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Thema des Monats Die geschlossene Tür

Seniors
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31.10.2003
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Die geschlossene Tür

Für uns Jungs gehörte es damals, Anfang der Siebziger, schon zu unserem Alltag, nackt durch den Garten zu springen und lachend zu versuchen, den eiskalten Fontänen der Rasensprenganlage auszuweichen.
Unsere Eltern waren der Freikörperkultur angetan, und daher war diese Tatsache nichts Außergewöhnliches. Bis zu jenem Tag, an dem wir Adam Krüger im Nachbargarten entdeckten.

Die Krügers waren vor nicht ganz einer Woche in das leerstehende Zechenhaus neben unserem gezogen, und es vergingen lediglich zwei Tage, bis mehrere Männer, die wir hier im Ort noch nie zuvor gesehen hatten, einen mannshohen Bretterzaun zwischen unseren Grundstücken errichteten.
Ich kann mich noch wie heute daran erinnern, wie Mama und Papa an der Tür zum Hinterhof gestanden und den Kopf geschüttelt hatten. Niemand von den Krügers stellte sich bei uns oder einem anderen in der Straße vor, kein nachbarschaftliches „Hallo!“, und erst recht keine Erklärung für diesen Zaun.

Das jetzige Krüger-Grundstück, mit seinem verwilderten Garten und den gewaltigen Tannen, hatte uns Kindern immer als Gelände für die schönsten Piraten- und Indianerspiele gedient, und somit war die Enttäuschung natürlich groß, als es hieß, es zöge jemand dort ein. Und als dann auch noch dieser Zaun entstand, da war es, als vertriebe uns jemand aus einem Land, das wir vor langer Zeit einmal erobert hatten.
Wir versuchten des Öfteren, eine Stelle im Holzzaun zu finden, durch die wir in den Krügergarten lugen konnten, aber das Ding war so dicht wie eine hermetisch abgeriegelte Betonmauer.

Dann kam der Tag, an dem Rudi einen kleinen Plastikkoffer mitbrachte, auf dem ein grinsender Kerl mit Latzhose und einer Säge in der einen, einen Schraubendreher in der anderen Hand, abgebildet war.
Wieder einmal war es hochsommerlich heiß, und das stetige Tackern des Rasensprengers bildete beinahe eine beruhigende Symphonie mit dem gelegentlichen Zirpen der Grashüpfer.
Peter und ich saßen, ausnahmsweise einmal mit einer Badehose bekleidet, auf einer grauen Decke vor einer Landschaft aus Matchboxautos, von denen ich einige erst zwei Tage zuvor zu meinem zehnten Geburtstag bekommen hatte.
Wir blickten auf, als Rudi mit hochrotem Kopf von seinem klapprigen Rad sprang und „Hey, Leute!“ schrie.
Ich hob die Brauen, als er mit diesem seltsamen Koffer mit dem grinsenden Kerl darauf zu uns rüberrannte und sein dicker Bauch unter dem viel zu kurzen T-Shirt hervorschwappte.
Wortlos schob er ein paar Matchboxautos beiseite, ließ sich auf die Decke fallen und legte den Koffer zwischen uns.
„Was is’ das denn?“, fragte Peter, während Rudi ihn schelmisch angrinste.
„Damit werden wir uns einen Spion bauen!“
Als keiner von uns etwas erwiderte, öffnete Rudi sein Präsent. Zum Vorschein kam ein Plastikfach mit einem Handbohrer, einer kleinen Säge, einem Schraubendreher und einem Zollstock.
„Wow!“, sagte ich. „Wo hast ’n das her?“
„Mein Alter hat’s vom Flohmarkt. Und, was sagt ihr?“
Weder Peter noch ich trauten uns, die Utensilien zu berühren. „Was hast du damit vor?“, wollte Peter nach einer Weile wissen.
„Hab ich doch gesagt, wir bauen ’nen Spion.“ Er deutete auf den weißen Holzzaun. „Woll’n doch mal sehen, was da so Geheimnisvolles 'hinter ist.“
Ich grinste über beide Ohren. „Rudi, du bist spitze“, sagte ich ehrfurchtsvoll.

Es dauerte scheinbar ewig, bis Rudi mit Hilfe des viel zu kleinen Handbohrers mehrere winzige Löcher in Kreisform von der Größe eines Colaflaschenbodens in eines der Holzbretter gebohrt hatte. Ich versuchte daraufhin die winzigen Zwischenräume mit dem Schraubendreher herauszubrechen, während mir der Schweiß den Rücken hinunterlief.
Wir hatten uns für unsere Arbeit eine Stelle ausgesucht, die etwas abseits hinter einem dichten Rhododendronbusch gelegen war, um nicht Gefahr zu laufen, von Mutter durch das Küchenfenster entdeckt zu werden.

