ihn panisch aus blutrot unterlaufenen Pupillen anstarrten.

Ja, gefällt mir echt gut, wie du Mutz anhand solcher Stellen charakterisierst.

Diese Tage endeten immer gleich. Sein Vater bezweifelte, dass aus Mutz jemals ein tüchtiger Viehbauer werden würde, da er scheinbar zu verweichlicht war. Er war enttäuscht von sich,

Hier lese ich das so, als ob der Vater enttäuscht von sich ist. Vielleicht kannst du da mit "Mutz selbst war enttäuscht von sich" oder so beginnen.

Tetzlaff Brüdern

Würde hier Tetzlaff-Brüder schreiben

In dem Hohlraum der Sitzbank des Bauwagens, warteten seine Aufzeichnungen über moderne

Komma kann weg

«Hartmut Samuel Ockelbeck- verdammt, wo steckst du, Junge?

Da fehlt ein Leerzeichen vorm Bindestrich

Was für eine Katastrophe!

Wer sagt das? Der Erzähler? Finde ich ein wenig unpassend, diese Wertung.

Den Kräuter-und Gemüsegarten

Leerzeichen nach dem Bindestrich

Leider fehlt mir jetzt die Zeit für ein sehr ausführliches Fazit, aber ... Ich habe das gerne gelesen. Da ist viel auf kleinem Raum passiert, das hat sich alles sehr liebevoll und detailliert gestaltet angefühlt, sowohl die örtliche Umgebung als auch Mutz' Innenleben. Sprachlich rhythmisch schön. Die Adjektive hab ich ja schon erwähnt.

Was mir jetzt am Ende aber noch mal sauer aufgestoßen ist, ist der falsche Köder, den du zu Anfang ausgelegt hast. Zu Beginn wurden nämlich meine Augen groß: Mein Gott, da ist einer in Todesgefahr! Jetzt, am Ende (ich bin ein wenig langsam heute morgen :Pfeif:), habe ich dann auch endlich kapiert, dass es sich da ja "nur" um die Foster-Sache gehandelt hat. Ja, okay, das kann natürlich tödlich enden, aber nu ja ... Ich dachte jedenfalls bis zum Ende, dass da noch eine größere Gefahr droht, und klar, du hast da gleich zu Beginn die volle Aufmerksamkeit des Lesers, aber zwischen Sterben und auf die blöde Auktion mitmüssen gibt es dann doch einen kleinen Unterschied und so werden meine Spannungserwartungen da ein bisschen enttäuscht.

Wie auch immer, ich muss los. Danke fürs Teilen und einen schönen Tag dir!

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola @KerBin,

dass Du in Deinem Profil etwas über Dich als Autorin ‚preisgibst‘, ist äußerst wichtig für das Verständnis des Textes. Bei ‚Ü50‘ + Jugendroman allerdings stutze ich – wenn das mal gutgeht.
Ja, und mein Leseeindruck hat diese Bedenken verstärkt: Du beschreibst sehr detailliert das Ländliche. Da scheint der Sachverstand durch, das wirkt gut durchdacht.
Ich meine jedoch, dass der Plot junge Leute nicht interessieren könnte. Was wird denen erzählt?
Der Prota will wegen dieses wirklich witzigen Vorkommnisses nicht wieder zur Viehauktion.
Einmal Zuchtbullenbesitzer zu sein reicht:D. Okay.

Und was noch? Immerhin hast Du ‚Spannung‘ getaggt! Und die konnte ich nicht entdecken, nirgendwo. Hat auch mit dem Titel zu tun: Der kitzelt Erwartungen, dramatische, unerhörte, die nicht erfüllt werden.

Meine Meinung ist, dass Du wirklich hervorragend schreiben kannst. Dass aber die Zielsetzung problematisch ist.

Ich habe hier noch ein paar Kleinigkeiten, die ich Dir zur Kenntnis geben möchte:

… Mutz, war heute nicht bereit, zu sterben.
Diese Dramatik passt zu ‚Flucht‘. Man darf gespannt sein. Immerhin: Sterben und Flucht!

