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Die Frau im Keller

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19.06.2001
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Die Frau im Keller

DIE FRAU IM KELLER

Als sie hörte, wie sich die Tür öffnete, kauerte sie sich instinktiv an die Wand und begann an was Schönes zu denken. Schmetterlinge vielleicht, oder Tageslicht. Seit wann sie hier in der Dunkelheit festgehalten wurde, wußte sie nicht mehr. Sie hatte irgendwann aufgehört, die Tage zu zählen. Und irgendwann hatte sie auch die Hoffnung begraben, vielleicht gerettet zu werden. Sie hörte, wie ER sich ihr näherte. Und so sehr sie auch versuchte, rechtzeitig ihre Augen zu schließen, wurde sie doch jedes Mal wieder von dem grellen Licht geblendet, welches kurz vor ihrem Gesicht urplötzlich aus dem dunklen Nichts erschien. Kaum hatte sie sich von dem Schock erholt, wurde ihr von IHM die Maske über das Gesicht gezogen. Dann begannen die Schläge und Tritte. Anfangs hatte sie geschrien, aber das hatte ihren Peiniger noch wütender, noch gieriger gemacht. Sie hatte mit der Zeit gelernt, stumm zu leiden. Als ER für einen kurzen Moment von ihr abließ, konnte sie ein wenig Luft holen und sich auf das nun folgende vorbereiten. Sie dachte an Schmetterlinge. Und an Tageslicht. Was für eine Farbe hatte ein wolkenloser Himmel? Da war nichts menschliches, als ER in sie eindrang. Kalt und hart. Sie konnte den stinkenden Atem spüren, das verächtliche Stöhnen hören. Das höhnische Lachen, als ER fertig war. Ihr wurde unsanft die Maske vom Gesicht entfernt. Als die Tür sich wieder schloß, dachte sie immer noch an Schmetterlinge. Gibt es die überhaupt noch? Sie tastete sich durch den dunklen Keller, sie glaubte zumindest, daß es ein Keller war. Ihre Hände schoben sich langsam und zitternd nach vorn. Dann hatte sie ihre Tagesration gefunden. Es schmeckte wie verschimmeltes Brot. Sie konnte das nicht genau bestimmen. Sie aß nicht alles. Ein kleines Stück ließ sie für ihren weiteren Mitbewohner übrig. Irgendwann hatte sie bemerkt, daß sie nicht allein war. Eine Maus hatte sich in dieser Trostlosigkeit niedergelassen. Es dauerte seine Zeit, aber die Maus war zutraulich geworden. Sie pfiff leise durch die Zähne. Kurz darauf hörte sie ein Rascheln und leise, tapsige Schritte kamen in ihre Richtung. Dann hüpfte die Maus auf ihren Arm und sie fütterte sie. Für einen kurzen Moment empfand sie so etwas wie Freude. Als die Maus wieder verschwunden war, umhüllte sie wieder die Einsamkeit der Dunkelheit. Ein qualvolles Warten begann, welches immer durch das Auftauchen von IHM beendet wurde. Der Ablauf wiederholte sich immer und immer wieder. Vergewaltigung. Nichts. Maus. Warten. Und wieder Vergewaltigung. Sie hatte den Raum durchsucht, nach etwas scharfem, um dem ganzen ein Ende zu machen. Doch ER war wohl klug genug gewesen, alle Gegenstände zu entfernen, die seinem abartigen Trieb ein vorschnelles Ende bereiten könnten. Die Verweigerung von Nahrung stand sie nur zwei Tage durch. Sie hatte mal einen Freund gehabt. Verdammt, wie hieß er noch gleich...

