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Thema des Monats Die Legende vom kopflosen Biker

Seniors
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10.10.2006
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Die Legende vom kopflosen Biker

Wenn die Keuschheit zum Tanze kommt, so tanzt sie auf gläsernen Sohlen.
[Sprichwort]
It is one of the superstitions of the human mind to have imagined that virginity could be a virtue.
[Voltaire]
Wer eine Jungfrau schändet, der stirbt keines guten Todes.
[Sprichwort]

Abschlussball hin oder her. Heute war sie fällig.
Ihr Widerstand schmolz dahin. Ken fühlte es. Seit einer kleinen Ewigkeit duldete sie seine Hand auf ihrer Brust. Und ihre Küsse wurden fordernder.
Er hatte es sich auch verdient. Das ganze Drumherum. Einfach tadellos.
Zwei Stunden hatte er den Camarro gesaugt, dann die beiden Flaschen Rotwein gekauft und sich viermal Pretty Woman angesehen. Aber das Meisterwerk war das Tape. Alleine seinetwegen hatte er es sich verdient.
Die Fugees, Eric Clapton, Tom Petty, Melissa Etheridge und so viele andere - von ihm geformt zu einem einzigartigen Tape, einem Tape, das in die Geschichte eingehen würde als das beste Tape aller Zeiten.
Die Wahl des Ortes hingegen war leicht gewesen. Der Hügel über der Stadt. Der Schlüpfersturm-Hügel. Und heute Nacht war der Platz leer. Was für ein Glückspilz er doch war.
Feenstaub lag in der Luft. Es war Schicksal.
Seine Hand knetete ihre Brust.
Wie sie wohl aussahen? So wie die von den Frauen in Vaters Playboy? Die der Sonne entgegen wuchsen? Wie Früchte.
Aber seine Mutter hatte ihm doch gesagt, so sehe keine Frau aus. Als sie ihn mal dabei erwischt hatte. Aber daran wollte er jetzt wirklich nicht denken.
Leyla lief. Zum zweiten Mal bestimmt. Und das Ziehen in seinem kleinen Freund, die Hitze des Augenblicks - Ken griff nach ihrer Hand, streichelte zärtlich über ihren Handrücken und führte sie in seinen Schoß.
Diesmal wollte er alles richtig machen. Zärtlich und einfühlsam sein. So wie sie es mochten.
Amandas Zunge zuckte zurück und ihr Mund, der ihm so viel Vergnügen versprochen hatte, spie ein Wort aus: „Nein.“
Nur das eine Wort.
„Ach, komm schon, was soll ich denn noch machen?“
„Fahr mich bitte zurück.“
„Ey, hey, Schätzchen. Es tut mir doch leid. Komm schon. Fühlst du es nicht? Die Nacht ist magisch. Feenstaubmäßig magisch. Bist du denn nicht neugierig? Liebst du mich denn nicht?“
„Fahr mich zurück. Ken.“
„Wenn es dir hier zu eng ist, dann können wir auch rausgehen. Vielleicht auf die Motorhaube, oder so.“
Miss Juni, dachte Ken.
Amanda schaltete sein Tape ab.
Ken schluckte zwei Mal. Sein Mund war trocken.
„Wir haben doch darüber gesprochen. Du weißt, wie ich darüber denke.“
Mein Gott. Wie ihn diese „Jungfräulich in die Ehe“-Geschichte ankotzte.
„Es, es ist doch aber Tradition. Gute amerikanische Tradition! Zwei Wochen vor dem Abschlussball, der Hügel, ein Camarro. Du verstößt eindeutig gegen die Regeln! Sei eine Patriotin!“
Amanda kicherte ihr kristallklares Amanda-Kichern. Ken versiegelte ihren Mund mit einem Kuss - und schob eine Hand zwischen ihre Beine. Er spürte die Hitze und die Wärme. Ihr Schoß schob sich seiner Hand ein Stückchen entgegen. Fast konnte er durch den Stoff des Rocks schon den Slip fühlen.
Bestimmt durchtränkt von der Freude, die er ihr bereitet hatte. Natürlich wollte sie es auch, gerade heute Nacht. Warum hätte sie denn sonst einen Rock anziehen sollen?
Mit seinem Zeigefinger tastete er immer weiter. Es war ein Spiel. Er musste es ganz vorsichtig machen, sie durfte das eigentlich gar nicht merken. Wie bei einem Zauberer. Man lenkte das Publikum mit etwas Offensichtlichem ab, während man das Eigentliche – oder wie beim heißen Draht. Ganz vorsichtig, sonst machte es Piep und der Draht leuchtete rot auf.
Sein Finger fühlte den Stoff, aber so feucht war er gar nicht, vielleicht wenn er ein wenig darüber streichelte, dann –
„Nein!“
Ken ließ seinen Kopf sinken.
„Komm schon! Du kannst mich doch nicht erst heiß machen und dann hier die Unschuldige spielen.“
Amanda schwieg.
„Glaubst du denn, ich weiß nicht, was das heißt, wenn man einen Rock anzieht!“
Amandas Schweigen wurde lauter, nahm den ganzen Innenraum des Camarros ein, drückte ihn gegen die Scheibe. Nein, nein, nein. So würde das hier nicht laufen.
„Ich mein, wenn du dich so zierst, dann weiß ich wirklich nicht, was das mit uns noch alles soll. Dann such ich mir vielleicht ’ne andere, die mir das gibt, was Männer brauchen!“
So jetzt war es raus. Ein Ultimatum. Ein männliches Ultimatum.
Amanda schluchzte und öffnete die Beifahrertür.
Frische Luft ließ Kens Ego zusammensacken.
Gott, was hatte er da gerade gesagt?
„Hey, ich, also.“
Er griff nach ihrem Rock, doch die Tür sauste schon ins Schloss.
Verdammt. Ken öffnete seine Tür und stieg aus. Seine Knie zitterten.
Sie lief auf dem Weg in den Ort hinunter.
Ken rannte ihr hinterher. Im Licht des Vollmonds konnte er ihre Konturen sehen. Sie war schnell, aber er war Wide Receiver und viel schneller als sie, auch mit anderthalb Flaschen Rotwein in den Beinen.
Rasch hatte er sie eingeholt und am Arm gepackt.
Sie japste nach Luft und wehrte sich gegen seinen Griff.
„Komm schon. Es tut mir leid. Lass uns doch einfach den ganzen Abend vergessen. Lass uns ganz von vorne anfangen. Also: Ich bin Ken.“
Sie schluchzte und grub das Kinn in ihren Hals. Er hob es mit zwei Fingern an.
„Und wie heißt du, Süße?“
„Nicht.“
„Okay, komm schon. Ich fahr dich zurück. Wir vergessen das alles hier.“
Motorenlärm durchdrang die Nachtluft.
Ken legte einen Arm um ihre Hüfte. Sie schmiegte sich an ihn. Jetzt roch sie nicht nur nach ihrem Parfüm, sondern auch noch ein bisschen nach Schweiß.
Kens kleiner Freund regte sich wieder, aber nein, dieses Mal musste er sich beherrschen, auch wenn sein Schritt gegen ihre Haut drückte.
Der Motorenlärm wurde lauter. Bestimmt einer von den anderen. Der natürlich viel mehr Erfolg, Spaß und Ruhm als er haben würde.
Ken wiegte Amanda in seinen Armen und hielt sie fest. Ganz fest, so fest er nur konnte.
„Ist ja gut, ist ja gut. Ich bin ein Idiot, es tut mir wirklich leid. Das erste Mal sollte etwas ganz Besonderes sein. Ich kann warten, ich kann wirklich warten.“
Ein einzelner Scheinwerfer tauchte auf. Wie eine kleine Sonne in der Nacht. Ken sah sie aufgehen. Über Amandas Schulter hinweg.
Aber über der Sonne war noch etwas anderes, etwas rotes, etwas wie Flammen.
„Ken? Ken? Was ist denn?“
Eine rote Kette und da. Jetzt, jetzt sah er es, wie in Zeitlupe. Eine flammende Kette über dem einzelnen Scheinwerfer und ein roter Schädel in der …
Amanda schrie und zitterte wie ein Aal in seinem Griff.
Doch Ken konnte seinen Blick nicht lösen.
Auf dem Motorrad saß eine Gestalt in schwarzer Lederkluft. Sie schwang eine flammende Eisenkette über ihren Kopf. Aber dort war kein Kopf. Auf dem Rumpf war nichts. Dort war nur nichts und die Kette.
In ihrer anderen Hand hielt die Gestalt einen Schädel. Einen Skelettschädel mit rubinglitzernden Augen.
Die Kette zerschnitt die Luft, wickelte sich um Amandas Hals und ihr Kopf ploppte von ihrem Torso.
Blut überschwemmte Ken.