Endlich war es geschafft, und es gab den ersten Streit, wer von uns zuerst hindurchgucken durfte. Wir einigten uns auf Rudi, da er das entsprechende Werkzeug mitgebracht hatte, woraufhin ich mich ein wenig murrend zur Seite stellte, da es sich ja immerhin um den Garten meiner Eltern handelte.
„Und?“, fragte ich mit verschränkten Armen vor der Brust. „Was siehste?“
Zunächst antwortete nur Rudis Keuchen. Ich blickte auf seinen von der Sonne geröteten, dicken Nacken, während sein Körper einen undefinierbaren Geruch ausströmte, der mich irgendwie an Schlaf erinnerte.
„Da sitzt einer. Habt ihr gewusst, dass die ein Kind haben?“, fragte er leise ohne sich umzudrehen.
Meinen plötzlich ansteigenden Herzschlag konnte ich nur auf die innere Anspannung zurückführen, schließlich war es logisch, dass wir über kurz oder lang dort drüben jemanden gesehen hätten.
„Lass mich jetzt auch mal!“ Peter drängte Rudis massigen Körper zur Seite und bückte sich, um durch das Loch zu blicken. „Wow“, entfuhr es ihm. Er drehte sich um. „Mensch, Rudi, dagegen bist du ja ’ne Bohnenstange.“ Er lachte leise, blickte noch einmal hindurch. „Was für ’n Schlachtschiff.“
Endlich war ich an der Reihe. Ich versuchte, mir meine Aufregung nicht anmerken zu lassen als ich mein Auge dicht an das Loch presste.
Unser ehemaliger Piratengarten wirkte um einiges gepflegter als ich ihn in Erinnerung hatte, der größte Teil der Bäume und Sträucher war verschwunden, das Gras frisch gemäht. Ein seltsam aussehender Vogel hockte auf einer Holzbank und in wenigen Metern Abstand davor ein nackter Junge.
Er saß mit dem Rücken zum Zaun auf der Wiese, und sein gewaltiger Leib wirkte wie ein Gebirge aus gebleichtem Fleisch.
Der im Gegensatz zum Körper klein wirkende Kopf war mit einem hellblonden Schopf bedeckt, der an die verschwitzten Locken eines Babys erinnerte. Auf dem Fleischberg zeigten sich bereits die ersten Auswirkungen der Sonnenstrahlen, die sich in einem sanften Rosa an einigen Stellen äußerten. Ich schluckte; noch nie zuvor hatte ich einen derart dicken Jungen gesehen.
„Was tut er?“ Rudis Frage ließ mich zusammenzucken.
Ja, was tat er eigentlich? Ich versuchte, genauer hinzusehen, doch waren da nur die sich sanft auf und ab bewegenden Fleischmassen seines Rückens. Die Hände selbst konnte ich nicht ausmachen.
„Was tut er?“, fragte Rudi erneut.
„Ich kann es nicht erkennen.“
Jetzt zuckte der Rücken und ein leises Kichern kroch zu uns herüber. Ich schreckte zurück und hockte mich neben den Zaun.
„Was war?“, keuchte Peter.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich glaube, er hat gelacht.“
Rudi und Peter starrten mich fragend an. „Na und?“
Ich versuchte zu lächeln, als mir die Peinlichkeit meiner Überreaktion bewusst wurde. Gerade wollte ich erneut durchblicken, als Peter bereits sein Gesicht abschirmte.
„Scheiße“, murmelte er. „Der Fettsack ist weg.“
Jetzt drängte ich mich ans Loch und tatsächlich. Da, wo noch vor Sekunden ein nackter Junge gigantischen Ausmaßes hockte, war nur noch das platt gesessene Gras zu erkennen. Ich ließ den Blick schweifen, doch konnte ich durch den eingeschränkten Winkel lediglich einen Teil des Gartens ausmachen. Und da war er nicht. Der Vogel, der auf der Bank gesessen hatte, war verschwunden, und nur noch das rhythmische Tackern des Rasensprengers hinter meinem Rücken war zu hören.
Ich wollte mich gerade wieder umdrehen, als etwas in meinen Augen blitzte. Irgendetwas glänzte auf dem platten Gras in der Sonne.
Ich versuchte zu erkennen, um was es sich handelte, doch je nach Blickwinkel war es entweder verschwunden oder so hell, dass es in den Augen schmerzte.
„Da ist was auf der Wiese“, sagte ich, als ich mich umdrehte.
Rudi schob sich vor. „Sieht aus wie Brei und noch was anderes, das glänzt“, sagte er nach einer Weile.
Peter sah mich belustigt an. „Brei?“
„Ja, irgendwas Flüssiges.“ Er drehte sich zu uns um. „Könnte auch Blut sein.“
Und genau in diesem Moment manifestierte sich ein Gedanke in mir: Wir mussten da rüber!

* * *

„Bist du bescheuert?“ Peter schüttelte den Kopf. „Was, wenn uns einer erwischt.“
„Ja, zum Beispiel der Fettsack“, mischte sich Rudi ein und zog das T-Shirt über seinen dicken Bauch.
„Wir warten einfach, bis die Krügers weg sind. Irgendwann müssen sie ja mal wegfahren.“
„Vielleicht sind sie ja auch noch weg“, rief Rudi aufgeregt. „Als ich vorhin kam, war das Auto nicht da.“
Wir überprüften Rudis Aussage, und tatsächlich stand der rote VW-Käfer der Krügers nicht in der Einfahrt.
„Was ist mit dem Dicken?“, fragte Rudi.
„Wenn er kommt, hauen wir einfach ab“, sagte ich. „Bis der seine Massen in Bewegung gesetzt hat, sind wir längst wieder raus.“
Peter lachte und boxte Rudi auf den Oberarm.
„Arschloch“, sagte dieser.
„Los, kommt. Ich will wissen, was da auf dem Gras ist.“
Peter sah mich an. „Was, wenn sie wiederkommen?“
„Hm …“ Er hatte Recht. Ich überlegte kurz. „Rudi, du bleibst hier. Und wenn du den Wagen die Straße raufkommen siehst, pfeifst du zweimal.“
„Ich will aber auch da rein.“
„Willst du etwa, dass sie uns alle erwischen?“
„Nee.“
„Na also.“ Ich schlug Peter auf die Schulter, und wir gingen durch das kleine Gartentor, während Rudi hinter unserem Rücken schmollte.

Der Weg führte am Haus vorbei in Richtung Garten, und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass es hier kälter war, als noch vor dem Tor.
„Scheiße, ist das kalt hier“, sagte Peter wie zur Bestätigung.
Kurz darauf hatten wir das Ende des Hauses erreicht. Der Garten lag direkt vor uns, und vorsichtig sahen wir um die Hausecke.
Ich rechnete jederzeit damit, in das plötzlich auftauchende Gesicht des dicken Jungen zu blicken, und die Haut in meinem Nacken zog sich zusammen.
Von hier aus konnte ich die Stelle, an der er gesessen hatte, nicht erkennen, da ein vertrockneter Busch die Sicht versperrte.
„Soll’n wir wirklich da rein?“ Peters Stimme war so leise, dass ich Mühe hatte, ihn zu verstehen.
„Ich geh rein“, sagte ich ebenso leise. „Wenn du willst, kannste ja hier warten.“ Innerlich hoffte ich, dass er es nicht tun würde, denn so ganz wohl war auch mir nicht bei der Sache.
„Mitgefangen, mitgehangen“, murmelte er nur.

Gebückt rannten wir zu einem dicken Strauch, der uns auch früher bei unseren Piratenspielen immer als Versteck gedient hatte, und warfen uns in seinem Schatten auf den Boden.
„Scheiße, dass sie so viele Bäume weggemacht haben“, zischte Peter.
Innerlich stimmte ich ihm zu, wenn ich auf die weitläufige Rasenfläche zwischen uns und der Holzbank blickte, auf der vorhin der Vogel gesessen hatte.
„Meinst du, der Fettsack ist im Haus?“ Peter deutete auf das weiß getünchte Krüger-Haus.
Ich sah eine Tür, die einen Spalt breit offen stand, ein winziges, vergittertes Fenster daneben.
„Wenn er kommt, teilen wir uns auf. Du rennst rechts, ich links an ihm vorbei. Und jetzt will ich wissen, was er da drüben gemacht hat.“
Ich ging in die Hocke, sah noch einmal zurück zum Haus – hatte sich die Tür gerade bewegt? – dann rannte ich los, gebückt wie ein alter Indianer, hinüber zum vertrockneten Busch in der Nähe der Bank. Peter folgte.
Von hier aus war der untere Teil des Hauses nicht mehr zu sehen, doch sah ich stattdessen, was da vor der Bank im Gras glänzte.
Langsam gingen wir näher heran.
Peter schob mich beiseite. „Ist das ein Anspitzer?“
Ich nickte, doch viel mehr erschreckte mich das, was drum herum das Gras bedeckte.
„Rudi hatte Recht“, flüsterte Peter. „Da ist Blut.“

