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Die Insel
Als der Matrose auf dem Ausguck „Land in Sicht“ rief, befand ich mich wieder in einer verschwommenen Parallelwelt irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit. Ich döste seit Tagen, nicht aus Müdigkeit, sondern um den pochenden Schmerz zu unterdrücken, der ständig gegen meinen Bauch hämmerte. Es war, als würde etwas in meinem Magen herumlaufen, ein Parasit in Form einer Spinne vielleicht. Ich hatte davon geträumt.
Schon länger hatte sie sich dort eingenistet, doch nun, wo mein Körper immer schwächer wurde, überkam sie Panik. Ich sah es, wenn ich meine Augen schloss. Sie fühlte, dass sie sich schleunigst einen Ausweg aus meinem sterbenden Körper suchen musste. Sie wandte sich durch meine Innereien, zerschnitt meine Gedärme mit ihren spitzen Krallen und prallte immer wieder gegen meine Bauchdecke.
Heute war es schlimmer geworden. Sie rammte meine Bauchdecke permanent, suchte keinen anderen Weg mehr. Sie wollte sich jetzt durch mein Fleisch hindurch fressen, spürte genauso wie ich, dass die Uhr gegen uns schlug. Ich öffnete meine Augen.
Ein Magenkrampf brachte mich endgültig zurück auf das Schiff. Ich kotzte Magensäure aus. Mein Rachen fühlte sich an, als wenn ich die letzten Tage durch ein in Benzin getränktes Laken geatmet hätte. Ich verspürte ständig ein Kratzen im Hals, versuchte den Hustenreiz so lang es ging zu unterdrücken, doch ich wusste, dass ich es nicht ewig zurückhalten konnte und dann würde es sich wieder so anfühlen, als würden Rasierklingen meinen Rachen in Stücke schneiden.
Die vertraute Seeluft, sonst so angenehm süßlich, schien verpestet zu sein. Seit Wochen trieben wir irgendwo im Indischen Ozean umher. Der verdammte Sturm hatte uns vom Kurs abgebracht und die TBS Lazzara schwer beschädigt.
Mehrere Steuerruder waren gebrochen. Der Kompass war hinüber, zeigte nur noch wirres Zeug an und das alte Funkgerät hatte sein letztes Piepen von sich gegeben, als eine Welle mit der Wucht einer Lawine das Dach der Kabine abriss und das meiste, was sich darin befand, von Bord spülte. Nur der Mast mit dem Ausguck hatte den Sturm nahezu unversehrt überstanden.
Es regnete seit Tagen und dunkle Wolken folgten uns überall hin, wie ein Drachen, den man an einer Schnur hinter sich her zieht.
Die Crew verhielt sich von Tag zu Tag seltsamer. Es wurde kaum geredet, niemand lief das Deck auf und ab. Die Männer saßen einfach nur da und beobachteten sich gegenseitig. Den größten Teil der Mannschaft kannte ich schon seit Jahren, doch in ihren Blicken lag nichts Vertrautes mehr.
Burkley, unser Navigator, saß an einen angebrochenen Mast gelehnt und bearbeitete seine Fingernägel mit einem Messer. Seit Tagen sah ich ihn nun so sitzen. Seine Finger bluteten. Ich konnte es nicht genau erkennen, aber es sah so aus, als wenn er sich seine Fingernägel abgetrennt hätte und nun in den offenen Wunden seiner Fingerkuppen herumbohrte. Er verzog keine Miene.
Als er bemerkte, dass ich ihn anstarrte, schaute ich wieder weg. Der schimmlige Geruch des Wahnsinns lag in der Luft. Ich konnte die Insel förmlich riechen.
„Land in Sicht“, hechelte der Matrose erneut.
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Als wir das Ufer erreichten, hatten sich die Wolken endlich verzogen. Meine komplette Crew stand an der Reling, als das Schiff, dass seit dem Verlust der Segel keine drei Knoten mehr schaffte, auf den Sandstrand auflief, langsam an Fahrt verlor und schließlich still stand.