1
„Hier bitte. Acht Cheeseburger, einen Quarterpounder mit Käse und zwei Apfelschnitten.“
Luke lehnte sich aus dem Wagen und griff nach den beiden Tüten. Die Bedienung, ein graues Mäuschen aus der Unterstufe, strich doch tatsächlich über seine Hand.
„Go Wildcats!!!“
Luke nickte ihr zu, lächelte und entriss ihr die beiden Tüten. Neben sich konnte er schon Bobs Grunzen hören, das man mit viel gutem Willen für ein Prusten halten konnte.
„Macht sie fertig am Sonntag!“
„Sicher.“
Luke hielt die beiden Tüten, ohne hinzusehen, neben sich und Bob saugte sie ihm aus der Hand, wie ein schwarzes Loch.
„Und wirf auch einen für mich, Luke.“
„Klar, ähm, Darleen.“
„Du kennst meinen Namen?“
Luke vermied es, sie auf ihr Namensschild hinzuweisen, und gab Gas.
Bob donnerte los. „Gold…“
„Ich warne dich.“
„Goldjüngchen!“
„Friss deine Cheeseburger, Free Willy.“
„Hey, Goldjüngchen. Nenn mich nicht Willy.“
„Kay, kay, Keiko.“
„Njach.“
Luke grinste. Er grinste noch, als er den Wagen an den Randstreifen lenkte. „Komm schon rück den Quarterpounder raus.“
„Quarterpounder für unseren Star-Quarterback?“, würgte Bob zwischen dem dritten und vierten Cheeseburger hinaus. „Dir ist schon klar, dass du so ziemlich jedes Klischee erfüllst, hm, Dawson? Willst du dir nicht noch so ’nen Cheerleader-Zwillingspärchen halten?“
„Oh, ja, klar. Wenn du hier einen auf Varsity-Blues machen willst, dann bist du aber dieser fette Hinterwälder-Fullback.“
„Der eigentliche Held des Films, Goldjüngchen!“
„Komm schon, rück den Quarterpounder raus.“
„Was? Quarterpounder? Was für’n Quarterpounder denn? Du fantasierst.“

Bob stellte den Sitz ganz nach hinten. Und zog an dem Joint.
„Sabber ihn nicht wieder an.“
Bob schloss seine Augen, ließ den Dampf entweichen und reichte den Joint nach links. Mit seinen Fingerspitzen nestelte er die Verpackung des heißen Apfelstückchens auf und nahm den ersten Bissen. Diese heiße, süße Apfelfüllung umhüllt von der goldbraunen Teigkruste und der grüne Geschmack des Dopes. Bob liebte sein Leben.
Luke hustete neben ihm.
Bob war entspannt. Der Sitz liebkoste seine Schultern. Der warme Apfelgeschmack in seinem Mund breitete sich weiter aus, zog sich zusammen und ballte sich zu einem Konzentrat Freude.
„Nimm schon.“
Bob griff nach dem Rest des Joints.
„Hoffentlich hat er nicht wieder ’nen Tabakboden.“
„Alter. Ich bin Luke Witherfield! Der Lukster. Der Held von Willow Field, der Enforcer, der Sultan des Swings, der Fürst des Feldes, der-“
„Der Troubadour des Tabakbodens.“
„Rauch schon, Billy Bob.“
Bob füllte seine Lungen mit Rauch. Behielt ihn tief in der Lunge. Stellte sich vor, er wäre eine Amphore und das Dope Ambrosia und –
„Alles okay, Jungs?“
Bob blies seine Backen wie ein Ochsenfrosch auf und hörte Luke heiser sagen: „Alles klar, Sir.“
„Wann spielt ihr gegen die Sharks?“
Bob blickte nach links und dort war Sheriff Stone, der über seine Sonnenbrille hinweg in den Wagen schielte.
„Übernächsten Sonntag, Sir.“
„Und, Sohn? Fühlst du dich gut?“
„Ja, Sir.“
„Alles okay mit dem Arm?“
„Ja, Sir. Alles bestens.“
„Bist wirklich ein toller Quarterback, Sohn. Letzte Woche – das Hail Mary gegen Quicksilver. Wirklich erste Sahne“
„Danke, Sir.“
Bob bekam keine Luft mehr.
„Verdammte Schande, was mit Ken passiert ist.“
„Was ist denn mit Ken passiert, Sir?“
„Habt ihr das noch nicht gehört, Jungs?“
Bob schlug wahllos nach links und erwischte Lukes Knie.
„Ach so, ja, klar, das meinen Sie. Ja, Sir, eine verdammte Schande.“
„Was ist denn mit deinem Freund los?“
„Ach nix, Sir. Anaphylaktischer Schock. Ich kenn das, ist nix Schlimmes. Er läuft dann rot an und macht so Zeug.“
Bob kaute den Rauch in seinem Mund und versuchte irgendwie durch seine Nase zu atmen. Es gelang ihm nicht.
„Also dann, Jungs. Ich werd dann mal weiter-“
Bob keuchte den Rauch aus und schnappte nach Luft.
Er hörte, wie der Sheriff schnüffelte.
„Ist das Gras, mein Sohn?“
„Ja, Sir“, sagte Luke.
Der Sheriff zog zweimal zwitschernd Luft durch seine Zähne. Es klang wie das Zirpen eines Kanarienvogels.
„Lasst euch nicht von euren Eltern erwischen. Viel Spaß noch.“
Bob kotzte seine Lunge gegen die Windschutzscheibe.

„Hallo, Ma’am. Bob hier, kann ich mit Ken reden? Er war heute nicht in der Schule und ich wollte ihm seine Hausaufgaben vorbeibringen.“
Luke tigerte auf und ab. Ein winziger Teil in ihm schämte sich dafür, dass er nur daran dachte, wie sehr sie Ken für das Sharks-Spiel brauchten. Aber so war es nun mal. Der kleine Freak war zwar verdammt schnell und hatte zwei goldene Patschhändchen, aber er lag wirklich nicht auf Lukes Wellenlänge. Schon lange nicht mehr.
Doch was konnte so einem kleinen Sonntagsschüler und Nasenpobler wie ihm schon groß passiert sein? Vielleicht hatte ihn irgendein Ladenbesitzer erwischt, als er versucht hatte, einen Six-Pack mitgehen zu lassen. Nichts, was ein Anruf von Lukes Vater nicht beheben konnte.
„Das ist ja schrecklich, Ma’am.“
„Was? Was? Was?“
Bob wiegelte mit einer Hand ab.
Sie zitterte.

Bob stützte beide Pranken auf die Theke der Krankenhausrezeption.
„Verdammt, Ma’am. Wir sind so was wie Familie. Wir gehören zu den Wildcats!“
Die Krankenschwester nahm ihre Brille von der spitzen Nase.
„So, so. Wildcats. Sehr interessant. Darf man fragen, ob die Kätzchen schon stubenrein sind?“
Klasse, es gab vielleicht drei Menschen in dieser beschissenen Gegend, die sich nichts aus Football machten. Und Miss Spitznase war natürlich eine von ihnen.
„Hören Sie“, polterte Bob. „Das hier ist Luke Witherfield. Der Lukster! Witherfield, Sohn des Bürgermeisters. Bürgermeister, Sie verstehen, der Typ, der Ihre Gehaltsschecks unterschreibt!“
„Alter, Bob. Jetzt lass die Frau doch in Ruhe.“
Bob spürte Lukes Hand auf seiner Schulter.
„Sie macht doch nur ihren Job. Stimmt’s nicht, Ma’am?“
Luke setzte sein Zahnpasta-Lächeln ein.
Spitzmäuschens Gesicht blühte auf. Ihre Wangen bekamen Farbe. Fast konnte Bob die Pheromone sehen, die wie Pollen durch die Luft flogen.
Luke begann zu reden, Spitzmäuschen schmolz dahin wie Käse auf einem Burger und Bob verschränkte beide Arme vor der Brust.

Luke schätzte es nicht, Aufzug zu fahren. Aber er liebte es, wenn Bob so war wie jetzt. Grummelnd stand er neben ihm.
Der Hauch, wirklich nur der Hauch, eines Lächelns schlich sich in Lukes Gesicht.
„Was?“
„Keine Ahnung, was du meinst.“
„Was grinst du so dämlich, Goldjüngchen?“
Luke zuckte mit den Schultern. „Nix, nix.“
„Sag schon, du Arsch.“
„Och, gar nix.“
Eine Weile fuhren sie schweigend weiter nach oben. Dann murmelte Luke: „Das hier ist Luke Witherfield. Der Lukster!“
„Oh, Ma’am. Sie machen ja nur ihren Job, Ma’am. Ich wusste gar nicht, dass man mit zwanzig schon Krankenschwester werden darf, Ma’am. Darf ich fragen, welches Parfüm Sie benutzen? Ich möchte meiner Freundin etwas zum Valentinstag schenken. Darf ich unter ihren Rock kriechen, Ma’am?“
„Jetzt reiß dich zusammen. Man kann dich ja nirgendwohin mitnehmen.“
Bob schmollte weiter. Der Aufzug hielt an, die Tür schob sich auf und sie betraten einen schlichten Flur.
Niemand hetzte über den Gang. Niemand schlich einen Katheter vor sich herschiebend durchs Bild. Und es roch nicht einmal richtig nach Krankenhaus. Luke war ein wenig enttäuscht.
Schnell hatten sie das richtige Zimmer gefunden, doch bevor Bob die Klinke hinunterdrücken konnte, fragte Luke: „Bob?“
„Ja.“
„Was heißt eigentlich katatonisch?“

„Katatonisch, mein ungebildeter Freund, heißt“, sagte Bob und zog mit einer schwungvollen Drehung die Tür auf, „dass unser Freund ein Gemüse ist.“ Bob verbeugte sich leicht und machte eine einladende Geste ins Krankenzimmer. „Spargel, würde ich sagen.“
„Scheiße.“
„Was?“
Luke drängte sich an ihm vorbei. Ins Zimmer. Bob drehte sich um. Und da stand Ken auf einem Stuhl - vor dem geöffneten Fenster.
Bob wollte sich bewegen, wollte eingreifen, wollte hinspringen, aber seine Beine gehorchten nicht mehr.
Und so sah er, Luke auf Ken zuhasten.
Lukes lange Beine fraßen die Distanz und doch, so schnell sein Freund auch war, Ken war schneller. Mit einer absurden Grazie sprang er vom Stuhl wie von einem Startblock im Schwimmbad. Er hechtete kopfüber durch das geöffnete Fenster und verschwand aus Bobs Sichtfeld.

