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Die Gedanken eines Betrogenen
Ich tauche ein. Ein grauer, nebliger Vorhang, eine Welle unscheinbaren Stoffes zieht vorüber und noch ehe es im Nichts verschwindet, tauche ich ein, schwimme auf der Woge ins Dunkel. Schwarze Punkte trennen sich, zerstreuen sich und schwinden bald vollends…
Ob er gerade an mich denkt? Wie gern ich jetzt bei ihm wäre. Ich möchte gern wissen was er gerade macht. Er meldet sich gar nicht. Bestimmt hat er zu tun. Und wenn nicht? Wenn er ganz woanders ist? Dort wo ich ihn vielleicht nicht vermuten würde… Er hat gesagt, er denkt an mich, doch wann, wie oft und wie lange? Wie schnelllebig ist solch ein Gedanke, wie schnelllebig ein Gefühl, wie unsicher die Gewissheit.
Die Woge treibt mich und zieht mich hinab ins Tal der Zweifel, ins Tal der Vergangenheit. Ich hebe einen Stein und sehe wie er sie in den Armen hält, ich sehe durchs Dickicht und all die Lügen offenbaren sich mir in einer neuen Dimension. Die Wörter entkleiden sich und stehen in einer unverfrorenen, harten Wahrheit vor mir. Und ich will nicht, dass sie losziehen und sich vereinen zu einem neuen Bild unter einem dieser Steine. Doch sie tun es, und ich folge ihnen in der Hoffnung, irgendwann das Ende des Tals erreicht zu haben, das Ende der Zweifel.
Das Wasser ist kalt geworden, es treibt mir Stiche in mein Herz. Ich muss weiter schwimmen- ans Ufer. Dort wartet er, jetzt. Er zieht mich aus dem Wasser und schließt mich in seine Arme. Alles ist in Ordnung, nicht vergessen, aber in Ordnung. Er weiß nicht woher ich komme und wozu sollte er es auch erfahren. Er kann unmöglich vergessen machen, was geschehen ist. Alles was er tun kann ist dort am Ufer stehen zu bleiben. Dann wird hoffentlich irgendwann die Angst zurückbleiben, dann wird sie nicht mit mir ans Ufer treiben, sondern bleibt zurück bei meinem letzten Besuch im Tal der Zweifel. Die Angst er könnte nicht mehr am Ufer stehen wird dann zu einem verlorenen Gedanken unter einem dieser Steine, die ich nun nicht mehr anzuheben brauche.
Doch es wird wieder dunkel um mich herum. Der Vorhang schließt sich und eine Stimme reißt mich aus meiner Gedankenwelt: „Telefon, es ist für dich.“