Parker waren die Fragen gleichgültig geworden. Seit sechs Jahren saß er am selben Fall und seine Karriere hatte irgendwann einfach aufgehört, Karriere zu machen. Seit er diesen verdammten Entführungsfall übernommen hatte. Verdammte Sarah Hope. Er hatte sich damit abgefunden, daß sie bereits tot war, nie wieder auftauchen würde. Aber er hatte nicht mit der Hartnäckigkeit von Sarah´s Eltern gerechnet, die ihn jeden Tag mit Fragen überschütteten. Er konnte ihnen nur wieder und wieder die gleichen Antworten geben. "Wir suchen noch.", "Wir tun alles, was wir können.", "Sie müssen uns vertrauen." Er war es leid, in die verzweifelten Gesichter zu sehen. Aber dennoch konnte er sich nicht überwinden, einfach aufzugeben. Parker begann die Akten zu durchforsten. Wie seit sechs Jahren schon.

Sie hatte die Pein wieder hinter sich gebracht. Als sie das Essen entdeckte, befand sie sich kurze Zeit später in Gesellschaft der Maus und hatte ein wenig Abwechslung. Sie dachte wieder an ihren Freund, an ihre Eltern, an ihr früheres Leben. Doch meistens dachte sie an den Tag ihrer Entführung, den Beginn ihres Leidens. Als sie die Straße entlang lief. Als das Auto neben ihr hielt. Als sie das Tränengas ins Gesicht bekam. Der Moment, als sie in völliger Dunkelheit aufwachte. Das erste Mal, als ER ihr die Maske über das Gesicht zog. Die Tränen, die sie vergossen hatte. Das Flehen und Betteln. Und als Antwort nur Gelächter, Schläge und Demütigungen. Sie zuckte zusammen. Die Maus hatte sie mit ihren scharfen Zähnen gebissen. Eher unterbewußt hatte sie die Hand geschlossen, auf der die Maus saß, als diese ihre tägliche Mahlzeit einnahm. Sie mußte wohl ziemlich fest gedrückt haben, als sie an ihre Vergangenheit gedacht hatte. Sie öffnete ihre Hand und die Maus lief davon. Erst jetzt bemerkte sie, wie etwas warmes ihren Finger herunterlief. Blut. Die Maus hatte sie verletzt. Sie lachte. Hätte jemand neben ihr gestanden, so hätte dieses Lachen wie das Krächzen einer Irren geklungen. Sechs Jahre Einsamkeit und Qualen hatten ihre Spuren hinterlassen. Und dann hatte sie eine Idee. Sie konnte nur hoffen, daß die Maus wieder zu ihr kam.

"Wir haben ihn, Cole!" sagte Deckard völlig außer Atem zu Parker. "Wir haben die Drecksau!" Parker verschluckte sich beinahe an seinem Sandwich. "Was? Wen haben wir?" wollte er wissen. "Sarah Hope. Wir haben den Entführer."

Sie saßen im Wagen. Wie konnte das ihnen nur entgangen sein? Sechs verdammte Jahre. "Wie bist du drauf gekommen, Deckard?" Deckard sah in den Rückspiegel und konnte Parkers fassungsloses Gesicht sehen. "Glaub mir Cole, mir geht es genauso wie dir. Um deine Frage zu beantworten, wir waren im Center und haben dort die übliche Routine vollzogen. Fragen gestellt, Fotos gezeigt. Der Verkäufer aus der Drogerie hat uns den entscheidenden Hinweis gegeben. Kauft doch dort ein Kerl tatsächlich sechs Jahre lang Kondome, ohne daß man ihn je mit einer Frau gesehen hat. Ein Typ, der einen kleinen Laden betreibt, in der Innenstadt. Antiquitäten und so´n Kram. Cole, seit sechs Jahren! Und uns ist das völlig entgangen!" Cole nickte und sagte mit leiser Stimme: "Hoffen wir, daß es nicht zu spät ist." Hoffen, daß es nicht zu spät sei. Selbst wenn Sarah die sechs Jahre überlebt hätte. Hatte sie überhaupt noch ein Leben?

Sarah hörte, wie die Maus sich ihr näherte. Es dauerte eine Weile, bis die Maus sich auf ihren Arm setzte. Kein Wunder, nachdem Sarah sie das letzte Mal beinahe erdrückt hatte. Sarah dachte noch einmal zurück an ihr Leben vor dem Untergang. Und als sie die Maus tötete, glaubte sie zu wissen, wie ein wolkenloser Himmel aussah. Gelb, sicherlich würde er gelb aussehen. Voll von Schmetterlingen. Und dann verhalf ihr eine tote Maus zu ihrem größten Glück seit sechs Jahren.