2
„Kommt schon, Männer.“ Luke klatschte zweimal in die Hände. Überlaut hallte das Klatschen von den Wänden der Umkleidekabine zurück. „In zwei Wochen ist das Spiel gegen die Sharks. Das mit Ken ist schrecklich, aber wir werden uns das jetzt nicht versauen lassen. Die Sharks, Mann! Irgendwann werden wir fett sein und hässliche Frauen haben und immer noch in diesem Kaff rumlungern. Das ist einfach so. Aber-“
Luke erhob seine Stimme und verlieh ihr noch etwas mehr Pathos.
„Aber dann will ich zumindest mit Stolz auf meine Jugend zurückblicken. Ich will sagen können: Ich habe die beschissenen Sharks besiegt. Wollt ihr etwa als das Team in die Geschichte eingehen, das eben Pech gehabt hat?“
Leere Gesichter schauten in seine Richtung. Coach Noonian hatte einen Schimmer, Douglas, der Half-Back, sogar Tränen in den Augen.
Nur Bob schaute verschmitzt drein. Diese Pacino-Rede war auf seinem Mist gewachsen.
Luke beendete die dramatische Pause und fuhr in beschwörendem Tonfall fort: „Euch wird keiner einen Vorwurf machen. Ihr habt alle eine tolle Ausrede. Ja, Ken ist tot. Ja, das ist schrecklich. Ja, wir können uns nicht konzentrieren. Ja, wir sind traumatisiert. Aber, bei Gott, in zwanzig Jahren wird keiner mehr an Ken denken!“
Bob kratzte sich zweimal an der Nase und Luke senkte seine Stimme wieder, hielt eine Hand in die Mitte des Raumes und sagte getragen: „Wenn wir diese Meisterschaft gewinnen, dann werden wir das auch für Ken tun. Für Ken und die vielen anderen, die es nie bis hierhin geschafft haben.“
Bob quälte sich ächzend von der Bank hoch und legte eine Pranke auf Lukes Hand. Die dritte Hand war schwarz, sie gehörte Douglas. Die vierte gehörte Ray, dem Middle Line Backer, und ihr folgte Hand um Hand um Hand.

„Unorthodox“, brummte Coach Noonian und saugte an einer Zigarre, dem einzigen Farbtupfer in seinem Aschegesicht. „Wirklich unorthodox, aber effektiv.“
Luke fuhr sich mit dem Handtuch über die Stirn. „Danke, Sir.“
„Ich kenne dich, Luke. Du hast den besten Arm, den ich je gesehen hab. Du siehst das Feld wie ein Schachbrett, du kannst Menschen führen, du bist der geborene Quarterback.“
„Danke, Sir.“
„Aber das alles hier ist dir doch scheißegal, oder? Also wieso diese Rede?“
„Ein Cabrio und ein Apartment, Sir.“
„Was?“
„Mein Vater schenkt mir ein Cabrio und ein Apartment, wenn wir die Sharks schlagen.“
„Raus hier!“
„Gerne, Sir.“

Luke sah sie kommen. Sie griffen in einer Dreiecksformation an. Es hatte ein bisschen was von Star Wars – oder wütenden Hornissen.
Tammy MacPherson, Miss Homecoming-Queen, vorneweg und an ihren Flanken und exakt zwei Schritte zurück: Cindy und Mindy. Die selbsternannte Style-Elite der Highschool.
Luke machte einen Schritt nach links und tatsächlich: die Formation fächerte etwas auf und versperrte ihm den Weg.
Er schüttelte den Kopf und sah sich Tammy an, wie sie in einer seltsamen Abart des Entengangs immer schwungvoll ein Bein vor das andere setzte.
Sie wollte wohl Modell werden, oder so.
Das war jetzt wirklich mehr, als er vertragen konnte.
Er überlegte, ob er links antäuschen und dann rechts vorbeigehen sollte, oder einfach mittendurch.
Wo war Bob, wenn man ihn brauchte?
Dann hatten die Hyänen ihn erreicht. Tammy strich mit spitznagligem Zeigefinger über seinen Hals. Ihre Stimme war ein Flöten: „Hey, Darling.“
Luke drückte sich gegen den Spind in seinem Rücken –von dem Nadelfinger weg - und beschloss, Würde zu bewahren. Er nickte den drei Grazien nacheinander zu und grüßte jede beim Namen.
„Tammy, Cindy, Mindy.“
„Tamara.“
„Laura.“
„Barbara.“
“Paart ihr euch auch im Rudel oder jagt ihr nur zusammen?”
Tamaras linker Mundwinkel zuckte nach oben.
„Wenn du deine Karten richtig spielst, findest du das bald heraus.“ Ihre Stimme klang nach Raureif, dabei sah sie aus wie Morgentau. Luke wollte sich nicht vorstellen, wie lange sie an der Stimme rumgebastelt hatte.
Sie stand nun direkt vor ihm und ihre bloße Aura drückte ihn immer weiter in den Spind hinein. Tamara brachte ihren Kopf dicht an seinen, ihr blondes Haar duftete nach Rosen und sie flüsterte in sein Ohr: „Abschlussball. Hol mich um sieben ab, und denk auch an das Motel. Ja, Darling?“
Luke kniff fest in ihren Po.
Cindy und Mindy hauchten synchron entsetzt auf.
„Klar, Darling.“
Tamara musterte ihn misstrauisch –eine Augenbraue wanderte bis zum Haaransatz hoch -, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und schritt von dannen.
Luke wollte rufen, aber flüsterte dann doch lieber nur: „Wie wär’s mit Gesäßmuskeltraining?“

Bob zwängte sich in den Stuhl. Sein Bauch drückte gegen die Schreibunterlage und der Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Früher hatten sie ihn ausgelacht. Porky, hatten sie ihn auf seiner alten Schule genannt. Aber das war früher. Jetzt war er Bob, der Fullback. Bob, das Ein-Mann-Abriss-Kommando. Bob - Luke Witherfields Anhängsel. Sein Bodyguard. Auf dem Platz und außerhalb.
Ach Scheiße, wenn sie ihn eben so sehen wollten.
Valerie, eine drittklassige Schulhofschönheit, lächelte ihm zu – aus einem dünnen Mund in einem faden Gesicht, das etwas von einer Pizza Margherita hatte. Einfach zu leer.
Klar, dachte Bob. Du schläfst zwei-, dreimal mit dem Dicken und hängst immer mit ihm rum. Dann erkennt Luke, was für eine Perle du bist, Schätzchen. Er verliebt sich Hals über Kopf in dich, nimmt dich mit nach Miami, kauft dir Dior-Kleider und spendiert dir ein jährliches Face-Lifting.
Danke, aber danke, nein.
Dann kam sie. Rebecca. Ein schwarzer Schleier umwehte sie wie ein Trauerflor. Ihre Augen und Lippen waren schwarz gefärbt. Sie trug schwarze Samthandschuhe, aber ihre Fingerspitzen schauten daraus hervor. Natürlich waren auch die Nägel schwarz lackiert.
Sie setzte sich auf den Stuhl neben ihn.
Bob verstand es selbst nicht.
„Hallo, Rebecca.“
Aber er hatte sich verliebt.
„Hast du das Buch gelesen, das ich dir geschenkt habe?“
Rebecca trillerte an einer Haarsträhne. Sie streckte den Hals dabei ein wenig.
Bob speicherte das Bild in seinem Hirn ab.
„Alter, lass es. Du blamierst dich wirklich“, flüsterte Luke in sein Ohr. Goldjüngchen musste auf einer Sänfte in den Raum getragen worden sein und hatte sich nun zu ihm hinuntergebeugt. Bob ignorierte ihn.
„Du solltest es wirklich lesen. Mit einem Buch bist du ein Wanderer an den Toren einer unbekannten Stadt.“
Rebbeca hörte auf ihr Haar zu trillern und zwirbelte es nun eher, während sie weiter in die entgegengesetzte Richtung schaute.
Wieder Lukes Flüstern.
„Sie ist lesbisch und nicht ganz dicht. Ich hab’s dir tausendmal gesagt. Du kannst hier jede verdammte Tussi haben, das weißt du genau. Außer der hier. Vergiss es doch einfach und mach um Gottes willen keinen Scheiß vor dem Sharks-Spiel.“
Rebecca griff in ihren Rucksack – ihr Haar fiel dabei in einer faszinierenden Fächervariation über ihre Schultern - und fischte ein Buch heraus. Aber es war nicht seins. Irgendwelche obskuren Symbole waren auf die Vorderseite gemalt. Ein Drudenfuß, oder so etwas.
„Fragst du dich gar nicht, was Ken alleine auf dem Hügel wollte? Der hatte doch keine Tussi, oder?“
Okkult also. Verdammt, natürlich okkult.
Bob hätte selbst darauf kommen müssen. Sofort hiernach würde er sich an den Rechner setzen, sich schlau machen und dann bei Amazon die einschlägige Lektüre ordern. Crowley und dieses Zeug. Da ging es ja auch viel um Tantra, Sexualmagie und so weiter.
Lesbisch. Dass er nicht lachte. Wahrscheinlich war Goldjüngchen mit seinem Bübchencharme mal bei ihr abgeblitzt und jetzt war sie natürlich lesbisch. Klar.
„Alter, ich rede mit dir.“
„Ja, ja.“

Miss Rushmore schwebte in den Raum, stellte ihre braune Tasche ab und näselte etwas von „guten Morgen“ und „dunklen Tagen, in die Literatur ein Licht werfen könne“.
Bob schüttelte einmal mehr den Kopf.
Er hätte sich einen knarzigen, alten Sack als Lehrer gewünscht, der mit Whiskey-Stimme Hemingway rezitiert. Und keine fünfundzwanzigjährige, verhuschte Eso-Tante, die alle Nase lang mit Proust und Baudelaire kam. Rushmore. Schon der Name. Und dieses ganzes Rumgehusche, Brillengeschiebe und Geseufze: Als wäre sie einem Victoria-Secret-Katalog für Bibliothekarinnenmode entsprungen.
„Für heute waren Referate vorgesehen. Wer möchte den Anfang machen?“
Zu Bobs Überraschung meldete sich Luke.
Ein Referat? Bob hatte ihm keins geschrieben.
„Also dann, Mister Witherfield. Legen Sie mal los.“

Luke legte los, ließ seine Zunge über ihren Hügel gleiten, küsste sie, leckte sie, hob ihren Po an, fühlte die Wärme ihrer Schenkel.
Durch die flache Schlucht ihrer Brüste hindurch sah er ihr Gesicht. Richtig erstaunt blickte sie ihn an. Irgendwie angespannt. So als wüsste sie selbst nicht so richtig, was da mit ihr geschah.
Das liebte er am meisten an Miss Vanessa Rushmore.

