- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 29
Die heilige Nutte
Seine Faust landete in ihrem Gesicht. Synchron entfernten sich die beiden zusammengestoßenen Objekte, jeweils Spuren am anderen hinterlassend. Ihre viel zu dick aufgetragene Schminke klebte, blau-schwarz schimmernd, auf seinen Fingerknöcheln. Diese Rückstände ihres zweiten Gesichtes konnte er leicht beseitigen. Sie aber würde dauerhaft gezeichnet bleiben. Das konnte man anhand des sich schon ankündigenden Hämatoms unter ihrem linken Auge ohne Zweifel behaupten.
Noch immer vor Aufregung, vielleicht sogar Erregung, zitternd, wischte er das Make-up demonstrativ in seine Weste.
Er spuckte ihr vor die Füße, drehte sich um und ging. Im Hintergrund hörte er die Leute reden, die sich um die Frau versammelt hatten. Einige wollten gleich die Polizei rufen, andere wollten ihm sofort an den Kragen.
Auf jeden Fall war es nicht der erhebendste Moment in seinem Leben, als er sich ins Auto wuchtete, die Schlüssel im Schloss umdrehte und unter Aufjaulen des überraschten und überforderten Motors davonzog.
Bei einer Kreuzung fuhr er über Rot, doch wie egal das nun war. In ein paar Stunden würden die Bullen sowieso vor seiner Wohnung stehen. Einmal über Rot fahren, was war das schon?
Er würde für seine Tat büßen müssen. Obwohl sie schuld war. Sie hatte ihn vor allen Leuten bloß gestellt, obwohl er sie so sehr verehrte.
Sie war eine Kellnerin in seinem Lieblingspub. Eigentlich ging er ja nur wegen ihr hin. Es gab dutzende solcher Orte in der Gegend, verraucht, leicht vermieft und vielleicht eben deswegen sehr menschlich.
Seit einem Jahr hielt er sich nun, so oft es ging, in diesem Lokal auf. Als freischaffender Künstler hatte er viel Freizeit, also definierte sich dieses „oft“ mit „immer“ außer sonntags. Da ließ er sich nachmittags von seiner Lieblingsnutte inspirieren, die er sich auf’s Zimmer bestellte. Doch das spielt hier keine Rolle.
Als Mann hatte er Bedürfnisse, die nun mal gedeckt werden mussten. Außer dem allgemeinen männlichen Trieb, wahllos auf einer Frau rumzuspritzen, hatte er als Künstler ein ganz anderes Problem: Seine Gefühle waren zu intensiv, viel ausgeprägter als bei anderen Menschen. Egal, welche Gemütslage ihn befiel, er musste sie ausleben. Wenn er wütend war, musste er etwas zerschlagen. Wenn er jemanden mochte, tat er alles für ihn. Und, wenn er wen anbetete, wie in diesem Fall, dann auch dies ohne Rücksicht auf eigene Verluste.
Und die Kleine betete er an. Sie war wie eine Heilige für ihn, alleine schon ihr Blick ließ ihn erstarren. Wenn sie ihn höflich ansprach, um die Bestellung auf zu nehmen, nahm er immer das Gleiche. Nicht weil er so sehr auf Scotch stand, sondern, weil er sich ja nicht versprechen, oder sie unnötig aufhalten wollte. Ihre Zeit fand er unheimlich kostbar, so wie alles an ihr von unschätzbarem Wert war.
Für ihn war sie unantastbar. Die anderen Gäste jedoch grapschten sie ungeniert an, warfen ihr Bierdeckel hinterher und pfiffen laut, wenn sie vorbei lief. Jedes Mal machte es ihn rasend, oft war er mit hochrotem Kopf nach draußen gerannt, um Luft zu holen und sich zu beruhigen.
Wann würde sie es bemerken, dass er nicht so war wie alle anderen? Wann würde sie ihn für sein nobles Benehmen loben, so wie die Frau Lehrerin, die ihn damals auch ganz lieb gestreichelt hatte?
