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Die Laugenbrezel als Märtyrer
Grüß Gott!
Nicht viele von uns Laugenbrezeln bekennen sich zum Buddhismus. Das macht mich vielleicht sogar zu einer Laugenbrezel sui generis. In den wenigen Stunden meines Lebens habe ich viel über die Menschen gelernt, vor allem über die schlechten, also die überwiegende Mehrheit. Zu dieser Gruppe gehört besonders der berühmte Marquis de Gupf, seines Zeichens Währungsspekulant. Dieser finstere Geselle hat mich mit in den Louvre genommen, um mich im Angesicht der Mona Lisa zu verzehren, während er mit seinem Makler an der Börse von Tokio telefoniert. Warum nur tut er das? Nun, ich vermute, weil er böse ist und dem Internationalen Währungsfonds zur Weltherrschaft verhelfen will. Genau weiß ich es nicht. Schließlich bin ich nur ein einfaches Stück Teig und habe nicht studiert.
Schon sausen die Worte aus dem übelriechenden Maul des Marquis de Gupf mit Überlichtgeschwindigkeit an das andere Ende des Planeten. Nur ich und ein Beutel Kamillentee in seiner Aktentasche der ebenfalls über eine endoplasmatische Form von Bewusstsein verfügt, können das Schlimmste noch verhindern. Aber wie nur?
[dramatische Pause]
Ich tue mein bestes: Ich dufte so stark ich kann, um die bolivianische Folkloregruppe dort drüben auf Gupf aufmerksam zu machen. Tatsächlich umschleichen sie ihn schon bald wie die Wölfe. Es sind ausgehungerte Wilde, die in der Cafeteria nicht bereit waren, zwei Euro für ein vertrocknetes Croissant und einen Becher Wasser zu zahlen. Sie sind müde, verschwitzt und die Füße tun ihnen weh! Eine Ahnung von Kamille unterhalb der Wahrnehmungsschwelle macht sie vollends aggressiv. Diese Pflanze gilt ja in ihrer Kultur als stärkstes Rauschmittel, gleich nach Kokain.
Noch ehe der finstere Gupf in einer Atmospäre von Schmierseife und Betrug der dunklen Seite zum Sieg verhelfen kann, indem er "Verkaufen!" in sein Handy brüllt - entwendet mich ein langhaariger Panflötenspieler seinen Wurstfingern. Das setzt sein neoliberales Hirn erst einmal außer Gefecht!
Jetzt kennen auch die Kumpane des schmierigen Flötisten kein Halten mehr! Es gelingt ihnen mühelos, dem Gupf auch das Handy und die Brieftasche zu fladern. Anschließend verpassen sie ihm noch einen Tritt in die Eier, bevor sie mich zerfetzen wie einst die Mänaden einen schmucken jungen Mann und sich die Stücke mit lautem Triumphgeschrei in den Schlund stopfen. Dann laufen sie weg, ehe die Museumswärter ihrer habhaft werden können.
Ich aber habe meine kleine Seele längst ausgehaucht und
Der Rest ist Schweigen
(Hamlet)