Ein Knall weit hinter uns ließ Peter und mich gleichzeitig aufschreien. Geistesgegenwärtig sprangen wir zurück hinter den vertrockneten Busch.
Ich spürte Tränen in meinen Augen, hatte das unbändige Bedürfnis, auf der Stelle loszuheulen. Wenn ich jetzt allein gewesen wäre, hätte ich nach meiner Mutter gerufen. Warum war ich nicht allein?
Ich sah Peter an, der mit roten Wangen durch das Gebüsch hindurch auf das Haus starrte. „Es war die Tür.“ Er blickte nicht auf. „Sie ist jetzt zu.“
„Lass uns abhauen.“ Ich wartete Peters Reaktion nicht ab und rannte los, sah das Haus, das immer näher kam, den Weg, über den wir vor Minuten gekommen waren und auf dem es kälter war, als vor dem Haus selbst.
Kurz bevor ich den Weg erreichte, griff jemand nach meiner Schulter und riss mich herum. Erneut wollte ich schreien, doch dann erkannte ich Peter, der seinen Finger vor den Mund hielt und mich wieder Richtung Gebüsch zog.
„Es war nur die Tür“, sagte er leise, als wir hinter dem Strauch in Deckung gegangen waren.
„Aber vielleicht ist er rausgekommen“, wimmerte ich.
„Siehst du ihn irgendwo?“
Hektisch sah ich mich um. Peter hatte Recht, der Dicke war nirgends zu sehen. „Ja und“, sagte ich. „Wir haben alles gesehen, was wir wollten.“
„Aber was ist mit dem ganzen Blut?“
„Vielleicht hat er sich mit dem Anspitzer seinen Pimmel eingeritzt.“
Peter grinste. „Dann muss der ja ziemlich klein sein.“
Jetzt schmunzelte auch ich, und langsam kroch die Panik aus meinem Körper heraus, um irgendwo, weit weg zu verschwinden.
„Und, was hast du vor?“
Peter schien zu überlegen. „Mich würd’ interessieren, wie’s da drin aussieht.“ Wieder grinste er.
„Du spinnst.“ Er grinste weiter. „Du willst nicht wirklich da rein?“
„Schiss?“
Ich überlegte. Klar hatte ich Schiss, vermutlich hatte ich mir bereits in die Hose gemacht, als vorhin die Tür zugeschlagen war.
„Also, ich geh rein. Kannst ja hier warten.“ Er stand auf.
„Sollten wir nicht Rudi Bescheid sagen?“
Peter winkte ab. „Der ist bestimmt schon abgehauen. Also, kommste mit oder nicht?“
Ich hatte auf einmal das Gefühl, als würde einer von mir verlangen, von einem hohen Baum in einen Stacheldrahtzaun zu springen. Langsam stand ich auf. „Okay, geh’n wir.“

Vor der Tür überkam mich wieder diese Kälte; sie schien vom Haus selbst zu kommen. Vorsichtig berührte ich den Stein und zuckte erschrocken zurück. Tatsächlich war die Wand eiskalt.
Peter tastete unterdessen über die Tür, deren dunkler Lack an den meisten Stellen abblätterte und wie geborstene Hautlappen herabhing. Peter berührte den Knauf, rüttelte vorsichtig daran.
„Lass es lieber sein“, krächzte ich. Die Gewissheit, dass unser Handeln falsch war, schien mich in diesem Moment ersticken zu wollen. Ich keuchte, sog pfeifend die Luft ein. „Es ist doch egal, was er gemacht hat.“ Ich wusste nicht, ob Peter mich überhaupt gehört hatte.
„Sieh dir das hier mal an.“ Er deutete auf den Boden vor der Tür.
Als ich seinem Blick folgte, entdeckte auch ich die winzigen roten Tropfen neben ein paar herabgefallenen Lackresten.
„Mit Sicherheit ist er hier rein“, sagte Peter.
Ich wollte es gar nicht mehr wissen.
Peter drückte an der Tür, und als sie aufsprang, spürte ich ein heißes Pulsieren in meinen Waden, welches in meine Blase schoss und sich dort rasend schnell ausbreitete. Ich merkte, dass mein Mund offen stand, merkte den feuchten Tropfen, der sich einen Weg über meine Lippe bahnte, als Peter die Tür weiter aufschob.
„Oh, mein Gott“, wimmerte ich. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals solche Angst gehabt zu haben.
Immer fester presste ich mich mit der Schulter gegen die Wand des Hauses, die Kälte machte meine Haut taub, doch gab sie mir auch eine Art Sicherheit vor dem, was da hinter der Tür hauste.
Ein Poltern schlug uns entgegen, Peter blickte erschrocken zu mir herüber. Und dann ging alles rasend schnell.

Noch heute sehe ich in jedem meiner Träume Peters Gesicht, seinen Blick – fragend? – entsetzt, als die fleischige Hand aus dem Türspalt hervorschoss und sich blitzartig um den Hals meines Freundes krallte. Ich sehe die zu einer blutigen Spitze geformten Fingerkuppen ohne Nägel, ohne Haut. Nur die grauen Knochen. Ich sehe den glänzenden Anspitzer im Gras liegen – „Vielleicht hat er sich seinen Pimmel eingeritzt“ – Nein, es war nicht der Pimmel! – sehe das Blut, das an einem Grashalm herabrinnt.
Ich glaube, Peter wollte noch etwas rufen, als er im gleichen Moment durch die Tür ins Innere gerissen wurde. Der dumpfe Knall der zuschlagenden Tür ließ Lackreste wie winzige Papierflieger zu Boden rieseln.

* * *

Niemals wieder habe ich den Garten der Krügers betreten, niemals habe ich einen von ihnen gesehen, und so wurde auch das Geheimnis um Adam Krüger niemals aufgeklärt.
Die Polizei hatte das Haus durchsucht, doch fanden sie nicht den geringsten Hinweis auf Peter. Noch Wochen später grinste mich sein Foto, welches ihn mit einem spitzen Hütchen bei seinem neunten Geburtstag zeigte, auf unzähligen Plakaten an.
Seine Familie zog noch im selben Jahr von hier fort, und irgendwann verschwanden auch die Plakate.
Die Krügers packten ebenfalls etwa ein Jahr später ihre Sachen. Man munkelte, ihr Sohn sei schwer erkrankt und müsse in einer speziellen Klinik behandelt werden. Ein halbes Jahr nach ihrem Auszug wurde das alte Krüger-Haus abgerissen, um Platz für die erste U-Bahn-Trasse, die durch unseren kleinen Vorort ging, zu schaffen.