Vanessa säuberte sich ihren Bauch mit einem Cleenex. Luke seufzte.
„Noch zwei Wochen“, versprach Vanessa.
„Hmmf.“
„Es ist doch auch so schön, oder nicht?“
Luke streichelte über ihren Hals und biss ihr sanft in den Nacken.
„Morgen spielt ihr gegen die Vipers, nicht wahr?“
Er mummelte kurz. Mit vollem Mund sprach es sich schlecht.
„Du musst auf ihren Left End aufpassen. Dreihundertachzig Pfund geballte Bösartigkeit. Das ist echt ein richtiger Headshooter.“
Luke stutzte kurz, aber widmete sich dann weiter dem Nacken, machte sogar einen Abstecher zu ihrem Ohrläppchen, das ein bisschen nach Cremè schmeckte.
„Alles konzentriert sich nur auf das Spiel gegen die Sharks. Ihr unterschätzt dabei die Vipers. Dieser Left End Seymour, der hat dieses Jahr schon achtundvierzig Sacks und er hat die Quarterbacks von Mooreville, San Andreas und Fredericksburg ins Krankenhaus gebracht.“
Luke räusperte sich affektiert, verschluckte dabei fast eines ihrer langen, schwarzen Haare und sagte: „Also erstens: es ist der Right End. Zweitens: heißt es Headhunter, nicht Shooter, drittens: muss der Defensive End noch geboren werde, mit dem Bob nicht fertig wird und viertens: ich will jetzt wirklich nicht über Football reden.“
„Über was möchtest du denn reden?“
„Tamara hat mich gefragt, ob ich mit ihr auf den Ball gehe.“
„Ich durchschaue dich“, sagte Vanessa mit einem Beben Stärke drei in der Stimme.
„Was denn?“, fragte Luke.
„Denk dran: Keine Spielchen.“
„Okay, okay. Keine Spielchen - Miss Robinson.“
„Du Aas.“ Vanessa schlug mit einem Kissen nach ihm und Luke machte sich bereit für die zweite Runde.
Oh, wie er die Abende vor Spielen liebte.

Oh, wie Doug die Abende vor Spielen hasste.
Sein Vater knackte gerade genüsslich mit den Fingerknöcheln.
Die übrigen Familienmitglieder flüchteten vom Esstisch.
„Orange Hill morgen.“
Doug schwieg und sah auf seinen leeren Teller. Pasta. Wie vor jedem Spiel.
„Werden Scouts da sein?“
„Könnte sein.“
„Bist du vorbereitet?“
„Natürlich.“
„Wie fühlst du dich?“
„Gut.“
„Du weißt ja, wenn …“
„Pops, bitte, ich respektiere dich wirklich, ich bin mir bewusst, dass meine Zukunft davon abhängt, ein Stipendium zu bekommen. Ich weiß das alles, glaub mir doch. Ich werde morgen gut spielen.“
„Spielen? SPIELEN?“
Doug schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
„Wenn ich das schön höre. Spielen. Football kämpft man! Das ist kein Spiel, das ist Krieg.“
„Pops, bitte, ich, ich …“
„Du hörst zu, wenn dein alter Herr zu dir spricht. Hast du mit dem Coach über deine Touches geredet?“
„Ich habe die meisten Rush-Attempts in der Confercence, Pops.“
„Es könnten aber noch mehr sein! Die Scouts wollen Ausdauer und Konstanz sehen und red mit ihm über das Passspiel. Die Scouts wollen flexible Half-Backs. Nur noch rennen reicht nicht. Und versuch auch in die Special Teams zu kommen. Ihr braucht ohnehin einen neuen Kick-Returner, nicht wahr?. Soll ich mal mit dem Coach reden?“
„Bitte, Pops. Wir haben doch schon ein Stipendium in der –“
„Ja, für Maryland! Das ist so gut wie nichts. Man wird nicht der nächste Walter Payton, wenn man in Maryland war!“
„Ja, Pops.“
„Du hast das Zeug dazu, Gott hat dir diese Fähigkeiten gegeben, und es wäre Gotteslästerung, wenn du sie verschwendest!“
„Ja, Pops.“
„Du musst morgen über rechts gehen, ihr Left Outside Line Backer taugt nichts. Er ist hüftsteif und fett und nur in der Mannschaft, weil er weiß ist!“
„Ja, Pops.“
„Und jetzt geh ins Bett. Und denk daran, was ich dir beigebracht habe. Visualisiere es. Jede einzelne Szene. Visualisieren!“

Doug lag im Bett und visualisierte. Sarahs Brüste, Sarahs Po, Sarah, wie sie den Mund verzog, Sarah, wie sie unter ihm stöhnte. Sarah und Jennifer Lopez, Jennifer Lopez und Pink. Doug visualisierte und visualisierte.
Als er damit fertig war und seine Hände am Oberschenkel abgeputzt hatte, griff er im Schutz der Bettdecke zu seinem Mobiltelefon.
„Hey, ich bin’s. Ich hab grad an dich gedacht.“
„Und? Wie war’s?“
„Schön.“
Eine unangenehme Pause entstand.
„Ich hab dich lieb“, sagte Doug.
„Ich dich auch“, antwortete Sarah.
„Aber du. Ich bräuchte vielleicht etwas mehr … Lebensqualität.“
„Machst du jetzt einen auf Martin Lawrence?“
„Ach komm schon, in einer Woche ist der Abschlussball …“
„Doug?“
„Ja?“
„Wie viele Schwestern hab ich?“
Bitte, bitte. Nicht diese Nummer.
„Genau. Und wie viele Nichten hab ich?“
Womit hatte er das nur verdient?
„Das ist doch Quatsch, Schatz. Du lässt dir die Pille verschreiben und ich ziehe ein Kondom über. Zwei von mir aus!“

Bob griff nach einem weiteren der köstlichen Honig-Spare-Ribs.
Seine Mutter schüttelte den Kopf, sein Vater strahlte ihn an.
„Ich sag dazu nichts mehr“, sagte seine Mutter.
„Lass ihn doch, wenn es ihm schmeckt“, verteidigte ihn sein Vater. „Und morgen hat er ein Spiel. Da braucht er die zusätzliche Energie.“
Mutter stocherte in einem ihrer Soja-Salate herum und schüttelte weiter den Kopf. „Ich sag dazu nichts mehr.“
Bob trank einen gargantuesken Schluck eisgekühlte Cola und schmatzte ein bisschen, um seine Mutter zu ärgern. Als sie nicht reagierte, nahm er einen weiteren Schluck und rülpste vernehmlich.
„Football. Ich lag acht Stunden in den Wehen und dann tust du mir so was an! Football!“
„Nun, lass den Jungen doch in Ruhe.“
„Ich hab dir doch nicht die Ilias vorgelesen – wieder und wieder, damit du ein Football-Spieler wirst!“
„Bitte, es macht ihm doch Spaß!“
„Ich hab neulich wieder in der Times gelesen, wie ungesund das alles ist. Dieses Übergewicht.. Sumoringer in Japan haben eine Lebenserwartung von dreißig Jahren. Interessiert das irgendwen an diesem Tisch?“
Bob wischte sich mit dem Handrücken den Bratensaft vom Mund und nahm eine weitere, besonders große, besonders knusprige Rippe.
Seine Mutter stand auf, seufzte theatralisch und verschwand.
Sein Vater grinste verschmitzt, schwenkte den Kopf vorsichtig nach links und rechts, griff in die Brusttasche seines Hemdes und zog eine Schachtel Lucky Strike hervor.
„Gegen wen spielt ihr morgen?“
Bob zuckte die Achseln. „Mooreville oder so, ist ein Heimspiel.“
„Mach sie platt.“
„Klar.“
Sein Vater stand auf, klopfte Bob zweimal auf die Schulter, drehte sich noch einmal vorsichtig nach allen Seiten um und ging Richtung Garten.
Bob erhob sich ebenfalls und machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Heute war das Paket von Amazon gekommen. Er hatte noch einiges zu lesen.

3
„Wild, wild horses. Couldn’t drag me away. Wild, wild horses.”
Ray joggte durch den Park. Er brauchte frische Luft in seinem Kopf.
Bis um zwei hatte er die Videos studiert, aber natürlich würden sie wieder alle nur über Witherfield schreiben und seine Offense.
Es war zum verrückt werden. Diese Ungerechtigkeit und niemand verstand ihn. Er bekam nur Allgemeinplätzchen zum Knabbern: Das Leben ist halt ungerecht. Je früher du dich dran gewöhnst, desto besser ist das. Das war der O-Ton seines Vaters.
Nicht mal die Stones beruhigten ihn.
Er schaltete seinen MP3-Player auf volle Lautstärke und joggte weiter.
Der nebelverhangene Park wirkte gespenstisch. Fast glaubte Ray, der letzte Mensch auf Erden zu sein.
Natürlich war das Unsinn.
Bereits dort drüben, vor einer braunen Parkbank, stand schon ein anderer Mensch. Eine dünne Gestalt, die ihm zuwinkte. Ihm zuwinkte?
Konnte das vielleicht? Yor? Tatsächlich, sie war es. Er rannte auf sie zu und stöpselte noch im Laufen seine Ohren frei.
„Hey Bruderherz, ein bisschen Tee?“
Sie hielt ihm einen dampfenden Pott hin. Chemikaliengeruch stieg in seine Nase. Wahrscheinlich hatte sie irgendein Instant-Zeug von einer Tankstelle genommen, aber der gute Wille zählte und außerdem – sie war bestimmt nicht um fünf Uhr morgens hier draußen, um ihm Tee zu bringen.
Ray leckte über seine Lippen.
„Woher wusstest du?“
„Du bist vor jedem Spiel hier, das hast du mir doch geschrieben.“
„Wie bist du von Mom weggekommen?“
„Sie liegt mit ihrem neuen Freund im Bett. Mister Gin Tonic.“
„Und –“
Yor legte einen Finger auf seine Lippen, sagte „Psst“ und küsste ihn.

