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Die Fratze der Wut
Und das Ende ist das entscheidende an der Geschichte. Und das Ende ist grau und verregnet. Doch das Wetter ist nur der Spiegel des Gemüts, Metapher für die Stimmung, Untertan des Zufalls der sich wiedermal rechtzeitig eingeschaltet hatte damit es passte, damit alles zusammenpasste.
Dabei hatte alles so gut angefangen. Der Himmel war so blau, die Sonne schien so schön. Die Vorfreude war so groß. Das Ziel: Der Ort, der Ablenkung vom Alltag versprach; der die Leichtigkeit des Seins zelebrierte. Beflügelt durch den Rausch der Drogen oder dem des Meeres. Angefeuert durch die Schreie der Möwen.
War der stärker werdende Wind ein Vorzeichen für den herannahenden Sturm? Warf das kleine Wölkchen einen Schatten auf das Kommende?
Sie sahen zwei Unfälle. Vor ihren Augen. Liveaufzeichnungen ohne Replay. Sie waren Zeuge. Gaben dem Polizisten Name und Anschrift erzählten kurz das Geschehene. Das wars schon? Gaben Name und Anschrift und erzählten kurz das Geschene...gaben Name und Anschrift und erzählten kurz das Geschene. Das wars schon!
Zufall? Glas splitterte, Blech flog. Blut floss ..noch nicht. Nein, das Publikum musste warten. Man zeigt nicht alles im Prolog.
Sie gingen an den Strand, spazierten in den Dünen, lagen in der Sonne, trafen sich mit Anderen, ..später. In gemütlicher Runde. Der Alkohol zauberte Lachen in die Gesichter. Ausgelassenheit verbreitete sich wie die Wärme des Feuers. Die Zeit verging im Flüge und schon war der Tag auch wieder rum.
Der nächste Tag versprach Hitze und hielt vorerst sein Versprechen. Der Duft von Sonnencreme und Meeresluft vermischte sich. Vereinzelt wagten sie sich ins Wasser oder jagten Bälle über den Sand. So war es gut, so sollte es sein, so könnte es bleiben. Ein kleines Wölkchen erschien am Himmel.
Der Abend kam und mit dem Untergehen der Sonne rüsteten sie sich für die Stadt des Frohsinns. Leuchtschilder, die wie Fangnetze Schwärme von Vergnügungssüchtigen einfingen, säumten die Straße. Mit den Gläsern füllten sich gleichermaßen auch die Tanzflächen. Feuchtfröhlich feierten sie sich selbst und das Leben. Sie sangen, tauschten Frivolitäten aus, schlossen schnelle Freundschaften und vergaßen die Last von Verpflichtungen und Konventionen die man im Alltag so oft auf den Schultern verspürt. Als die Musik ausging wurde weitergesungen. Auf der zusehens leerer werdenden Straße trennte sich die Gruppe.
Zwei begannen ein Gespräch mit anderen. Man flachste rum, schmiss sich Bemerkungen an den Kopf und lachte zusammen, anfangs. Doch wärend die einen immer lauter redeten, wurden die anderen immer ruhiger und zurückhaltender. Ein ungutes Gefühl im Bauch machte sich breit. Und bald bemerkten sie, dass in den Köpfen der anderen der kleine Schalter umgesprungen war der ihnen klarmachte weshalb sie eigentlich gekommen waren. Aus lustigen Sprüchen waren längst wüste Drohungen und Beleidigungen geworden. Schwer zu ertragen doch manchmal ist es besser darüber hinwegzusehen, es zu schlucken. Doch wegsehn hilft nicht gegen blinde Raserei.
Die anderen wurden mehr.. Einer tat sich hervor. Seine Augen funkelten. Sein Gesicht war verzehrt, Stimme und Bewegungen wirkten abgehackt. Als er redete war er der einzige.
Sein Kopfstoß kam überraschend, die Situation geriet in Bewegung. Die Grenze war überschritten doch die Fronten waren unklar. Der Getroffene schwankte und fasste sich betäubt unters Auge. Ungläubig betrachtete er das Blut in seiner Hand. Nur langsam nahm die Realität ihren Weg ins Bewusstsein. Mit dem Bewusstsein kam die Wut. Er warf suchend, gehetzte Blicke nach dem Peiniger. Da tauchten die Freunde wieder auf, noch lauthals singend die Situation noch nicht erfasst. Als sie langsam begriffen begann sich die Hitze des vergangenen Tages auch in ihren Gesichtern zu spiegeln. Die hässliche Fratze der Wut wollte raus. Der Strudel begann sich schneller zu drehen. Schwindelerregend, Adrenalin, Eskalation? Einige diskutierten, einige liefen, einer rannte. Er rannte denn er hatte einen Fehler begangen. Mit seinem Kopfstoß hatte er den Reigen eröffnet. Er wurde verfolgt, doch er merkte es nicht.
