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Die Heimat des Ghouls

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07.05.2003
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Die Heimat des Ghouls

Ich hatte gerade mein Studium in Theologie, Geschichte und Völkerkunde an der Universität Leipzig beendet, als mich die Nachricht vom Tod meines Mentors Dr. Sebastian Kirchhain erreichte. Die Nachricht traf mich tief und vollkommen überraschend. War er doch mehr ein väterlicher Freund als ein Lehrer für mich gewesen. Die Mitteilung enthielt nur dürftige Informationen und war im Ganzen äußerst kurz. Nur soviel konnte ich ihr entnehmen, dass mein Freund sich wieder einmal auf einer seiner Exkursionen rund um den Kochel- und Walchensee befand, als er von einer plötzlichen Herzattacke hingerafft wurde. Des Weiteren lud man mich ein, an der Beerdigung teilzunehmen und, wenn es meinen Wünschen entspräche die Forschungen und Papiere des Dr. Kirchhain zu ordnen, archivieren und gegebenenfalls fortzusetzen. Da es vorgesehen war als sein Assistent im Kloster Benediktbeuern zu arbeiten hatte ich schon alles vorbereitet und der unverzüglichen Abreise stand nichts im Wege.
Über meine Reise gibt es nichts Wichtigeres zu berichten, als dass ich mich direkt nach meiner Ankunft zurückzog um mich von den Strapazen zu erholen.
Erst auf der Beerdigung wurde mir bewusst, wie wenig ich eigentlich über meinen Mentor wusste. Außerdem bemerkte ich mehr als einmal abschätzende Blicke. Man fragte sich wohl, ob ich in der Lage sein würde die Leere, die Sebastian hinterließ, auszufüllen. Meine Zweifel wurden durch das Gespräch mit Bruder Mathias noch untermauert. Er hatte mich rufen lassen, um die Details meiner Arbeit zu besprechen.
Wir saßen in seinem eichengetäfeltem Büro, und er blickte mich durchdringend über den Rand seiner Brille hinweg an. „Es ist alles etwas anders gekommen als wir es geplant hatten, was Aaron?“, er wartete nicht auf eine Antwort sondern fuhr, mit einem seltsamen Lächeln um die Mundwinkel, fort: „Sebastian hatte uns alle davon überzeugt, dass er einen Assistenten benötigt. Jetzt, da er tot ist, gibt es wieder Stimmen im Rat, die sich gegen eine Neueinstellung ausgesprochen haben. Doch ich habe sie überzeugen können, dich wenigstens für zwölf Monate einzustellen. Ich hoffe, dir reicht die Zeit um seine Papiere und Studien zu ordnen. Vielleicht schaffst du es sogar seine Forschung zu beenden.“
Ich musste innerlich lächeln. Im Klartext hatte mir Bruder Mathias gesagt: „Zeig erst ein Mal was du kannst, dann können wir über einen Job reden“. Nach einigen Belehrungen über die Pflichten, die mich erwarteten, gab es nicht mehr viel zu sagen, und so händigte mir der Abt die Schlüssel zu Sebastians Wohn- und Büroräume aus.

Das Arbeitszimmer glich einer Bibliothek. Drei der vier Wände waren bis zur Decke mit überquellenden Bücherregalen bestückt, und auch auf jedem freien Platz stapelten sich Folianten, Notizbücher und Broschüren. Der Boden war bedeckt mit Zeitungen, Zeitungsschnipseln und einzelnen Seiten. Es würde Tage dauern, dieses Durcheinander zu ordnen. Sebastian arbeitete nach dem Karteikasten System. Die neuesten Ablagen waren schon zwei Monate alt. Ihnen konnte ich entnehmen, dass sich Sebastian mit den Legenden um die ‚Unterirdischen’ beschäftigte. In allen Volksstämmen und zu allen Zeiten wurde von diesen Wesen berichtet, die unter der Erde hausten und den Menschen schadeten. Das half mir im Moment allerdings nicht weiter, und so begann ich die Zeitungsschnipsel vom Boden aufzuheben. Dabei vielen mir einige Berichte besonders auf.

TZ
25.02.1932
Bad Tölz/ ( tin)
“...die steigende Anzahl der verschwundenen Menschen im Kreis Bad Tölz, Weilheim, und Wolfratshausen bereitet der Polizei einige Kopfzerbrechen und gibt Anlass zur Besorgnis...”

Wolfratshausener Stadtkurier
14.03.1932
Wolfratshausen/Bad Tölz
„.. die Suche nach den drei Wanderern, die seit sechs Tagen vermisst werden, geht weiter. Eine erste Spur mögen die unzähligen Knochenfunde in der Nähe des Kochelsee sein, die auf ein ganz und gar widerwärtiges Verbrechen hindeuten.“

Hatte Sebastian einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden der Menschen und den alten Legenden gesehen? Ich entdeckte noch einen älteren Bericht, der allerdings nicht aus Deutschland stammte.

Sunday Mirror
(10.01.1907)
Washington DC/ (dpa)
Nach Pressemeldungen ist es in der letzten Woche zu Militärischen Zwischenfällen
an der Grenze zwischen dem Osmanischen und dem Russischen Reich gekommen. Laut dem Militärsprecher Ashame Mufah hat eine islamische Spezialeinheit einen Menschen -Schmugglerring bis in die Berge nahe der aserbaidschanischen Ortschaft Mingetschauer verfolgt. Dort seien sie auf das Versteck der Bande gestoßen und in dem Dorf sei es zu erheblichen Kämpfen gekommen, die drei der insgesamt zwanzig Soldaten das Leben kostete. Man sei aber schnell Herr der Lage geworden, und nur wenige Rebellen hätten in die Berge fliehen können. Trotz intensiver Suche seien diese nicht auffindbar gewesen aber A. Mufah ist sich sicher, dass das islamische Militär auch diese Männer binnen kurzer Zeit aufspüren wird. Weiter äußerte sich Mufah zu den Gesuchten: “ Diese Männer gehören zu einem ganz und gar widerlichem Volk und Allah wird gnädig auf uns herab sehen, wenn wir sie vom Angesicht der Erde getilgt haben.”

