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Die Gehirnschuld

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24.04.2003
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Die Gehirnschuld

Sieh nicht nach oben. Auf keinen Fall schau in den Himmel!

Und als er es doch tat, da stellte sich die Götterdämmerung als Triaden explodierender Regenbögen heraus, deren Farbfontänen gewaltig auf die Erde peitschten, um alles und jeden zu verdorren.
Elias begriff nicht, weshalb etwas so Wunderschönes seiner vor ihm laufenden Mutter die Beine abriss und das Fleisch verkohlte.

"Es geht Ihnen schlecht, nicht wahr?"
Der Mann war ein stiller Schatten im Winkel seiner geröteten Augen. Mal links, dann wieder rechts. Kristallklar klang seine Stimme, als wäre Elias ein roher Diamant und die peinliche Befragung bloß der letzte Schliff, um einen guten Bürger aus ihm zu formen.
"Sehr ... schlecht."
Jetzt befand der Schatten sich wieder rechts. Elias wagte nicht, seinen Kopf zu drehen.
"Nun, es wird schlimmer. Da kann man nichts machen. Glauben Sie mir, ich habe es weißgott versucht, aber ohne die Pain ist Menschen wie Ihnen leider nicht zu helfen."
Der Schatten löste sich auf.
"Nochmal aufdrehen!"
Und als der elektrische Strom Elias Schläfen durchfräste, als treffe eine Säge auf Holz, verlor er unter herzerweichendem Schreien sein Bewusstsein.

Manchmal denke ich, es könnte anders sein.
Du hast es aber doch gesehen.
Ja, habe ich.
Dann hör auf mich. Anders geht nicht.
Wer bist du eigentlich?
Dein Verstand, vielleicht.
Wir sprechen nicht wirklich miteinander.
Nein, da hast du Recht.
Was willst du von mir?
Du hast sie gesehen, die Götterdämmerung?
Ja, aber ich begreife sie nicht. Was war die Götterdämmerung?
Riesige Sternenschiffe, mein Freund. Sie feuerten vom Weltraum aus.
Weshalb habe ich überlebt?
Du hast dich in dieser Höhle versteckt. Kannst du dich nicht erinnern?
Ich ... keine Ahnung.
Mach dir keine Sorgen. Bald wirst du dich erinnern.

"Wie geht es Ihnen heute?"
Diesesmal gab es keinen Schatten. Der Mann stand direkt vor seinen Augen und Elias Pupillen weiteten sich vor Entsetzen.
"Ich weiß, scheußlicher Anblick, sein eigenes Antlitz zu sehen, nicht wahr?"
Das konnte unmöglich ein Spiegel sein. Es war ...
"Das ... bin ... ich?"
"Ja, noch immer. Obwohl wir Sie wohl ziemlich übel zugerichtet haben. Tut mir Leid. Also, mein Freund, jetzt, da alles aus ist: Was können Sie mir über die Götterdämmerung erzählen?"
Elias schluchzte heftig.
"Aber ich weiß doch nichts."
"Das ist leider tragisch!" - Der klare Stimmkristall wurde von einem wütenden Schmettern gesprengt, das in den Ohren schmerzte.
"Sehr, sehr tragisch, mein Freund, denn es gibt kaum noch Stellen, an denen du Schmerz empfinden könntest. Reicht es dir nicht, wenn ..."
"Weshalb sietzen Sie mich denn nicht ..."
"Halt dein Maul! Soll ich dir was sagen? Du bist fertig mit der Welt. Am Ende."
Eine Hand packte seinen Nacken. Ein Wirbel knackte.
"Schau in den Spiegel! Genauso, wie du in den Himmel gesehen hast, und sag mir, was du erkennst!"

