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Die Hochzeit
Die Hochzeit
Verliebt seit Jahren. Und dann kommt der Tag, an dem sie sich Ja sagen.
Beide stehen in aller Frühe auf, zu aufgeregt, um weiterzuschlafen. Die Gedanken kreisen nur um den anderen.
Die Stunden vergehen, die letzten Vorbereitungen werden getroffen und je weiter die Zeit voranschreitet, desto nervöser werden sie. Ob auch alles gut gehen wird? Jedenfalls spielt das Wetter mit: es ist ein warmer Frühlingstag.
Den Weg zur Kirche gehen beide getrennt, denn schließlich bringt es Unglück, die Braut vor der Hochzeit zu sehen. Ein letztes Mal stellen sie sich selbst die Frage: Will ich wirklich den Rest meines Lebens mit diesem Menschen verbringen? Gezweifelt wird nicht.
Nun steht er in der Kapelle und wartet ungeduldig auf sie. Neben ihm sein bester Freund, sein Trauzeuge, vor ihm der alte Pfarrer mit den eisblauen Augen. Erwartungsvoll blickt er den mit rotem Sand ausgelegten Gang hinunter.
Die Musik setzt ein, das Getuschel der Hochzeitsgäste verstummt. Endlich steht sie am Eingang. Wie ein Engel leuchtet sie in ihrem weißen Kleid neben den kalten, grauen Kirchenmauern. Die Münder öffnen sich vor Bewunderung und sie schreitet anmutig den Kirchgang hinunter.
Unten angekommen, blickt sie ihm zaghaft in die Augen, und ihr Blick wird erwidert. Das Lächeln, das sagt: wir sind geschaffen füreinander.
Der Pfarrer beginnt mit seiner Rede. Doch von den Worten, die zuvor gemeinsam ausgesucht wurden, bekommt keiner der beiden etwas mit. Die Konzentration ist wie weggeblasen, die Gedanken kreisen um die Zukunft.
Dann geben sich beide das Jawort. Einander lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten - bis dass der Tod sie scheidet. Bis dass der Tod sie scheidet.
Der Kuss, in einem Raum erfüllt von Stille. Er besiegelt den Bund und beendet die Zeremonie.
Von Orgelmusik begleitet verlassen sie das Gebäude, lächeln einander an. Das frohe Lachen der Gäste, der Regen aus Blüten und Reis. Die herzlichen Glückwünsche lösen Tränen in ihren Augen aus und gemeinsam steigen sie in das mit weißen Blumen und Bändern geschmückte Auto.
Auf dem Weg zum Restaurant wird nichts gesagt. Sie blicken sich still an, verstehen sich ohne Worte. Sie lieben sich und wissen, so wird es bleiben, bis dass der Tod uns scheidet. Der wichtigste Moment ihres Lebens ist vorüber, aber der schönste Tag noch nicht vorbei.
Keine dreißig Minuten sind sie verheiratet, ein Bruchteil im Vergleich zum Rest ihres Lebens, da rast der rote Sportwagen in ihr Auto. Die Reifen quietschen, die Luft ist erfüllt von fürchterlichem Krachen. Das Auto überschlägt sich, weiße Blüten fliegen umher, ihre Schreie erfüllen die Luft.
Nach einer kurzen Ohnmacht öffnet sie vorsichtig die Augen. Sie spürt ihre Beine nicht mehr, ihr Gesicht ist blutüberströmt, aber ihr einziger Gedanke ist der, ob es ihm gut geht. Sie blickt zu ihm hin, hört die Sirenen des Krankenwagens in der Ferne.
Er liegt neben ihr, seine Augen sind geschlossen, sein Brustkorb hebt sich nicht. Entkräftet flüstert sie seinen Namen, doch er reagiert nicht. Sie hebt mit Mühe den Arm, der nicht gebrochen ist und führt ihn an sein Gesicht, doch seinen Atem kann sie nicht fühlen. Sie ergreift seine Hand, doch seinen Puls spürt sie nicht.
Ihre Augen füllen sich erneut mit Tränen. Nicht die der Freude, sondern des Schmerzes. Bis das der Tod uns scheidet, ist ihr letzter Gedanke. Sie schließt ihre Augen, riecht zum letzten Mal die Frühlingsluft. Hört die lauten Sirenen in der Nähe. Ihr Leben ist vorbei.
Der Tod hat sie geschieden.