Der Treffer presste alle Luft aus Lukes Lungen. Sein Hinterkopf prallte auf den saftigen Rasen von Willow Field. Dreihundertachtzig Pfund Cyrus Seymour wälzten sich von seinem morschen Körper.
Luke sog schnappend Luft ein.
Noch ein oder zwei von diesen Treffern und er würde sich freiwillig ins Krankenhaus liefern lassen.
Bob hielt ihm eine Hand hin. Luke nahm sie dankbar entgegen und ließ sich von ihm hochziehen.
„Goldjüngchen, tut mir leid. Ich hatte beide Cornerbacks auf mir.“
Luke zog den Helm vom Kopf, spuckte den Mundschutz aus und schlich vom Platz, während das Special Team aufs Feld rannte.
Ray kam auf ihn zu und donnerte ihm beide Fäuste gegen die Brust.
„Du versaust uns alles.“
„Ach, ja. Ich versau alles, ja? Wie wär’s wenn ihr aufhört, mit Wattebäuschen zu werfen und auch mal ein bisschen Defense spielt?“
Ray baute sich vor ihm auf und stieß seine Brust gegen Lukes.
„Nimm mal den goldenen Löffel aus deinem Mund. Dein Papi kann dir hier nicht helfen.“
Das konnte sich Luke nicht bieten lassen, das hier untergrub eindeutig seine Autorität und überhaupt.
Bob und Doug drängten sich zwischen sie.

Luke ließ sich auf die Bank fallen und schüttete sich eine Wasserflasche über den erhitzten Kopf.
„Sie blitzen uns tot“, murmelte Bob. „Du musst schneller passen.“
„Ja, Mann. Pass einfach schneller“, sagte Doug.
„Und auf wen, verdammt?“
„Schnauze, Alter. Reiß dich zusammen.“ Bobs Gesicht war vor ihm. Viel zu nah, er roch den Schweiß und die Bratensoße. „Ken hatte immer Double Coverage. Niemand hat uns geblitzt. Jetzt haben wir zum ersten Mal ständig Linebacker und Cornerbacks am Arsch. Daran müssen wir uns gewöhnen. Daran –“ Bob klopfte zweimal gegen Lukes Stirn. „musst du dich gewöhnen.“
„Verschaff mir einfach mehr Zeit.“
„Ja, ja. Ich werd dir schon deine Zeit verschaffen.“
„Lasst mich Wide Receiver spielen“, schlug Doug vor.
Luke ignorierte ihn und flüsterte Bob zu: „Verdammt, Bob. Ich pack es nicht. Dieser Scheiß Seymour killt uns. Lass dir was einfallen.“
Bob nickte.

Er hatte schon geahnt, dass so ein Tag einmal kommen würde. Bob griff sich seinen Helm und walzte zurück aufs Feld.
Lippmeyer und Stevens wussten Bescheid.
Der Spielzug begann. Rowdy snappte das Ei zurück zu Luke.
Bob hatte jetzt nur noch Augen für diesen Behemoth Seymour, dieses Urviech, das mitten durch Right Tackle und Guard brach, die genau diese Lücke für ihn frei gemacht hatten.
Bob dachte an Ajax aus der Ilias, dachte an den Juggernaut aus Spiderman-Comics, dachte an Goliath und an einen wütenden Gott.
Mit vollem Tempo rannte der Koloss auf Luke zu, der gerade zum Wurf ansetzte.
Bob kam aus seinem toten Winkel.
Obenrum war alles sauber, ein lupenreiner Körperkontakt, die Fußangel hingegen ...
Fast spürte Bob, wie Seymours Sehnen rissen. Fast hörte er es im Gejohle der Fans, dem Schreien der Cheerleader, dem Wutgebrüll der Viper-Spieler.
Ein Sanitäterquartett stürmte aufs Feld mit einer blütenweißen Trage in ihrer Mitte.
„Danke“, flüsterte Luke ihm zu.
Bob nickte.
Er war das Einmann-Abriss-Kommando, der Mann fürs Grobe. Er war Bob und das war sein Job.

„Please allow me to introduce myself, I’m a man of wealth and taste. I’ve been around for a long, long year, stole many a man’s soul and faith..“
“Was findest du nur an diesen Rentnern?”
Der ganze Innenraum des alten BMWs war von ihrem Duft erfüllt. Ray saugte ihn tief in sich ein. Füllte seine Lungen mit ihr.
„Soll ich schauen, ob ich noch irgendwo ne Britney Spears-Kassette finde?“
Ihre zarten Finger ballten sich zu einer Faust und schlugen ihn dicht oberhalb des Solarplexus.
„Pleased to met you, hope you guess my name. Oh yeah.“
Ray schaltete das Radio ab und rieb sich den Bauch.
„Kein Wunder, dass euer Team abstinkt, wenn der große Middle Line Backer so eine Memme ist, dass er sich von seinem armen, kleinen Schwesterchen verprügeln lässt.“
„Bohr nur weiter in der Wunde“, nölte Ray. „Das sind alles Kriegsverletzungen, dieser Half Back heute hat mich mit dem Kopf voran genau an dieser Stelle –“
Yor gähnte laut, hielt sich sogar die Hand vor den Mund und fächelte ein wenig.
„Ja, ja, ist ja schon gut. Aber ich darf nicht nach Mom fragen, ich darf nichts von Dad erzählen, du magst meine Musik nicht und über Football willst du auch nichts hören. Über was wollen wir denn reden?“
„Wer sagt denn, dass ich hergekommen bin, um mit dir zu reden?“
Seine Eltern, das Football-Team, die Schule – alle Dinge, die für Ray von Bedeutung waren, erschienen weit weg – wie weggeblasen, als Yor seinen Reißverschluss öffnete.
Mit steifen Gliedern umklammerte er das Lenkrad und bemühte sich, den schweren Wagen auf der Spur zu halten, während in seinem Kopf kleine Feuerwerke explodierten.
„Hey, hey, hey, hey.“ Er bekam ihren Haarschopf zu packen und zog sie ein wenig nach oben.
„Willst du das wirklich? Ich meine … klar, wir haben das in den Briefen immer besprochen, aber … ich, ich weiß nicht …“
„Wo fährst du uns hin?“
„Zu der Waldhütte.“
„Wie wir es besprochen haben, oder?“
Ray nickte.
„Du hast es mir versprochen.“
Im Rückspiegel tauchte ein einzelner Scheinwerfer auf.
„Du machst doch jetzt keinen Rückzieher, oder?“
Der Scheinwerfer kam rasend schnell näher, obwohl Ray selbst schon zu schnell fuhr. Irgendetwas Bedrohliches ging von dem Scheinwerfer aus.
Quatsch, er suchte nur einen Grund, das Ganze hier einfach abzubrechen. Sie war immerhin seine Schwester. Sie hatte viel durchgemacht, noch mehr als er. Und auch wenn er es sich tausendmal vorgestellt hatte und es jetzt, wo es greifbar wurde, noch viel stärker war als in seinen Vorstellungen – er würde es sich nie verzeihen, wenn er nur eine Schwäche ausnutzte, obwohl sie natürlich – Was war das? Über dem Scheinwerfer- Flammen?
„Hey, was ist mit dir los?“

„Ich hab gefragt, was mit dir los ist.“
„Es ist alles okay“, antwortete Bob in die stickige Luft der Bar hinein.
Luke verdrehte die Augen. Was hatte das Riesenbaby denn nun schon wieder?
„Bist du wegen der Tussi so mies drauf: Ich mein es doch nicht böse. Glaub mir, ich kenne sie, ich war früher ein paar Mal mit ihr aus. Vergiss es einfach.“
„Du warst mit ihr aus?“
Luke nickte. „Bevor wir uns kannten. Gott, da war ich vielleicht dreizehn, vierzehn oder so.“
„Darum geht es doch gar nicht.“
„Ja, genau. Darum geht es wirklich nicht. Wir sind extra hier raus gefahren, um was trinken zu können, also trink auch was.“
„Ich hab keinen Durst“, antwortete Bob.
„Ist es wegen Ken, oder was? Denkst du darüber nach, was er allein auf dem Hügel wollte?“
„Nein, nein.“
„Wegen dem Sharks-Spiel.“
„Quark.“
„Wegen diesem Typen heute?“
„Lass mich einfach in Ruhe, okay?“
Luke umklammerte sein Bud fester. Die Oberfläche der Flasche in seiner Hand fühlte sich gut an. Auf seiner Top-Drei-Liste der Dinge, die er am liebsten in seiner Handfläche spürte, lagen Bierflaschen auf Platz drei. Nach Vanessas Brüsten und einem Football. „Eine Woche noch, Alter. Dann ist diese ganze Scheiße hier vorbei.“
Bob schwieg.
„Hast du schon wen für den Abschlussball? Ich könnte dir hier Cindy oder Mindy besorgen, oder beide. Die sind doch wirklich nix, was man …“
Bob warf eine Hand voll Erdnüsse nach ihm
„Mann, also was ist bloß mit dir los? Ich werd dich echt nie verstehen, glaub ich. Wollen wir in ’nen Puff fahren? Lass dir doch einfach mal ordentlich einen blasen, oder so. Genieß doch mal das Leben. Wir sind Helden. Wenigstens für diesen Sommer! Carpe diem, Captain, mein Captain!“
Bob grinste. „Tu nicht so, als würdest du daran glauben.“
Luke zündete sich eine Zigarette an und grinste nun auch.
Das Grinsen floh aus Bobs Gesicht. „Scheiße.“
„Was?“
„Sharks im Anmarsch. Hinter dir. Guck nicht hin.“
Luke drehte sich um. Ein Schwarzer mit Rastalocken in einem Smoking und eine Handvoll wabbliger Fleischberge.
„Quarterback mit Offense-Line“, flüsterte Luke mehr zu sich selbst als zu Bob.
„Verdammt, guck nicht hin.“
Lukes Blick kreuzte den des Rastamanns.
Jamaal Crawford, All-State-Quarterback.
Jamaal bleckte die Zähne, Lukes Kopf ruckte zurück zu Bob. „Kommen sie?“
Bob nickte.
„Wie viele?“
„Alle.“
Luke klopfte die Zigarette am Tisch aus.
Jemand zog hinter ihm zweimal hörbar Luft durch die Nase ein. Ein Bass donnerte: „Riecht es hier nach Katzenpisse?“ Gelächter aus fünf fetten Kehlen.
Bob streckte eine Hand aus und wippte sie dicht über dem Bartisch: piano, piano.
„Guckt mal, Männer. Wenn das hier nicht Stan Laurel und Oliver Hardy sind.“
Bobs Hand zuckte stärker. Doch Luke drehte sich nun um.
„Oh, eine antiquierte, popkulturelle Anspielung. Wie soll ich angemessen darauf reagieren? Was meinst du, Bob? Soll ich ihn Cosby nennen? Oder vielleicht Mister Ed? Oder Chewy?“
Jamaal ballte eine Faust. Luke spannte sich.
„Das hier ist Sharks-Territorium. Was sucht ihr beiden Schwanzlutscher hier?“
„Wir waren in der Gegend, um deine Mutter zu besuchen. Aber sie lag schon mit einem Schäferhund und deiner Schwester im Bett, also sind wir stattdessen was trinken gegangen.“
Jamaals Faust zuckte nach vorne, auf Lukes Nasenbein zu. Er konnte die Fingerknöchel schon sehen, als die Faust schließlich zum Stillstand kam. In seiner Handfläche. Genau vor seiner Nase.
Jamaal starrte ihn an. Seine Augen wurden zu kleinen Seen, in denen Luke zu ertrinken drohte. Dann lachte Jamaal, drehte sich zu seinen Bodyguards um und brüllte: „Werft noch mal einen Blick auf die Kätzchen, Männer. Ist eine aussterbende Gattung. Vor ein paar Tage hat es schon den ersten erwischt.“
Luke wollte aufspringen, doch Bobs Hand auf seiner Schulter verhinderte das.
„Macht’s gut, ihr kleinen Pisser. Und haltet euch von Hochhäusern fern. Ja? Kommt, wir gehen.“