Seltsam, was hatten die Ereignisse in Aserbaidschan mit dem Verschwinden der Wanderer in Oberbayern zu tun? Mein alter Freund muss einen Zusammenhang gesehen haben, der mir noch verborgen blieb.
Ich wand mich wieder dem Schreibtisch zu und versuchte mich in die Arbeitsweise meines Mentors zu versetzen. In der obersten Schublade entdeckte ich einen Notizblock und ein Tonbandgerät. Von dem ziemlich abgegriffenen Block war nur die erste Seite benutzt. Anhand der Art und Weise wie er beschrieben war, erkannte ich, dass Sebastian ihn für seine „Ideensammlung“ genutzt hatte. Im Zentrum des Blattes stand, zwei Mal unterstrichen, das Wort „Ghoul“ und kreisförmig rundherum angeordnet seine Gedanken. In seiner unverkennbaren altertümlichen Schrift las ich die Wörter: ‚ Ausbreitung - Flucht, -
Ursprung, - neue Heimat in den bayrischen Bergen, - dunkle Schluchten, - Höhlen ewiger Finsternis, - ähnliche Bedingungen wie in A.
Die Notizen gaben mir immer mehr Rätsel auf, und einmal mehr begriff ich, wie schwer es sein würde den Spuren meines Mentors zu folgen. Klar schien nur zu sein, dass er hinter etwas her war, das er „Ghoul“ nannte. Aus Erfahrung wusste ich, dass Sebastian vor dem Schlafengehen noch in Büchern zu lesen pflegte, von denen er sich neue Erkenntnisse oder Informationen erhoffte. Also klemmte ich mir das Tonbandgerät unter den Arm und beschloss sein Wohnzimmer aufzusuchen.
Dieses Zimmer meines Freundes hatte ich bisher nur selten betreten, doch sofort umfing mich die vertraute, freundliche Atmosphäre wie sie nur Sebastian verbreiten konnte. Auf dem Nachttisch entdeckte ich einige Bücher, aus denen eine Vielzahl von Lesezeichen und Notizen hervor schauten. Ich setzte mich auf das Bett, stellte das Tonbandgerät auf den Boden und begann die Bücher durchzusehen. Das erst Werk behandelte Mythen und Legenden aus aller Welt, und folgende Stelle war besonders markiert:


“...doch Rash- al Ghoul, der Kopf des Ghoul, verfiel schon in jungen Jahren dem Dämon Faresh. Als sein Vater ihn für die begangenen Greultaten und die verbotenen Praktiken zur Rede stellte, erschlug ihn Rash- al- Ghoul und verzehrte noch im Thronsaal den Leichnam des Königs. Er ernannte sich selbst zum jemenitischen König und erhob Faresh zum obersten Gott des Reiches. Es folgten Jahre des Grauens, in denen der wahnsinnige König sein Volk quälte und marterte. Faresh forderte von seinen Gläubigen widerwärtige Praktiken, bei denen sie sich mit den Leichen der zu Tode gemarterten paaren und sie verspeisen mussten.
Als der Prophet Mohammed von diesen Handlungen hörte, schickte er seinen Schwiegersohn Ali in den Kampf gegen den Dämonenkönig. Rash- al Ghoul wurde besiegt, man trennte ihm die Glieder vom Körper und mauerte den noch lebenden Torso im Palast ein. Die Götzenbilder des Faresh aber wurden in tausend Stücke zerschlagen. Nur wenige seiner Anhänger konnten entkommen und mussten sich als Gottlose vor den Augen Allahs verstecken...”

Aus den islamischen Legenden
Clark Wydman

Nun wusste ich zumindest um die Bedeutung des Wortes Ghoul. Doch noch immer waren viele Fragen offen, und ich suchte weiter. Bald stieß ich auf einen Bericht, der mir ein wenig Klarheit bringen sollte.

Aserbaidschan
Aus: "Reisen um die Welt" Jahrgang 1890

“Der Akera hat seine Anfänge irgendwo in der rauen Bergwelt des Iran. Er fließt durch eine der unwirklichsten Landschaften dieser Erde. Die Zerklüfteten Gipfel der Berge, die seinen Weg säumen, sind fast das ganze Jahr mit einer eisigen, weißen Krone bedeckt. Er schlängelt sich durch schattige, nur von dicken, feuchten Moosen und seltsam gefärbten Flechten bewachsene Täler. Das Bergvolk, das zwischen seiner Quelle und seiner Mündung, in der verwunschenen Bergwelt Aserbaidschans lebt, ist auch heute noch zum größten Teil nomadisch. Niemand kann heute mehr sagen, wo sie ihren Ursprung hatten, und wenn sie es selber wissen, dann schweigen sie. Sie sind von einem seltsamen, dunklen Aussehen und vom Wesen still und eigenbrötlerisch. In früheren Zeiten waren sie wild und kriegerisch mit einer eigenen absonderlichen Kultur und vielen Kunstfertigkeiten. Doch ihr Ruf war niemals gut, und in den letzten zwei-, bis dreihundert Jahren sind sie scheinbar bis zur Idiotie degeneriert. Die Angst vor den unzähligen Geistern und Dämonen bestimmt das Leben dieser Stämme, und die wenigen Augenzeugen berichten von abnormen, widerlichen Ritualen, die an versteckten heiligen Orten zelebriert werden. Doch die meisten aufgeklärten Menschen schenken den Erzählungen von Schamanimus und Menschenopfern keine Bedeutung..."

Nun hatte ich auch die Verbindung zwischen den amerikanischen Zeitungsberichten und den islamischen Legenden. Doch schien mir diese Verbindung noch ein wenig schwach, als mein Blick auf Sebastians kleinen Kalender fiel, den er als Lesezeichen benutzt hatte. Der vergangene Freitag war angekreuzt und mit der kurzen Notiz: „Interview über A.“ versehen. Sofort wurde mir klar, was sich auf dem Tonband befinden musste. Sebastian hatte jemanden befragt, von dem er sich Aufschluss über die Zusammenhänge des militärischen Eingriffs in Aserbaidschan und die Ghoul – Legenden erhoffte. Es dauerte einige Minuten, bis das Band zurück gelaufen war, dann drückte ich die Abspieltaste. Es war ein beklemmendes Gefühl die Stimme meines Mentors und Freundes so kurz nach seinem Tod zu hören. Seine tiefe, beruhigende Stimme eröffnete das Gespräch:

.„ Interview mit Abdullah Fahresha, ehem. Mitglied der Armee des Osmanischen Reiches:

Kirchhain:
„Ich grüße sie Herr Fahresha und
möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass sie so kurzfristig Zeit für uns haben.“
A. Fahresha:
„Auch ich grüße sie und freue mich, dass ich vielleicht ein wenig Licht in eine Angelegenheit bringen kann die mich selber seit vielen Jahren beschäftigt.“
Kirchhain:
„Als Mitglied der osmanischen Armee haben sie 1907 bei der Bekämpfung einer der seltsamsten Sekten in den unwegsamen Bergen nahe des Ankera mitgeholfen. Können sie uns nähere Informationen zum Wesen dieser Sekte liefern?“
A. Fahresha:
„Erst einmal muss ich sie berichtigen, denn der glorreiche Feldzug gegen die abtrünnigen Allahs begann schon viel früher. Im Jahre 1901 wurde das Gebiet am südlichen Ufer des Ankera zur Besiedelung freigegeben, und schon im Jahre 1903 häuften sich die Berichte über das Verschwinden von Siedlern, so dass sich die Regierung gezwungen sah einzuschreiten. Zu diesem Zeitpunkt wusste man noch nicht, womit man es eigentlich zu tun hatte, und erst die Verhaftung zweier Verdächtiger im Jahre 1904 brachte etwas Licht in diese Angelegenheit.“
Kirchhain:
„Was können sie uns über diese Verdächtigen sagen?“
A. Fahresha:
„Bei der Festnahme selber war ich nicht dabei, doch habe ich die beiden abstoßenden Hunde gesehen als sie in das Militärgefängnis abgeführt wurden, und ich war auch bei der… (zögert einen Moment) …besonderen Befragung anwesend. Bei Allah schwöre ich, dass ich noch niemals, weder vorher noch hinterher, Menschen eines solch widerlichen Volkes gesehen habe.
Einmal fand mein Hund ein totes Wildschwein das, schon wochenlang an dieser Stelle gelegen haben musste, und der Geruch der beiden abscheulichen Männer erinnerte mich sofort an den Gestank, den der Kadaver des Schweins ausströmte. Sie gehörten eindeutig zu einem ganz abscheulichen Volk, das sich vor dem Angesicht Allahs verstecken muss.“
Kirchhain:
„Was bewegt sie zu dieser Aussage?“
A. Fahresha:
„Der Umstand, das man sie ihn der Nähe einer Höhle aufgriff, in der man die Leichen einiger Vermisster entdeckte, und der seltsame Zustand der Toten und ihr Aussehen“
Kirchhain:
„Erläutern sie uns das bitte näher.“
A. Fahresha:
„In dieser Höhle wurden die, zum Teil ausgeweideten und zerlegten, Körper von sieben Dorfbewohnern gefunden. Der Höhlenraum erinnerte an eine Vorratskammer und dieser Eindruck verstärkte sich durch die Tatsache, dass einige Leichenteile gegart waren und eindeutig die Spuren menschlicher Zähne aufwiesen. Es fanden sich auch zwei lederne Rucksäcke, die mit gekochten und gegarten Körperteilen gefüllt waren. Als hätten diese Funde nicht schon gereicht, fand man die Verdächtigen in einem seltsamen Zustand der Verzückung, das Gesicht und den Oberkörper mit Blut und Verwesungsflüssigkeit beschmiert, an.“
Kirchhain:
„Was hatten die Verdächtigen zu ihrer Verteidigung zu sagen?“
A. Fahresha:
„Nichts. Weder aus den ersten noch aus den folgenden Verhafteten war irgendeine Aussage heraus zu bringen. Sobald sie verhaftet wurden, verfielen sie in eine stumpfsinnige Lethargie, und das einzige Lebenszeichen, das sie alle von sich gaben, war eine Art Sprechgesang in einer vollkommen unbekannten Sprache, in dem sie immer wieder die Namen Fahresh und Rash- al Ghoul riefen.“
Kirchhain:
„Wie ging es damals weiter?“
A. Fahresha:
„Die Grenztruppen wurden verstärkt, und die Patrouillen marschierten Tag und Nacht. Zwar konnten wir diese abartige Gruppe immer wider stören, doch die Verhaftungen waren höchst selten. Was zum einen an dem zerklüfteten und unwegsamen Gebiet in dem wir operieren mussten lag und zum anderen an der Tatsache, dass dieses ekelhafte Gesindel sich immer wieder über die Grenze in des Russische Zarenreich zurückzog. Doch unsere ständige Präsenz diesseits der Grenze sorgte dafür, dass diese Leichenfresser häufiger im damaligen Zarenreich aktiv wurden. 1906 wurde dann ein Abkommen mit der dortigen Regierung getroffen, das es uns erlaubte, auch auf ihrem Gebiet tätig zu werden. Im Jahre 1907 gelang es uns das Versteck in einem Höhlensystem zu finden. Wir blockierten alle Eingänge, die wir entdecken konnten, und stürmten den Unterschlupf, doch wie sich später herausstellte, konnte eine relativ große Gruppe über geheime Wege entkommen. Wir vermuten, dass einige ihrer religiösen Führer sich unter den Flüchtigen befanden. Doch was wir in dem riesigen, feuchten Höhlensystem fanden war so abscheulich und abstoßend, das wir den Flüchtenden zuerst keine Beachtung schenkten.“
Kirchhain:
„Bitte Herr Fahresha, erklären sie uns das näher.“
A. Fahresha:
„Es mag ihnen unglaubwürdig erscheinen, doch Allah ist mein Zeuge, dass es sich bei all dem was sie von mir hören um die reine Wahrheit handelt. Die Anhänger dieser abartigen Sekte lebten in fast vollständiger Dunkelheit, die nur von gelegentlichen Kochfeuern erhellt wurde, auf denen sie übel riechendes Fleisch auf offener Flamme oder in rußgeschwärzten großen Töpfen zubereiteten. Über allem hing ein widerwärtiger süßlicher Geruch, der uns den Atem nahm und Übelkeit verursachte. Die Menschen, wenn man sie noch als solche bezeichnen will, waren alle von einem seltsamen bleichen Aussehen und von ekeliger degenerierter Art. Sie lebten in kleinen Verschlägen oder winzigen Höhlen, die eher an Ställe als an Wohnräume erinnerten und ebenso rochen. In diesen Unterkünften stießen wir auf eine Anzahl vollkommen degenerierter Geschöpfe, die kaum mehr als Tiere waren. Diese abartigen Wesen waren, aufgrund ihrer zurückgebliebenen Gliedmaße, des Laufens nicht mehr mächtig und bewegten sich auf ihren nackten, aufgedunsenen Bäuchen vorwärts. Diese Dinger besaßen riesige milchig weiße Augen und wenn sie das Licht unserer Lampen traf schrieen sie vor Schmerz wie kleine Kinder.
Was dann diesen schrecklichen Aufstand der Höhlenmenschen hervorrief kann ich nicht genau sagen, doch ich weiß, dass eine kleine Gruppe von uns bis in die Mitte der großen Höhle vordrang und dort eine Ansammlung von Säulen fand, die ungefähr 170 cm hoch waren und auf denen missgestaltete, mumifizierte Wesen hockten, die nichts menschliches an sich hatten. Noch während sie sich über diese Abscheulichkeiten wunderten, schrie einer der Soldaten gequält auf. Er hatte ein Objekt auf einer der Säulen entdeckt, das eindeutig jüngeren Datums und noch lange nicht mumifiziert war. Die Bedeutung dieses Fundes und die Erinnerung an die abstoßenden, auf dem Bauch kriechenden Wesen lies ihn die Nerven verlieren und er zerstörte das Ding auf der Säule mit seinem Flammenwerfer. Ob es nun die Zerstörung ihres Götzen oder das grelle Licht war, was die schleimige Höhlenbrut veranlasste uns anzugreifen weiß ich nicht. Doch binnen weniger Minuten sahen wir uns umzingelt, und diese abartigen, stinkenden Dinger griffen uns mit widerlichen, langen Klauen und Zähnen an, so dass uns nichts anderes übrig blieb als das Feuer zu eröffnen. Sehr schnell stellten wir fest, dass wir mit den Flammenwerfern die größtmögliche Wirkung erzielten, und so wurde alles in dem Höhlensystem verbrannt und ausgeräuchert.“
Kirchhain:
„Was geschah mit den Flüchtigen?“
A. Fahresha:
„Nun, nachdem wir die Flucht bemerkten nahmen wir so schnell wie möglich die Verfolgung auf. Doch leider teilte sich die Gruppe auf, und wir konnten nur noch feststellen, dass sie allesamt zum Schwarzen Meer flüchteten und dort mehrere Schiffe bestiegen, die alle Europa als Ziel hatten. Wenigstens zwei der Frachter hatten als Zielort Ravenna in Italien. Es wurden sofort die europäischen Regierungen informiert, doch in den politischen Wirren der damaligen Zeit verlor sich jegliche Spur von ihnen. Allerdings glaubten die italienischen Militärs die Spuren einer dieser Gruppe im nördlichen Bereich Tirols ausgemacht zu haben.“
Kirchhain:
„Gibt es sonst noch etwas, dass sie uns berichten möchten?“
A. Fahresha:
(Zögert) „Nun,…ich weiß nicht ob es wichtig ist, aber einige der Männer –und ich scheue nicht zuzugeben, dass ich dazu gehöre- glaubten ein eigentümliches und beängstigendes Pfeifen oder Flöten zu hören. Das erschreckende daran war, dass diese Geräusche aus festen, massiven Wänden zu kommen schien.“
Kirchhain:
„Vielen Dank, Herr Fahresha.“