Jetzt, fast vierzig Jahre später, stehe ich hier am Grab meines alten Freundes Rudolf. Wir hatten den Kontakt zueinander nie ganz abgebrochen, doch beschränkte er sich in den letzten Jahren auf sporadische Telefongespräche in unregelmäßigen Abständen.
Was damals genau an der Gartentür des Krügerhauses geschah, habe ich ihm nie erzählt. Ich glaube, er wollte es auch gar nicht wissen. Er hatte einfach hingenommen, dass einer seiner Freunde nicht mehr da war.
Als ich ihn sehr viel später einmal darauf ansprechen wollte, sagte er nur: „Mein lieber Freund, ich denke, nicht jede Frage muss beantwortet werden.“ Und dabei war es geblieben.
Auch ich habe inzwischen gelernt, dass manche Türen einfach geschlossen bleiben sollten …

 
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Ob unser lieber Hanniball das Thema so gemeint hat, weiß ich gar nicht.
Ich habe auch lange überlegt, wie ich es umsetzen sollte (ja, Tama, überlegen tu ich lange, schreiben schnell :D), und so ist mal wieder eine kleine "Kindergeschichte" entstanden (wo ich ja weiß, dass du Kindergeschichten so magst, Hanniball :Pfeif: ;) )

Viel Spaß!

 

Hi Salem,

hat mir im großen und ganzen gut gefallen, spannend geschrieben auf jeden Fall.
am ende kommt es mir dann etwas so vor, als hättest du es eilig gehabt sie ferig zu kriegen.

ein paar sachen hätte ich aber doch:

1.Warum sind sie nackt, was spielt ihre nacktheit für eine rolle? dass der dicke junge nackt ist okay, aber dass die jungens nackt auf das nachbar gelände spazieren finde ich irgendwie seltsam.
2.nachdem du irgendwo den namen des dicken genannt hattest, habe ich irgendwie erwartet, dass da noch mehr über ihn oder seine familie kommt, dass man den namen wissen müsste. ansonsten fände ich es besser, den namen nicht zu nennen.
3.da sein kumpel peter ja tatsächlich verschwunden ist, finde ich die reaktion des polizisten, nach der hausdurchsuchung

sie sollen mir mal ordentlich die Hammelbeine lang ziehen.
unwarscheinlich. aber man weiß ja nie.

und den noch:

als es hieße, es zöge jemand dort ein
passt glaub ich nicht.

also ein spannender mitternachtshappen, mit einem für mich nicht ganz befriedigenden ausgang.

beste grüße
krilliam Bolderson

 

Hi Mr. Bolderson.

Mitten in der Nacht ließt du Geschichten, faszinierend :D
Zu deinen Anmerkungen:
1. Die Nacktheit sollte lediglich dem Einstieg dienen. Eigentlich sind sie hinterher nicht mehr nackt. Werde ich aber nochmal nachbessern.
2. Ups, du hast Recht. Ursprünglich existierte ein leicht abgewandeltes Ende, in dem der Name nochmal kurz erwähnt wurde. Nachbesserung folgt auch hier.
3. Die Reaktion des Polizisten sollte zeigen, dass sie in dem Haus nichts gefunden haben. Dem Prot wird nicht geglaubt, und früher wurde mit so einer Situation etwas lapidarer umgegangen.


Zitat:
als es hieße, es zöge jemand dort ein
passt glaub ich nicht.
Hm... Nicht?

Danke auf jeden Fall für deinen späten Kommentar.

Gruß! Salem

 

Hi Salem

unweigerlich ist die Assoziation zu Kings Stand by me angeklungen. Aber das ist in diesem fall eine positive Erscheinung.
Spannend, ist für mich das Wort, was deine Kg am prägnantesten beschreibt.
Du hast das so ergreifend hinbekommen, dass ich wahrlich mit den Bengeln mit durch den Garten geshclichen bin. Für mich hat jedes Wort gesessen.
Auch das Ende finde ich gut, denn die Nüchternheit rechtfertigt sich durch Titel und letzten Satz.

Der, im Gegensatz zum Körper, klein wirkende Kopf, war mit einem hellblonden Schopf bedeckt
ich glaub, das Komma ist hier überflüssig

gerne gelesen
weltenläufer

 

hi Salem,

ich nochmal.

als es hieße, es zöge jemand dort ein
ich denke es ist: "als es hieß, es zöge dort jemand ein"
ich kenne die ganzen fachbegriffe nicht, aber das hört sich für mich richtiger an.

ja, manchmal lesen sie auch Nachts.

gruß
krilliam

 

Hi weltenläufer.

unweigerlich ist die Assoziation zu Kings Stand by me angeklungen.
Jaja, dieser Film wird mich mein Leben lang begleiten ...:shy: Ein Werk, das mich schon als Jugendlicher gereizt hat, und das sich wohl in einigen meiner Geschichten widerspiegelt (siehe: "John Patchs Leiche")

Spannend, ist für mich das Wort, was deine Kg am prägnantesten beschreibt.
Das freut mich. Vielen Dank!

Auch das Ende finde ich gut, denn die Nüchternheit rechtfertigt sich durch Titel und letzten Satz.
Da hast du Recht. Man sollte allerdings den Begriff "Tür" nicht unbedingt wörtlich nehmen.

Zitat:
Der, im Gegensatz zum Körper, klein wirkende Kopf, war mit einem hellblonden Schopf bedeckt
ich glaub, das Komma ist hier überflüssig
Klingt logisch. Wird geändert!

Vielen Dank für deinen Kom!

Gruß! Salem

@krilliam

Zitat:
als es hieße, es zöge jemand dort ein
ich denke es ist: "als es hieß, es zöge dort jemand ein"
ich kenne die ganzen fachbegriffe nicht, aber das hört sich für mich richtiger an.
Da bin ich jetzt auch überfragt. Für mich klingt beides richtig. Kann jemand helfen???

 

Hallo Salem

Vorneweg, hat mir insgesamt gut gefallen.

Aber, auch ich stutzte bei der folgenden Passage:
"Die Polizei hatte das Haus durchsucht, meinen Eltern später gesagt, sie sollen mir mal ordentlich die Hammelbeine lang ziehen."

Ich meine, da verschwindet ein Junge, der Prot wird wohl der Polizei/ den Eltern (zwar nicht ganz) die Wahrheit erzählt und von Peters Betreten des Krügerhauses berichtet haben.

Die Krügers existierten für alle sichtbar, sind aber plötzlich verschwunden. Da würden wohl auch hartgesottene Erwachsene stutzig werden. Ausser die Polizei weiss mehr, als sie zu sagen gewillt...huhuuu.
:)

Prima Lesevergnügen für die Mittagspause.

@hiesse, hiess
(ja,ja, CH Tastatur)
'hiess' klingt für mich auch besser. Kann es aber ebenfalls nicht regeltechnisch untermauern.

Gruss
dot

 

Hallo Salem,

ich finde es eigentlich klar, dass es "hieß" heißen muss.

In der Tat, seeehr spannend. Wäre es nicht diese Rubrik würde ich bis bis zum Zuschlagen der Tür keinen Krümel Horror wahrnehmen. danach wird's ein wenig gruselig, erst am Schluss schlägt sich der Horror Bahn. Ich liebe solche Steigerungen. Erst alles normal, dumme Jungs (sorry, wollte Dir nicht zu nahe treten, aber nur dumme Jungs gehen in anscheinend schreckliche Häuser), dann wird's seltsam und schließlich die Krönung. Hätte ja gerne etwas mehr über die Krügers erfahren. Die kommen aus dem Nichts und verschwinden ins Nichts. Und was da im Haus eigentlich vor sich gegangen ist. Aber - passt auch so.