Ray trat voll durch. Yor und der Wagen kreischten auf.
Weg, nur weg von dem verdammten Scheinwerfer. Wenn er nicht hinsah, wenn er nicht in diesen verdammten Rückspiegel schaute, dann würde das schon alles verschwinden.
Zwanzig Sekunden hielt er der Versuchung des Rückspiegels stand, dann erlag er ihr. Der Scheinwerfer war noch näher gekommen.
„Schnall dich an.“
„Bist du jetzt total verrückt geworden, oder was?“
„Anschnallen!“
Ray bog scharf in die nächste Abzweigung hinein. Das schwere Heck des BMWs drohte auszubrechen.
Rays Muskeln spannten sich. Im letzten Moment bekam er den Wagen wieder unter Kontrolle und heizte weiter.
Der Blick in den Rückspiegel – nur Nacht.
Ray atmete auf und ging etwas vom Gas.
„Sag mal, haben dir die Anabolika die Birne aufgeweicht, oder was?“
„Hey, ich wollte nur, dass es wirklich etwas Besonderes wird, okay. Du sagst doch immer, ich wäre so ein Langweiler.“
„Spinner.“
Rays Herzschlag normalisierte sich. Er atmete tief durch. So hatte er sich nicht mehr gefühlt, seit dem Bruisers-Spiel im letzten Jahr, als er den Defensive Touchdown nach dem siebzig Yard Fumble Return erzielt hatte.
Das war nur die nervliche Anspannung, da war überhaupt nichts. Scheinwerfer mitten in der Nacht. Eine pubertäre Panikreaktion. Nichts weiter.
Yor starrte schmollend aus dem Fenster. So nah und doch so fern. Wie gern würde er sie berühren, wie gerne über ihre Wange streicheln, sie liebkosen, ihr Halt geben und Halt suchen - sie besitzen.
Die Musik sprang ihn an wie ein wildes Tier.
„Please allow me to introduce myself, i’m a man of wealth and taste.”
„Ich hab doch gesagt, dass ich nicht auf die Rentner-Mucke stehe.”
Yor fummelte an dem Radioknopf rum, doch nichts tat sich.
„Ich hab das nicht angemacht“, brüllte Ray gegen seine Stones an.
„Verarsch mich nicht, nu mach schon aus.“
„And I was 'round when Jesus Christ had his moment of doubt and pain.”
Ein Lichtblitz flammte links von ihm auf.
Ray starrte in die blutroten Augen eines Todesschädels, verriss das Lenkrad, spürte den Aufprall in jeder Faser seines Körpers. Glas splitterte. Er segelte durch die Luft, kam auf, seine Hände schmerzten. Er drehte den Nacken, dort lag der BMW, auf dem Dach, ein Wrack. Auf allen Vieren kroch Ray darauf zu, schnell, er musste Yor doch retten.
Zentimeter um Zentimeter arbeitete er sich vor, kämpfte mit der Dunkelheit, die ihm das Bewusstsein nehmen wollte. Mit letzter Kraft erreichte er die Tür, dort lag sie: Yor. In ihrem Sicherheitsgurt, schlafend wie eine goldene Königin. Blut sickerte an ihrem Beifahrerfenster hinunter.
Ray registrierte das. So wie er auch die Musik registrierte.
„Pleased to met you, hope you guessed my name. Oh yeah, oh yeah, OH YEAH.“
Er brauchte ein Messer oder vielleicht konnte er sie auch mit den Zähnen aus dem Gurt lösen und dann.
Sein Kopf fühlte sich an, als triebe jemand einen Eispickel durch ihn hindurch. Genau vor seinen Augen flog eine Motorradkette durch die Luft. Genau vor seinen Augen. Durch seinen Kopf hindurch? Die Kette brannte.
Ray schrie. Ray schrie noch, als die Kette sich um Yors Hals wickelte, sie zärtlich liebkoste, ihren Kopf zu ihm hinüberdrehte.
Er liebte sie. Das war ihm nun klar.
Der Kopf flog auf ihn zu, wie ein Kuss. Blut spritzte.
Gnädige Dunkelheit floss in Ray.

4
Bobs Hose rutschte. Den ganzen Tag schon. Und dass sich Luke über die Pfütze Old Spice lustig gemacht hatte, die ihn herb umwehte, steigerte seine Zuversicht auch nicht gerade.
Dort stand sie, vor ihrem Spind. Bob ging auf sie zu, marschierte, stolzierte, paradierte. Prächtig, aufrecht, selbstbewusst, so wie ein Mann, wie ein Held, wie ein Titan.
Sie drehte ihren Kopf in seine Richtung, Bob stürzte sich auf den Trinkwasserspender und ließ die Fontäne in seinen Mund fließen.

„Alter, alles okay, mit dir?“
„Klar, klar, alles bestens. Bestens“, antwortete Bob. „Wieso?“
„Weil du seit zehn Minuten über dem Wasserspender hängst, Alter.“
Luke tätschelte seinem Freund den Nacken. Wenn er sich doch bloß von dieser Hexe fernhielte. Gerade vor dem Sharks-Spiel. Und dann auch noch diese Tussi. Das war alles nicht gut, ganz und gar nicht gut. Alles entglitt ihm.
„Verzieh dich okay. Ich kann das jetzt echt nicht brauchen.“ Bob drehte sich zu ihm um, seine Jacke war durchnässt.
„Kay, kay.“ Luke tänzelte zurück und hob die Hände abwehrend. „Cindy hat mich nach dir gefragt, ob du schon wen für den Ball hast. Wir könnten zusammen hinfahren, mein Vater hat ’ne Stretch-Limo und …“
Bob walzte an ihm vorbei, rammte ihn mit der Schulter gegen den Spind und donnerte den Gang entlang.
Luke schüttelte den Kopf. Wenn er doch nur die Finger von dieser Tussi lassen würde. Dann legten sich zwei Hände über Lukes Augen.
Luke murmelte: „Veronica.“
Der Druck auf seinen Augen wurde stärker.
„Valerie? Cindy? Mindy? Sandra?“
Eine rauchige Stimme grollte: „Wenn du die Ballnacht versaust, schneid ich dir deine Eier ab und servier sie dir mit etwas Mint-Pastete. Ist das klar, Witherfield?“
„Oh, Tammy, Schatz.“
Luke drehte sich um. „Du bist es, siehst toll aus, wirklich toll.“
„Mint-Pastete.“ Ihr Zeigefinger bohrte sich zweimal in Lukes Brust, strich dann den Adamsapfel hoch und blieb unter dem Kinn hängen. „Du holst mich um halb Acht ab. Du wirst reinkommen, damit mein Vater ein Foto von dir machen kann, du wirst einen Anzug tragen und nüchtern sein, du wirst ein Blumenbouqet mitbringen, du wirst den ganzen Abend Gentleman sein, du wirst mit mir tanzen, du wirst nur mit mir tanzen, du wirst mit keiner anderen reden, du wirst die ganze Zeit lächeln, du wirst meine Ballbegleitung sein und danach wirst du mich in ein Hotel bringen, in eine Suite, und jedem, der dich danach fragt, wirst du sagen, es sei die schönste Nacht deines Lebens gewesen. Haut wie Seide, Küsse wie Feuer, leidenschaftlich und doch rein. Haben wir uns verstanden?“
Luke schluckte.
„Und mein Name ist Tamara, haben wir uns verstanden?“
Tammy glättete den Kragen seiner Football-Jacke, küsste ihn auf die Wange und hauchte zum Abschied noch einmal in sein Ohr: „Mint-Pastete.“