Oh Gott, in was war Sebastian da nur hinein geschlittert? Glaubte er tatsächlich, dass sich diese abartige Sekte hier in Bayern befand? Obwohl, von Südtirol bis zu uns war es nur ein kurzes Stück, und schon seit hunderten von Jahren wurden die Schleichwege über die Berge von Schmugglern benutzt. Mir fielen die alten deutschen Legenden ein, in denen von unterirdischen Teufeln die Rede war. Unwillkürlich fragte ich mich, ob diese Sekte wirklich neu in diesem Teil der Welt war, oder ob sie nur an einen Ort zurückgekehrt war, den sie schon kannten. Eventuell wurden sie vor Generationen aus Bayern vertrieben, ebenso wie es nun in Aserbaidschan geschah, und versuchten nun wieder in Europa Fuß zu fassen? Ich wischte den Gedanken zur Seite, es dürfte nach vielen hundert Jahren nahezu unmöglich sein diese Theorie zu beweisen. Außerdem galt es erst einmal die Existenz der Sekte und ihrer dämonischen Gottheit nachzuweisen. Dumpfes Donnern riss mich aus meinen Gedanken. Ein Gewitter hatte Benediktbeuern erreicht und tobte sich über unseren Köpfen aus. Ich beschloss, mit meinen Nachforschungen bis zum nächsten Tag zu warten und mich hinzulegen.

Als der Morgen graute befand ich mich schon lange auf den Beinen und durchforstete Sebastians Büro nach neuen Anhaltspunkten. Nach einer zweistündigen Suche entdeckte ich, in einer Jackentasche, eine Karte mit eingezeichneten Wanderwegen. Am oberen Verlauf des Walchensees war eine Stelle markiert und mit dem Zusatz: „mit Ebel reden“ versehen. Der Name Ebel war mir vollkommen unbekannt. Doch wenn Sebastian so viel daran gelegen war mit ihm zu reden, dann würde ich das auch tun. Ich kehrte auf mein Zimmer zurück und zog mich um. Anschließend sagte ich noch kurz dem Abt Bescheid, und zwanzig Minuten später nahm ich den Zug nach Kochel, um von dort aus an das südöstliche Ufer des Walchensees zu gelangen.
Die Sonne stand schon hoch als ich die markierte Stelle erreichte. Vor mir erstreckte sich ein kleines, bewaldetes Tal, an dessen Anfang ich eine Berghütte erkennen konnte. Nach einigen Minuten hatte ich sie erreicht, trat näher und klopfte. Die Tür wurde von einem bärtigen Riesen geöffnet. Der Mann war fast zwei Meter groß und hatte Muskeln wie ein Bär. Mit kleinen intelligent wirkenden Augen musterte er mich von Kopf bis Fuß. Nachdem ich mich vorgestellt hatte, wurde er freundlicher und berichtete mir von seinem Verhältnis zu Sebastian:
„Sicher kannte ich den alten Sebastian. Hat sich mächtig für Kindergeschichten und Märchen interessiert. Ständig war er auf der Suche nach jemandem, der alte Geschichten erzählen konnte. Im letzten Jahr hatten es ihm besonders die Legenden über die „Gräber“, oder wie mein Vater sie nannte „die schwarze Brut“, angetan. Sebastian hat überall herumgeschnüffelt, die alten Leute befragt und in Kirchenbüchern herumgeblättert“. Bei diesen Worten spuckte er einen gelblich braunen Strahl auf den Boden- grinste mich kurz an und fuhr fort: „ Na ja, jedem das Seine. Bei einer seiner Wanderungen haben wir uns dann getroffen. Er war überrascht, wie viel ich über die Geschichte der Wälder und Berge weiß. Ja, schau du nur ungläubig, aber ich weiß einige Dinge zu berichten, dass dir das Herz in die Hose rutschen würde. In den Bergen könnte ich dir Stellen zeigen, dass du den Glauben an deinen Gott verlieren würdest. Aber Sebastian war begeistert und wir wurden unzertrennlich.“ Ein seltsamer Glanz trat in seine Augen und ein geheimnisvoller Zug umspielte seinen Mund, als würde er sich, insgeheim, über etwas belustigen.
Doch bevor ich diesen Gedanken zu Ende bringen konnte, sprach er weiter: „Dann hörten wir von den merkwürdigen Vorbereitungen für ein Fest mitten in den Wäldern an der Partnachklamm, und Sebastian wollte sich gleich auf den Weg machen. Doch ich hatte etwas in Wamberg zu erledigen und konnte ihn nur ein Stück begleiten. Heute weiß ich natürlich, dass ich ihn niemals hätte alleine gehen lassen dürfen. Er muss sich schon auf dem Rückweg befunden haben, als sein Herz versagte. Vielleicht war es die Aufregung oder die Anstrengung. Tatsache ist aber, er hätte niemals alleine gehen dürfen.“ Er kratzte sich den schmutzigen Hals und wirkte für einen Augenblick seltsam entrückt. Er wurde mir unheimlich und so nahm ich die Dämmerung als Vorwand, um mich zu Verabschieden.
„Was, du willst schon gehen? Ich dachte du würdest hier übernachten. Unser Freund Sebastian hat mehr als einmal hier geschlafen! Nein? Na gut. Euch verwöhnten Städtern ist meine Hütte wahrscheinlich nicht gut genug! Aber ihr werdet euch noch alle umsehen!“
Entsetzt starrte ich ihn an. Was hatte dieser Wutausbruch zu bedeuten? Groß und bedrohlich ragte er vor mir auf und seine Augen blitzten gefährlich. Ich fragte mich, ob meine Absage wirklich so unverschämt war. Doch Sekunden später beruhigte er sich und mit einem Lächeln brummte er: Es ist schade, dass du gehen willst. Ich hatte alles vorbereitet um morgen zur Klamm zu gehen.“ Er deutete in eine schmuddelige Ecke, in der ich einen verblichenen Rucksack ausmachte. „Ich schätze zu zweit ist es um einiges sicherer als alleine. Du hattest doch bestimmt vor ebenfalls zur Partnachklamm zu gehen, oder? Du willst doch bestimmt wissen was der alte Sebastian dort oben gesehen hat. Ich werde auf jeden Fall morgen in aller Frühe aufbrechen- doch ich hoffe, dass du mich begleitest. Nun was ist? Gehen wir gemeinsam?“ Er wirkte jetzt wie ein großer, liebenswürdiger Bär, und ich vergaß die Angst, die ich noch vor einer Minute empfand. Seine Anwesenheit und Kraft könnten den Ausflug tatsächlich sicherer machen. Mit einem Handschlag wurde unsere Abmachung besiegelt - er schien sich darüber zu freuen wie ein kleines Kind. Dann richtete er mir eine Ecke zum Schlafen her, und dreißig Minuten später löschten wir die Lichter.