Dies hier noch:

Die Krügers waren vor nicht ganz einer Woche in das leerstehende Zechenhaus neben dem Haus meiner Eltern gezogen. Es hatte genau zwei Tage gedauert, bis mehrere Männer, die wir hier im Ort noch nie zuvor gesehen hatten, einen mannshohen Bretterzaun zwischen unseren Grundstücken errichteten.
Ich kann mich noch wie heute daran erinnern, wie Mama und Papa an der Tür zum Hinterhof gestanden und den Kopf geschüttelt hatten. Niemand von den Krügers hatte sich vorgestellt.
Die Zeiten mögen korrekt sein, aber das kommt dann dabei raus...

aber das Ding war so dicht, wie .
ohne Komma

Herzlichen Gruß
nic

 

Untermauerung: Tempusformen. Die Geschichte ist in der Vergangenheit geschrieben. Der Konjunktiv, also die Möglichkeits, bezieht sich ja nicht darauf, dass es heißen könnte, es würde jemand einziehen, sondern nur auf das Enziehen. Deshalb hieß. Es hieß (oder es gab das Gerücht), es würde jemand einziehen (zöge jemand ein).

Ich lese es später. ;)

Lieben Gruß, sim

 

Hi Salem,

mir geht`s ein bißchen so wie Zerbrösel. Spannender Aufbau mit schöner Steigerung und dann das Ende, ja irgendwie unbefriedigend. Habe mich selbst an noch keine Horror-Story rangetraut, daher kann ich leider keinen konkreten Vorschlag machen.

LG
Katinka

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich fang mal hinten an:

Hi Katinka,

Habe mich selbst an noch keine Horror-Story rangetraut, daher kann ich leider keinen konkreten Vorschlag machen.
Wie, noch keine Horrorstory?? Wo gibts denn sowas?;)
Nein, im Ernst, ich werde mal ein bisschen nachdenken, vielleicht finde ich noch einen etwas runderen Schluss.
Wobei hier schon mal angemerkt: Ich werde nicht erklären, was im Krügerhaus passiert ist!
Schön, dass es dir ansonsten gefallen hat und danke für deinen Kommentar.

Hi Z-P,
auch dir danke ich für dein überschwengliches Lob, von wegen "sauspannend" und so. Zu deinem Einwand: Eigentlich sollte rüberkommen, dass die Polizei den Prot im Nachhinein für einen Lügner hält, da sich im Krügerhaus ja wohl nichts befunden hat. Aber du hast schon recht, da reicht der eine Satz nicht aus. Wird bearbeitet.
Auch deine übrigen Anmerkungen. Danke fürs Finden!:D

Hi sim,
vielen Dank für die Untermauerung und Erklärung. Freue mich auf deinen kommenden Kom.

Hi nic,

In der Tat, seeehr spannend.
Ich verneige mich.

(sorry, wollte Dir nicht zu nahe treten, aber nur dumme Jungs gehen in anscheinend schreckliche Häuser)
Hehe, hoffe, du denkst nicht, dass ich der Prot bin ...

Schön, dass es dir gefallen hat. Werde deine Anmerkung bzgl. des "hatte" noch mal überarbeiten. Ist mir gar nicht aufgefallen ...

Hi dot,

Prima Lesevergnügen für die Mittagspause.
Das freut mich, vielen Dank.
Und wie gesagt, die Polizistengeschichte werde ich überarbeiten!

Gruß! Salem

EDIT: AB HIER HABE ICH DAS ENDE LEICHT ÜBERARBEITET. HOFFE, DIE POLIZEI WIRKT JETZT NICHT MEHR GANZ SO TATENLOS ...

 

Hallo Salem,

spannend geschrieben ist deine Geschichte, aber mir hat der Plot nicht sonderlich gefallen.
Zuerst ist da diese Junge, der nackt im Gras sitzt, versteckt von allen Menschen, hinter einem hohen Zaun. Und zwei Freunde versuchen herauszufinden, was hinter dem Geheimnis steckt.
Das ist schon der erste Punkt: Wenn man Horrorfilme guckt, und sich denkt, ich wurde als unbewaffnete, junge Mensch niemals in den dunklen Keller gehen, wo das Licht nicht funktioniert und aus dem Blutgeruch steigt, dann machen es die Protagonisten im Film natürlich doch. Unlogisch.
Und ähnlich ist es hier. Warum wollen diese beiden Jungs ins fremde Haus?
Und dann - als du mühsam Spannung aufgebaut hast - Puff! Peter ist tot, die Polizei untersucht das Haus (findet aber nicht den fremden Jungen?), Ende.
Und auch Rudi will nichts wissen - warum eigentlich?? Interessiert ihn nicht, was mit seinem Freund ist?

Details:

Wir versuchten des Öfteren, eine Stelle im Holzzaun zu finden, durch die wir in den Krügergarten lugen konnten, aber das Ding war so dicht wie eine hermetisch abgeriegelte Betonmauer.
Diese ersten paar Absätze kommen mir ein bisschen zu stark berichtend daher. Eleganter wäre hier:
"Als ich einmal versuchte, eine Stelle im Holzzaun zu finden, durch die..."
Also einen konkreten Fall beschreiben, nicht nur so allgemein abhandeln wie dieses "des Öfteren".

Peter und ich saßen, außnahmsweise einmal mit einer Badehose bekleidet
Das klingt nun widerrum so, als wären sie IMMER nackt.

„Was is’ das denn?“, fragte Peter, während Rudi ihn schelmisch angrinste.
„Damit werden wir uns einen Spion bauen!“
Und dann ein paar Zeilen weiter:
„Was hast du damit vor?“, wollte Peter nach einer Weile wissen.
„Hab ich doch gesagt, wir bauen ’nen Spion.“
Es ist wieder Peter, der fragt. Und beides mal kriegt er die gleiche Antwort.

In diesem Sinne
c

 

Er lebt tatsächlich noch!!!:bounce:

Hi chazar,

wirklich schön, mal wieder von dir zu hören. Und endlich ist das "länger abwesend" auch verschwunden.
Nunja, ehrlich gesagt hätte es mich gewundert, hätte dir der Text gefallen :D

Betrachten wir doch einmal das TdM. Eine dunkle Tür, hinter der sich ein Geheimnis befindet. Soll es gelüftet werden?
Ich wollte hier wirklich nicht das klassische Ding von stundenlang vor ner schwarzen Tür stehen und überlegen, ob man sie öffnen soll, machen.
Also mussten die "dummen" Kinder mal wieder herhalten. Warum? Na, weil sie neugierig sind!
Als ich hätte als Zehnjähriger genauso gehandelt (zumindest das mit dem Garten). Gerade das macht doch die Kindheit aus, man hat zwar ein ungutes Gefühl, aber man macht es trotzdem. Ganz im Gegensatz zu uns rational denkenden Erwachsenen.