"Sehen Sie ihn sich genau an!" sagte Tripplefood zu Cole, als ER abgeführt wurde. "Das sind die Schlimmsten. Nach außen hin die absoluten Biedermänner. Und wenn sie die Tür hinter sich schließen, tragen sie Windeln und fressen ihre eigene Scheiße. Mein Gott!" Sie waren ungefähr eine Stunde zu spät gekommen. Als ER verhaftet wurde, zeigte ER keine Reue, nur Unverständnis. "Sir? Wir sollten Sarah´s Eltern es nicht übel nehmen, wenn sie den Kerl umbringen." Tripplefood packte Parker am Arm. "Sie wissen doch, wie das abläuft. Unzurechnungsfähigkeit. Der ganze Scheiß!" Cole Parker lief eine Träne über sein Gesicht. "Aber sie hat noch einen Willen gehabt. Sie war stark, bis zum Ende. Wären wir nur früher darauf gekommen." "Ja Cole, Sarah war eine starke Frau. Mein Gott, sie hat sich mit Mäusezähnen die Pulsadern aufgeschnitten." Parker und Tripplefood blickten zum Himmel hoch. Wolken zogen auf. "Die Welt ist krank, Cole!" sagte Tripplefood zu Parker. "Ja Sir! Kann nicht jemand die verdammte Spülung betätigen, und den ganzen Abfall den Bach runterlassen?" Tripplefood lächelte. "Glauben Sie mir Parker, diesen Jemand gibt es nicht. Und wenn, hätte er so etwas zugelassen?" Er sah hinüber zu dem Krankenwagen, in dem die Leiche von Sarah geschoben wurde. "Würde er so etwas zulassen?" Er bekam keine Antwort. Es begann zu regnen. Tripplefood sah Parker an. "Lassen Sie uns einen trinken gehen." Als ob das was nützen würde...

ENDE

copyright by Poncher / SV (Februar 2000)

Ich hatte nur einfach Bock, mal wieder was hier reinszustellen. Nehmt es mir nicht übel!

 

Also ich muß sagen, eine sehr gute und vor allem nachdenkliche Geschichte. Sie hat mir sehr gut gefallen. Die grausamkeiten der Menschen und des Lebens werden hier verdeutlicht.
Leider steht sie in der falschen Rubrik.

Ad Astra KAAPP@web.de

 

Cole Parker: Ich finde, das ist einer der ganz typischen amerikanischen Namen, ständig anzutreffen für den selben Menschenschlag... Damit mir eine Geschichte gefällt, muss sie neu sein, nicht typisch.
War doch nicht persönlcih gemeint!

kc

 

hi,ich finde dies ist eine gut gelungene kurzgeschichte.sie sezt mitten im geschehen an und das ist ein wichtiges merkmal von kurzgeschichten.der schluss ist ebenfalls gut gewählt und zudem ist dir story gut zu lesen und spannend.
katja

 

@ Ben Lieber Ben! Kannst du bitte all die unnötigen Kommentare löschen?!? Meine inkludiert, weil das hat mit der Story hier nix mehr zu tun. Aber dieser selbsternannte Kasperl nervt nur noch!!!
Man sollte wirklich selber merken, wann man lästig wird.

@ Poncher Ich habe gerade die Geschichte fortgesetzt! Da habe ich den nächsten ne harte Nuss gegeben, glaube ich! ;)

 

Ohne mir die anderen 1000 Kritiken dazu angesehen zu haben: Ich denke, diese Geschichte ist richtig gut gelungen. Ich weiß nicht, ob jemand sechs Jahre lang so Etwas aushalten kann, ich weiß auch nicht, ob die Behörden nach sechs Jahren immer noch Befragungen zu einem Fall durchnehmen, aber das ist hier garnicht wichtig. Sehr krass, wie du in dem kurzen Text die sechs Jahre so lang erscheinen lassen hast! Ein anderes Ende hätte da Ganze ziemlich abgeschwächt, aber das passt einfach perfekt! Ein sehr schwieriges thema sehr gut umgesetzt. So, und nun lese ich mal die anderen Kritiken...