Es war das erste Mal seit der Sturmnacht, dass ich die Männer so aufgeweckt sah. Sie schauten die Insel an, als wären sie verirrte Wüstenwanderer, die einen Getränkestand gefunden haben. Obwohl sie in Sonnenlicht getränkt war, ging etwas Beunruhigendes von ihr aus. Ich vernahm ein leises Summen, mehrere hohe Pfeiftöne, dann wieder das Summen. Es hörte sich nach einem Moskitoschwarm an, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Insekten lauter sein konnten als die Wellen, die gegen unser Schiff schlugen. Ich fragte mich, ob die Anderen es auch hörten.
Lionel, der Jüngste von uns, rollte die Leiter aus. Wortlos gingen die Männer an mir vorbei. Ihre Blicke gesenkt, sie hatten schon lange nicht mehr in die Luft geschaut, denn der Sturm hatte uns ein grässliches Andenken beschert.
Er hatte uns unerwartet überfallen. Ich hatte Antonio gebeten den Großmast von Taubenkot und anderem Dreck zu befreien, als der Wellengang unruhig geworden war.
Innerhalb weniger Sekunden hatten sich meterhohe Wellen aufgebaut. Sie hatten die TBS Lazzara erklommen und zwei Masten einfach umgeknickt. Die Segel waren auf das Deck gekracht, spitze Holzsplitter waren an der Bruchstelle übrig geblieben. Antonio hatte die Masten wie Dominosteine umkippen sehen und auf dem nächsten Stein hatte er gesessen.
Er hatte sich mit aller Kraft festgehalten um nicht von dem Sturm weggeweht zu werden als der Mast schließlich nachgab und brach. Unaufhaltsam war Antonio auf den Nebenmast mit den spitzen Bruchstellen zugesteuert. Die scharfen Kanten hatten seinen Bauch aufgeschlitzt, und sein Leben bitter beendet. Ein grässliches Geräusch hatte sich in meine Ohren gebohrt wie ein glühender Nagel, bevor mich eine Welle gegen die Reling geschleudert hatte.
Als ich wach geworden war, hatte Antonio noch immer da gehangen, in etwa drei Meter Höhe. Es gab keine Möglichkeit ihn da runterzuholen. Selbst, wenn man den Mast noch hätte hochsteigen können, hätte man den Leichnam nicht bergen können. Sein Bauch war komplett durchbohrt, er hing fest. Seine Innereien waren nun getrocknet, klebten an den scharfen Kanten wie Essensreste an einem Zahnstocher. Seit dieser Tragödie war es ruhig auf dem Schiff geworden und seitdem hatten auch meine Bauchschmerzen eingesetzt. Dem Sturm hatten wir die verseuchte Luft zu verdanken, da war ich mir sicher.
Burkley blieb neben mir stehen.
„Denk ja nicht, dass du noch unser Kapitän bist“, sagte er.
Wir waren nie gut aufeinander zu sprechen und ich wusste, dass er mir die Schuld an Antonios Tod gab, vermutlich weil ich seinen Freund auf den Mast geschickt hatte.
„Von hier an gehen wir alle getrennte Wege und pass auf, dass eine meiner Kugeln nicht deinen Weg kreuzt.“
Er schulterte seine Schrotflinte und stieg die Leiter hinab.
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Ich betrat die Insel als Letzter. Kaum hatte ich Fuß auf dem heißen Sand gefasst, trafen mich Windstöße, hart wie Faustschläge und drückten mich gegen den Bug des Schiffes. Ich ging in die Knie und streckte meine Arme vor mir aus, um die Sandkörner abzuwehren, die mir ins Gesicht prasselten wie Hagelkörner. Ich verharrte eine Weile lang in der Hocke, bis ich spürte, dass die Windböen schwächer wurden.
Die Geräusche waren nun deutlicher geworden. Das Summen hörte sich an, als könne es von mehreren Maschinen kommen, einer kleineren Fabrik sogar. Das Pfeifen jedoch kam unbestreitbar von etwas Lebendigem. Es bahnte sich einen Weg durch den dichten Wald wie ein gefräßiges Insekt, biss sich in meinem Ohr fest und verharrte dort so lange bis man es abschüttelte.