Deinem "Rudieinwand" kann ich zustimmen, aber vielleicht hatte der gute so ein Schiss, dass er froh war, dass alles vorbei war. Oder so ...:shy:
Rudi war schon damals ganz schön schlau, vielleicht war ihm im Unterbewusstsein klar, dass manche Türen besser verschlossen bleiben sollten ...

Deine Fehlerchen werden natürlich ausgemerzt. Danke fürs Finden. Auch fürs Lesen und fürs Spannendfinden und fürs wieder da sein :D

Bis dahin! Lt. Brodin

 

Hi Salem!

Was soll ich sagen? Ich habe die anderen Kritiken überflogen und...kann nicht zustimmen.
Du wirst es mir sicher nicht glauben - habe ich nun eine überarbeitete Fassung gelesen, ich weiß gar nicht - aber ich war begeistert, zumindest teilweise. Das Ende hat mir sehr gut gefallen, dieses Nichtauflösen, diese wenigen, prägnanten Hinweise, die du gibst und dann die teilweise Auflösung mit diesen SCHRECKLICHEN Fingern, die eigentlich nur in meiner Fantasie existieren, und dann dieser letzte Satz!!

Auch ich habe inzwischen gelernt, dass manche Türen einfach geschlossen bleiben sollten …

Ich wundere mich, dass niemand meiner Vorredner ihn schon zitiert hat. Der ist natürlich für beide Sichtweisen treffend. Für den Protagonisten, der diese ganze Scheiße mitgemacht hat und für den Autor, der sich diese ganze Sch... der sich das Ganze ausgedacht hat.:D

Was mir nicht so gefallen hat, war der Text zwischendrin. Du kannst dir sicher denken, worauf ich hinauswill: nur ein Beispiel:

hermetisch abgeriegelte Betonmauer

Was zum Teufel ist eine h.a.B.? Wenn nicht ein Schweineklischee, das man hinschreibt und nicht mehr hinterfragt? Tausendmal gelesen, nur noch eine leere Hülse. Aber das weißt du ja, du siehst, wie schnell das passiert!

Dann habe ich einige Male gelesen, dass du statt das welches verwendest:

als vertriebe uns jemand aus einem Land, welches wir vor langer Zeit einmal erobert hatten

Warum nicht das? Klingt wesentlich ungekünstelter, finde ich.

Na ja, sei es drum, hat mir gut gefallen, ich brauche keine Auflösung, die Polizei wird einen zehnjährigen Zeugen nicht besonders ernst nehmen und das Haus oberflächlich durchsuchen und sich nicht wundern, dass sie nichts finden. Ich fand das schlüssig.

Also, Freunde! Öffnet nicht jede Tür, die Ihr seht!

Grüße von dieser Seite!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Salem, jetzt also die versprochene Kritik.
Ich fand die Geschichte spannend. Das Geheimnis bleibt. Wo ist Peter geblieben? Unklar bleibt auch, wie die Krügers mit dem Polizeiaufwand umgehen, der in ihrem Haus stattgefunden haben muss. Fort ziehen sie jedenfalls aus anderen Gründen. Unklar bleibt, ob der dicke Junge deren Sohn gewesen ist und ob die bis auf die Knochen angespitzten Finger tatsächlich zu ihm gehörten. Im Falle eines tasächlich in ihrem Haus verschwundenen Jungen, egal, wie illegal er dort eingedrungen sein mag, stünden sie jedenfalls unter einem Verdacht, der alleine ausreichend genug gewesen sein mag, die Gegend zu verlassen. Ich nehme an, selbst, wenn die Polizei die Suche aufgegeben hat, die versammelten Eltern des Ortes hätten keine Ruhe gegeben. Insofern empfinde ich das Ausschweigen des "Hinterher" als zu harmlos, wenn ich mir den möglichen Lynchmob vorstelle.
Angesichts der Ereignisse geht mir die Geschichte da zu schnell zur Tagesordnung über, gerade, wenn Dinge im Dunklen bleiben.
Auch stilistisch ist mir noch einiges aufgefallen, wenn ich dabei zum Teil auch sehr pedantisch war.

