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Die kleinen Dinge

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27.06.2007
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Die kleinen Dinge

Es ist dunkel, kalt. Ich stehe nicht auf. Irgendwie bin ich niedergeschlagen, obwohl gerade erst der Wecker klingelt.
Mich nervt das, stelle mir vor, wie das Leben sein könnte. Aber es ist anders. Alles ist schwer, irgendwie nicht zu überwinden. Ich kann mich selbst nicht überwinden. Ich bleibe liegen. Hier in meinem Bett, in meiner Wohnung, meinem schönen Ort. Ich lasse die Vorhänge zu, koche Kaffee, lese. Ich brauche Ruhe. Bin überfordert. Ich MUSS arbeiten. Kann nicht schon wieder hier bleiben.

Draußen ist der Himmel grau. Einfach grau. Keine Wolken. Es wird wieder den ganzen Tag nicht richtig hell werden. Ich überlege mir Ausreden. Wenn ich einen Unfall hätte, oder jemand aus der Familie. Dann könnte ich anrufen und sagen, ich könne nicht kommen. So ein Schwachsinn. Krank geht auch nicht. War ich schon zu oft. Das glaubt ja keiner.

Ich bleibe noch fünf Minuten liegen. Wann ist endlich Wochenende? Dann geh ich nicht raus, gehe nicht ans Telefon. Mache was MIR gefällt. Warum muss immer alles so schwer sein? Der Wecker klingelt schon wieder. Ich kann nicht.
Ich kriege Kopfschmerzen.

Mein Nachbar verlässt das Haus. Arbeiten. Dem fällt das leicht. Der hat eine Frau, die ihm abends das Essen hinstellt, die Wohnung aufräumt. Geldsorgen hat der auch nicht, er fährt einen Porsche.

Ich rackere mich ab. Tag für Tag. Trotzdem habe ich ein chronisch überzogenes Konto und ein Auto, das von innen zufriert. Na prima. Ich muss sicher Eis kratzen. Das kostet Zeit. Ich komme eh zu spät. Vor allem, was hab ich davon? Den ganzen Tag arbeiten. Bis sechs. Und dann? Keine heile Welt. Keiner, der auf mich wartet, mir was Schönes kocht. Tiefkühlpizza. Alleine.

Ich sollte mir einen Hamster zulegen. Aber der stirbt irgendwann. Zu schnell. Vielleicht eine Schildkröte. Die bleibt länger. Zumindest länger als Michael. Wenn mir jetzt nichts einfällt muss ich aufstehen. Nützt ja nichts. Was soll´s. Dann habe ich wenigstens kein schlechtes Gewissen. Ich weiß jetzt schon, dass ich den ganzen Tag frieren werde. Ich sollte auswandern. Vielleicht ist es woanders leichter.

Es fängt an zu regnen. So ein dünner, feuchtkalter Regen.Es könnte glatt werden.
Blitzeis. Sorry, ich komm nicht durch. Ist wahrscheinlich besser, wenn ich wieder umkehre. Bis morgen. Auf der Straße fahren die Autos ungehindert.

Während ich mir die Zähne putze muss ich weinen. Stumm, nur so vor mich hin.
Morgen stelle ich den Wecker eine halbe Stunde früher. Dann kann ich länger liegen bleiben. Und heute Abend lege ich mich sofort, wenn ich heimkomme, wieder hin. Das dreckige Geschirr kann auch noch einen Tag länger vor sich hingammeln. Gehe ich eben nicht in die Küche.

Ich bin so müde. Es ist immer noch grau. Der Regen durchnässt meinen Mantel, während ich versuche, das Eis von der Windschutzscheibe zu entfernen. Ich hätte Handschuhe anziehen sollen. Spüre kaum noch meine Finger. Früher hat Michael das gemacht.

Die Frau meines Nachbarn bringt den Müll raus, im Morgenmantel. Die hat bestimmt eine Spülmaschine. Frühstückt jetzt gemütlich in ihrer warmen, sauberen Küche. Sonntag mache ich es mir schön. Mit Frühstücksei und so.

Nach dem dritten Versuch springt der Motor an. Ich kann noch nicht mal was für die private Altersvorsorge zurücklegen, wie soll ich mir da ein neues Auto leisten?
Nachrichten: In Baden Württemberg Schneechaos. Zahlreiche Autounfälle. Warum wohne ich in Nordrhein-Westfalen? Als ich auf die Hauptstraße einbiege, läuft Pohlmann. Wenn jetzt Sommer wär.

Plötzlich muss ich grinsen. Warum? Keine Ahnung. Es wird tatsächlich etwas heller. Und heute Abend gehe ich tanzen.

 

Hi aprilhexe,

und ein etwas spätes "herzlich willkommen" hier.
Deine Geschichte ist in der Tat alltäglich und ganz sicher von vielen hier nachzuvollziehen, auch wenn die Unlust deiner Protagonistin/deines Protagoisten im Ausmaß schon nach handfester Depression klingt.
Mir hat der Text im Großen und Ganzen gefallen, an vielen Passagen empfinde ich auch die unvollständige Formulierung durchaus angebracht, an einigen Stellen führt sie aber auch zu Verwirrung, etwa, wenn du die Protagonistin/den Protagonisten im Bett Kaffee kochen lässt. Da hatte ich das Gefühl, du stecktest in der beschriebenen Situation nicht in letzter Konsequenz.

Draußen ist der Himmel grau
Erst ist es dunkel, dann sind die Vorhänge zugezogen. Wenn es dunkel ist, kann der Himmel auch bei aufgzogenen Vorhängen nur schwer grau sein. Wenn er es ist, klingelt der Wecker nicht früher als um acht, was bei einem achtstündigen Arbeitstag natürlich zum Dienst bis 18:00 passen würde.
ein Auto, dass von innen zufriert.
Auto, das von

Lieben Gruß, sim

 

Hallo aprilhexe

Ich fand die Geschichte auch recht gelungen. In diesem Kontext fand ich die Ansammlung kurzer Sätze passend. Auf eine längere Geschichte oder einen anderen Inhalt bezogen, würde es mich eher stören.

Die Depression der Prot war offensichtlich und echt gut beschrieben. Neid auf Andere, sowie die Umkehrung von grundsätzlich Positivem ins Negative zeigt deutlich in diese Richtung. Das Beispiel des Hamsters war gut. Der vorhersehbare Tod als Grund für die Nichtanschaffung ist wohl kaum nachvollziehbar, sieht man aber nur schwarz in seinem Leben, die logische Konsequenz.
Ich weiss nicht, ob du mit den letzten Sätzen andeuten wolltest, ob die Probleme der Frau "manisch-depressiv" sind. Geht der Wechsel zwischen tiefer Niedergeschlagenheit und Hochgefühl bei dieser Krankheit so schnell?

Gruss Rolf

 

Hallo aprilhexe79,

Es ist dir mit dieser Geschichte gut gelungen, einen allgemeinen Unmut gegenüber dem Leben in Worte zu fassen. Wobei es mir relativ schwer fällt, zu entscheiden, ob dieser Unmut aus einer krankhaften Depression herrührt oder doch seine Begründung hat, den Tod Michaels etwa. Aber letztlich schließt das eine das andere ja nicht aus.
Berücksichtigt man den Titel, könnte man auch einfach meinen, der Protagonist habe eine gewisse Überempfindlichkeit, was Alltäglichkeiten anbetrifft. So stürzt ihn der verhangene Himmel in tiefste Traurigkeit und der bevorstehende Tanzabend gibt ihm den Lebensmut zurück.
Wie dem auch sei, mir hat die Geschichte gefallen.


Gruß,
Abdul

 

den Tod Michaels etwa
Ich dachte, das wäre eine ganz "normale" Trennung.

Wenn Ihr Freund oder Mann wirklich gestorben ist, bin ich mir auch nicht mehr so sicher, ob es sich hierbei um eine Depression oder eine relativ natürliche Reaktion handelt.
Wobei Trennung/Tod ein bisschen verwandt sind ... verlassen fühlt man sich in beiden Fällen.
Die Autorin wird uns sicher aufklären.

 

Eben habe ich noch mal drüber gelesen und du scheinst recht zu haben. Es war dieser Satz, der mich verleitete zu glauben, Michael sei tot:

Ich sollte mir einen Hamster zulegen. Aber der stirbt irgendwann. Zu schnell. Vielleicht eine Schildkröte. Die bleibt länger. Zumindest länger als Michael.
Obwohl dort in Bezug auf Michael von "bleiben" die Rede ist.


Gruß,
Abdul

 

Hallo Hexe,

hat mich gut unterhalten, dein kleines Stück. Obwohl das Thema ja eigentlich nicht zum Lachen ist, musste ich viel schmunzeln. Vielleicht, weil ich die Gedanken deiner Prot sehr gut nachvollziehen kann. Und wenn ich mich bei solchen Gedanken erwische, muss ich meistens immer schmunzeln. Denn, so wie es deine Geshcichte auch transportiert, brechen die Wolken eher früher als später wieder auf.

Sehr gerne gelesen, dein Schreibstil sitzt.

grüßlichst
weltenläufer

 

@sim:
Danke, für deine Verbesserungsvorschläge! Du hast Recht damit, dass der Text, wenn man ihn so genau liest wie du, an einigen Stellen ein wenig verwirrend sein könnte. Das ist mir aber auch erst aufgefallen, als du mich darauf gestoßen hast. Allerdings könnte es ja auch dunkel sein, gerade WEIL die Vorhänge zugezogen sind. Draussen ist der Himmel grau, weil es Winter ist, weil es das gestern schon war, weil der Prot es sich in seiner Depression nicht anders vorstellen kann etc.
Kaffeekochen im Bett- ok. Da geb ich dir in aller Konsequenz Recht. :-)
Vielleicht ändere ich das mal noch.
Den Schreibfehler habe ich bereits korrigiert.
Also, danke dir nochmal!
Gruß, a

 

@rolfschoenenberger, @AbdulAlhazred,

schön, dass euch mein Text gefallen hat. Als manisch- depressiv würde ich den Protagonisten nicht beschreiben. Es geht vielmehr um eine Art Niedergeschlagenheit, ja, vielleicht auch "kleine" Depression, die wahrscheinlich viele Menschen hin- und wieder haben, wenn das Leben gerade mal nicht so gut läuft.
"Michael" ist nicht gestorben ( das wahr wenigstens nicht meine Vorstellung).
Dieser Aspekt würde dem Text auch eine traurigere, schwerwiegendere Note verleihen, als angedacht.
Lieben Gruß euch Beiden, a

 

Hallo Aprilhexe,

auch mir hat deine Story gut gefallen. Das hat es bei mir auch mal gegeben, daß mich der Liebeskummer nicht zur Arbeit gehen lassen wollte... Du hast eine spärliche, aber blumige Sprache, die gut zu den Gedankenfetzen passt, die der Prot. im Kopf herumspuken mögen.

Etwas unglücklich fand ich aber am Anfang "Irgendwie bin ich niedergeschlagen". Schöner wäre es gewesen, wenn du diese Niedergeschlagenheit von Anfang an bildlicher beschrieben und dich nicht einfach nur eines Adjektivs bedient hättest. Denn damit ist deine (bzw. der Protagonistin) Niedergeschlagenheit nicht beschrieben.

Und ich muss dir gestehen, der Schluss gibt mir Rätsel auf. Na gut, irgendwann erhellt ein Sonnenstrahl ihre Seele, aber das Warum ist mir nicht klar. Kann aber auch daran liegen, daß ich nicht weiß, wer Pohlmann ist.

Viele Grüße von

Kong

 

hallo liebe Aprilhexe,

war sehr angetan von deiner Geschichte, weil es mir manchmal auch so ergeht, ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es jedem so geht.

Deinen Schreibstil find ich passend, weil es einem kurz und zielstrebig das Gefühl nachempfinden lässt. Das gelesene Wort durch das Auge, in den Kopf, rein in den Bauch binnen von Sekunden oder angestrengt folgen zu müssen..

Klasse :))

 

Hallo aprilhexe,
ich bin noch neu in Eurer Runde. Weiss noch nicht mal, wie man ein Zitat einfügt, aber ich werde es schon noch lernen.
Mir hat besonders der ganze 8. Absatz gefallen: 'Es fängt an zu regnen...' bis 'Auf der Strasse fahren die Autos ungehindert.' Was da im Kopf des Prot. abläuft, finde ich, hast Du prägnant und knapp ausgedrückt.
Schade finde ich zum Schluss nur das Wort 'grinsen', das kommt mir zu salopp daher.
Herzlich, Gisanne

 

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