Bob machte eine große Show daraus, die Bücher aus seinem Rucksack zu holen, aber Rebecca beachtete es noch immer nicht. Schließlich griff Bob zum Äußersten. Er ließ den Rucksack hinfallen, beugte sich dann über das Sammelsurium okkulter Werke und verstaute sie verschämt. Als er mit den Unterrichtsbüchern wieder zum Vorschein kam, musterte ihn Rebecca mit hochgezogenen Brauen.
Sie beachtete ihn! Endlich.
„Du gibst dir Mühe.“
Und jetzt sprach sie auch noch zu ihm.
„Ich.“ Bobs Stimme überschlug sich. „Ich weiß nicht, was du meinst.“
„So, so“, sagte sie mit dünnem Kätzchenlächeln. „Was hältst du von Crowley?“
Bob leckte sich über die Lippen. Gott, wie er damit wohl aussah?. Wie ein fetter Zweijähriger. Was wollte sie von ihm hören?
Rebecca legte den Kopf schief. Ihr Stupsnäschen wippte leicht.
„Also?“
„Ich halte ihn für einen sexbessesenen Scharlatan, der nur nach Möglichkeiten gesucht hat, mit möglichst vielen Frauen auf möglichst perverse Arten zu schlafen.“
Das Lächeln verschwand von Rebccas Antlitz. Ihr Oberkörper schwenkte leicht nach links und rechts. „Was ist mit Lovecraft?“
„Ein Psychopath, der seine Furcht vor Frauen durch abstruse Phantasien vergegenständlichte.“
„Freimaurer?“
Bob wurde selbstsicherer. „Eine armselige Kegelbrüdervereinigung, die einen okkulten Vorwand sucht, von ihren Frauen wegzukommen.“
Jetzt schmunzelte sie sogar. Bob hatte sie zum Schmunzeln gebracht. Sie! Rebecca!
Hinter ihm hörte er Händeklatschen und Begrüßungsrufe. Offenbar war Goldjüngchen erschienen. Bob schaute sich unsicher um.
„Ruf mich nach der Schule an. Wir könnten … essen gehen.“
Hatte sie das wirklich gesagt? Oder hatte er es sich nur eingebildet?

„Was symbolisieren die Haifische im alten Mann? Sie da. Mister Witherfield.“
„Nun, Miss Rushmore, meiner Ansicht nach symbolisieren sie die Indifferenz der Natur, die sich nicht darum schert, wie viel Anstrengung das Individuum vollbringt.“
Coach Noonian platzte mit feuchter Zigarre in den Raum, stellte sich vor die Klasse, knetete seine Hände und sagte dann: „Meine Damen und Herren, wir müssen jetzt stark sein. Ich habe eben erfahren, dass euer Klassenkamerad Raymond DeLilo gestern Nacht einen Verkehrsunfall hatte.“
Luke massierte seine Schläfen.
Vanessa starrte ihn mitleidig an und Bob, dieser Vollidiot, hatte immer noch nur Augen für diese Hexe.
„Der Schulpsychologe will mit jedem Einzelnen von Ihnen reden.“
Coach Noonian nickte in Lukes Richtung.
Luke schaute sehnsüchtig zu Bob.

„Was soll das heißen? Du hast keine Zeit? Läuft die Wiederholung von Scheiß Wired, oder was?“ Luke zog hastig an seiner Zigarette und warf das Telefon auf sein Bett. Dann griff er erneut danach: „Hör zu, wir müssen rausfinden, was da passiert ist. Vielleicht besteht irgendein Zusammenhang.“
„Alter, hör dich doch reden. Zusammenhang. Ich hab heute einfach keine Zeit und außerdem lassen sie uns bestimmt nicht wieder dahin, nach der Nummer mit Ken.“
„Ey, bitte. Das ist echt wichtig, soll ich auf den Knien rutschen, oder was?“
„Heute nicht.“
„Was kann denn verdammt noch mal so wichtig sein? Diese Lesbenfotze, oder was?“
Bob legte auf.
„Scheiße, scheiße, scheiße.“
Wieder griff er zum Telefon.
„Yo, Doug. Hast du kurz Zeit? Wir müssen einen Teamkameraden besuchen.“

So schnell konnte es gehen, dachte Doug. Eben noch der kraftstrotzende Middle Line Backer und jetzt liegt er hier und saugt Suppe durch einen Strohhalm.
Das Sharks-Spiel war so gut wie verloren. Das war klar. Aber die Scouts achteten ohnehin nicht auf die Team-Leistung, sondern es kam auf den Einzelnen an.
„Ray, Ray. Was war das? Ein Motorradfahrer?“
Armer Luke. Diese ganze Geschichte setzte ihm zu. Aber er musste doch erkennen, dass dort Drogen aus Ray sprachen.
„Erzähl weiter. Was war das mit dem Motorradfahrer? Und wer ist Yor?“
„Lass ihn doch, Luke. Er redet im Delirium. Komm, wir regen ihn nur auf.“
„Scheiße, Mann. Erst Ken, dann er. Wer ist der nächste. Du? Ich?“
„Was redest du da? Ken hat sich umgebracht. Der war schon immer komisch und Ray hatte einen Autounfall.“
„Ich sag dir. Das ist die Vergangenheit. Die holt uns ein und beißt uns in den Arsch. Das ist wie wenn man Durchfall hat und bescheißt das Klo. Wenn man es nicht sauber macht, solange es flüssig ist, dann kriegt man’s nie wieder weg.“
Doug schüttelte den Kopf.
„Wir wollten nie wieder darüber sprechen. Das hast du selbst gesagt.“
„Ach, Scheiße, Mann.“
Luke stürmte aus dem Raum. Doug schaute noch einmal zu Ray, bekreuzigte sich nachlässig, schüttelte den Kopf und ging.
Noch fünf Tage bis zum Sharks-Spiel. Jetzt war nicht die Zeit für Gewissensbisse.
Er musste das Ganze wegschieben, weit weg, wenigstens bis Montag.

Ihr kalter Körper lag auf ihm wie ein Seidentuch. Er spürte ihre Haarspitzen zwischen seinen Schulterblätter, sein Rückgrad hinunter, an seinem Po. Sein Schwanz bohrte sich in die Matratze. Aber das war nur sein Körper. „Glaubst du an die Indifferenz des Schicksals?“
Sie biss ihm in den Nacken. Ihre Perlenkette streichelte über seinen Rücken. „Das ist keine Glaubensfrage. Komm, lass dich ablenken.“
Ihre Lippen liebkosten ihn geschickt wie immer und doch: „Ich meine, wenn jemand etwas wirklich Schlimmes getan hat, kann es sein, dass ihn das Schicksal dann heimsucht?“
Sie glitt von ihm herunter, griff nach einem Glass Wein, nippte daran, flegelte sich neben ihn, winkelte einen Arm an, stützte den Kopf darauf und sagte schließlich: „Nun, als eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn jemand der Meinung ist, er hätte etwas Schreckliches getan und verdiene eine Bestrafung, dann könnte unbewusstes Verhalten dafür verantwortlich zeichnen, dass er sich die Strafe selbst auferlegt.“
Luke machte „Mmh.“
„Und jetzt lass uns nicht mehr darüber sprechen.“ Vanessa löste die Perlenkette von ihrem Hals, strich an ihr entlang, zog sie an ihren Brüsten vorbei, nach unten, weit nach unten.

Luke nahm die klamme Perlenkette und legte sie in die Schublade ihres Nachtschränkchens. Seine Hände zitterten. Vanessa schnarchte leise im Schlaf.
Am Anfang war das ja ganz nett, aber so langsam. Das ging nun schon seit Wochen so. Immer nur bis in die Red Zone, aber nie ein Touchdown.
Er musste jetzt stark sein. Das war eine wichtige Woche. Ob es ihm nun passte, oder nicht. Ein eigenes Apartment, das Cabrio, finanzielle Unterstützung. Er würde wie ein König leben in Miami oder L.A. oder wo immer er auch hingehen würde.
Und einem Sieger würde sein Vater niemals Steine in den Weg legen. Ein Sieger wäre unabhängig. Er würde gewinnen. Er würde das Spiel gewinnen, er würde Miss Vanessa Rushmore gewinnen, er würde alles gewinnen.
Geistergeschichten hin, Gewissen her. Er musste sich ablenken. Er musste mal auf andere Gedanken kommen. Er musste diese Woche noch irgendwie retten.
Vanessa schlief. Er rollte sie auf den Rücken, drückte ihre Schenkel leicht auseinander und legte sich auf sie.
Sie schlug ihre Augen auf und schrie.

5
„Wicca, ja?“
„Wiccarianerin.“
Bob konnte sein Glück nicht fassen. Vor zwei Tagen noch war er weniger als Luft für sie gewesen. Und jetzt, jetzt saß er hier mit ihr und sah ihr dabei zu, wie sie mit einem Silberlöffel in ihrem Kaffee rumrührte. „Und ihr seid … ehm…“
„Lesbisch?“
Wieder dieses Kätzchenlächeln.
„Oh, Gott, nein, nein. Das wollte ich nicht, ich wollte nur fragen, ob …“
„Ich lesbisch bin. Sag es doch einfach. Eine Highschool-Schülerin, die sich mit Magie beschäftigt, muss ganz einfach lesbisch sein, hab ich ja bei WB gesehen. Schöpfst du denn dein ganzes Wissen aus Fernsehserien?“
Er wusste es doch. Er hatte es die ganze Zeit gewusst. Sie war nicht lesbisch!
„Hör mal. Darf ich dich um einen Gefallen bitten?“
Um jeden, wollte er brüllen. Was darf’s denn sein? Eine Niere? Zwei? Soll ich in die Tiefen des Hades hinabsteigen und dir Cerberus vor die Füße werfen?
„Ja, klar. Um was geht’s?“
„Ich weiß, es ist albern … Der Ball am Samstag. Du musst nicht, wenn du nicht willst, aber meine Mutter macht mir da ziemlich viel Druck.“
Bob renkte sich beinahe seinen Hals aus, so begeistert nickte er.
Und während sie weiter sprachen, wanderte ihre Hand allmählich, Tischtuchkästchen um Tischtuchkästchen, auf ihn zu, um ihn schließlich einen Lidschlag lang zu berühren.