Ich sah noch, wie Burkley den Wald betrat, als drei riesige Libellen hinter mir auftauchten und auf mir landeten. Ihre schwarzen Körper waren stark behaart, glichen dem Rumpf einer Spinne. Ihre tellergroßen Augen schimmerten rötlich, fixierten gierig meine Adern. Eine von ihnen biss sich in meinem Arm fest. Ich schrie vor Schmerz laut auf und versuchte sie abzuschütteln, aber ihre Zähne hatten sich zu tief in mein Fleisch gegraben. Ich packte die Libelle und riss an ihrem Körper, bis ich den Kopf abgetrennt hatte. Es knackte kurz und mit einem lauten Pfeifton endete das Leben dieses Monsters. Grünes Blut spritze mir ins Gesicht. Die anderen Libellen ließen von mir ab und flogen in den Wald hinein.
Der Kiefer der toten Libelle befand sich noch immer in meinem Arm. Zitternd zog ich ihn heraus, riss einen Fetzen Haut mit. Es brannte und juckte sofort. Diese Mistviecher hatten so lange Zähne, dass sie bis an meine Knochen reichten. Ich warf den Kiefer weg und krümmte mich auf dem Boden, heulte. Die Wunde fühlte sich so an, als lägen glühende Kohlen darauf. Im Augenwinkel sah ich noch den Schwarm, der auf mich zugeflogen kam. Die Libellen hatten Verstärkung geholt.
Ich hievte mich hoch und flüchtete in den Wald. Tränen liefen meine Wange hinunter, erschwerten mir die Sicht. Ich tastete mich durch einen dichten Dschungel, während mir der Schwarm immer näher kam. Ich lief durch einen Sumpf, sah die Fußabdrücke meiner Männer, doch mittendrin hörten sie auf, als hätten sie plötzlich Flügel gekriegt.
Das Summen hatte jetzt aufgehört. Ich drehte mich um und schaute auf den künstlichen Weg, den ich geschaffen hatte. Keine Libelle weit und breit. Hatte ich sie abgehängt? Hatte sie etwas verscheucht? Ich wusste es nicht.
Ich lief noch ein paar Schritte, bis ich an einer Lichtung ankam. Heiße Winde legten sich um mich wie ein unsichtbarer Mantel. Ich zerriss mein Hemd und wischte mir Tränen und Schweiß aus meinem Gesicht. Die Luft war schwer, fand nur mühsam den Weg in meine Lungen. Ich torkelte, lehnte mich gegen einen Baumstamm und glitt langsam an ihm hinab. Mein Arm brannte stark, doch obwohl die Wunde bis an den Knochen reichte, blutete sie nicht. Grüner Schleim breitete sich stattdessen darin aus und verstopfte meine Arterien. Ich betete, dass es kein tödliches Gift war.
Die Adern um meine Wunde herum färbten sich in einem grünlichem Ton, pulsierten heftig. Meine Augen fielen zu. Die Spinne in meinem Bauch pochte und fraß, pochte und fraß. Ich riss sie wieder auf, als ich das Piepen der Libellen hörte. Es waren viele, kurze Pfeiftöne, die durch den ganzen Wald hallten. Irgendetwas schlachtete sie ab.
Ich fragte mich, ob das gut oder schlecht war. Schweiß rann meinen Körper entlang, ich zitterte.
Ich wusste jetzt nicht mehr, ob das alles tatsächlich passierte oder ob ich wieder in meiner eigenen Welt war. Das Piepen hatte aufgehört und wurde durch ein neues Geräusch ersetzt. Es war, als hätten sich hunderte dieser Viecher zu einer einzigen, riesigen Libelle geformt. Meine Augen brannten, fielen wieder zu, blieben jetzt geschlossen. Ich hörte noch das Knacken der Bäume vor mir, dann das ohrenbetäubende Summen des Monsters, doch als die Libellenkönigin die Lichtung erreichte und mich fixierte, befand ich mich schon im Delirium.
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Ein scharfer Geruch drang in meine Nase, bahnte sich einen Weg in mein Gehirn und verpestete meine Synapsen, riss sie auseinander. Die Luft, die ich jetzt einatmete, war dreckig. Ich spürte, dass etwas darin versteckt war. Es kribbelte in meinem ganzen Körper, besonders in meinem Kopf. Ich war wieder in meiner Parallelwelt, träumte von einer Armee von Larven, auf die Größe eines Atoms geschrumpft. Ich inhalierte ganze Legionen von ihnen und nun liefen sie in meinem Gehirn herum, bissen sich fest und buddelten sich ein. Ich sah, wie sie meine Nervenstränge zerbissen und an einen anderen Ort transportierten, als würden sie die Kabel an einem Computer umpolen. Etwas hatte sich geändert.
