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Die Katze

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07.11.2003
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Die Katze

Er wusste, dass er sich strafbar machte. Schließlich war er alles andere als dumm. Doch war es wirklich so schlimm, wenn die Menschen einen Tag länger auf ihre Post warten mussten? Nein! Zu diesem Schluss war Karl Reitmeyer nach dem Abwägen aller Widrigkeiten gekommen. Selbst wenn sie ihn schnappen sollten. Im schlimmsten Fall würde er den Job verlieren. Dies stand eigentlich außer Frage; aber ihn einsperren, da er doch bislang eine blütenweiße Weste vorzuweisen hatte, das würde ihm sicher erspart bleiben. Und um sich die einsamen Abende etwas amüsanter zu gestalten, war er gerne bereit dieses Risiko einzugehen.

Weshalb ihn die Einsamkeit mit solcher Macht ergriffen hatte, diese Frage hätte Karl nicht so ohne Weiteres beantworten können. Er sah nicht schlecht aus, jedenfalls nicht schlechter als die anderen. Und beliebt war er doch auch. Na ja, beliebt wäre vielleicht nicht der richtige Ausdruck gewesen. Man hätte sagen können, er war gerne gesehen. Aber traf das nicht auf jeden Postboten zu? Vorausgesetzt, bei der überbrachten Sendung handelte es sich weder um eine Rechnung, Mahnung oder gar die Vollstreckungsankündigung. Doch sein Zustellgebiet befand sich in angenehmer Lage. Meist kleine Einfamilienhäuser oder Doppelhaushälften. Der mittlere Wohlstand halt. Hier war die Baufinanzierung längst abgeschlossen. Eigenheime, in denen nicht selten drei Generationen unter einem Dach lebten. In so einer Gegend, da herrschte Ordnung. Da zahlte man die bestellten Sachen, und dies noch innerhalb der gewährten Zahlungsfrist.
Wenngleich, nach außen hin, da erscheint ja öfters alles in geregelten Bahnen zu laufen. Hat man jedoch die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, lässt sich so manches Interessante entdecken. Und genau so einen Blick gönnte sich eben der Karl. Dabei ging es ihm gar nicht darum, im Dreck zu wühlen. Er wollte einfach ein wenig am Leben seiner Mitmenschen teilhaben. Gut, Kritiker hätten ihm wahrscheinlich vorgeworfen, dass man so etwas nicht machte, dass es moralisch verwerflich sei, die Nase in die privaten Dinge anderer Leute zu stecken. Aber immerhin behielt er das Gesehene ja für sich. Nie wäre Karl auf den Gedanken gekommen, bei dem Kneipenbesuch, den er sich ab und an gönnte, um nicht ganz zu vereinsamen, seine Anekdötchen zum Besten zu geben. Nie hätte er dem Wirt von dem Vaterschaftstest erzählt, den Herr Eichmüller angefordert hatte.
Wie er an den Glückwunschkarten gesehen hatte, waren die Eichmüllers erst vor Kurzem getraut worden. Beim Thema Vertrauen hingegen, schienen die frisch Vermählten deutliche Defizite aufzuweisen. So fragte sich Karl insgeheim, ob das junge Glück das „verflixte siebente Jahr“ überhaupt erreichen würde.
Schon gar nicht hätte Karl von den phantasievollen Briefchen erzählt, die Frau Mayerhofer zu erhalten pflegte. Die in die Jahre gekommene Frau wirkte auf den Betrachter, als könne sie kein Wässerchen trüben. Man stellte sich gerne vor, wie sie in der Kirche keusch ganz vorne saß, und dem Pfarrer mit ganzer Inbrunst die Lieder aus dem Gesangsbuch vorträllerte. Leider war Karl hier gezwungen zu mutmaßen, aber nach den detaillierten Schilderungen zu urteilen, in denen ihr heißblütiger Verehrer genau beschrieb, wie und wo, beziehungsweise was er alles mit der Mayerhofer anstellen wollte, mussten auch die Antworten des stillen Wassers über eine vulgäre Tiefe verfügen. Dumm nur, hätte man den Postfluss mit einem realen Gewässer vergleichen können, so war es dem Karl stets nur vergönnt in eine Richtung zu paddeln. Er konnte ja immer nur einen Blick in die eingehende Post werfen. Wie interessant wäre es gewesen, auch einmal einen in die ausgehende zu tun. Wäre es physikalisch möglich gewesen, hätte er sich kurzerhand miniaturisiert, um dann hinterlistig verschlagen im Briefkasten auf die Mayerhofer zu warten.
Doch zählte sich Karl zur Sorte der intelligenten Menschen. Diese verfügen bekanntlich über einen ausgeprägten Scharfsinn und eine gute Kombinationsgabe. So arrangierte sich Karl mit der momentanen Situation, setzte seine Talente entsprechend ein, und reimte sich die fehlenden Hälften zusammen.

Ach ja, der Karl war heilfroh, dass er in einer Zeit lebte, in der das Internet und somit die elektronische Post, noch längst nicht für jeden zur Selbstverständlichkeit gehörte. Vielleicht würde es eines Tages gar keinen handgeschriebenen Brief mehr geben? Wer konnte das schon sagen? Doch darüber sollten sich gefälligst zukünftige Kollegen den Kopf zerbrechen. Vorerst war der informative Segen jedenfalls gewährleistet.
Beim Öffnen der Briefe legte Karl selbstverständlich die größte Sorgfalt an den Tag. Nicht auszudenken, wenn ihm jemand auf die Schliche gekommen wäre. Die Mayerhofer wäre vermutlich erst aus allen Wolken, und danach vor Scham tot umgefallen. Und wäre erst einmal eine Leiche ins Spiel gekommen, hätte die Sache wirklich ungemütlich werden können.

So aber würde sie auch heute auf ihn warten, wenn er mit seinem Dienstrad angefahren kam. Er würde sagen: „Schönen guten Tag, Frau Mayerhofer, und … geht’s gut?“
Und sie würde wieder irgendetwas jammern, in der Art: „Ach, so ganz alleine. Es muss halt immer irgendwie gehen, nicht?“
Und er würde dann auf süffisante Art erwidern: „Ach was, Frau Mayerhofer, wenn Sie was in die Hand nehmen und ordentlich anpacken, dann wird das schon.“
Dann würde er freundlich lächelnd zum nächsten Haus fahren, und beim Blick zurück gerade noch beobachten können, wie die Mayerhofer, in vorfreudiger Erregung, den Brief ihres phantasievollen Verehrers in der Schürzentasche verschwinden ließ.
Er würde weiterradeln und ein paar Blocks weiter die Post bei Frau Rielke einwerfen. Dieser war er jetzt schon länger nicht mehr persönlich begegnet. Anscheinend war sie vom letzten Zaungespräch noch peinlich berührt. Karl hatte sich damals kurz mit ihr unterhalten, als ihre kleine Tochter von der Schule heimgekommen war.
„Mutti, Mutti …“, hatte sie voller Begeisterung losgeplappert. „Wir spielen morgen in der Schule Theater. Ich darf eine Prinzessin sein, und Peter von nebenan ist ein Statist.“
Dabei machte die Kleine allerdings ein nachdenkliches Gesicht.
„Mutti, was ist ein Statist eigentlich genau?“, hatte sie fragend zur Mutter aufgeschaut.
Die resolute Rilke war sehr stolz auf ihre Kleine gewesen, und hatte deshalb das Näschen etwas zu hoch getragen.
„Ein Statist, weißt du, der steht eigentlich bloß rum, und hat nichts Wichtiges zu sagen.“
„Ach – so wie der Papi also?“, hatte die Kleine dann spontan mit einer Unschuldsmiene festgestellt.
Daraufhin war die Rilke errötet, hatte sich die Tochter geschnappt, und mitsamt des schweren Schulranzens ins Haus gezogen.
Ja, so amüsant konnte sich die Arbeit eines Postboten gestalten. Die Welt war für Karl in Ordnung. Vorerst.

*​

Das Bürogebäude nahe den Alsterarkaden lag idyllisch im schönen Hamburg. Hier zu arbeiten, vorausgesetzt man hatte die richtige Einstellung zur Arbeit, bereitete einem gehörig Spaß.
An diesem Tag saßen Hannes und Richard wie üblich in der Redaktion und widmeten sich den Leserbriefen.
„Du wirst es nicht glauben, Hannes, jetzt schreibt diese Alte schon wieder. Die hat doch eindeutig ‘nen Sprung in der Schüssel.“
„Lass mal sehen!“ Hannes angelte sich den Brief von seinem Redaktionskollegen.
Er las sich den Text durch und prustete los.
„Köstlich, wirklich köstlich. Du, ich schreib der zurück.“
Richard schüttelte nur den Kopf.
„Lass das mal lieber bleiben. Wenn du auf den Mist reagierst, animierst du die doch bloß zum Weitermachen. Überhaupt, die Oma ist doch ein Fake. Da stecken doch irgendwelche Spinner dahinter. Was willst du auf so einen Schwachsinn überhaupt antworten?“
Hannes schmunzelte, während er die ersten Buchstaben in die Tastatur hämmerte.
„Lass mich mal machen.“

*​

Wieder einmal hatte es sich Karl zuhause gemütlich gemacht, und widmete sich der Post, die er sich zum privaten Amüsement während der Arbeit herausgefischt hatte. Immer, wenn er sie so vor sich liegen sah, überkam ihn ein solches Kribbeln, eine dermaßen umtriebige Erregung, dass es ihm jedes Mal auf die Blase schlug. So legte er sich die ausgewählten Briefe immer erst parat, und ging dann noch schnell auf die Toilette. Nur so war es ihm möglich, seinen postalischen Voyeurismus ohne störende Unterbrechung genussvoll auszuleben.
Sonderlich Interessantes schien heute offenbar nicht dabei zu sein, dachte er sich. Unter anderem hatte er einen Brief ausgewählt, der an die alte Paschulke adressiert war. Der Brief stammte von der International Geographic Society Deutschland, und sah so gar nicht nach Werbesendung aus. So wagte sich Karl nach dem üblichen Toilettengang ans vorsichtige Öffnen des Dokuments.
Als er kurze Zeit später das Schreiben in vor Aufregung zitternden Händen hielt und las, da staunte er nicht schlecht.

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Sehr geehrte Frau Paschulke,

voller Interesse haben wir Ihren letzten Brief, die Katze betreffend, gelesen. Wir dürfen Ihnen zu der Entdeckung gratulieren. Ihre Vermutungen scheinen sich, so unglaublich es klingen mag, nun doch zu bestätigen. Einem Eintrag in den Geschichtsbüchern dürfte somit kaum noch etwas im Wege stehen.
Doch erreichten uns in der Vergangenheit leider öfters Schreiben ähnlicher Natur, die sich im Nachhinein als falsch erwiesen. Wir möchten Sie deshalb bitten, Ihre Aussagen mit einem Foto zu dokumentieren. Sobald uns dieses erreicht hat, und wir uns im Anschluss von dessen Echtheit überzeugt haben, wird sich auf schnellstem Wege eine Abordnung unserer versiertesten Fachleute auf den Weg zu Ihnen machen. Bis dahin wünschen wir noch viel Freude mit Ihrem Abonnement, und bedanken uns für die langjährige Lesetreue. In der Hoffnung, bald wieder von Ihnen zu hören, und schon ganz gespannt auf Ihre Fotos, verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen
das International Geographic Society-Team Deutschland
Leserforum

Hannes Wegemann

Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen saß Karl vor dem Schreiben und las es gleich noch ein zweites, ein drittes und sogar noch ein viertes Mal durch.
Junge, Junge, dass die alte Paschulke noch einmal für eine Überraschung gut sein würde, das hätte er nun wirklich nicht erwartet.
Ein weiteres Mal verfluchte Karl den Umstand, dass er die Sache immer nur von einer Seite aus betrachten konnte. Verdammt, was war das nur für eine spezielle Katze, die die Alte da im Haus hielt?
Diesmal war es die Neugierde, die dem Karl auf die Blase schlug. Da kam doch gleich wieder Leben in das langweilige Single-Dasein. Als der Karl in seinen Filzpantoffeln zur Toilette schlürfte, überlegte er bereits, wie er die Alte ins passende Gespräch verwickeln und ihr so das Geheimnis entreißen konnte. Doch vorerst musste er sich noch in Geduld üben.
OK, nachher zuerst den Brief wieder fein säuberlich verkleben. Morgen bei der Alten einwerfen und dann … übermorgen, irgendwie an die Paschulke rankommen.

Der nächste Tag wollte einfach nicht vorüber gehen, es war schlimm. Völlig ungewohnt für Karl, hatte dieser wirklich alle Briefe noch am gleichen Tag zugestellt. In Gedanken bereits das nächste Kalenderblatt abreißend, dachte er immer wieder an die Katze. Sicher war sie wertvoll. Vielleicht eine ganz neue Züchtung? Hatte ihr verstorbener Mann vielleicht? Aber Karl hatte nie etwas Derartiges mitbekommen. Es wären doch sicher Briefe von anderen Züchtern eingetroffen. Es galt doch Informationen untereinander auszutauschen und ein wenig zu fachsimpeln. Und was war mit Fachzeitschriften? Das hätte er doch mitbekommen. Allerdings musste sich Karl auch eingestehen, dass er den Paschulkes bisher wenig Beachtung geschenkt hatte. Postsendungen für die Mayerhofer waren nun einmal amüsanter gewesen. Bis jetzt!
Was konnte dieses alte Weib für ein kratzendes Biest zuhause halten, dass selbst eine so renommierte Einrichtung, wie die International Geographic Society dermaßen verzückt reagierte?

*​

Während Hannes die Mittagspause mit anderen Kollegen in der kleinen Kantine des Verlagshauses verbrachte, hatte es sich Richard angewöhnt, währenddessen am Arbeitsplatz zu verbleiben um ein wenig zu dösen. Die Bildschirmarbeit erledigte er mit Spaß, doch mit den Jahren hatte der stete Blick auf den Monitor seinen Tribut gefordert. Eine Brille und leichtes Kopfweh, das sich bei allzu langem Bildschirmsehen einstellte, zeugten davon. Er lehnte sich in seinem ergonomisch geformten Bürostuhl zurück und schloss dabei die Augen. Während er sich den Minutenschlaf gönnte, kam ihm mit einem Mal wieder das Schreiben der älteren Dame in den Sinn. Bei seiner Vermutung, dass es sich hierbei um jüngere Scherzbolde handeln könnte, störte ihn etwas – der Stil des Schreibens.
Sicher, auch junge Menschen konnten versuchen in einem alten Stil zu schreiben. Doch wirkte dies meist etwas aufgesetzt; irgendwie gekünstelt. Doch der Brief der Alten wirkte authentisch. Gut, nicht der Inhalt, aber eben jener markante Stil, den ältere Menschen unbewusst in ihre Formulierungen einfließen lassen.
Schließlich kam Richard, während er langsam in einen Zustand der Schwerelosigkeit hinüberdämmerte, zu der Einsicht, dass es sich vermutlich doch um eine ältere, aber eben durchgeknallte Person handelte. Dann ließ er es zu, dass ihn die Dunkelheit empfing. Hannes würde ihn schon rechtzeitig wecken.