Die Krügers waren vor nicht ganz einer Woche in das leerstehende Zechenhaus neben dem Haus meiner Eltern gezogen
Dudenempfehlung: leer stehenden
Peter und ich saßen, außnahmsweise einmal mit einer Badehose bekleidet
ausnahmsweise
vor einer Landschaft aus Matchboxautos, von denen ich einige zu meinem zehnten Geburtstag vor zwei Tagen bekommen hatte
zwei Tage zuvor (Tempus. Da die ganze Geschichte in der Vergangenheit spielt, kann der Geburtstag nicht vor zwei Tagen erst gewesen sein. Diese Zeitangabe würde zwei Tage vor dem Erzählzeitpunkt beschreiben.)
Wir blickten auf, als Rudi mit hochrotem Kopf von seinem klapprigen Rad sprang und "Hey, Leute!" schrie.
Hier bin ich unsicher. "hey" müsste aber mE klein geschrieben werden.
"Wo hast'n das her?"
Da das n für den letzten Buchstaben von gleich zwei verschluckten Wörtern steht, muss hier ein Leerzeichen vor dem Apostroph gesetzt werden. "Wo hast 'n das her?"
Weder Peter noch ich getrauten uns die Utensilien zu berühren.
mE reicht "trauten". Nach "uns" kannst du ein Komma setzen.
bis Rudi mit Hilfe des viel zu kleinen Handbohrers
Dudenempfehlung: mithilfe
Ich versuchte dann die winzigen Zwischenräume mit dem Schraubendreher herauszubrechen
ich würde auf dann verzichten und stattdessen ein Komma setzen.
wer denn nun zuerst hindurchgucken durfte.
anstelle von "denn nun" vielleicht besser "von uns"? Einen Satz soäter vielleicht "ja auch" streichen?
"Was für'n Schlachtschiff."
Diese Apostrophregelungen sind unglaublich kompliziert. In diesem Falle muss aber für die Auslassung "ei" auch ein Leerzeichenabstand davor sein. Was für 'n Schlachtschiff.
Der, im Gegensatz zum Körper, klein wirkende Kopf war mit einem hellblonden Schopf bedeckt, der an die verschwitzten Locken eines Babys erinnerte.
Hier kannst du auf die ersten beiden Kommas verzichten. mE machen sie den Satz unübersichtlicher und es ist nicht nötig, es als Einschub zu behandeln (Mein Korrekturprogramm moniert einen Übereinstimmungsfehler, der verschwindet, wenn ich die Kommas streiche.).
Die Sonne zeigte auf dem Fleischberg bereits ihre ersten Auswirkungen, die sich in einem sanften Rosa an einigen Stellen äußerten.
Das ist definitiv falsch. Auf der Haut zeigten sich die ersten Auswirkungen der Sonnenbestrahlung.
Zum ersten Mal in meinem Leben empfand ich das Nacktsein als etwas Unnatürliches, sogar Ekel kam in mir auf.
Vielleicht hast du die Verdrehung hier absichtlich, vielleicht hast du sie aber auch nicht bemerkt. Dein Erzähler ist an FKK gewöhnt, spielt selbst oft im Garten und hat sich bisher auch nicht geschämt, wenn Freunde oder Nachbarn ihn sehen konnten. Soweit für einen zehnjährigen völlig in Ordnung. Jetzt aber bricht eine verdrehte Wertung ein. Er bricht (mit den Blicken) in den Intimbereich eines Menschen ein und empfindet dabei das Verhalten des Menschen unnatürlich? Vielleicht wurde genau aus dem Grund der Zaun errichtet? Was mich daran stört ist, dass die Herkunft der Wertung so unklar ist. Er hat schon einen dicken Freund, bei dem, so habe ich es verstanden, Nacktheit für ihn etwas Natürliches ist. Kinder sind fies in ihrer Wertung. Und manchmal auch in ihrem empfundenen Vorurteilen, aber wodurch wurden die hier aufgebaut? Wenn seine Eltern FKK Anhänger sind und vielleicht auch an FKK-Strände verreist, dann dürfte der Junge einiges an seltsamen Anblicken schon gesehen haben.
war nur noch das plattgesessene Gras zu erkennen.
Dudenempfehlung: platt gesessene
"Da liegt was auf der Wiese", sagte ich als ich mich umdrehte.
ich, als
"Hm…"
Hm würde ich als eigenständiges Wort sehen und die Auslassungspunkte durch ein Leerzeichen trennen.
vorsichtig sahen wir um die Hausecke herum.
Das ist so doppeltgemoppelt, dass man den Eindruck bekommt, sie sähen um die Hausecke im Kreis. ;)
Von hier aus konnte ich die Stelle, wo er gesessen hatte, nicht erkennen
Stelle, an der er (wo ist falsch)
Peter deutete auf das weißgetünchte Krüger-Haus.
Dudenempfehlung: weiß getüchte
Hatte sich die Tür gerade bewegt?
mE "hatte" klein.
Ich nickte, doch viel mehr erschreckte mich das, was drumherum das Gras bedeckte.
lt. Duden getrennt. drum herum
deren dunkler Lack an den meisten Stellen abblätterte und wie geborstene Hautlappen herabhing.
eigentlich scheint an dem Satz alles zu stimmen, aber es gibt eine Fehlermeldung in der Übereinstimmung, die an dem Singular/Plural Vergleich liegt. Der Lack hing herab, geborstene Hautlappen sind aber Plural, die hingen herab. Fehler taucht nicht mehr auf, wenn du den Satz umdrehst und den Bezug klarer machst: und herabhing wie geborstene Hautlappen.
Noch heute sehe ich in jeden meiner Träume Peters Gesicht, wie er mich ansah - fragend? - entsetzt,
ungenau, denn wenn er in den Träumen nur Peters Gesicht sieht, müsste es "wie es mich ansah" heißen, da darauf noch der Bezug liegt. Mein Vorschlag wäre: Noch heute sehe ich in jedem meiner Träume Peters Gesicht, seinen Blick - fragend? - entsetzt,
Nur der graue Knochen.
Müssten die Knochen nicht auch im Plural stehen?
Ich sehe den glänzenden Anspitzer im Gras liegen - "Vielleicht hat er sich seinen Pimmel eingeritzt" - Nein, es war nicht der Pimmel! - sehe das Blut, das an einem Grashalm herabrinnt.
Richtig wäre der Satz so: Ich sehe den glänzenden Anspitzer im Gras liegen - "vielleicht hat er sich seinen Pimmel eingeritzt?" - Nein, es war nicht der Pimmel! - sehe das Blut, das an einem Grashalm herabrinnt.
Seine Familie zog noch im selben Jahr von hier fort, und irgendwann verschwanden auch die Plakate.
wenn der Sohn vermisst wird? Oder hat sie sich mit seinem Tod abgefunden?
Ein halbes Jahr nach ihrem Auszug wurde das alte Krüger-Haus abgerissen, um Platz für die erste U-Bahntrasse, die durch unseren kleinen Vorort ging, zu schaffen.
Im Bezug merkwürdig, da würde ich nur "das alte Haus" schreiben, da der Bezug ja eh schon auf den Krügers liegt, sie sind ja ausgezogen.
U-Bahn-Trasse
und so wurde auch das Geheimnis um Adam Krüger niemals aufgeklärt.
Aber es ist plötzlich bekannt, wie der Junge heißt?
Jetzt, fast vierzig Jahre später, stehe ich hier am Grab meines alten Freundes Rudolf.
Der ist ja auch recht jung gestorben.

Lieben Gruß, sim

 

Eine geglückte, unheimliche Variante von "Ab durch die Hecke". Ich bin sowieso der Meinung, dass überspitzte Hammerpointen nicht sein müssen (auch wenn sie mir jederzeit willkommen sind.) Ich glaube der Grund dafür ist, dass ich lieber zehn Minuten ein sanftes, halboffenes Ende sacken lasse, als immer wieder Schocks zu verdauen, deren Variationen ohnehin begrenzt sind.
Erstaunlich auch, dass du dich trotz der Tiefe der Story so kurz fassen kannst. Pack ich nie. Einziger Kritikpunkt ist der Einsatz von "welcher", statt "das". Ich mag das nicht so. Aber was heisst das schon.
Und an wen ich beim "Krügerhaus" gedacht habe, is klar?

 

Jetzt schmunzelte auch ich, und langsam kroch die Panik aus meinem Körper heraus, um irgendwo, weit weg zu verschwinden.
in so einer Situation schmunzelt ein Zehnjähriger doch nicht, der grinst
und sich pfeilartig um den Hals meines Freundes krallte.
du meinst vermutlich so schnell wie ein Pfeil? denn ein Pfeil krallt sich ja nun mal nicht um etwas

Hi Salem,

na ja, ich mag es ja generell nicht, wenn einfach nichts aufgelöst wird; deshalb konnte in meinen Augen nur noch der Schreibstil diese Geschichte retten ;)

TdM gut umgesetzt, wie ich finde.

Andererseits glaube ich allerdings auch nicht, dass Finger klein genug für einen Anspitzer sind, auch nicht die eines Zehnjährigen, noch dazu, wenn es sich um so einen Fettsack wie beschrieben handelt.

Tserk!
Gefundene Fehler:

"Bis der seine Massen in Bewegung gesetzt hat, sind wir längs wieder raus."
längst
"Willst du etwa, dass sie uns alle erwischen?"
"Ne."
Nee
"Rudi hatte Recht", flüsterte Peter. "Da ist Blut."
Das (?)
Ein Knall weit hinter uns, ließ Peter und mich gleichzeitig aufschreien.
Komma weg
Ich spürte, wie Tränen in meinen Augen entstanden, hatte das unbändige Bedürfnis auf der Stelle loszuheulen.
BedürfnisKOMMA
P.S:
Zitat von JackTorrance
Und an wen ich beim "Krügerhaus" gedacht habe, is klar?
mir nicht :shy:

 

Hi Hanniball!