Noch bevor der Morgen graute, wurde ich unsanft aus den Schlaf gerissen. „Los! Wach auf du Faulpelz! Los, bei uns in den Bergen steht man früher auf als in der Stadt.“ Mühsam quälte ich mich aus meiner Decke. Nachdem ich mich an der Regentonne frisch gemacht hatte, setzte ich mich an den Tisch und würgte ein Brot und übel schmeckende Wurst hinunter.
Dann machten wir uns sofort auf den Weg. Obwohl der Morgen kühl war, geriet ich bald ins schwitzen, denn mein Partner legte ein gewaltiges Tempo vor. Gegen Mittag wurde er immer ungehaltener, weil ich immer wieder Pausen einlegen musste. Rechts voraus lag Wamberg, doch er schlug einen Weg ein, der direkt auf das Wettersteingebirge zuführte und dabei Mittenwald links liegen ließ. Wir tauchten ein in einen düsteren, von Farnen durchzogenen Wald.
Plötzlich strauchelte und stürzte ich schmerzhaft. Als ich mich umdrehte, schrie ich entsetzt auf. Eine widerwärtige, schwarze Hand hielt meinen Fuß umklammert. Wie abgeschnitten ragte sie aus dem Waldboden.
Um uns herum schien der Boden zu kochen. Erdhügel warfen sich auf, und wie dämonische Ratten schnellten schwarze deformierte Kreaturen hervor. Gänzlich nackt und mit grauenhaften, eitrigen Geschwüren überzogen, sprangen und hopsten sie, mit gebleckten, gelben Zähnen, auf uns zu. Während ich mich gegen drei dieser Wesen zur Wehr setzte, konnte ich beobachten wie Ebel, von einer Schar dieser Dinger eingekreist wurde. Er warf die Arme in die Höhe, legte den Kopf in den Nacken und mit unmenschlicher, dröhnender Stimme rief er: „Faresh- Faresh! Aii Sad al onaii! Die dunklen Gräber!“
Ich sah noch eine, mit einem Stein bewaffnete, Faust auf mich zurasen, dann wurde es dunkel.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf feuchtem fauligem Stroh. Mit schmerzendem Schädel wollte ich mich aufsetzen und musste feststellen, dass man mir einen kurzen, dicken Lederriemen um den Hals geschlungen und ihn in der Erde verankert hatte. Die Hände hatte man mir, kunstfertig vor der Brust, verschnürt, sodass ich mich kaum bewegen konnte.
Vorsichtig, da ich von ständiger Angst befallen war mich selber zu strangulieren, rollte ich mich auf die Seite. Wie ein Fötus lag ich da und begann den schleimigen Boden abzutasten.
Während die gottlosen Gesänge ihren Höhepunkt erreichten und das Schlagen der Trommel sich steigerte, bemühte ich mich einen scharfen Stein oder etwas Ähnliches zu ertasten, um mich aus meiner Gefangenschaft zu befreien.
Unter meinen suchenden Fingern flohen dicke, schwarze Tausendfüßer und erschreckend große, bleiche Würmer. Gerade, als ich einen Handteller großen, scharfkantigen Stein erreichte und mühsam heranzog, steigerte sich der Geräuschpegel zu einer wahnwitzigen Kakophonie. Dann plötzliche Stille.
Von Todesangst beseelt bearbeitete ich meine Fesseln, immer in der Furcht, der Stein könne meinen verschwitzten Händen entgleiten und in der Dunkelheit verloren gehen. Als ich endlich spürte, wie sich die stinkenden Lederriemen lockerten, begannen die Gesänge wieder.
Ich arbeitete wie besessen an den Fesseln, doch es war zu spät. Ich vernahm das Schlurfen nackter Füße und ein röchelndes Atmen. Schnell verbarg ich den Stein in meiner Faust, und noch bevor ich mich zu der Gruppe umdrehen konnte, spürte ich die Gegenwart einer Person.
Während man mir einen Fuß ins Genick stieß und mein Gesicht in das vermodernde Stroh presste, dröhnte eine dumpfe, bösartige Stimme, die mir seltsam bekannt vorkam:
„Eloim Faresh! Ihr Narren! Genauso wie der debile Greis Sebastian! Der Alte, ist ebenso wie du, in die Falle gegangen - hat die ganze Zeit um Gnade gewinselt. Doch haben wir ihn nicht ganz so hart angefasst, damit noch etwas zum Beerdigen übrigbleibt. Immerhin musste ja auch sein Schüler, als potentieller Mitwisser beseitigt werden. Bei dir ist Rücksichtnahme nicht mehr nötig und nun werden wir ein großes Fest zu ehren des Rash al Ghoul feiern und dem Fahresh ein nettes Opfer bringen – drei Tage lang - und genauso lange wirst du sterben.“
Er packte das Seil und schleifte mich über den Boden hinter sich her, während er immer wieder rief: „Sad al onaii - totes wird ewig leben -sham et gobethii -lebendes wird schwarz -Eloim Faresh! Faresh adonai!“
Doch dann hielt er inne und schien angestrengt zu lauschen, als warte er auf etwas. Er gab den Strick weiter und Sekunden später packten mich stinkende, feuchte Hände und richteten mich auf.
Für einen Sekundenbruchteil konnte ich ein wahnsinnig verzehrtes Gesicht erkennen. Wässrige, bleiche Augen starrten mich mit einem Ausdruck bösartiger Idiotie an, während ein lippenloser, mit fauligen, stumpfen Zähnen bewehrter Rachen mir seinen stinkenden Brodem entgegen blies. Rings um mich torkelten und hopsten abgrundtief hässliche Wesen, von entfernt menschlicher Gestallt.
Wir befanden uns in einem schmalen Gang, an dessen Wänden faustgroße, verunstaltete Pilze wucherten, die ein grün phosphoreszierendes Licht abstrahlten. Doch so schwach das Licht auch war, es enthüllte mir entsetzliches und brachte mich dem Wahnsinn nahe. Panik stieg in mir auf, als ich meine Peiniger sah, und ich verfiel in ein kindliches, sinnloses Gestammel und Speichel lief mir, in langen Fäden, die Mundwinkel hinunter.
Diese Kreaturen befanden sich in einem widerwärtigen degenerativen Zustand und wiesen sämtliche Spielarten der Deformation auf. Den meisten von ihnen fehlten Hände und Füße, und sie bewegten sich mit aufgedunsenen Stummeln vorwärts, hopsend und schlurfend wie nackte, abartige Primaten.
Doch einige Meter vor uns ragte die menschliche Gestallt der Person auf, deren Stimme mir so bekannt vorkam. Aus dieser Entfernung sah ich nur ihren Hinterkopf und die, von einem blutroten Zeremonienmantel, bedeckten Schultern. Auf dem Kopf trug sie eine Tiara, die in irrwitzigen Windungen vom Schädel abstand. Etwas an ihrem Gang weckte meine Aufmerksamkeit. Wer war dieser Mann? Ich muss ihm schon einmal begegnet sein- nur wo? Diese Überlegungen lenkten mich ein wenig ab, und wie in Trance begann ich meine Fesseln zu bearbeiten.
Plötzlich stoppten wir und die Monstrositäten verharrten lauschend. Dann presste ihr Anführer sein Ohr an eine der Wände, jedoch konnte ich nicht ausmachen, was die kleine Gruppe in seltsame Aufregung versetzte. Die Missgeburten scharrten sich um ihren Herrn, und mit kurzen Befehlen wurden sie zur Eile angetrieben. Doch ich bemerkte, dass einige der Wesen immer wieder lauschend stehen blieben.
Kilometer lang zogen sich die Gänge in endlosen Windungen dahin, und mit der Zeit schien die Zuversicht meiner Wärter wieder zu wachsen. Als wir dann in der Ferne den erleuchteten Ausgang erkennen konnten, war ihre Selbstbeherrschung dahin.
Die idiotisch vor sich hin grunzenden und quäkenden Abartigkeiten hatten keine Augen mehr für mich, sondern richteten ihr Interesse auf einen heller werdenden Flecken, der das Ende des Tunnels ankündigte.