April, April – es ist nur eine Arhythmie. Und der unauffindbare Foster ist ein Sprayfläschchen.
Ich habe keine Ahnung, mit welchen Scherzen man die Sympathie junger Leute gewinnt – sind es solche?
In Deinem Profil lese ich, Du bist Marketing-Leiterin. Gibt es privaten oder beruflichen Bezug zur Jugend? Weißt Du, wie und was die reden, ticken, tun?
Du führst die Leser in ländliches Idyll, schreibst von allem Möglichen, eben wie sich ein Städter das alles so vorstellt – mit Blumenkohlsetzlingen, eiterndem Kuhzahnfleisch etc.
Aber: Nix für junge Leute, mMn.

Es klebte sekundenlang am Daumen, bevor er es am Innenstoff der Hosentasche abstreifte.
Das Detaillierte liegt Dir, doch ob das jugendliche Leser schätzen? Ich würde diese Fähigkeit auf andere, ‚erwachsene‘, Themen richten.

Der lehmige Untergrund war nicht leicht zu bewirtschaften, doch in dem matschigen Zustand weitaus besser als im Hochsommer. Hatte die Sonne erst einmal die Feuchtigkeit aus dem schwammigen Boden herausgesogen, bildeten sich Risse und die Erde wurde hart wie Stein.
Schwierig. Die Jugend wird es nicht interessieren, die Alten wissen das. Die Autorin als von mir vermutete Städterin freut sich – so scheint es – das zu wissen;).
Käse-Brot
Käsebrot, Wurstbrot
Baumwoll Taschentuch
Sieht nicht gut aus. Vielleicht grobes T. o.ä.?

Er berührte sanft das abgewetzte Stück Stoff mit dem blauschwarz verschnörkeltem «S».
Straffen!
(Es ist nur so, dass wir alle unserem Alter entsprechend schreiben. An diesem beispielhaften Satz sehe ich, dass das auch auf Dich zutrifft. Die brennenden Herzen, die waren einmal.
Irgendwann wird man betulich, nur merkt man‘s nicht.
Freue mich schon jetzt auf schonungslose Kritik.
… bin offen für ehrliche und hemmungslose Kritik.
Nana, so dicke muss es nicht kommen. Sachliche Kritik reicht. Ist aber gut, dass Du andere Meinungen einholst, auch wenn die ev. schräg oder besserwisserisch rüberkommen. Du ziehst Deine Schlüsse – und das war‘s.

Aber nicht solch einer, wie sein Vater!
Das könnte man abschwächen, ohne Ausrufezeichen.
Vielleicht: Nur würde er es anders machen als sein Vater; und man könnte es verbinden mit seinen Plänen zur modernen Viehhaltung:
In dem Hohlraum der Sitzbank des Bauwagens, warteten seine Aufzeichnungen über moderne Viehhaltung.
(Das ‚warteten‘ will mir nicht gefallen, ‚In dem‘ > ‚im‘.)

Da, endlich, fanden seine Finger die kleine Spraydose PUNKTmit dem pinkfarbenen Plastikmundstück. Er hatte die folgenden Schritte in den letzten zwei Jahren schon viele Male wiederholt.
Mutz stieß einen Seufzer aus.
Ach nee, liebe KerBin. Seufzen war einmal. (Jugend, Spannung!)

Dann bevölkerten Zugpferde, Milchkühe, Zuchtschweine, Legehennen und Wildgänse den alten Marktplatz.
Ich störe mich an den Wildgänsen. In meiner Heimat landeten die zu Tausenden am Abend auf den Wiesen, um sich die Bäuche vollzuschlagen. Wieso keine (normalen) Hausgänse?

Er war enttäuscht von sich, …
Wer?