Dann, durch nichts und wieder nichts provoziert, stand einer der besoffenen Kerle vom Tisch in der Ecke des Pubs auf und setzte seiner Kellnerin nach. Der verschwitzte, vom Dreck schon schwarz gewordene Penner im karierten Baumfällerhemd begrapschte sie. Dieser Abschaum zerrte an ihrem Rock, sie musste kämpfen, um denselben und das Tablett festhalten zu können.
Nun war Schluss mit Lustig. Er stand auf, und mit einem Tritt hatte er den Wichser auf den harten Boden der Realität geholt. Drei Mal trat er noch auf den in Staub liegenden Abschaum ein, bis dieser endlich Ruhe gab.
Was dann geschah, sollte er nie vergessen.
Sie warf sich ihm dankbar um den Hals. Während sie ihn so innig und dankbar umarmte, spürte er, wie seine Männlichkeit zu Fleisch wurde, und sich in seiner Hose aufbäumte. Natürlich hatte sie es auch gespürt, und ließ sogleich von ihm ab.
Aber nun ging es nicht so weiter, wie man nun vermuten würde.
Weder konnte es sich jemand erklären, noch hatte irgendwer von den Anwesenden so etwas schon mal gesehen.
Ob sie betrunken war oder unter Drogen stand? Egal.
Sie kniete sich vor ihn hin, öffnete seine Hose und empfing sein Gemächt mit beiden Händen. Vorsichtig bearbeitete sie es, zuerst mit der einen, dann mit der anderen Hand, und dann beidhändig und mit dem Mund. Alle Gäste, fast ausschließlich Männer, starrten wie gebannt auf diese Szene. Alles stand still, nur ihre Hände und ihr Mund bewegten sich.
In diesem Moment fühlte er, wie etwas in ihm zerbrach. Gerade indem er den Traum aller Männer schlechthin lebte, vernichtete er ihn.
Denn was ist ein Traum, den man nicht mehr träumen kann? Und was ist eine Frau, die vor einem in die Knie geht? Beides das gleiche. Beides nicht begehrenswert.
Es ging alles sehr schnell vor sich, so das er kaum reagieren konnte. In seinem Kopf brachen sich die Gedanken aneinander. Das Wechselbad der Gefühle setzte ihn vollkommen außer Gefecht. Gedanklich.
Nach weniger als zwei Minuten, als er in ihren Mund gekommen war, war das Schauspiel zu Ende. Frenetisch applaudierten alle Spinner, die sich um die beiden herum versammelt hatten. Sie grölten und jaulten, als ob gerade einer die Meile unter drei Minuten gerannt wäre.
Er jedoch weinte. Aus beiden Augen ergossen sich Rinnsale, die sich an seinem Kinn trafen und von dort aus auf den staubigen Boden fielen.
In den selben Staub, in dem dieser Mistkäfer lag.
Auf den selben Grund, auf dem diese Frau kniete.
Mehr als das war sie nicht mehr für ihn.
Indem sie sich ihm hingegeben hatte, noch dazu vor all diesen so oft gesehenen, doch unbekannten Dreckskerlen, hatte sie ihn verärgert. Nein, verletzt. Solche Momente hatte er sich immer als den Höhepunkt der Intimität zwischen zwei Menschen ausgemalt, den sie alleine und abgeschottet vom Rest der Welt genießen sollten, ja mussten. Diese Illusion hatte sie zerstört. Auch konnte er sie nicht mehr anbeten, Huren betet man nicht an. Und was anderes war sie in dem Moment nicht.
Wie er sie hasste.
Nachdem das Gegröle und das geile Gelaber ausgeklungen war, bemerkten die Leute erst, dass er tatsächlich weinte. Für sie war er ein Held, von dem, was er gerade erlebt hatte, träumt jeder echte Mann.
Zuerst lachte einer, dann fingen sie alle an zu lachen.
Noch bevor sie sich sein Sperma vom Mundwinkel wischen konnte, hatte er sie beim Arm gepackt und hochgehoben, so dass sie nun gerade vor ihm stand. Diese Nutte, er hatte sie geliebt, verehrt, vergöttert. Diese heilige Schlampe.
Seine Faust landete in ihrem Gesicht. Synchron entfernten sich die beiden zusammengestoßenen Objekte, jeweils Spuren am anderen hinterlassend...