Der matte Schein des Ausgangs nahm beständig zu, und ich erkannte, dass die Wände mit unzähligen Malereien überzogen waren. Die Darstellungen ihrer Riten und was sie den Unschuldigen, die ihnen in die Hände fielen, antaten, war so abscheulich, dass ich innerlich erstarrte und von einer trügerischen Ruhe befallen wurde. Sofort war mir ihr erschreckendes Alter aufgefallen, keine der Zeichnungen konnte jünger als dreihundert Jahre sein. Auch die merkwürdige Art wie einige der Abbildungen förmlich aus den Wänden gekratzt wurden, ließ mich frösteln. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen als wir den Zugang zu einer riesigen Höhle erreichten. Meine Wärter gerieten schier in Raserei, und während ihnen Geifer aus den Mundwinkeln lief, sprangen sie, epileptisch zuckend, um mich herum. Dieser Veitstanz nahm ein abruptes Ende, als ihr Anführer im erleuchteten Torbogen stehen blieb, die Arme in die Höhe riss und mit donnernder Stimme rief:
„Ihle shamoth! Ihle shàmoth! Aii Sad al onaii! Per Adonai Eloim Faresh!“.
Wie ein bösartiger Chor antworteten ihm Hunderte von Stimmen: „Eloim Faresh! Rash al Ghoul`-shemtiyh Onaii!“ .Das Grauen ließ mir die Sinne schwinden, doch durch Schläge und Tritte wurde ich weiter getrieben, und ich erblickte eine so Unheil bringende Szenerie, wie sie selbst ein Hieronymus Bosch in seinen Alpträumen nicht erschreckender hätte sehen können. Vor mir erstreckte sich eine schwarze, zyklopische Halle. Finstere Bogengänge säumten das kathedralenartige Rund und verloren sich in fernen, dunklen Schatten. Unzählige brennende Öl- und Kohlebecken ließen furchtbare Schatten tanzen und gaben dem Geschehen eine alptraumhafte Note.
Im Licht der flackernden Flammen sah ich, dass der schleimige, von unheiligem Leben erfüllte, Boden aus großen, unregelmäßig gebrochenen Steinplatten, die Wände jedoch aus riesigen behauenen Quadern, bestand. Seltsame Geräusche erfüllten die Halle, und selbst in den schwärzesten Schatten glaubte ich wage Bewegungen wahr zu nehmen.
Roh gehauene Stufen führten in langen Windungen hinunter zu diesem Höllenpfuhl. Als man mich, wie ein zitterndes Stück Schlachtvieh, hinunter trieb, konnte ich furchterregende Einzelheiten erkennen. Weiche, blasse Gestallten, die niemals das Licht der Sonne erblicken dürfen, suhlten sich in einer Masse aus Schleim, Blut, und dem was eine Sterbender ausschwitzt. Von madenhafter Gestallt wanden und schlängelten sie sich, die Köpfe mit den weißen blinden Augen gierig nach allen Seiten reckend, auf die deformierten Dämonen zu, die ihnen Nahrung darboten. Zufrieden grunzend und quiekend, nagten sie dann an den stinkenden Überresten ihrer gemarterten Gefangenen. Während, entfernt menschenähnliche, Monstrositäten, mit ekelerregend verzücktem Ausdruck, unbeschreibliche Handlungen an den aufgedunsenen Körpern Sterbender durchführten.
Als wir den Fuß der Treppe erreichten, brach ich in irrsinniges Kreischen aus. Denn vor meinen entsetzten Augen, zuvor durch die Krümmung der Treppe verdeckt, hing waagerecht der geschändete Körper meines Führers Ebel. Man hatte ihm lebend den Bauchraum geöffnet, und in langen, feuchten Strängen hingen seine Innereien über einer erhitzten metallenen Schale. Während ich schreiend und kreischend dem Irrsinn nahe war und die gottlosen Kreaturen immer wieder gegartes Fleisch aus seinem Körper schnitten, öffnete er flehend die Augen und als er zu mir sprechen wollte, erkannte ich, dass sie ihm die Zunge herausgerissen hatten. Gerade noch sah ich, wie sich zwei der blassen Wurmähnlichen um eben dieses Stück Fleisch balgten, als hinter mir ein abgrundtief bösartiges Lachen erscholl. Benommen drehte ich mich um und erkannte, dass der Anführer seinen Mantel geöffnet hatte und sich in erregter Nacktheit mir zugewandt hatte. Zerrüttet an Körper und Geist musste ich erkennen, dass mir die Person tatsächlich nicht unbekannt war. Das Ding mit der abscheulichen Mitra und den schrecklichen, goldenen Schmuckstücken an dem erigierten Penis war niemand anderes als der Abt Mathias. Lüstern und sich höhnisch über die Lippen leckend grunzte er: „Nun, mein lieber Aaron, werde ich dich lehren, wie man einem wahren Gott huldigt. Dein Freund Ebel ist schon ganz sprachlos vor Entzücken unserem Gott Faresh dienen zu dürfen.“ Widerwärtig brach sich sein Lachen an den Wänden, und hektisch masturbierend kam er auf mich zu. Kraftlos sank ich auf die Knie, unfähig um Gnade zu betteln musste ich miterleben, wie er mich an den Haaren packte und auf sich zu riss. Auf allen Vieren vor ihm liegend sah ich sein verunstaltetes Geschlechtsteil direkt vor mir aufragen und erkannte die goldenen Dornen, die aus der gedunsenen Eichel hervorstachen, sowie die bläulich angeschwollenen Hoden, die in einer Art Zacken bewehrtem Korsett saßen. Durch die weiche Haut getriebene Stifte hielten dieses metallene Objekt an seinem furchtbaren Platz und schienen seinem Träger eine abscheulich Befriedigung zu bereiten.
Plötzlich erhob sich ein panisches Schreien, und ich wurde brutal zurückgestoßen. Auf dem Rücken liegend konnte ich sehen, wie der Abt Mathias lauschend zur Decke starrte, während die Missgeburten erregt grunzend herum hopsten. Wie aus weiter ferne vermeinte ich ein ansteigendes Fiepen zu hören. Die Bewegungen der Ghoule steigerten sich wie in blinder Raserei, und ich musste befürchten zu Tode getrampelt zu werden. Die weißen Maden rotteten sich furchtsam zusammen und schrieen in höchster Angst, wie junge Katzen oder Säuglinge. Einige der Menschenähnlichen versuchten sie fortzutreiben oder –zuschleppen und wurden dafür mit schmerzhaften Bissen durch die schrecklichen Kiefern belohnt. Wie ein abnormes Götzenbild stand der Abt inmitten des wahnsinnigen Hexenkessels und donnerte Befehle. Doch es erfolgten keine Reaktionen, er war nicht mehr Herr der Lage. Das unheimliche Pfeifen und Fiepen schwoll immer stärker an, und als ich meinen Blick auf die Quelle des Geräusches richtete, bemerkte ich, dass sich breite Risse in den Wänden zu bilden begannen. Aus den Fugen der Wände rieselte langsam der jahrhundertealte Staub und Dreck.
Unaufhaltsam wurden die riesigen Quader, von einer unbeschreiblichen Kraft, aus ihrer Fassung nach außen gedrückt. Niemand kümmerte sich mehr um mich, und so sprang ich auf und zerriss meine durchgescheuerten Fesseln. Als ich mich der Treppe zuwendete, wurde meine Flucht von Mathias bemerkt, und er sprang mir entgegen, um mir den Weg abzuschneiden. Drei der Ghoule hatten ebenfalls meine Absicht erraten und versuchten ihrem Herrn zu helfen. Doch ich erinnerte mich an die Worte von Abdullah Fahresha und stieß ihnen das Ölbecken, über dem Ebel hing, entgegen. Ein brennender Regen ergoss sich über die Angreifer, und während Mathias Mantel sofort Feuer fing und den Schreienden einhüllte, ergriffen die Anderen panisch schreiend die Flucht. Als sich das brennende Öl auf dem feuchten Boden ausbreitete und eine furchtbare Ernte unter den Missgeburten einer abartigen Religion hielt, hechtete ich die endlose Treppe hinauf. Hinter mir brach ein geradezu apokalyptischer Lärm aus, als überall die riesigen Quader aus Wänden und Decke gestoßen wurde. Der Gestank nach verbranntem Fleisch und die unbeschreibliche Kakophonie der Schreie hüllten mich ein und unterdrückten jeden klaren Gedanken, als ich dann endlich den Gipfel der fluchbeladenen Treppe erreichte.

