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Die Herrschaft des Königs

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15.08.2004
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Die Herrschaft des Königs

Die Herrschaft des Königs

Herr Maybergh war ein hagerer Herr um die fünfzig Jahre und lebte in einem sanierten Altbau in einer größeren Stadt. Er mochte das Viertel in dem er lebte, weil es so wenig alte Menschen gab, wie ihn, sondern nur junge Menschen, die ihn manchmal an seine Jugend erinnerten.
Herr Maybergh war im Laufe seiner langjährigen Arbeitslosigkeit etwas gelangweilt und hatte lang überlegt, was er dagegen tun könnte. Eines Tages liefen unter seinem Balkon einige Kinder lang, die sich um irgendetwas stritten und feixten.
Völlig angekotzt erhob sich Herr Maybergh, schaute grimmig über die Brüstung des Balkons und schrie: „Ihr kleinen dreckigen Bastarde, verpisst euch oder ich hol die Bullen!“. Eine Stille kehrte nun in diesem Straßenabschnitt ein und die Kinder plus einige andere Passanten, glotzten entsetzt zum Balkon von Herr Maybergh hinauf. Die Kinder rannten davon, wobei ¼ von ihnen wohl vor Schock heulte. Die anderen Passanten ließen noch die eine oder andere „Kann doch nicht war sein“- und „Verdammter Spinner“- Floskel ab und verzogen sich ebenfalls. Herr Mayberghs Balkon war nun zu seiner persönlichen Kanzel zur Herrschaft über die Straße geworden. Jetzt hatte er kapiert was er brauchte – Verantwortung. Er war jetzt zum König dieser Straße aufgestiegen, wenn auch nur in seinem Kopf.
Von jetzt an sah er es als seine Pflicht an, jeden Tag auf seinem Plastikthron aus dem Baumarkt zu sitzen und Kinder anzumotzen.
Die anderen Bewohner des Hauses, allerdings konnten seine autoritäres Gehabe nicht mehr lang ertragen und trafen sich heimlich, versteckt vor den Augen des selbsternannten Regenten. Als Maybergh dann wieder einmal Lebensmittel auf umherstreunende, nicht angeleinte Kinder warf, war es soweit. Das Volk, bestehend aus vier Mieterpartien, dem Hausmeister und einigen Bewohnern anderer Häuser erhob sich zum Kampfe. Mit allen Mitteln versuchte der Regent zu suggerieren er sei nicht da und reagierte nicht auf dass, an Sachbeschädigung grenzende, Klopfen.

Schließlich musste er aber einsehen, dass das Volk den König nicht mehr wollte und ging zur Tür. Unter den wutentbrannten Anschuldigungen um Ruhestörung und Zweifeln an seinem Verstand, konnte sein leidendes Herz nicht mehr arbeiten und entließ den König in die Hallen seiner Vorväter mit einem heftigen Herzinfarkt.
Der selbst ernannte König plumpste wenig feierlich auf die mit Linoleum bedeckten Treppen seines Hauses.
Die Mieter bekamen dann ganz kurz etwas Mitleid mit Maybergh, aber riefen den Krankenwagen auch erst dann, als sie sicher waren, dass der Tyrann wirklich tot war. Ein junger Student, der nur so mit gelaufen war, fragte nach der Nummer der Hausverwaltung, um die Wohnung zu beziehen, damit sie ihm nicht jemand wegschnappt. Nachdem die Stadt die kargen Möbel des Königs bei Ebay versteigert hatte und ihm ein 100€ Grab ohne Namen auf der Friedhofswiese gegeben hatte, konnte der Student dann auch tatsächlich die Wohnung bekommen. Als er eine Weile dort wohnte, wurde ihm der Schatz des Königs zuteil, der unter den Dielen versteckt war, eine Ottokatalogsammlung, die bis ins Jahr 1976 zurückgeht. Weil sich der Nachmieter dem Wert dieser außerordentlich Sammlung bewusst war, stiftete er sie den Reinigungsbetrieben, in dem er sie in die Papiertonne warf.
So endete die kurze aber prägnante Herrschaft des Königs, die die Straße beinahe in eine Diktatur gestürzt hatte. Noch heute stopfen Werbeverteiler, im Gedenken an den König, kiloweise Supermarktbroschüren in seinen Briefkasten…

 

Hi Rüsti,
Deine Geschichte veranlasst mich, darüber nachzudenken, wer nun Schuld ist an dem Unmut des Königs. Ist es unsere Gesellschaft, die für ältere Menschen keine Aufgabe oder Toleranz mehr hat, oder sind es die alten Menschen selbst, die sich in die Isolation ergeben und durch solche Ausbrüche daran erinnern wollen, dass sie noch da sind?
Das Verhalten des Königs war sicher nicht richtig, aber was hat in dazu veranlasst? Mir tut der gestürzte, alte König schon etwas leid.
Deine Geschichte zeigt anschaulich und mit einem guten Stil die Kluft zwischen Alt und Jung, die so eigentlich keine Daseinsberechtigung haben sollte.
Hat mir gut gefallen. ;)
Bis denn
Liebe Grüße, die Kürbiselfe Susie :)

 

Hallo Rüsti

die Geschichte an sich hat mir auch ganz gut gefallen nur finde ich sie nicht allzu witzig. Es gab für mich nicht eine Stelle an der ich lachen oder lächeln musste, sorry, ist halt so.

Zwei Verbesserungsvorschläge: das ¼ würde ich ausschreiben.

„Kann doch nicht war sein“
„Kann doch nicht wahr sein“

Gruss
Lemmi

 

Der König ist tot! Sein Volk betrauert ihn nicht.

Nun ja, Humor ist ja Geschmackssache. Ich muss gestehen, dass mich deine Geschichte eher traurig gestimmt hat.
Ein vereinsamter älterer Arbeitsloser dreht durch und sein "Volk" ist erleichtert über seinen Tod.
Bestenfalls tragikomisch einige Textstellen wie "Plastikthron aus dem Baumarkt" oder "umherstreunende, nicht angeleinte Kinder".

Es gibt noch einige Fehler, z.b.:

Weil sich der Nachmieter dem Wert dieser außerordentlich Sammlung bewusst war, stiftete er sie den Reinigungsbetrieben, ...
des Wertes

Als Satire ausbaufähig. Für mich leider kein Humor

Viele Grüße von Sturek

ps: Auf meinen 111. Beitrag geb ich einen aus :anstoss:

 

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