Als ich zu mir kam, hing ich kopfüber an einem Ast, jetzt an einer anderen Lichtung. Mein Körper war umhüllt mit einem klebrigen Netz. Es schimmerte gelblich, roch nach fremdem Schweiß. Ich war so fest umschnürt, dass ich nicht einmal meine Finger bewegen konnte. Mein Mund war verklebt, so dass ich nur durch die Nase atmen konnte und den schimmligen Gestank ertragen musste, der mich irgendeiner Art von Gehirnwäsche aussetzte. Ich bekam immer schlechter Luft, mein Kopf schmerzte und mein Rachen war nun so trocken, dass ich ständig in das Netz vor meinem Mund hustete.
Erneut erbrach ich erst Magensäure, dann noch etwas, dass sich wie Schlamm anfühlte. Nur langsam schlich es sich meine Kehle entlang, so dickflüssig, dass es mehrmals drohte stecken zu bleiben. Es musste dieser grüne Schleim sein, den die Libellen aussonderten. Ich röchelte, schnappte mit tränenden Augen nach Luft, als ein Teil des Erbrochenen am Netz abprallte und zurück in meinen Rachen lief. Mir blieb keine andere Wahl, als die warme Brühe runter zu schlucken. Ich presste meine Augenlider zusammen und hoffte, dass sich diese Prozedur nicht so lange wiederholte, bis ich erstickte, doch nach einem Durchgang konnte ich mich beherrschen.
Dieser Geruch. Er rührte mein Gehirn um wie ein Gericht, das mal fertig war, aber neu gekocht werden musste.
Ich drehte meinen Kopf behutsam zur Seite, schaute mich um und sah meine Crew. Elf eingepuppte Larven hingen neben mir. Nur ihre Gesichter guckten aus den grauen Kokons heraus. Grüne Adern, dick wie Lianen, schlängelten sich um die Netze vor ihren Mündern, drangen aus der Haut hervor, gruben sich woanders wieder ein.
Burkley fehlte. Dieser Schweinehund hatte sich als einziger nicht schnappen lassen. Doch die Libellen suchten nach ihm. Ich hörte es.
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Token’ s Kokon brach als erster auseinander. Ich sah seine Hülle auf den Boden fallen, sah ihn schweben. Seine Arme hatte sich zurückgebildet. Zwei Stummel ragten aus den Seiten eines Körpers hervor, der an eine Kreuzung aus Spinne und Riesenlibelle erinnerte. Riesige Flügel wirbelten auf seinem Rücken hin und her. Etwas unbeholfen, aber konstant.
Ein furchtbarer Gedanke fraß sich in meinen Kopf wie eine hungrige Zecke. Was war, wenn ich meine Arme deswegen nicht bewegen konnte, weil man mir sie herausgerissen hatte? Das schlimmste an diesem Gedanken war, dass ich es nicht überprüfen konnte. Ich hatte keine Schmerzen, aber das musste nichts heißen. Vielleicht war ich betäubt.
Die Adern in Token’ s Gesicht waren geplatzt, hingen wirr an ihm herunter. Als Mensch hatte er immer eine Augenklappe getragen, weil ihm Meuterer sein Auge herausgestochen hatten. Das hatte anscheinend Einfluss auf seine Verwandlung, denn während sein linkes Auge feuerrot schimmerte, hing sein rechtes Auge an seiner Wange herab. Es war milchig und leer, eine Pupille hatte sich nicht mitgebildet. Bis auf den zähen Fetzen, der sein Auge festhielt, war die Augenhöhle leer.
Seine Füße waren geschrumpft und dünn wie Insektenbeine. Er benutzte sie, um das Netz vor seinem Mund zu lösen. Er schrie laut auf, als er sich endlich von allen Netzen befreit hatte. Er öffnete seinen Mund so weit wie eine Schlange, die eine Ratte fraß. Ein ohrenbetäubend hoher Pfeifton hallte durch den Wald. Ich hoffte, dass es kein Lockruf war. Die Metamorphose war jetzt abgeschlossen.