Ich glaube, die Erinnerung kehrt langsam zurück.
Na, siehst du. Alles halb so schlimm.
Doch ich habe so viele Fragen.
Denk an deine Mutter. Ihr hat es beide Beine abgerissen.
Aber daran trug doch die Götterdämmerung Schuld.
Meinst du? Sind also immer die anderen Schuld?
Das nicht, aber ...
Die Sternenschiffe sind wegen dir aufgetaucht, weil du in den Himmel gesehen hast.
Aber ... ich wollte das doch nicht.
Jetzt weine nicht. Es gibt ja eine Möglichkeit, es wieder gut zu machen.
Doch wie?
Die Kommandozentrale der Befehlshaber. Sie tragen eine Mitschuld. Du musst sie auslöschen.
Wie komme ich zu ihnen?
Ganz einfach: Verlasse diese Höhle.

"Gute Nachrichten. Gleich wird es Ihnen wieder besser gehen."
Elias versuchte sich erfolglos auf dem Stuhl auszustrecken.
"Sie sietzen mich wieder. Allein dies ist schon so schön."
Der Schatten sprang von einer Seite zur anderen.
"Aber es kommt noch besser. Wir haben Ihr Äußeres vollkommen regenerieren können."
"Das ist soooo ... schöööön."
"Machen wir es doch mit einem Countdown."
"Ja, das würde mich freuen."
"Also, ich zähle jetzt von zehn rückwärts, und Sie sind wieder ganz der Alte. Zehn."
Elias Angst begann zu weichen.
"Neun."
Er konnte es ...
"Acht."
... wieder gutmachen.
"Sieben."
Die Stimme war unheimlich ...
"Sechs."
... kristallklar.
"Fünf."
Sie hatten ihm die nötige ...
"Vier."
... Waffe gegeben.
"Drei."
Alles würde jetzt wieder ...
"Zwei."
... ins Reine kommen.
"Eins.
Sie sind wach."

***

Er hatte einen grauenvollen Traum gehabt und fühlte sich wie gerädert. Die Menschenmassen um ihn herum machten Elias nervös.
Selbst der Fahrstuhl war voller Leute. Kaum auszuhalten.
Plötzlich bekam er eine undefinierbare Angst, seiner Mutter könnte etwas geschehen sein. Sie war eine tiefreligiöse Frau. Beide Gedanken standen in keinem Zusammenhang. Wie kam er auf solchen Unfug?
Im Büro gab es dermaßen viel zu tun. Elias ging es bereits scheußlich, wenn er nur daran dachte. Und dann dieser Termin.
"Ihr Gast wäre jetzt da."
Elias zögerte, ehe er die Gegensprechanlage betätigte.
"Nun, er möchte doch bitte gerne hereinkommen."
In seinem Hirn arbeitete es heftigst. Gast, Gast, Gast ... Gast! Da war es wieder. Vor der Sitzung noch einige private Worte wechseln. Ganz unoffiziell natürlich. Russland und sein Machtgehabe und ... warum fiel ihm das Denken so schwer?
"Schön, dass es ohne Reibungen geklappt hat. Kommen Sie doch bitte ... möchten Sie etwas trinken?"
Elias öffnete seinen Aktenkoffer.
"Ich habe dieses Brausepulver. Ich hoffe, Sie sind erfreut. Ich habe es bei einem kleinen Händler gekauft, der die Spezialitäten Ihres Landes ... man will ja auch nicht immer bloß Kaffee ... ich kann die Schrift zwar nicht entziffern, aber Sie können mir höchstwahrscheinlich sagen, ob ich eine gute Wahl ... na, dann ist die Überraschung ja gelungen."
Elias ging zu dem Sodaspender und warf einen flüchtigen Blick nach draußen.
Seltsam ... der Himmel sah so bunt aus.
"Ich lasse nur noch etwas Wasser ins Glas, Herr Minister, und ..."

Eine gewaltige Explosion erschütterte das Gebäude der vereinten Nationen.

 

Hi Cerberus

Ja, ich bin überfordert. Und immer wieder erstaunt, wie gut sich manche Leute mit der Bibel auskennen.
Ich nämlich gar nicht.

Also entweder Außerirdische, Terroristen, Drogen oder Gehirnwäsche.