 

Wieso bloß immer wieder diese Interventionen, die einfach sehr ätzend sind? Wie wäre es mit einem "Ich beleidige Dich und Du mich - Thread" ?
@credosupernova: Ich denke, es ist verdammt schwer, überhaupt noch ein Thema zu finden, daß nicht schon in tausend Serien, Büchern und Filmen behandelt wurde. Wenn Du gesagt hättest, die Atmospäre der Geschichte sagt Dir nicht zu, wäre das verständlicher, als sich über die Geschichte zu ärgern, weil es ein abgelutschtes Thema sei. Ich finde, die Idee ist sehr intensiv umgesetzt. (Gut, die Namen lassen wir dabei mal weg - mit englischen Namen kann man einfach immer zu viel in Verbindung bringen).

 

Das Thema mit den neuen Ideen habe eigentlich ich aufgebracht - und werde immer noch missverstanden!

Also: Mit neuen, nicht abgelutschten Ideen meinte ich nicht, dass etwas völlig neues erschaffen werden sollte, so wie es vor hundert Jahren die Zeitmaschine war, sondern, dass eigene, kreative Ideen ein "gewöhnliches" Genre neu beleben sollen.
Vereinfacht ausgedrückt: Der Erzähler gibt nicht das Thema vor, sondern die Geschichte selber, WIE er erzählt und WAS er erzählt.
Dann kann man auch aus einer Vampirgeschichte noch was originelles, witziges, kreatives, nachdenklich machendes, etc. herausholen!

 

Apropos Vampirgeschichte: eine wirklich gute Umsetzung des Themas ist Amelia Atwater-Rhodes: In den Wäldern tiefer Nacht! Kurz und bündig und einfach gut. Die Autorin war dreizehn, als sie das Buch schrieb - unbedingt reinschauen!

 

Sollte das ein Witz sein? Eine Frau die sich durch Mäusezähnen umbringt. Ist da die Phantasie mit dir durchgegangen?
Warum hast du sie nicht durch ständigem luftanhalten oder Zunge verschlucken sterben lassen?

 

... und wieder eine bestechend feinsinnige Textanalyse! Wir sind beeindruckt... <IMG SRC="smilies/sleep.gif" border="0">

 

@Rainer!
Könntest du mal deinen hochnäsigen Sarkasmus mal lassen? Der nervt tierisch!

 

Verfasse EINMAL eine gute, sachliche, fundierte Kritik, dann können wir reden! Vorher nicht...

Der revolutionäre Rat hat wichtigeres zu besprechen

 

Ich weiß noch nicht, ob ich eine meiner Geschichten hier reinstelle. Ich will ja nicht euer Niveau anheben!

 

Dein Edelmut rührt mich zu Tränen...

Keine Geschichten reinstellen, keine Kritiken schreiben, aber meckern - du bist mir ja ein Herzchen! :mad:

 

Wunder gibt es immer wieder!
Wer hat denn nochmal diesen alten Schinken geträllert? Ich weiss es nicht mehr!
Ich glaube wir können da lange warten, bis uns dieser Samson aus meinem Heimatfreistaat mal was zum Frass vorwirft!

Und jetzt mal das einzige Komische an diesem ass!
Habt ihr schon mal seine E-Mailadresse gelesen? Samsonraucher!
Echt cool! Ich rauche nämlich auch Samson!
Und noch etwas! Mailing ist ungefähr fünfzehn Kilometer von meiner Wohnung entfernt! Echt geil sag ich da bloß!

 

Boa, zu soichen Nochboan gratulier i oba gaunz heazlich!!! :D

 

Mich würde sakrisch intressieren, wer dieser Blödel ist, ich hab nämlich schon in Mailing Fussball gespielt!

 

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