Ich sah zu den anderen Kokons. Sie bewegten sich jetzt auch.
In einem Busch raschelte etwas. Ich löste meinen Blick von dem Mutanten und sah Burkley, in seinen Händen die Schrotflinte. Er hatte sich wie ein Soldat auf den Boden gelegt und visierte Token an. Ein lauter Knall ertönte und Token’ s Flügel war um ein paar Einschusslöcher reicher. Ein grelles Pfeifen, dann stürzte er zu Boden. Er zuckte, sein Gesicht vor Schmerzen in eine leidenden Fratze geformt. Burkley schoss erneut. Dieses Mal traf er das Gesicht. Grünes Blut spritze in die Luft, aus den dicken Adern im Gesicht floss Schleim heraus. Burkley warf das Gewehr beiseite und spurtete los. Er zog ein Messer aus seinem Gürtelhalter und schnitt die Missgestalt auf. Die Bauchdecke platze sofort. Der Schleim spritzte ihm ins Gesicht. Token schrie und rotze, bevor er regungslos liegen blieb.
„Burkley! Du verdammter Hurensohn, ich bin hier! Burkley!“
Ich schrie, doch das dichte Netz filterte meine Rufe. Ich versuchte in meinem Kokon hin und her zu wippen, doch Burkley hatte mich schon erkannt. Er rannte zurück und schnappte sich die Flinte.
Burkley lud und zielte genau zwischen meine Augen. Ich spürte die dicken Adern jetzt auch in meinem Gesicht.
„Nein! Burkley, nicht!“ Ich schrie und bewegte mich so hastig, wie ich konnte. Mir kam der Gedanke, dass ich so aussehen musste, als wenn ich gerade schlüpfen würde, doch ich konnte einfach nicht aufhören zu brüllen. Die Anderen warfen ihre Kokons jetzt auch ab. Diese Monster krächzten so laut, dass Burkley die Libellenmutter nicht hörte. Sie schnappte ihn sich am Rücken und flog zu ihrer Brut, die jetzt geschlüpft war. Mehrere Einschusslöcher klafften in ihrem rechten Flügel, Burkley musste sie erwischt haben und zur Strafe würde sie ihm kein neues Leben schenken. Sie summte den Neugeborenen etwas zu und sie summten zurück. Burkley schrie, versuchte sich aus der festen Umklammerung der Libellenkönigin zu lösen. Ich sah, wie er sein Messer suchte, doch er fand es nicht, es steckte noch immer in der offenen Brust von Token. Die Monsterlibelle ließ ihr Opfer in die Mäuler der Neugeborenen fallen und schwirrte davon, wahrscheinlich um nach weiterer Beute Ausschau zu halten.
Ich schloss meine Augen, doch ich hörte, wie sie ihm seine Muskelstränge auseinander rissen, hörte seine Knochen unzählige Male brechen. Er schrie, zunächst panisch, dann leidend. Ich blinzelte, sah, dass die Brut ihm beide Arme und ein Bein herausgerissen hatte und sich nun darum stritt. Ich sah sein blutunterlaufenes Gesicht, nun zu schwach um zu schreien, wahrscheinlich war in seinen Atemwegen einfach zu viel Blut. Er röchelte, sah mich an, lebte noch. Erst als sich ein Zahn in sein Auge grub und es aus der Augenhöhle riss, bespuckte er die Libellen ein letztes Mal mit seinem Blut. Er hatte lange durchgehalten, viel zu lange.
Mein Kokon platze jetzt auch und irgendwie konnte ich es nicht erwarten. Während ich zusah, wie Burkley zerstückelt wurde, überkam mich plötzlich ein seltsames Hungergefühl. Ich fragte mich, wann die Königin neue Beute bringen würde. Die Larven in meinem Gehirn hatten jetzt mit ihrem Feldzug aufgehört. Auch die Spinne in meinem Bauch hatte ihr Ziel erreicht, nur wollte sie nie heraus aus meinem Körper. Sie wollte ihn übernehmen.
Der warme Schleim von den geplatzten Adern in meinem Gesicht rann meine Wangen hinunter und hinterließ einen süßlichen Geschmack auf meinen Lippen. Ungeduldig wartete ich auf den Abschluss meiner Metamorphose.