Im Sommer würde der Blumenkohl in sattem Weiß glänzen und die mit Wasser vollgesogenen dunkelgrünen Blätter den zarten Röschen einen geeigneten Schutz vor der Sonne bieten.
Fabelhaft geschrieben, nur eben für ein anderes Publikum.Trotzdem zu viele Adjektive.
Für ‚Jugend‘ unpassend, besonders nicht für ‚Jugend + Fantasy‘, pardon.

Der Brauhaus-Schlenker zerfasert den Text. Das ist uninteressant, zu viel Kleinzeugs; es geht doch nur um einen stillen Winkel für ihn.
Ich aber lese: Vor Kurzem hatte dieser seine Frau mit Tochter nachgeholt (!).
Und von Gina, irgendwelchen Brüdern und Tetzlaff – wozu?
Und: … dass der Wagen nur dienstags, mittwochs und donnerstags genutzt wurde.
Das muss kein Mensch wissen. Und Ysop und Yacon sind mehr als entbehrlich.


Dein Text geht noch weiter, doch hiermit will ich es gut sein lassen. Ich hoffe, Du verstehst meine Bedenken wegen des Jugend-Fantasy-Adventures. Mmn würde sich Dein schriftstellerisches Talent bei anderer Zielsetzung großartig entfalten.

Ich hoffe, mein Kommentar war weder zu schonungs- noch zu hemmungslos:)wir besprechen nur einen Text.

Grüße von mir!
José

 

Wow, lieber @Bas - das war wieder einmal sehr ausführlich. Ich habe die letzten Tage immer wieder deinen Kommentare gelesen und da ich diese dann auch versuche, direkt umzusetzen, dauert es dann immer ein wenig mit meiner Antwort. Aber es ist schon toll, wie das Fremd-Lesen das eigene Lesen/Schreiben hinterfragt und für mich echt viel Wert. Wirklich - an den Adjektiven muss ich arbeiten bzw. nicht arbeiten (nicht so viel) ... Es fällt mir noch zu wenig auf.

Diese Tage endeten immer gleich. Sein Vater bezweifelte, dass aus Mutz jemals ein tüchtiger Viehbauer werden würde, da er scheinbar zu verweichlicht war. Er war enttäuscht von sich,

Hier lese ich das so, als ob der Vater enttäuscht von sich ist. Vielleicht kannst du da mit "Mutz selbst war enttäuscht von sich" oder so beginnen.

Da auch @josefelipe die Stelle anmerkt muss ich wirklich noch mal ran.

Und mir gefiel natürlich gerade die Wendung mit dem Asthmaspray gut ..... aber ja, vielleicht müsste es etwas anderes sein, damit der Leser sich auch ernst genommen fühlt. Mal schauen....

Da ist viel auf kleinem Raum passiert, das hat sich alles sehr liebevoll und detailliert gestaltet angefühlt, sowohl die örtliche Umgebung als auch Mutz' Innenleben. Sprachlich rhythmisch schön.
Das hat mich sehr gefreut.

Vielen Dank noch einmal für Deine wertvollen Kommentare und Anmerkungen - bis bald einmal wieder!

Ich hoffe, mein Kommentar war weder zu schonungs- noch zu hemmungslos:)wir besprechen nur einen Text.
Lieber @josefelipe - genau das wollte ich ja und daher vielen Dank für Deine Offenheit. Eines hat mich hier besonders beschäftigt und ich denke, da gibst Du mir den richtigen Input:
Das Detaillierte liegt Dir, doch ob das jugendliche Leser schätzen? Ich würde diese Fähigkeit auf andere, ‚erwachsene‘, Themen richten.
Darum hat meine Antwort auch etwas gebraucht. Ich denke, da ist viel Wahres dran und ich muss mich an dieser Stelle, mit dem, wie ich diese Geschichte geschrieben habe, noch einmal hinterfragen. Vielen Dank für die klaren Worte an dieser Stelle und auch dafür:

Meine Meinung ist, dass Du wirklich hervorragend schreiben kannst.

Ich würde mich freuen, wenn Du weiterhin so schonungs- und hemmungslos ;) Texte beäugst. Ich hoffe, auf bald einmal wieder - schönes WE.

 

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