Drogen lehne ich ab. Du erzählst ja immerhin von einem Minister, der rennt nicht auf LSD durch den Wald.
Terroristen und Gehirnwäsche würde ich in einem Atemzug nehmen. Die gewaltige Explosion hätte dann auch einen politischen Querverweis zum 11 Sep.

Aber bevor ich weiter spekuliere: Ich habe keine Ahnung. Bin aber gespannt, denn spannend war es trotzdem, auch wenn ich nichts gerallt habe.

bestenGruß

 
Zuletzt bearbeitet:

@Zerbrösel-Pistole

Gehirnwäsche?

Darauf soll es hinauslaufen. Daher auch: Plötzlich bekam er eine undefinierbare Angst, seiner Mutter könnte etwas geschehen sein. Sie war eine tiefreligiöse Frau. Beide Gedanken standen in keinem Zusammenhang. Wie kam er auf solchen Unfug?

Man hat ihm eingeredet, er hätte Schuld am Tod seiner Mutter (obwohl sie tatsächlich noch lebt) und dabei den Zusammenhang zum Christentum ausgenutzt, da er selbst in einer streng katholischen Familie aufgewachsen ist.

Edit: Drogen?

Da sag ich nicht nein :D

@lea victoria

Wenn ich mich Recht erinnere, war Elias ein Prophet, der mit einem "Feuerwagen" (hier Sternenschiff?) zu seinem Gott in die Höhe fuhr, bin mir aber nicht mehr so sicher, ob ich die hebräischen Propheten da nicht durcheinanderbringe - und selbst wenn du an einen Prophetenzausel gedacht hast, lag dir sicher nichts daran, eine bibeltreue Nacherzählung zu schreiben, da würde "Götterdämmerung" eh nicht reinpassen, sondern vielleicht eine Assoziationskette für den Leser ins Dunkle des Textes zu legen.

Das passt perfekt.
Irgendwie macht mir mein Unterbewusstsein manchmal fast schon Angst.
Ich hab mich im Nachhinein auch gefragt, weshalb ich ausgerechnet den Namen Elias gewählt habe.
Ich bin nicht sehr Bibel bewandert, hab aber vorhin bei Wikipedia nach Elias gesucht. Deine Erinnerung stimmt also.

Irgendwie habe ich bei deinen Verhördialogen dauernd Richard Burton und John Hurt vor Augen.

Gibt es eine "schönere" Folterszene als die bei 1984?
Zugegeben: Hier war nicht mein Unterbewusstsein im Spiel.
Ich bin von diesem Film und dem Buch nach wie vor so tief beeindruckt, dass alles andere keine grausamere Folter mehr sein kann, als die bei 1984.
Das musste einfach irgendwie miteinfließen.

Soll das die Brücke nach Wallhalla sein?

Ich dachte dabei eher an "Rainbow Islands", ein Arkadespiel aus den achtziger Jahren, in dem der Spieler ... :D
Na gut, eigentlich hab ich mir dabei gar nichts gedacht.
"Explodierende Regenbögen" ... ich mag einfach die Vorstellung davon.

Danke euch beiden fürs lesen und kommentieren.


EDIT:

@Aris

Typischer Fall von Überschneidung.

Ich hoffe, durch meinen Kommentar wird es etwas deutlicher.
Der Minister ist übrigens der Gast, also nicht der Protagonist, der den Minister in die Luft sprengt.

 

typischer Fall von falsch gelesen. Die Dikussion ob man den Inhalt so verschleiern muss, möchte ich mit dir jetzt und hier nicht führen, da es anscheinend auch nur ich gerade nicht raffe, während andere sogar in dein Unterbewusstsein schauen können und mehr über die Geschichte wissen als du :D

Aber jetzt wird es etwas klarer, ja. Lag ich mit den Terroristen ja doch nicht so falsch.

Gruß

 

Hallo Cerberus,

ehrlich gesagt habe ich überhaupt nicht verstanden worum es geht.
Auch der Stil hat mir nicht gefallen.

Agimar

 

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