Luke drückte die Kippe in den Aschenbecher des Wagens. Eine Schachtel am Tag. Früher hatte sie eine ganze Woche gehalten.
„Durchhalten, Sonntag noch, und dann hörst du auf“, murmelte er zu sich selbst. „Und du hörst auch auf, mit dir selbst zu reden.“
Er ging zur Tür und läutete. Einmal, zweimal. Nichts tat sich.
„Natürlich, Hiob-Wochen bei McDonalds.“
Luke schlich um das Haus. Einen Moment überlegte er, Steinchen zu werfen, aber so tief würde er nie sinken. Dann sah er die weit aufstehende Tür, die vom Garten ins Haus führte. Klassische Musik wummerte hinaus in den Garten. Nussknacker-Suite, oder so was. Vielleicht auch ein Walzer oder Schwanensee, aber was wusste er schon von dem Zeug.
„Natürlich. Wie in einem schlechten Horrorfilm. Hey, Luke, wie war dein Schulabschluss? Oh, der Voodoo-Quarterback unserer Endspielgegner hat mir einen Dämon auf den Hals gehetzt, während meine Englischlehrerin einen auf frigide machte, die Homecoming-Queen mir mit Kastration drohte und mein bester Freund in einem Spukhaus wohnte. Toll, es war wirklich toll!“
Vorsichtig schlich er durch die zugestellten Flure von Bobs Haus. Bücherregale ächzten unter der Last dicker Schwarten.
Schließlich fand er sie und kein Anblick hätte ihn mehr überraschen können: Bob, der Koloss, tapste in einem schlecht sitzenden Anzug über den Parkettfußboden und schwenkte seine schmächtige Mutter wie eine Schaufensterpuppe durch die Gegend.

„Nun denk doch mal drüber nach. Es muss Crawford sein.“
Bob tippte zweimal auf die „An jedem verdammten Sonntag“-DVD. „Alter, die Rede.“
„Du hast doch den Typ gehört, der wusste das mit dem Hochhaus!“
„Es war in der Zeitung.“
„Und diese Rastalocken, eindeutig Voodoo. Wir sollten hinfahren und Gulasch aus ihm machen.“
Bob schüttelte den Kopf. Er verschwendete hier seine Zeit. Noch ein paar Tage, dann war die Klammer der Schule weg und wenn er Rebecca bis dahin nicht nahe genug an sich gezogen hatte, dann – die Zeit lief ihm weg und er hatte noch so viel nachzuholen.
„Es kann gar nichts anderes sein. Diese andere Geschichte weiß ja keiner, niemand kann ein größeres Interesse daran haben, uns auszulöschen als dieser Craw-“
„Moment mal. Was für eine andere Sache?“
„Was? Gar nichts. Los jetzt, pack dein Zeug, wir machen diesen Voodoo-Priester fertig.“
„Alter, wir machen gar nichts. Soll ich dir jetzt deine Rede schreiben? Ich hab auch noch was vor.“
„Was denn? Tanzstunden mit Mutti, oder willst du Händchen halten mit Morticia Adams für Arme, oder was?“
„Alter, beruhig dich erst mal. Komm, setz dich, ruh dich hier aus, schlaf von mir aus ein paar Stunden. Ich muss noch was erledigen, dann schreib ich dir deine Rede und gut ist. Kann ich deinen Wagen haben?“
„Lass mich jetzt nicht allein.“
Luke griff nach Bobs Arm. Seine Augen zierten dicke Ringe, jeder so groß wie ein Quarter. Das fiel ihm nun erst auf, aber er hatte einfach keine Zeit mehr. „Wie lange hast du eigentlich nicht mehr geschlafen?“
Luke lachte.
„Der Lukster. Der Sultan des Swings! Der Fürst des Feldes! Braucht keinen Schlaf.“
„Dann fahr halt mit. Komm schon. Aber ich fahre.“

„Hast du endlich die Adresse von diesem Crawford. Die muss doch rauszubekommen sein? Wo fährst du überhaupt hin? Sag mal, hast du noch ’nen bisschen was von dem Dope?“
„Alter, ganz ruhig. Wo is’ überhaupt dein Vater?“
„Mann, Scheiß auf meinen Vater. Wir müssen diesen Crawford killen. Wir –sonst sind wir dran. Denk doch mal logisch, das ist der einzige, der einzige, derjenige, der.“
Luke rieb sich über die Augen. Das hier alles – es entglitt ihm. Alles zerbröckelte unter seinen Händen.
„Komm schon, wir sind da. Bleib einfach sitzen. Vielleicht machst du die Augen zu und schläfst ein bisschen, ja?“
„Diese Tussi, diese Rebecca. Halt dich bloß von ihr fern, ja? Versprich mir das. Bob? Du bist doch mein Freund, oder?“
„Sicher, Goldjüngchen, sicher. Wir sind Freunde. Ich mach deine Hausaufgaben, deck dir den Rücken und niete Leute für dich um. Wir sind Freunde.“
Luke hörte, wie die Autotür zufiel. Er musste zu Stone, zu Sheriff Stone. Ihm alles sagen: Dieser Crawford wusste Bescheid, der hatte das alles gemacht, wie in diesem Film. Da hatte die Tussi auch den Schädel und dann hat sie ihn losgeschickt, den Reiter.
Wo war er hier überhaupt?
Luke stieg aus den Wagen und stand vor einem kleinen Laden. „Needful Things“.
Darin musste Bob verschwunden sein. „Needful Things“. Ha!
Luke drückte die Klinke hinunter, der Geruch von Myrrhe und Weihrauch lag in der Luft. Oder Zimt. Oder etwas in der Art. Was wusste er schon? Er ging an eingelegten Augen vorbei und an kleinen Phiolen. Und dann stand er vor einer Theke, an der Bob mit einer unglaublich fetten, schwarzen Frau redete, die nur Weiß in den Augen hatte und keine Pupillen.
„Scheiße, was machst du denn hier?“
Luke richtete sich auf.
„Ma’am, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie Expertin für para-, parapsy-, unerklärliche Ereignisse sind?“
„Setz dich wieder ins Auto, okay? Lass die Frau in Ruhe. Ich hab die Bücher schon, wir können uns verziehen. Ich bring dich ins Bett.“
Luke spürte Bobs Hände an seinen Schultern. „Ich bin kein Baby mehr, verdammt. Das hier ist ernst. Also, Ma’am?“
„Ich fürchte, darauf darf ich nicht antworten, mein junger Herr. Darüber darf ich nur mit Mister Benjamin Franklin reden.“
Luke fummelte an der Potasche seiner Jeans herum.
„Ma’am, bedaure, aber wir müssen jetzt wirklich ...“
„Hier, das ist alles, was ich hab. Müsste nen Fünfziger sein, oder so.“
Die Alte seufzte. Es klang, als rasselten Ketten.
„Luke, jetzt komm schon, das ist doch Quatsch.“
„Ulysses S.Grant war mir ohnehin immer symphatischer“, sagte die alte Frau. „Also, womit kann euch die alte Martha helfen?“
„Sagen Ihnen die Stichwörter: Kopfloser Motorradfahrer, Flammende Kette, Yor irgendetwas?“
Die Frau wiegte den Kopf, summte murmelnd irgendwelche Formeln, stimmte einen kehligen Singsang ab und sagte dann: „Er ist also zurück.“
Bob lachte auf. „Nun machen Sie sich bitte nicht über ihn lustig.“
„Nein, nein, lass sie reden, Mann. Also wer ist zurück?“
„Es war in den Sechziger Jahren. Lange vor eurer Zeit“, begann die Alte. „Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Es war ein heißer Sommer, der heißeste, an den ich mich erinnern kann. Zu jener Zeit.“
Luke konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und klammerte sich an Bob. Der versuchte, ihn zum Ausgang zu drängen. Luke strampelte und sträubte sich.
„Ma’am, ich will nicht undankbar erscheinen, aber wie wär’s mit einer Kurzfassung, dann können ich und Mister Mulder hier uns vom Acker machen“, brummte Bob.
Die Frau fuhr unbeirrt fort: „In jenem Sommer, müsst ihr wissen, herrschten ganz andere Zeiten und Sitten. Es war ein anderes Land zu jener Zeit. Ein Land, das fest in seiner Geschichte verwurzelt war.“
„Bitte, Ma’am, die Kurzfassung.“
„James Dean war das Idol einer Generation von Rebellen, die sich nicht um …“
„Ma’am, bitte geben Sie meinem Freund einfach den Fünfziger wieder und …“
„Nun denn, zu jener Zeit also existierte an der High School eine Gruppe junger Männer. Wilde, raubeinige Männer. Männer, die Wetten darüber abschlossen, wer aus ihrer Mitte die meisten jungen Damen … nun, deflorieren konnte.“
„Was meint sie damit, Bob? Was zum Teufel meint sie damit, Bob?“
„Entjungfern. Sie meint entjungfern.“
„Sehr wohl, einer von ihnen war besonders geschickt und skrupellos in seinem Tun. Doch das Herz einer adretten Dame, für die er in unauslöschlicher Gier entflammt war, konnte er nicht gewinnen.“
„Klingt nach einem Teenie-Film aus den Neunzigern“, murmelte Bob.
„Schnauze, Mann. Lass die Frau doch reden.“
„Ähem, alldieweil er jenes Herz nicht gewinnen konnte, beschloss er, es sich mit Gewalt einzuverleiben.“
Eine dramatische Pause folgte, in der Luke Bobs Schuhgestampfe deutlich hören konnte.
„Wie auch immer: Jene junge Dame ging ins Wasser, yadayada. Ihre Mutter jedoch war mit den dunklen Mächten im Bunde und verfluchte den Mann auf ewig vom Frieden im Jenseits ausgeschlossen zu sein. Statt dessen reitet er auf seinem Motorrad durch die Nacht auf der Suche nach dem einzigen Ding, das er je begehrte, den Seelen jungfräulicher Damen.“
„Ich hab’s gewusst. Ich hab’s die ganze Zeit gewusst.“
„Vielen Dank, Ma’am. Das war eine sehr, wirklich sehr faszinierende Geschichte. Und die fünfzig Dollar mehr als wert. