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Die kleinen Dinge
Es ist dunkel, kalt. Ich stehe nicht auf. Irgendwie bin ich niedergeschlagen, obwohl gerade erst der Wecker klingelt.
Mich nervt das, stelle mir vor, wie das Leben sein könnte. Aber es ist anders. Alles ist schwer, irgendwie nicht zu überwinden. Ich kann mich selbst nicht überwinden. Ich bleibe liegen. Hier in meinem Bett, in meiner Wohnung, meinem schönen Ort. Ich lasse die Vorhänge zu, koche Kaffee, lese. Ich brauche Ruhe. Bin überfordert. Ich MUSS arbeiten. Kann nicht schon wieder hier bleiben.
Draußen ist der Himmel grau. Einfach grau. Keine Wolken. Es wird wieder den ganzen Tag nicht richtig hell werden. Ich überlege mir Ausreden. Wenn ich einen Unfall hätte, oder jemand aus der Familie. Dann könnte ich anrufen und sagen, ich könne nicht kommen. So ein Schwachsinn. Krank geht auch nicht. War ich schon zu oft. Das glaubt ja keiner.
Ich bleibe noch fünf Minuten liegen. Wann ist endlich Wochenende? Dann geh ich nicht raus, gehe nicht ans Telefon. Mache was MIR gefällt. Warum muss immer alles so schwer sein? Der Wecker klingelt schon wieder. Ich kann nicht.
Ich kriege Kopfschmerzen.
Mein Nachbar verlässt das Haus. Arbeiten. Dem fällt das leicht. Der hat eine Frau, die ihm abends das Essen hinstellt, die Wohnung aufräumt. Geldsorgen hat der auch nicht, er fährt einen Porsche.
Ich rackere mich ab. Tag für Tag. Trotzdem habe ich ein chronisch überzogenes Konto und ein Auto, das von innen zufriert. Na prima. Ich muss sicher Eis kratzen. Das kostet Zeit. Ich komme eh zu spät. Vor allem, was hab ich davon? Den ganzen Tag arbeiten. Bis sechs. Und dann? Keine heile Welt. Keiner, der auf mich wartet, mir was Schönes kocht. Tiefkühlpizza. Alleine.
Ich sollte mir einen Hamster zulegen. Aber der stirbt irgendwann. Zu schnell. Vielleicht eine Schildkröte. Die bleibt länger. Zumindest länger als Michael. Wenn mir jetzt nichts einfällt muss ich aufstehen. Nützt ja nichts. Was soll´s. Dann habe ich wenigstens kein schlechtes Gewissen. Ich weiß jetzt schon, dass ich den ganzen Tag frieren werde. Ich sollte auswandern. Vielleicht ist es woanders leichter.
Es fängt an zu regnen. So ein dünner, feuchtkalter Regen.Es könnte glatt werden.
Blitzeis. Sorry, ich komm nicht durch. Ist wahrscheinlich besser, wenn ich wieder umkehre. Bis morgen. Auf der Straße fahren die Autos ungehindert.
Während ich mir die Zähne putze muss ich weinen. Stumm, nur so vor mich hin.
Morgen stelle ich den Wecker eine halbe Stunde früher. Dann kann ich länger liegen bleiben. Und heute Abend lege ich mich sofort, wenn ich heimkomme, wieder hin. Das dreckige Geschirr kann auch noch einen Tag länger vor sich hingammeln. Gehe ich eben nicht in die Küche.
Ich bin so müde. Es ist immer noch grau. Der Regen durchnässt meinen Mantel, während ich versuche, das Eis von der Windschutzscheibe zu entfernen. Ich hätte Handschuhe anziehen sollen. Spüre kaum noch meine Finger. Früher hat Michael das gemacht.
Die Frau meines Nachbarn bringt den Müll raus, im Morgenmantel. Die hat bestimmt eine Spülmaschine. Frühstückt jetzt gemütlich in ihrer warmen, sauberen Küche. Sonntag mache ich es mir schön. Mit Frühstücksei und so.
Nach dem dritten Versuch springt der Motor an. Ich kann noch nicht mal was für die private Altersvorsorge zurücklegen, wie soll ich mir da ein neues Auto leisten?
Nachrichten: In Baden Württemberg Schneechaos. Zahlreiche Autounfälle. Warum wohne ich in Nordrhein-Westfalen? Als ich auf die Hauptstraße einbiege, läuft Pohlmann. Wenn jetzt Sommer wär.
Plötzlich muss ich grinsen. Warum? Keine Ahnung. Es wird tatsächlich etwas heller. Und heute Abend gehe ich tanzen.