*​

Heute war es endlich soweit. Viel länger hätte Karl seine Neugierde auch nicht im Zaum halten können. Der Zufall war ihm zu Hilfe gekommen. Zwar hatte sich Karl Möglichkeiten überlegt, unter einem Vorwand bei der Alten klingeln zu können, um sie in ein Gespräch zu verwickeln. Doch als er angeradelt kam, da stand sie bereits in ihrem kleinen Vorgarten und zupfte das Unkraut.
Der Psychologe in Karl erwachte, und mit der langjährigen Erfahrung des Dienstmannes lenkte er das Gespräch in die gewünschte Richtung. Als Karl dann aufs Thema Haustier zu sprechen kam, sah er, wie sich die Miene der Alten verfinsterte. Karl konnte förmlich spüren, dass sie etwas vor ihm verbarg. Er musste die passende Strategie wählen; sehr behutsam vorgehen.
„Ach, ich hatte früher einmal eine Katze, Becky, hieß sie. So ein wundervolles, liebes Geschöpf; aber Sie werden es nicht glauben …“ Karl versuchte, möglichst gequält zu wirken.
„Aber denken Sie, der liebe Gott hat mich mit einer Allergie gestraft. Ich musste die ganze Zeit niesen, die Nase lief mir wie im Sturzbach. Als dann die Luft nur noch mit einem Pfeifen aus mir herauskam, da ging es nicht mehr anders.“
Karl machte eine kleine Pause, um den nachfolgenden Satz noch dramatischer klingen zu lassen.
„Da musste ich die gute Becky weggeben. Mir ist fast das Herz dabei gebrochen. Noch heute denke ich so oft an sie.“
Karl beobachtete die Reaktion der Alten. Offenbar wirkte seine Taktik.
„Ja, ich kann Sie gut verstehen, junger Mann. Auch ich liebe meine Katze. So ein Tier kann einem ans Herz wachsen, gerade so, wie ein geliebter Mensch dies tut.“ Die Alte tat einen tiefen Seufzer.
„Ach, ich glaube, Ihnen kann ich mich anvertrauen. Möchten Sie nicht einen Augenblick hereinkommen. Ich habe einen Tee aufgesetzt. Sie mögen doch Tee?“
„Aber, wo denken Sie hin? Ich kann doch unmöglich während der Arbeit einfach zu Ihnen hereinkommen.“
„Oh, ich möchte natürlich nicht, dass Sie Schwierigkeiten bekommen. Es wäre nur so schön gewesen, sich einem verständnisvollen Menschen anzuvertrauen.“
OK, jetzt hast du die Alte im Sack, dachte sich der Karl.
„Eigentlich habe ich ja wirklich keine Zeit, aber ganz schnell, so von Katzenliebhaber zu Katzenliebhaber, und wenn Sie versprechen, mich nicht zu verraten, dann könnte ich vielleicht …“
„Nein, wo denken Sie hin. Bitte, kommen Sie rein, kommen Sie.“
Karl schob sein Rad durch den kleinen Vorgarten und lehnte es gegen die Hauswand. Ein ungewöhnliches Verhalten für einen Postzusteller, aber das war ihm egal. Er wollte jetzt endlich einen Blick auf das verdammte Katzenvieh werfen.
Allerdings traute er den spielenden Kindern nicht, die drüben in Nachbars Garten zusammenstanden und miteinander tuschelten. Kam ihm irgendwie verdächtig vor. Führten doch irgendwas im Schilde, die Racker. Nur keinen Anlass für Beanstandungen geben. Nicht, dass durch einen Streich dann wirklich noch einzelne Sendungen verschwunden wären.
Geschwind nahm er die Posttasche vom Rad, presste diese etwas umständlich an sich und folgte der Alten ins Haus.
Diese führte Karl ins Wohnzimmer, und tatsächlich, da am Boden in der Ecke standen die Katzenutensilien. Ein Katzenkäfig, daneben ein recht imposant wirkender Kratzbaum, und auf dem Tisch, da hatte die Alte eine Kamera bereitgelegt.
So, so, hast dir gestern wohl noch schnell eine besorgt, oder stammt die noch von deinem Alten?
Dann richtete sich Karls Blick starr in Richtung Katzenghetto.
„Na, ist das Kätzchen da drin?“, fragte er die Alte.
„Äh … nein“, antwortete sie. „Aber bitte, nehmen Sie doch erst einmal Platz.“
Karl setzte sich.
„Ich habe einen Tee aufgesetzt, wollen Sie auch ein Tässchen? Ich habe auch Gebäck im Haus.“
„Nein, danke. Sie wissen doch, leider keine Zeit; aber nun, ihre Katze …“
„Ach, die macht mir große Sorgen. Aber, da muss ich ein wenig ausholen. Wissen Sie, ich war ja auch einmal jung, und nicht so gebrechlich wie heute.“
Was soll denn das jetzt? Na gut, wenn du meinst.
„Ähem, das glaube ich Ihnen gerne. Sie waren sicher eine richtige Schönheit, und wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, das sieht man heute noch.“
Der Schleim, den Karl vergoss, drohte fast bis zum Kratzbaum zu laufen.
„Ach, Sie Schmeichler. Nein, wissen Sie, mein Mann und ich haben früher weite Reisen unternommen. Eduard hat stets gut verdient und ein gemeinsames Erleben ist doppeltes Erleben, finden Sie nicht auch? So alleine reisen, wie das die jungen Leute heute so tun, das ist doch nichts.“
„Das haben Sie aber jetzt schön gesagt.“ Komm endlich zur Sache, Alte!
„Aber überall hin konnte er mich natürlich nicht mitnehmen. Wissen Sie, Eduard war ein richtiger Abenteurer. Er war ein ausgezeichneter Fotograf; seine Arbeiten waren sehr geschätzt. An die entlegensten Orte hat ihn sein Talent gebracht. Und selbst im tiefsten Dschungel war er in Gedanken bei mir. Da bringt man schon das ein oder andere Souvenir mit.“
„Souvenir?“
„Ja, weil Sie doch von meiner Katze sprachen.“
Ach, interessant. So langsam kommst du zur Sache. Das Vieh stammt also aus dem Ausland. Also doch eine seltene Rasse. Die Katze ist unter Züchtern sicher ein kleines Vermögen wert. Manche Menschen sind ja geradezu vernarrt in die vierbeinigen Heulbojen.
„Den ganzen langen Weg hatte sie Eduard mit hierher gebracht. Nur für mich. Können Sie sich vorstellen, wie wir beide uns geliebt haben? Ach, ist es nicht grausam, dass derjenige, der zurück bleibt, so leiden muss?“
Und wie hat dein Alter das Vieh durch den Zoll gekriegt? Hat’s mit dem Gesetz wohl nicht so genau genommen. Egal jetzt. Mir soll’s Recht sein.
„Ähem, entschuldigen Sie, aber meine Zeit … Sie wollten mir doch Ihre Katze …“
„Ach ja, wenn ich mir vorstelle, wie klein und niedlich sie damals noch war. Hätte nicht gedacht, dass sie mal so groß wird.“
„Ach, groß?“
Mit einem Mal stieg in Karl ein Unwohlsein auf. Ein Gedanke. Sein Blick war starr auf den Kratzbaum und dessen Höhle gerichtet. Der Begriff „Katze“ wurde ja durchaus auch für größere Exemplare verwendet. Was, wenn nun eine Art Raubtier in dem dunklen Loch hauste? Auf einmal kam ihm auch der Katzenkäfig viel größer vor. Aber das war sicher nur seiner Einbildung zuzuschreiben, oder?
Als er so dasaß, die Augen zusammengekniffen, fast als wolle er mit einem Röntgenblick das Geheimnis der Höhle entreißen, da meinte er mit einem Mal, als blickten ihm von dort aus zwei rote Augen entgegen.
Zwei rote Augen mit schwarzen Schlitzen, in einen finsteren, gelben Hintergrund gebettet; das ganze grausame Bild, im Dunkel der Höhle gerahmt. Vielleicht war das Katzenvieh ja so etwas Ähnliches wie ein monströses Wiesel. Flink und hinterlistig.
Karl sah, wie die Augen etwas mehr aus dem Dunkel hervortraten; langsam größer wurden. Und mit einem Mal das Monster, wie vom Blitz getroffen, auf ihn zugestürzt kam. Wie es mit einem Satz zu ihm hochgehüpft war. Wie es seine messerscharfen Krallen tief in seine Wangen getrieben und sein Gesicht zerfetzt hatte. Und bevor er sich noch richtig zur Wehr setzen konnte, hatte das Wiesel mit seinen spitzen Zähnen und einem schmatzenden Laut die Vene am Hals …“
„Nicht doch ein Tässchen Tee, vielleicht?“, riss ihn die Alte aus seinen Gedanken.
„Nein, danke … ich sagte doch schon, dass ich keine Zeit …“
„Ist Ihnen nicht wohl? Ihnen steht ja der Schweiß auf der Stirn, und doch kommen Sie mir reichlich blass vor."
„Nein, ist schon alles in Ordnung. Äh … sagen Sie, wie … groß ist ihre Katze denn eigentlich?“
„Och, so vielleicht.“ Die Spanne, welche die Alte mit ihren knorrigen Händen anzeigte, wirkte für eine größere Hauskatze eigentlich angemessen.
„Aber jetzt sagen Sie nur nicht, Sie hätten Angst“, entgegnete die Alte. „Glauben Sie mir, Peterle tut keinem Menschen was zu leide. Gut, er faucht ab und zu etwas. Aber das auch erst seit Kurzem.“
„Er … faucht?“
„Ja, aber davon wollte ich Ihnen ja gerade erzählen.“
„Dann erzählen Sie, erzählen Sie …“ Karls Blick wanderte erneut in Richtung Katzenhöhle. Nichts war mehr zu sehen. Die Augen schienen wieder ins Dunkel der Höhle getaucht. Aber es konnte sicher nicht schaden, das Verlies im Blickfeld zu behalten. Dies verriet ihm eine innere Stimme.

*​

„Aufwachen, Alterchen!“, foppte Hannes seinen Kollegen, als er frohgelaunt aus der Mittagspause zurückkehrte.
Es dauerte immer eine kurze Zeit, bis Richard wieder in die Realität zurückgefunden hatte. Doch nahm Hannes nie besondere Rücksicht darauf, und legte immer gleich los:
„Hey, ich wette, du errätst nicht, was mir Conny aus der Fotoredaktion soeben erzählt hat.“
„Na, du wirst es mir sicher gleich erzählen“, antwortete Richard. Während er gähnte und sich streckte.
„Also, ich hab ihm den Brief von der Oma gezeigt.“
„Von der Alten? Hey, spinnst du? Willst du etwa, dass wir zum Gespött werden? Das ist doch für die Kollegen ein gefundenes Fressen.“
„Ach komm, die Sache ist doch lustig. Sei mal ein bisschen lockerer.“
„Lockerer, du wieder. Und, was hat Conny dann gesagt?“
„Also, ich hab ihm den Brief gezeigt. Er hat natürlich auch erst gelacht. Aber dann, als er ihren Namen gelesen hat, hat er plötzlich gestutzt.“
„Wieso?“
„Na, ein seltsamer Zufall. Conny ist ja auch schon länger bei der Truppe. Da gab es wohl früher wirklich einen Fotografen, gleichen Namens, der gelegentlich für uns gearbeitet hat.“
„Ach, oh Wunder. Was glaubst du wohl, wie viele Leute mit diesem Namen rumlaufen?“
„Ja, schon! Aber ist doch ein seltsamer Zufall. So bekommt die Sache doch einen besonderen Reiz. Findest du nicht auch?“
„Vielleicht, wenn ich deine Phantasie hätte.“
„Aber dadurch entsteht doch so etwas wie ein makaberer Bezug zur Realität. Man könnte vermuten, an der Sache sei wirklich etwas Wahres dran.“
Richard stöhnte und nahm seinen Kollegen ins Visier.
„Ganz ruhig, Junge. Komm, setz dich hin; dann fahr deine Kiste hoch, und weiter geht’s. Ist heute ganz schön was reingekommen.“
„Ist ja schon gut, alter Nörgler. Man wird ja noch ’n Späßchen machen dürfen.“
„Ich geb dir gleich ‚alter Nörgler‘. Übrigens, du bist diese Woche dran. Kaffee machen!“

*​

Karl empfand die Situation als recht kurios. Für gewöhnlich waren es andere Vierbeiner, die einem Postboten das Leben schwer machen konnten. Dass er einmal dasitzen und in Gedanken einen Katzenangriff abwehren würde, das hatte er sich bislang auch noch nicht vorgestellt.
Am liebsten hätte er die Alte jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt, und ihr so endlich das Geheimnis entrissen.
„Ich habe Ihre Post gelesen. Hören Sie! Ich weiß Bescheid! Und Sie zeigen mir jetzt endlich ihr verdammtes Katzenvieh, sonst …“
Aber natürlich wusste sich Karl zu beherrschen. Es konnte jetzt ja nicht mehr so lange dauern. Mit steigender Unruhe hörte er den Alten zu.
„Wie schon gesagt, als mein Mann sie mitbrachte, da war sie noch ganz klein und zierlich gewesen, doch je älter sie wurde, desto ein seltsameres Verhalten legte sie an den Tag. Vielleicht lag dies ja an der Gegend aus der sie stammte.
Wussten Sie eigentlich, junger Mann, dass es auf unserer schönen Erde Gebiete gibt, die erst wenige Menschen betreten haben. Ja, sogar auf dem Mond sind schon mehr Leute herumgetrampelt als auf den Tepuis in Venezuela.“
„Den Tepuis?“
„Ja, in Venezuela gibt es eine Ansammlung von Tafelbergen, in denen immer noch eine Vielzahl unentdeckter Arten beheimatet sind. Und vor annähernd fünfzehn Jahren brachte mir mein lieber Eduard eben eine davon mit.“
Fünfzehn Jahre! Mein Gott, das war es also! Karl musste erneut seine Erregung verbergen. Es handelte sich hier um keine Monsterkatze. Da war etwas anderes im Spiel. Fünfzehn Jahre, so alt wurde keine Katze – jedenfalls keine normale. Vielleicht trug dieses Vieh irgendein Geheimnis in sich, das der Wissenschaft viel Geld wert sein würde. Eine Art Jungbrunnen, der das Leben zwar nicht endlos in die Länge ziehen, aber dennoch deutlich verlängern konnte. Deshalb auch das Interesse der renommierten Society.
Im Geiste sah Karl bereits Tausende von Euroscheinen, ach was, Millionen davon, auf sein Konto wandern.
Wozu benötigte ein alter Mensch noch so viel Geld? Der Alten könnte man doch ein nächtliches Besüchlein abstatten und so dem Katzenvieh ein neues Zuhause bescheren. Sollte sie sich doch ein Frettchen, ein Häschen, oder ein anderes Haustier zulegen.
„Ja, junger Mann, und so kommt es dazu, dass eine alte Frau wie ich, einem jungen Mann wie Ihnen, ihr Herz ausschütten muss. Nach dem Tode meines Mannes fiel mir die Einsamkeit schon schwer genug, und jetzt, da meine Katze auch noch verschwunden ist.“
„Was … Was haben Sie da gerade gesagt?“ Karl glaubte erst sich verhört zu haben. So abrupt hatte die Alte seinen Traum zerplatzen lassen.
„Was reden Sie denn da? Wer ist verschwunden?“
„Na, mein Peterle. Seit gut zwei Wochen ist er jetzt verschollen. Und ich glaube, er kommt auch nimmermehr. Sehen Sie, ich habe da so einen Verdacht.“
„Einen Verdacht?“
„Ach, ich wusste nicht, mit wem ich darüber hätte reden sollen. Wissen Sie, wenn eine Frau in meinem Alter ungewöhnliche Dinge erzählt, dann läuft sie Gefahr … na, Sie wissen schon.“
Die Alte tippte sich mit dem Finger an die Stirn. Am liebsten hätte Karl sie jetzt kräftig durchgerüttelt. Worauf wollte die Alte bloß hinaus?
„Da ich mit niemandem reden konnte, habe ich einer wissenschaftlichen Gesellschaft von meinen Beobachtungen erzählt. Die Adresse hatte ich aus den Heften meines Mannes. Ich konnte das Abonnement einfach noch nicht kündigen. Es war doch eine seiner Lieblingslektüren gewesen.“
„Moment!“ Karl musste erst seine Gedanken wieder ein wenig ordnen.
„Sie haben demnach den Leuten lediglich geschrieben, dass Ihre Katze verschwunden ist?“
„Ja, sehen Sie, es war nicht mein erster Brief gewesen. Aber diesmal, da ich ihnen die Sache mit der Katze schilderte, haben sie geantwortet.“
Verdammt, Karl befand sich in einer Zwickmühle. Wie sollte er jetzt nachhaken ohne sich zu verraten? Vorsichtig jetzt!
„Und … wie haben die Leute dann auf Ihren Brief reagiert?“
„Ach, die netten Herren vom International Geographic haben mir einen schönen Brief geschrieben, und mich gebeten, sie zu fotografieren.“
„Verdammt bist du jetzt total verblödet, oder was?“, bebte es in Karls Schädel.
Karl versuchte ruhig zu bleiben, auch wenn es ihm verflucht schwer fiel.
„Äh … entschuldigen Sie, aber wie wollen Sie die Katze denn fotografieren, wenn sie doch verschwunden ist.“
„Wie kommen Sie denn da drauf, ich red doch nicht von meiner Katze.“
„Ja, von was denn dann, die ganze Zeit, in Gottes Namen?“ Karl war laut geworden.
„Na, von dem Ding, schräg hinter Ihnen, in der Ecke.“
Karl sah, wie die Alte mit ihrem dürren Ärmchen, an deren äußerster Extremität eine knorrige Hand steckte, an ihm vorbei zeigte, und auf etwas wies, das hinter ihm lag.
Karl schluckte schwer.
Dann drehte er sich, wie in Zeitlupe, mit einem tiefen Gefühl des Unbehagens herum.
„Was, zum Donner …?“

*​

„Also, der Kaffee hat auch schon besser geschmeckt“, beschwerte sich Richard. „Entweder du machst ihn so stark, dass der Löffel drin stecken bleibt, oder die Brühe ist so dünn, dass man den Tassenboden sehen kann.“
Hannes überhörte das Gemotze seines Kollegen. Er wusste, dass es nicht so ernst gemeint war. Das gegenseitige Frotzeln gehörte zum Arbeitsalltag der Beiden. Insgeheim verstand man sich gut, und kannte die Marotten des anderen.
„Ich hab’s gefunden“, strahlte Hannes los. „Eine Expedition nach Venezuela. Der Auyan-Tepui. Damals katalogisierten sie die Tempelberge rings um den Salto Angel; den höchsten Wasserfall der Erde.“
Richards Kontra ließ nicht lange auf sich warten:
„Also erstens, der Herr wird nicht bezahlt, um in den Archiven und dem Internet zu stöbern, sondern sollte sich lieber um die Leserpost kümmern, und zweitens, rein wissenschaftlich gesehen, befinden sich die höchsten Wasserfälle unter Wasser, in den Tiefen des Meeres.“
„Schon recht, Herr Neunmalklug. Aber weißt du auch, dass die Expedition damals auf eine ganz außergewöhnliche Artenvielfalt gestoßen ist. Hier steht, endemische Arten, die sich ungeachtet der restlichen Welt nur hier entwickeln konnten.“
„Ach, und jetzt spielt deine Phantasie wieder verrückt, richtig?“
Hannes antwortete nicht. Zu vertieft war er in die Berichte der Expedition.
„Du, hier steht was von monströsen Kreaturen an den Ufern eines Flusses. Kröten von dreieinhalb Kilo Gewicht; Flügel eines Riesenkäfers, mit einer Spannweite von zwanzig Zentimetern.“
„Und jetzt meinst du, dass dort ALLES etwas größer ausfallen könnte, ja?“
„Könnte doch sein, oder?“
„Spinner!“

*​

Karl saß immer noch mit weit geöffnetem Mund da und starrte in die gegenüberliegende Ecke des Zimmers.
„Was zum Geier ist denn das? Hui, hui, so etwas seltsam Schönes hab ich ja noch nie gesehen.“
Das Wohnzimmer besaß einen kleinen Raumteiler in Form eines farbenfrohen Paravents. Schräg dahinter befand sich eine außergewöhnliche Erscheinung. Anfangs, als Karl das Zimmer betreten hatte, war sein Blick so auf den Katzenbaum fixiert gewesen, dass er das restliche Zimmer gar nicht in Augenschein genommen hatte. Hätte er beim Eintreten nur einen Blick nach rechts in die Ecke getan, wäre ihm dieses außergewöhnliche Objekt sicher nicht entgangen. Doch das änderte sich jetzt. Und wie!
„Das ist ja faszinierend. Diese Anmut. Diese Farben. Wunderschön. Und so was hier bei uns.“
Karl war mitsamt der Diensttasche aufgestanden und stand völlig gebannt vor dem Objekt seiner neuen Begierde.
„Ja, aber ich muss Ihnen dazu etwas Merkwürdiges erzählen.“
„Erzählen Sie, erzählen Sie nur …“
Wie hypnotisiert, die Posttasche vor Verzückung ganz fest an sich gepresst, stand Karl wie angenagelt auf einem Fleck. Die Alte erkannte, dass er es nun offenbar nicht mehr so eilig hatte. Erneut meldete sich die Gastgeberin in ihr zu Wort.
„Ja, ich werde gleich alles erzählen, aber lassen Sie mich Ihnen erst kurz …“
Und schon trippelte sie mit kleinen Schritten los, in Richtung Küche. Auf dem Weg dorthin überlegte sie, wo sie anfangen und wie sie Karl die ganze Geschichte am besten erzählen sollte. Dass sie sich in den letzten Monaten zusehends beobachtet gefühlt hatte. Dass Peterle immer häufiger recht verstört durch die Wohnung geschlichen war.
Einmal hatte sie aus dem Wohnzimmer ein schreckliches Fauchen vernommen und war eilig aus der Küche ins Zimmer gestürzt, so schnell sie eben konnte. Da hatte sie dann gesehen, wie Peterle, einen riesigen Katzenbuckel machend, sich in seine Ecke verzogen hatte. Die Augen weit aufgerissen, so, als wäre er dem leibhaftigen Katzenteufel begegnet. Sie hatte sich zu ihm hinunterbeugen wollen. Doch der Arme war so verstört gewesen, dass er sogar sein treusorgendes Frauchen angefaucht hatte.
Ach, was war sie besorgt gewesen, hatte extra den Katzenkäfig aus dem Keller geholt, da sie am nächsten Tag mit Peterle zum Tierarzt gehen wollte. Doch dazu war es dann nicht mehr gekommen.
Die Alte hatte die Teekanne gegriffen, das Stövchen, zwei Tassen, etwas Gebäck, alles aufs Tablett gestellt und … wollte den Gast noch etwas fragen.
„Herr Karl!“, rief sie hinüber ins Wohnzimmer.
„Nehmen Sie Zucker in Ihren Tee, Herr Karl … Herr Karl …?“

*​

Als einige Tage später Richard mit einem feuchten Tuch über die Tastatur des PCs wischte und so die längst überfällig gewordene Reinigung vornahm, griff sich Hannes bereits einen weiteren Brief aus der Post. Als er den Absender las, machte er sich lautstark bemerkbar.
„Hah! Du wirst es nicht glauben.“
„Was denn schon wieder?“
„Unsere verrückte Oma hat geantwortet.“
„Also wenn schon, dann DEINE verrückte Oma. Bin ja mal gespannt, ob die Alte wirklich ein Foto beigelegt hat.“
Voller Erwartung öffnete Hannes den Umschlag. Dann fing er lauthals an zu lachen, und reichte das Foto seinem Kollegen hinüber. Der schüttelte nur mit dem Kopf.
„Hab ich doch gleich gesagt, dass die Alte ein Fake ist. Von wegen Oma. Da machen sich ein paar Jugendliche einen Spaß mit uns. Sieht doch jeder Trottel, dass das eine Fotomontage ist.“
Hannes hielt sich derweil immer noch den Bauch vor lachen.
„Du … du musst aber zugeben, gut gemacht ist es.“
„Pah, die haben eindeutig zu viele schlechte Filme gesehen. Sieh dir mal die Konturen von dem Ding an.“
„Also, ich find den Scherz jedenfalls gelungen. Auf was für Ideen manche kommen. Zeig doch noch mal her.“
Richard reichte das Bild wieder dem Kollegen, und nach einem längeren Blick darauf:
„Aber sag mal, Richard, was’n das für ein Teil, das da neben der Blüte hängt. Sieht fast so aus, wie …“
„Was? Los, reich noch mal rüber!“ Erneut wechselte das Foto den Besitzer.
„Hmm … ja, aber mit DEM Gag sind die jetzt eindeutig über’s Ziel hinausgeschossen. Denn dadurch wirkt die Sache ja erst recht unglaubwürdig.“
„Wie meinst’n das?“
„Na, überleg mal, Junge! Wenn das nun ein Obdachloser gewesen wäre, dann hätte sich so ein Malheur vielleicht noch verschleiern lassen, aber so, müsste jetzt ja irgendwo ein Postbote fehlen. Und meinste nicht, dass so was auffallen würde?“
„Hmm … wo de Recht hast, haste Recht. Übrigens – da fällt mir ein, du bist diese Woche dran.“
„Hä?“
„Na, mit Blumen gießen.“

 

Hallo Fugalee Page,

das ist ja ein Roman! Worte, Worte, Worte!

Brauchst Du die alle?

Obwohl Du mit gutem Stil, flüssig, mit gewähltem Ausdruck schreibst, bin ich irgendwann ausgestiegen: Wo führen mich all diese Erzähl-Details hin?
Warum brauchst Du soviel Erzähl-Masse für Deinen Plot?

LG
W. Urach

 

Hallo Fugalee!

"Zu diesem Schluss war Karl Reitmeyer nach dem Abwägen aller Widrigkeiten gekommen. Selbst wenn sie ihn schnappen sollten." - Wie ist der Zusammenhang dieser Sätze? Ich lese da: Selbst wenn sie ihn schnappen sollten, war er zu diesem Schluss gekommen. Das meinst du aber wohl kaum. Die Sätze solltest du umstellen.

"Im schlimmsten Fall, würde er den Job verlieren." - Kein Komma.

"Der mittlere Wohlstand halt." - Frage nach dem Erzähler. Wer erzählt? Diese Umgangssprache steht ihm auf jeden Fall nicht.

"Da zahlte man die bestellten Sachen; und dies noch innerhalb der gewährten Zahlungsfrist." - Kein Semikolon, höchstens ein Komma.

"Und genau so einen Blick gönnte sich eben der Karl." - Ernsthaft, bei dieser Umgangssprache graust es mich!

"Er wollte einfach ein wenig Teil haben, am Leben seiner Mitmenschen." - Wieder ein überflüssiges Komma. Davon kommen noch mehr; das solltest du dir mal ansehen und korrigieren.

"in der kleinen Kneipe, die er sich ab und an gönnte" - Er gönnt sich eine Kneipe? Leute, die ich kenne, gönnen sich höchstens ein paar Bier, doch nicht gleich eine ganze Kneipe!

Ich bin auch nicht bis zum Schluss gekommen, sorry.
Ich schließe mich Urach an: Du erzählst und erzählst, aber deine Geschichte ist irgendwo in diesem Wort-Wust versteckt. Du solltest gnadenlos kürzen. Wo bleibt denn sonst die Spannung?

Grüße
Chris

 

Hallo Urach und Chris Stone,

so, jetzt wird’s aber Zeit für ‘ne Antwort. Allerdings stellt mich das auch vor ein Problem. Ich kann nur versuchen einige Sachen zu schlussfolgern, da sich manches sehr kryptisch liest.
Zuerst zur Geschichte:
Die Erzählstruktur, der Plot als auch die Charakterisierung der einzelnen Personen machte eine längere Geschichte notwendig. Karl und sein Leben wollte ich dem Leser erst ein wenig näher bringen, bevor‘s dann zur Sache ging. Die Hintergrundhandlung (Expedition) jeweils abwechselnd von zwei Seiten erzählt und der Weg des voyeuristischen Postboten forderten Raum.
Auch bei dieser Geschichte musste der Leser ein wenig Geduld mitbringen, bis er wusste wo’s lang ging. So schlimm fand ich’s aber gar nicht. In einer guten Viertelstunde ist man durch. Vorausgesetzt euer PC steht auf einem massiven Schreibtisch könnt ihr während dem Lesen durch Liegestütze ääh … Tischstütze euren Trizeps und die große Brustmuskulatur trainieren. Gerade jetzt, vor dem Sommer, ist das doch von Vorteil.
Im einzelnen:

@ Urach

das ist ja ein Roman! Worte, Worte, Worte!
Worte. Schön, dass es sie gibt. Findest du nicht auch?

Wo führen mich all diese Erzähl-Details hin?
Den Ausgang der Geschichte möchte ich hier nicht verraten. Es soll ja Leser geben, die zuerst die Kommentare lesen. Und somit wäre die Geschichte ab hier tot. Wenn sie es nicht schon ist.

Warum brauchst Du soviel Erzähl-Masse für Deinen Plot?
Siehe oben


@Chris Stone

"Zu diesem Schluss war Karl Reitmeyer nach dem Abwägen aller Widrigkeiten gekommen. Selbst wenn sie ihn schnappen sollten." - Wie ist der Zusammenhang dieser Sätze? Ich lese da: Selbst wenn sie ihn schnappen sollten, war er zu diesem Schluss gekommen. Das meinst du aber wohl kaum. Die Sätze solltest du umstellen.

Der Sinn ist schon nachzuvollziehen. Wie im Leben läuft auch bei den Gedanken nicht immer alles ganz rund ab. Karl war zu einem bestimmten Schluss gekommen. Dies schließt nicht aus, dass ein Mensch nicht weiter sinniert. Er überlegt demnach weiter und erkennt, selbst wenn sie ihn dann doch schnappen sollten wäre wohl die schlimmste Konsequenz, dass er seinen Arbeitsplatz verlieren würde. Obwohl etwas um die Ecke gedacht, kann man das so stehen lassen, denk ich.

"Der mittlere Wohlstand halt." - Frage nach dem Erzähler. Wer erzählt? Diese Umgangssprache steht ihm auf jeden Fall nicht.
Hier verstehe ich nicht, was du meinst.

"Da zahlte man die bestellten Sachen; und dies noch innerhalb der gewährten Zahlungsfrist." - Kein Semikolon, höchstens ein Komma.
Hab ich verbessert.

"Und genau so einen Blick gönnte sich eben der Karl." - Ernsthaft, bei dieser Umgangssprache graust es mich!
Auch hier kann ich dir nicht folgen.

"Er wollte einfach ein wenig Teil haben, am Leben seiner Mitmenschen." - Wieder ein überflüssiges Komma. Davon kommen noch mehr; das solltest du dir mal ansehen und korrigieren.
Ich habe inzwischen prominente Hilfe erhalten, und den Text von überflüssigen Kommas gesäubert. :)

"in der kleinen Kneipe, die er sich ab und an gönnte" - Er gönnt sich eine Kneipe? Leute, die ich kenne, gönnen sich höchstens ein paar Bier, doch nicht gleich eine ganze Kneipe!
Hier hast du zum Teil Recht. Man kann sich nicht nur ein Produkt, sondern auch ein Ereignis gönnen. Nur müsste es ganz korrekt heißen: „bei dem Kneipenbesuch, den er sich ab und an gönnte …
Ich hab’s geändert.

Ich bin auch nicht bis zum Schluss gekommen, sorry.
Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen. Mr. Page hat noch niemandem den Kopf abgerissen, bis jetzt. :)

Ich schließe mich Urach an: Du erzählst und erzählst, aber deine Geschichte ist irgendwo in diesem Wort-Wust versteckt. Du solltest gnadenlos kürzen. Wo bleibt denn sonst die Spannung?
Obwohl du mir oben geholfen hast, ist mit diesem letzten Satz ein wenig Sympathie und Kompetenz verloren gegangen. Es ist einer jener Sätze, den ich immer mal wieder unter Geschichten lese, und mich dann immer im Stillen darüber wundern muss. Der Tenor lautet: Ich hab die Geschichte nicht gelesen, aber ändere das in so und so …
Das habe ich noch nie verstanden.
Du bist ja auch schon relativ früh ausgestiegen. Was ja auch kein Problem darstellt. Doch wie willst du über eine Story diskutieren, da dir ja die entscheidende Grundlage fehlt. Du sagst, die Geschichte sei irgendwo in dem Text verborgen und empfiehlst mir gnadenlos zu kürzen. Dabei konntest du doch nicht einmal ansatzweise erkennen von was sie überhaupt handelt. Das wäre ungefähr so, als würdest du von einer Internetbekanntschaft verlangen, sie solle vor einem Treffen erst einmal ordentlich abspecken, obwohl du sie zuvor weder gesehen hast noch sie sich je in einem ihrer Briefe beschrieben hatte. :)
Du siehst also, es macht einfach keinen Sinn.
Aber für deine Textarbeit bis zum Ausstieg, danke ich dir.

Gruß von F. P.

 

Hallo Fugalee!

Dann versuche ich mal, mich klarer auszudrücken.

Eine längere Geschichte: An sich kein Problem. Das Problem, das ich allerdings bei deinem Text sehe, ist folgendes: Er ist langweilig. Am Anfang beginnst du damit, Details aus Karls Leben auszubreiten (Karl, Langweiler, Postbote, liest anderer Leute Briefe). Ist das wirklich alles wichtig für deine Geschichte? Ich konnte da keinen Spannungsbogen entdecken, was mich veranlasste, nicht weiterzulesen.
"Auch bei dieser Geschichte musste der Leser ein wenig Geduld mitbringen, bis er wusste wo's lang ging." - Ich bin keine geduldige Leserin. Gut, man muss nicht sofort wissen, wo der Text endet, aber in einer Spannungs-Geschichte erwarte ich nunmal Spannung.
"So schlimm fand ich's aber gar nicht." - Witzig! Du bist die Autorin. Ich würde mich auch wundern, wenn du hier einen Text posten würdest, den du selbst nicht gut findest. Ich sage dir bloß, was ich als Leserin davon halte.
"In einer guten Viertelstunde ist man durch." - Niemals! Es sei denn, man überfliegt den Text nur, und das kannst du doch wohl nicht wollen?

Okay, zu den Details:
"Zu diesem Schluss war Karl Reitmeyer nach dem Abwägen aller Widrigkeiten gekommen. Selbst wenn sie ihn schnappen sollten." - Wie ist der Zusammenhang dieser Sätze? Ich lese da: Selbst wenn sie ihn schnappen sollten, war er zu diesem Schluss gekommen. Das meinst du aber wohl kaum. Die Sätze solltest du umstellen.
=>Der Sinn ist schon nachzuvollziehen.
==> Denke doch an deine Leser. Wenn zwei Sätze direkt aneinanderhängen, muss der Leser einen direkten Zusammenhang erwarten. (Und nicht erst darüber nachdenken müssen: wie hat die Autorin denn das gemeint?) Fall zwischen diesen Sätzen so kein Zusammenhang besteht, oder der Sinn so nicht ersichtlich ist, solltest du das leserfreundlicher gestalten. Umstellen der Sätze, Zeilenumbrüche ...

"Der mittlere Wohlstand halt." - Frage nach dem Erzähler. Wer erzählt? Diese Umgangssprache steht ihm auf jeden Fall nicht.
=>Hier verstehe ich nicht, was du meinst.
==> Deine Erzählsprache ist sehr umgangssprachlich: "Wohlstand halt", "der Karl" "Ach ja" ... Das stört mich beim Lesen. Da du keinen Ich-Erzähler benutzt, halte ich diese Umgangssprache für nicht angebracht. - Daher auch meine Frage nach dem Erzähler: Hat er einen Grund, diese schlampige Umgangssprache zu benutzen? Wenn nicht (und das sollte schon ein sehr guter Grund sein), dann solltest du auch nicht so schreiben.

"Obwohl du mir oben geholfen hast, ist mit diesem letzten Satz ein wenig Sympathie und Kompetenz verloren gegangen. Es ist einer jener Sätze, den ich immer mal wieder unter Geschichten lese, und mich dann immer im Stillen darüber wundern muss. Der Tenor lautet: Ich hab die Geschichte nicht gelesen, aber ändere das in so und so …" - Auch wenn ich dir nicht sympathisch bin: Findest du es nicht wichtig, zu wissen, ob die Leute, die deinen Text anklicken, auch ( bis zum Ende) lesen? Ist es dir nicht wichtig, zu erfahren, daß manche Leser denken, daß dein Text einfach zu langweilig erscheint, um sich bis zum Ende durchzubeißen? (Sicher ist es nicht das, das ein Autor hören will, aber meiner Meinung nach ist das ein wichtiger Hinweis - Und bisher haben deine einzigen beiden Kommentatoren es nicht bis zum Schluss deines Textes geschafft. Entschuldige, aber das sollte dir was sagen.)

Grüße
Chris

 

Hallo Chris,

da wir uns zuvor literarisch noch nicht begegnet waren, schnell vorab:
Ich muss feststellen, dass wir uns offenbar im Geschlecht geirrt haben. :D
Wie ich aus deiner Antwort entnehme: Ich, Tarzan – Du, Jane.
Dann, ich gehöre nicht zu den Autoren, die sich nach einer deftigen Kritik beleidigt in’s Eck verziehen und schmollen. Du darfst mir ruhig ordentlich die Meinung geigen, und deine Samthandschuhe können hierzu im Kleiderschrank verbleiben.
Ich wiederum weiß, dass die Autorenseele eine sehr empfindsame ist. So bin ich immer bemüht die richtigen Worte zu finden, um ja niemanden zu verletzen. Dies fordert meist mehr Energie, als eine Story zu schreiben. Deshalb drücke ich mich gerne vor Grundsatzdiskussionen. Wie ich sehe, hast auch du mich missverstanden.
Ich habe nie behauptet, dass du mir unsympathisch bist. Ich habe davon gesprochen, dass du bei mir auf der nach oben offenen Dichter-Skala ein paar Sympathiepunkte verspielt hast. Das ist etwas ganz Anderes. Um Teile zu verspielen, muss man eine größere Menge besitzen. Die Sympathie rührt erstens daher, dass du am gleichen Hobby Spaß findest wie ich, und zweitens, dass du mir mit deiner Textarbeit ja durchaus geholfen hast.
So werden deine Anmerkungen nicht unterschlagen, und ich werde sie mir nochmals durch den Kopf gehen lassen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich in einen Text, den ich mir nach einiger Zeit noch mal vornehme, Änderungen einfließen lasse, von denen ich zuvor anderer Meinung war.
Ich habe dich auch richtig verstanden und will versuchen zusammenzufassen:
Selbstverständlich ist es möglich sich nach den ersten Zeilen eines Textes ein Urteil zu bilden. Sein ganz persönliches. Dies geschieht auf Kg.de vermutlich mehrere hundert Mal am Tag. Der Leser klickt einen Text an und das übliche Szenario beginnt:
Besonders neugierige Subjekte werden sich zunächst auf die Kommentare stürzen. :)
Einige werden erst mal die Länge abscrollen, da droht schon der nächste Ausstieg, andere fangen gleich oder trotzdem an zu lesen.
So – und dann kommt’s drauf an:
Sind in den ersten zwanzig Zeilen zwanzig Rechtschreibfehler, manche klicken weg.
Gleicht das erste Viertel durch Tempusfehler und Stil eher einem wirren Kopfsalat, als einem ordentlichen Handlungsstrang, manche klicken weg.
Handelt es sich gar um eine erotische Geschichte und beschreibt ein Autor, eine DIN A4 Seite lang, wie der Protagoist sich abmüht seiner Angebeteten den BH zu öffnen, da er vergeblich versucht den Nippel durch die Lasche zu ziehen. Der Leser langweilt sich und klickt weg.
So habe ich deine und Urach’s message schon verstanden. Diese Seite heißt Kurzgeschichten.de und ihr seid beide Personen, die es zu schätzen wissen, wenn der Autor schnell zu Sache kommt. In eurem Fall würde sich ein Standardbutton anbieten. Der Text müsste in etwa lauten: „Junge, bis du in die Gänge kommst, bin ich eingeschlafen.“
Und dies geht in Ordnung. (Also nicht, dass ihr einschlaft, aber eure Meinung) :D

Eine ganz andere Situation ergibt sich aus:
Hallo XXX, ich habe angefangen deine Geschichte zu lesen, hat mir gar nicht gefallen, weshalb machst du es nicht so und so oder was soll mir dieser Anfang sagen? bzw. Ist das alles wichtig für deine Geschichte? und wo führt mich das hin?

Dieser Unterschied ist ungefähr so groß wie der zwischen ABBA und ZAPPA, Aronal und Elmex, oder Angela Merkel und Pamela Anderson.
Bei dieser Version schließt euer Urteil bzw. eure fordernde Frage etwas mit ein, dass ihr noch gar nicht kennt.
Was soll ich darauf antworten? Ich müsste jetzt anfangen im Kommentar die Geschichte zu erzählen, quasi ein Doppelposting.

Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass eure Meinung nicht berechtigt sein könnte:
Beispiele:
Du fängst an, eine Geschichte zu lesen und findest den Anfang eher unpassend. Im Laufe der Handlung stellst du fest, dass dieser durchaus einen Sinn ergibt. In diesem Falle würdest du deine Meinung revidieren.
aber natürlich auch:
Nachdem du eine Geschichte gelesen hast, siehst du dich in deiner anfänglichen Meinung bestätigt und teilst dies dem Autor mit. Die Einleitung kann für dich immer noch zu lange sein, da du jetzt das Verhältnis kennst, die Struktur des Textes. Vielleicht scheint sie dir auch überflüssig, vorausgesetzt sie hätte mit dem Plot überhaupt nichts oder im Verhältnis wenig zu tun. Und, und, und …

Du siehst, worauf ich hinaus will. Diese ganze Welt der Eindrücke öffnet sich für dich nachdem du eine Story gelesen hast. Erst dadurch bist du für mich kompetent über die Gesamtheit zu urteilen und Verbesserungsvorschläge (die sich auf die gesamte Geschichte auswirken) zu unterbreiten. Dann darfst du aber auch gerne mit aller Härte unter Beibehaltung der üblichen Netiquette mit dem Nudelholz auf mich eindreschen. :D

Dies ist meine grundsätzliche Einstellung. Ich werde bei Geschichten, die ich kommentiere, weiterhin so vorgehen und es wäre schön, wenn sich auch meine Leser damit anfreunden könnten. Und, da bin ich jetzt mal ganz frech, ich möchte fast wetten, dass auch du irgendwann deine Meinung dahingehend ändern wirst. Du wirst nämlich erkennen, dass sich dadurch viel Zeit und unnötiges Blabla einsparen lässt. Die Zeit kannst du besser für Recherchen oder zum Schreiben nutzen.