Heute kann ich nicht mehr sagen, wie lange ich der Gefangene dieser abartigen Religion und ihrer fleischgewordenen Dämonen war, oder wie lange ich durch die schier endlosen, dunklen Gänge stolperte, bis ich endlich wieder das Tageslicht erblickte. Noch kann ich sagen, wo sich der Zugang zu jenem höllischen Labyrinth befindet, dem ich dank der Gnade Gottes entkommen bin.
Aber niemals, niemals werde ich das vergessen, was ich erblickte, als ich mich, oben auf dieser entsetzlichen Treppe, zum letzten Mal umdrehte.
Heute weiß ich, dass es im Schatten, hinter der scheinbar stabilen Weltordnung, furchterregende Dinge und Wesen gibt. Schrecklich bösartige Wesenheiten, die dort sitzen und kauern und sich von alldem ernähren, was gut und edel ist. Doch weiß ich auch, selbst der abscheulichste Jäger kennt die Furcht und wird von Einem gejagt, der noch schrecklicher ist.
Denn das, was mich seitdem in meinen Träumen heimsucht, sind eklige, vielgliedrige Abscheulichkeiten, aus den unermesslichen Tiefen der Erde. In der Nacht träume ich davon wie sie sich, braunen segmentierten Engerlingen gleich, aus den Wänden einer unterirdischen Halle bohren und mit einem unmenschlichen Fiepen auf die aufgeschreckte Ghoulbrut stürzen. Dann kann ich sehen, wie sie mit ihren monströsen Kiefern reißen und zerfleischen
und furchtbar unter ihren kreischenden, fliehenden Opfern wüten.
Die entsetzlichen Wandbilder in jenen fluchbeladenen Katakomben haben mir deutlich gemacht, dass diese Dämonen nicht neu in diesem Teil der Welt sind, sondern die Menschen schon seit Generationen begleiten.