Du wirst es mir sicher nicht glauben (...) aber ich war begeistert
Stimmt, ich mussten den Satz mehrfach lesen :D
Freut mich riesig!


Ich wundere mich, dass niemand meiner Vorredner ihn schon zitiert hat. Der ist natürlich für beide Sichtweisen treffend. Für den Protagonisten, der diese ganze Scheiße mitgemacht hat und für den Autor, der sich diese ganze Sch... der sich das Ganze ausgedacht hat.
Letzteres ganz besonders!

Was zum Teufel ist eine h.a.B.? Wenn nicht ein Schweineklischee, das man hinschreibt und nicht mehr hinterfragt? Tausendmal gelesen, nur noch eine leere Hülse.
Ich gebe mir ja schon Mühe, wirklich, aber ich denke immer noch (ganz, ganz weit hinten in meinem Kopf - nur ganz klein), dass manche Hülsen durchaus noch benutzt werden können.
Und diese hier finde ich gar nicht sooo schlimm.

Das "welche/s" wurde hoffentlich ausgemerzt. Danke für den Hinweis.

Also, dein Kom hat mich wirklich gefreut.

Jetzt wollt ich auf die anderen Koms noch eingehen, aber da läuft gerade was über optische Täuschungen. Auf jeden Fall habe ich eure entdeckten Fehlerchen schon größtenteils geändert. Melde mich später ausführlich!

 

So, und weiter gehts:

Hi sim.

Ich fand die Geschichte spannend. Das Geheimnis bleibt
Na, das fängt doch gut an. Vielen Dank!


Insofern empfinde ich das Ausschweigen des "Hinterher" als zu harmlos, wenn ich mir den möglichen Lynchmob vorstelle
Hier stimme ich dir nicht so ganz zu. Der "Lynchmob" (auch wenn du ihn hier nicht wörtlich meinst), dürfte ausbleiben, da nicht einmal die Polizei überzeugt ist, dass Peter im Krüger-Haus verschwand. Mit Sicherheit sind die Leute entsetzt, reden die erste Zeit über nichts anderes, aber das wars auch schon.
Okay, vielleciht wird der eine oder andere die Krügers noch etwas misstrauisch ansehen, vllt ist das ja auch der Grund, warum sie wegzogen.


Auch stilistisch ist mir noch einiges aufgefallen, wenn ich dabei zum Teil auch sehr pedantisch war.
Sowas ist immer gern gesehen.
Ich habe deine Anmerkungen auch zum größten Teil umgesetzt.
Schwer tu ich mich allerdings mit einigen Duden-Empfehlungen. Als Beispiel: "mithilfe" an Stelle von "mit Hilfe". Da schüttelt es mich!
Auch deinen Einwand bezgl. der Nacktheit ist nachvollziehbar, daher geändert.


Wir blickten auf, als Rudi mit hochrotem Kopf von seinem klapprigen Rad sprang und "Hey, Leute!" schrie.
Hier bin ich unsicher. "hey" müsste aber mE klein geschrieben werden.
Ich denke, es ist ein eigenständiger Satz im Satz, daher groß. Weiß aber auch nicht genau ...


Ich versuchte dann die winzigen Zwischenräume mit dem Schraubendreher herauszubrechen
ich würde auf dann verzichten
Es sollte hier die zeitliche Abfolge betont werden. Rudi ist schon fertig, dann mache ich weiter. Habe es in "daraufhin" geändert.

Ich sehe den glänzenden Anspitzer im Gras liegen - "Vielleicht hat er sich seinen Pimmel eingeritzt" - Nein, es war nicht der Pimmel! - sehe das Blut, das an einem Grashalm herabrinnt.
Richtig wäre der Satz so: Ich sehe den glänzenden Anspitzer im Gras liegen - "vielleicht hat er sich seinen Pimmel eingeritzt?" - Nein, es war nicht der Pimmel! - sehe das Blut, das an einem Grashalm herabrinnt.
Nee, der Einschub sollte lediglich eine Erinnerung an die Äußerung hinter dem Gebüsch sein: "Vielleicht hat er sich seinen Pimmel eingeritzt." Das "Nein..." ist dann wieder eine momentane Antwort des Prot.

Zitat:
Seine Familie zog noch im selben Jahr von hier fort, und irgendwann verschwanden auch die Plakate.
wenn der Sohn vermisst wird? Oder hat sie sich mit seinem Tod abgefunden?
Auch das Verhalten kann ich nachvollziehen. Zu viele Erinnerungen; Peters Fam entflieht.


Zitat:
und so wurde auch das Geheimnis um Adam Krüger niemals aufgeklärt.
Aber es ist plötzlich bekannt, wie der Junge heißt?
Den Namen brachte ich ja schon anfangs, find ich gar nicht so ungewöhnlich, dass man den kennt.

Zitat:
Jetzt, fast vierzig Jahre später, stehe ich hier am Grab meines alten Freundes Rudolf.
Der ist ja auch recht jung gestorben.
Jepp, der Arme ... ;)

Vielen, vielen Dank nochmal für deine Mühe und Hilfe.

Hi Jack, altes Haus! :D

Dass du dich mal wieder hierher verirrst ...

Ich bin sowieso der Meinung, dass überspitzte Hammerpointen nicht sein müssen (auch wenn sie mir jederzeit willkommen sind.)
ja, manchmal müssen auch die sein :D

Und an wen ich beim "Krügerhaus" gedacht habe, is klar?
Nö, ist aber auch egal.
Danke für deinen Kom.

Dein alter Freund Freddy

Hi Tserk!


Zitat:
Jetzt schmunzelte auch ich, und langsam kroch die Panik aus meinem Körper heraus, um irgendwo, weit weg zu verschwinden.
in so einer Situation schmunzelt ein Zehnjähriger doch nicht, der grinst
Ich denke, das Schmunzel drückt hier mehr seine Unsicherheit aus. So ganz ist seine Angst ja noch nicht verschwunden.

Zitat:
und sich pfeilartig um den Hals meines Freundes krallte.
du meinst vermutlich so schnell wie ein Pfeil? denn ein Pfeil krallt sich ja nun mal nicht um etwas
Jepp, geändert!

Andererseits glaube ich allerdings auch nicht, dass Finger klein genug für einen Anspitzer sind, auch nicht die eines Zehnjährigen, noch dazu, wenn es sich um so einen Fettsack wie beschrieben handelt.
Meine Tochter hat da so 'nen Spitzer für extra dicke Buntstifte. Da passt tatsächlich ein Finger rein, zumindest die Kuppe. Und wenn man dann halt kräftig spitzt, klappt es ja rein theoretisch immer besser ...:D

Ansonsten, alle deine Fehlerchen ausgemerzt. Vielen Dank fürs Finden.

Euch allen einen lieben Gruß! Salem

 

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