So – dieser Kommentar war jetzt fast so lang wie die Story selbst. Aber, um einen Bogen zur Geschichte zu schlagen, er war ja nicht für die Katz. :D

Dann sende ich dir zum Schluss noch durchaus sympathisch gemeinte Grüße.

F. P.

 

Hallo Tarzan, äh, Fugalee!

Ja, man weiß vom Nick her nie, woran man ist.

Also, wie es aussieht, sind wir unterschiedlicher Meinung. Kurz zusammengefasst: Du meinst, ein Leser kann erst erkennen, ob der Anfang einer Geschichte gut ist, wenn der Leser die Geschichte bis zum Ende gelesen hat. Ich hingegen denke, dass, wenn ich den Anfang der Geschichte lese, und dieser voller Details steckt, aber keinerlei roten Faden aufweist, der Rest der Geschichte nicht besser wird. - Meine Meinung habe ich mir aus langer Erfahrung aufgebaut.

Okay, Meinungen sind unterschiedlich. Jetzt, wo ich einen deiner Texte gelesen und kommentiert habe, weiß ich, woran ich bin und werde eben keinen weiteren deiner Texte lesen. Das ist nicht persönlich gemeint, mir gefällt einfach deine Art zu schreiben nicht. (Wie schon gesagt, in der Spannungs-Rubrik möchte ich Spannendes lesen, von der ersten bis zur letzten Zeile - ich mag es nicht, wenn sich mir der Sinn erst am Schluss eines Textes erschließt.)

Ich hoffe, es sind keine Missverständnis entstanden, falls doch, schreib mir eine PN.

Grüße
Chris

 

Hallo FP,

nachdem ich die Länge deines Textes abgescrollt und die Posts dazu überflogen habe ;), habe ich mich dann doch durch die ganze Geschichte durchgearbeitet. Leider hat sie mir auch als ganzes nicht so gut gefallen.

Okay, es ist am Ende etwas spannender, aber es ist wirklich so, dass erst am Ende das Tempo anzieht und eine gewisse Spannung aufkommt. Bis zu diesem Punkt ist die Geschichte extrem zäh. Du weisst vielleicht, dass meine Geschichten ganz ähnliche Probleme haben (nicht nur die eine, die du gelesen hast), darum habe ich Schwierigkeiten genaue Gründe zu benennen. Wahrscheinlich werden aber zu viele Worte auf Nebenhandlungen verwendet, die nicht wirklich die Story voranbringen.

Vielleicht liegt es auch an der gewählten Schachtelung. Der Brief aus der Redaktion wäre ein guter Punkt gewesen, um Spannung zu erzeugen, durch den zuvor eingeblendeten Dialog zwischen den Redakteueren hatte ich aber bereits das Gefühl zu wissen, was vor sich geht. In diesem Gefühl blieb ich bis zur Mitte der Geschichte und kurz darüber hinaus ... das sind geschlagene zehn bis fünfzehn Manuskriptseiten! Erst dann fing ich an, mir fragen über die Auflösung der Story zu stellen, und erst dann kam die Spannung auf.

Weiterhin ist mir aufgefallen, dass die Erzählstimme, gerade zum Beginn der Geschichte, ein ziemliches Eigenleben entwickelt. Es wird kommentiert, weitschweifig ausgeholt und süffisant beschrieben. Ich konnte mich damit nicht wirklich anfreunden. Vielleicht bin ich auch davon beeinflusst, dass ich mal gelesen habe, dies sei eine überholte Art zu schreiben (James N. Frey).

Auf alle Fälle hatte ich vom Erzähler ein lebendigeres Bild, als vom Karl selbst.


Hoffe das hilft dir weiter,

Liebe Grüße,

Mihai

 

Hallo Mihai,

da hat’s ja doch noch jemand geschafft und ist bis zum Ende vorgedrungen.
Allerdings denke ich, die Katze ist inzwischen „tot“ und schon längst verdaut. :D
Aber es war mal interessant den Standpunkt in Worte zu fassen. Und die Diskussion war vom Stil ja auch angenehm.
Zur Story:
Ich habe den Stein der Weisen auch noch nicht gefunden. Im Kino suchen zur Zeit alle nach dem Heiligen Gral. Bei Kurzgeschichten geht’s halt um das richtige Maß. :)
Wenn mir eine Geschichte einfällt, suche ich immer zuerst nach der passenden Form. Mal waren es skurrile Gerichtsverhandlungen, Reiseerzählungen, Kneipendialoge, „Hausromane“ mal kleine Bruchstücke, wo sich der Leser die Geschichte selbst zusammenbasteln musste etc.
Wenn die Geschichten länger sind, hängt das vermutlich damit zusammen, dass ich ein wenig Atmosphäre schaffen will. Auch bei dieser Katzenstory. Du hast schon Recht, da könnte man einiges rauskürzen. Die kleinen Geschichten in der Geschichte. Dass Karl auf die Mayerhofer trifft oder das vorlaute Töchterlein.
Ich wollte den Leser erst einen vergnüglichen Blick auf den Arbeitsalltag von Karl werfen lassen, bevor’s dann zur Sache ging. Die Spannung sollte sich langsam aufbauen; zur Länge der Story passen. Die falsche Fährte musste gelegt werden. Für so eine Story ist es natürlich auch nicht leicht die richtige Rubrik zu finden. Wenn man so will ist es ja eigentlich eine phantastische Geschichte. Krimi/Spannung zielt vielleicht mehr auf kurze Verwirrspiele, Ganove haut Ganove über’s Ohr etc.
Thema Erzählstil:
Ich bin schon der Meinung, dass der leicht süffisante Erzählstil zum Charakter der Geschichte passt. Die Story hat ja eindeutig keinen blutrünstigen Hintergrund, sondern spielt eher auf das Malheur an, das die Alte irgendwann der Polizei erklären muss. Zu einem Tässchen Tee versteht sich. :)
Thema Verschachtelung:
Dass dir wirklich schon so früh die Begriffe Fauna und Flora durch den Kopf gegangen sind, spricht für deinen Scharfsinn. ;)
Thema Lehrbuch:
Dass es überholt ist so zu schreiben, glaub ich nicht, denn ich schreib ja so. Und wenn ich mich selbst überhol, würde ich ja schneller schreiben als mein Schatten.

So, dann dank ich dir erst einmal, dass du dich dem langen Text angenommen hast. Ich werde die Geschichte jetzt erst einige Zeit liegen lassen und sie mir dann wieder vornehmen. Mittlerweile hab ich mir den Tipp von Chris Stone auch noch mal durch den Kopf gehen lassen. Die Stelle am Anfang werd ich zum besseren Logikverständnis ändern.

Dann wünsch ich dir noch viele Ideen für neue Stories.

Cruz von Fugali P8sh

 

Hi,

wollte eigentlich nicht mehr viel hinzufügen, aber eine Richtigstellung wäre mir dann doch wichtig ... schließlich ist es der unverzeilichste Fehler eines Autors der, sich nicht verständlich ausgedrückt zu haben.

Dass dir wirklich schon so früh die Begriffe Fauna und Flora durch den Kopf gegangen sind, spricht für deinen Scharfsinn.
Ich habe keineswegs das Ende geahnt, war vom Ende sogar überrascht! Vielmehr war das Problem, dass ich über eine lange Strecke geglaubt habe, das Ende zu kennen. Das könnte man als Problem meines eigenen Leseverständnisses auffassen, allerdings sehe ich es anders: Ich glaube die Story wirft bis zur Mitte hin keine besonderen Fragen auf, die Spannung erzeugen, höchstens die eine: "Worauf will der Autor hinaus?"

Bis zur Mitte lässt sich alles wunderbar erklären: Die Frau spinnt, die Katze hat nichts besonderes, Karl verhofft sich eine tolle Entdeckung zu machen und wird enttäuscht werden. Klar: Falsche Fährte, aber für mich eben nicht spannend.

Liebe Grüße,

Mihai

 

Hallo Mihai,

wollt mich nur schnell für den Nachtrag bedanken. Ist durchaus hilfreich. Es ändert zwar nix am Thema: „Zu ausschweifend erzahlt“; hilft aber bei etwas Anderem.
Es gibt ja noch ein anderes „Maß“, das es zu beachten gilt. Hat man zuviel verraten, oder aber spricht man vielleicht in Rätseln? So hatte ich dich ursprünglich missverstanden. Jetzt weiß ich, dass bei dir der kleine Überraschungseffekt funktioniert hat. Thanks. :)

Grüße
F. P.

 

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