Mein Name ist Aaron Ilyas van der Waid und ich weiß, in den Tiefen der Erde lauern Gefahren, die kein menschliches Wesen ermessen kann.
Ich schwöre, bei meiner unsterblichen Seele, dass sich alles genauso zugetragen hat, wie ich es hier niedergeschrieben habe.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Lovecraft, äh, Ilyas,

anscheinend hat heute niemand Zeit. Deshalb musst du dich erstmal mit meiner Kritik zufriedengeben. Wie immer vorab Details und Fehler:

"Des Weiteren lud man mich ein an der Beerdigung teilzunehmen "

lud man mich ein, an

übrigens sind noch SEHR viele Kommafehler enthalten. Hab im Moment leider keine Zeit alle aufzuzählen.

"gegebenen falls" gegebenenfalls

"seltsamen Lächeln um den Mundwinkeln"
um die Mundwinkel

"Von dem, ziemlich abgegriffenen, Block war nur die erste Seite benutzt."
Hier also hast du die Kommas gesetzt, die an anderen Stellen fehlen :D

"Schlafen gehen"
schlafengehen

"das Tonband gerät"
Tonbandgerät

" Nach einer zweistündigen Suche entdeckte ich, in einer Jackentasche, eine Karte mit eingezeichneten Wanderwegen."
auch hier keine Kommas ... sagt mir jedenfalls mein Gefühl.

"Sebastian hat überall herumgeschnüffelt, die alten Leute befragt und in Kirchenbüchern herumgeblättert.", bei diesen Worten spuckte er einen gelblich braunen Strahl auf den"

... herumgeblättert". Bei diesen ...

" Bei einer seiner Suche" hört sich komisch an. Vielleicht "Bei einer seiner Wanderungen"?

"aus den Waldboden"
dem

Die Geschichte hat mir gefallen, allerdings bei weitem nicht so gut wie "Das Lied des Ghouls". Der erste Teil der Geschichte, der sich mit den Aufzeichnungen und Aarons Nachforschungen beschäftigt, ist ziemlich langatmig, ja sogar langweilig.

Ab der Wanderung in die Berge geht's dann ordentlich zur Sache. Allerdings verwendest du die Worte "gottlos", "blasphemisch" "degeneriert" usw. ein bisschen zu oft für meinen Geschmack. Auch die (wirklich vielen) Fehler, vorallem Kommafehler, trüben den Lesefluss. Das mit den Kommas solltest du echt in den Griff bekommen.

Trotzdem hat's mir gefallen. Aber wie gesagt, nach "Das Lied des Ghouls" war's nichts wirklich neues.

Gruß
Mike

 

Hi Mike,
nett, dass du die (trotz der Länge der KG) die Zeit genommen hast sie nicht nur zu lesen sondern auch zu kommentieren.

Vermutlich hätte ich mir (und den Lesern) ersteinmal ne Pause gönnen sollen befor ich wieder mit ner Ghoulgeschichte daherkomme.
Dumm, aber das Thema lässt mich im Moment nicht los.
Mag daran liegen, dass es recht wenig über diese Dämonenart gibt und mir damit eine (fast)volle Handlungsfreiheit garantiert.

An meinem Kommafehlerproblem:rolleyes: arbeite ich!
Allerdings dauert das (bei so einem alten Sack wie mir)
bis ich was in meine Birne kriege und es auch drinn bleibt.:bonk:

Übrigens:

" Nach einer zweistündigen Suche entdeckte ich, in einer Jackentasche, eine Kar
te mit eingezeichneten Wanderwegen."

Ich dachte: Wenn man was einfügt (was man auch weglassen könnte, ohne den Satz zu verfälschen), dann setzt man Kommas.:susp: Oder?

Also die aufgezeigten Fehler hab ich behoben.
Hab auch ein wenig Blasphemie rausgenommen.:D

Also bis zur Nächsten Story
Der Ghoul-Master
Ilyas:lol:

 

Hi Ilyas,

Ich dachte: Wenn man was einfügt (was man auch weglassen könnte, ohne den Satz zu verfälschen), dann setzt man Kommas. Oder?

In diesem Fall liest es sich aber seltsam.

"Nach einer zweistündigen Suche entdeckte ich, in einer Jackentasche, eine Karte mit eingezeichneten Wanderwegen."

Ich finde nicht das es unwichtig ist, woher die Karte plötzlich kommt. Du könntest "in einer Jackentasche" höchstens durch Gedankenstriche oder Klammern miteinbeziehen. Aber wenn du einfach die Kommas in diesem Satz weglässt, liest es sich flüssig und m.M. nach korrekt.

Mit den Kommas hatte ich vor nicht allzu langer Zeit auch noch Probleme. Das ist aber besser geworden, hoffe ich zumindest. Ich habe einfach den Rat befolgt, den mir die Leute hier gegeben haben: lies dir die Geschichte selbst vor. Wenn du nicht gerade Asthmatiker bist, wirst du die Kommas dann automatisch richtig setzen.

Gruß
Mike

 

Hallo Ilyas!

Eine interessante unheimliche Story, die ich trotz ihrer Länge mit Spannung gelesen habe. Gut fand ich auch die eingestreuten Zeitungsartikel und das Interview, welche die Geschichte authentisch erscheinen lassen.
Einige kleine Schreibfehler sind mir noch aufgefallen, z.B. " in den tiefen der Erde".
Wichtiger ist aber ein logischer Fehler, der meiner Meinung nach noch vorhanden ist: Der Mentor des Helden wurde doch offensichtlich ebenfalls von den Ghouls gefangen. An einer Stelle heißt es in dem Zusammenhang, "er hat die ganze Zeit um Gnade gewinselt". Wie also konnte er dann entkommen und ganz normal beerdigt werden, ohne das jemandem etwas aufgefallen ist?

 

HI Sturek,
danke erst einmal für deine Kritik.
Du glaubst gar nicht wie froh ich bin, dass du den Fehler gefunden hast.
Mein Gefühl sagte mir:"DA STIMMTWAS NICHT".
Ich selber bin aber nicht dahinter gekommen was es ist.
Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht...

Dank und Grüße
Ilyas

 

Hi. Wow, sehr blutig und splatterig. Nix für die Lektüre nach dem McDonalds-Besuch. Der Titel hat mich nicht so umgehauen, die Story schon eher. Endlich mal wieder ein Ghoul, die hatte ich ja schon fast wieder vergessen. Klingt alles ein Bisschen wie Jule Verne meets Tarantino, bleibt aber nachvollziehbar. Die Passagen, zwischen den Metzeleien in der Höhle, bevor der Prot. mit seinem Führer aufbricht den Vermissten zu suchen, sollten meiner Meinung nach ausgebaut werden. Sie kamen mir beim Lesen zu kurz vor, was heißen soll, dass Details, wie Geräusche, Gerüche, Gedanken oder Gefühle die Welt und die Prots., die in ihr leben, menschlicher und nachfühlbarer machen würden. Ansonsten gibt es nichts zu beanstanden. Die Geschichte war vor allen Dingen sehr spannend.
MfG.Alex

 

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