Mit Gewalt hatte es begonnen aber mit Gewalt sollte es nicht enden. Polizisten hielten ihn fest. Die Gruppe war zerstreut. Der Geschädigte musste her. Nur mühsam konnte er sich zusammenreißen. Er kämpfte mit sich selber. Die roten Stellen auf seinem T-Shirt verstärkten seine Zorn über das Unrecht das ihm wiederfahren war. Jetzt funkelten seine Augen in Rage.
Eine Anzeige musste her. Ansonsten könnten die Polizisten nichts machen. Ohne diese müssten sie ihn wieder laufen lassen. Sie bekräftigte ihre Absicht die Anzeige erstatten zu wollen so oft die Beamten fragten. Sie gaben dem Polizisten Name und Anschrift und erzählten kurz das Geschehene...gaben Name und Anschrift und erzählten kurz das Geschene... Das wars schon. ..? Sie fragten was nun passieren würde.
Man würde den Täter mitnehmen.
Sie äußerten Bedenken heil zurück zu kommen, der anderen wegen.
Sie sollten rennen wenn was passiert.
Sie gingen.
Am Auto trafen sie den Rest und kehrten aufgewühlt in ihre Bleibe zurück.
Schlafen konnten sie noch nicht. Zu frisch waren die Ereignisse. Der Suff schmiedete blutige Pläne, ermunterte zu großen Reden, überwand Grenzen...innere Grenzen. Die Schmach war groß und der Ruf nach Vergeltung vereinte sich zum mächtigen Chor. Pazifist ist man nur so lange es einen selbst nicht trifft. Der Hass trieb die rachsüchtigen Phantasien in ungeahnte Höhen. Es wurde geflucht doch Geschehenes kann man nicht ändern. Es lag nun in anderen Händen Gerechtigkeit auszuüben.
Zu Ruhe kam man erst als die Vögel schon wieder zwitscherten.
Dann begann es zu regnen..
Der nächste Tag war grau und nass. Die vergangene Nacht hallte dumpf in den Köpfen. Man beschloss die Heimreise anzutreten. Doch vorher wollte man Unklahrheiten beseitigen. Ein paar Fragen waren noch offen.
Auf der Wache zeigte man sich erstaunt. Ein Vorfall war nicht bekannt. Die Beamten suchten in ihren Unterlagen. Tatergang? Vergeblich. Täter? Nicht bekannt. Es fand sich nichts.
Aber man hatte doch Anzeige erstattet? Nicht auf der Wache, aber die Polizisten hatten alles vor Ort aufgenommen.
Das geht nur auf der Wache?
Aber sie hatten doch auch auf eine Anzeige bestanden? Sogar die Polizisten selber. Das hätten sie doch sagen müssen? .. Was könnten sie denn nun tun? ..Nichts?
Denn was war schon passiert? Das tägliche Übel. Der Schaden gering. Alkohol auf beiden Seiten. Unstimmigkeiten. Ein geringes Übel verglichen mit anderem. Routiniert abgehandelt.
Niemand sprach es aus. Vielleicht wurde es nicht mal bewusst gedacht. Aber es drückte sich im Handeln der Beamten aus. Es wirkte wie blanker Hohn auf die Rechtstaatlichkeit, auf die obligatorischen Belehrungen, auf gepredigte Gewaltlosigkeit, auf "Prevention statt Repression".
Dies war der falsche Weg um den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen. Dies würde den Stammtischparolen Auftrieb geben. Dem Geschwätz von Sühne und Rache. Dem Gerede von dem eigenen Weg, den mit dem man die Sachen selbst in die Hand nehmen würde. Warum verstand das keiner?
Die Wut kehrte zurück. Die Ohnmacht gegenüber dem Geschehenen. Das Vertrauen war entäucht worden. Sie fühlten sich hilflos im Angesicht des ihnen Wiederfahrenen. Niedergeschlagen verließen sie die Wache.
Die Heimreise war ruhig. Es regnete fast ununterbrochen. Sie redeten nicht viel und kamen gut zu Hause an.
Somit schließt sich der Kreis und wir sind wieder am Anfang der Geschichte angelangt.
Doch als ich Anfangs vom Ende sprach hab ich nicht ganz die Wahrheit gesagt. Es endete nicht ganz so grau. Zu Hause angelangt, brach der Himmel auf und ließ ein wenig Sonnenlicht durch. Ein kleines bisschen, nicht viel, aber genug um bemerkt zu werden und genug um die Mienen wieder ein wenig zu erhellen. Die Geschichte muss nicht schlecht ausgehen. Die Menschen müssen nur die richtigen Schlüsse ziehen.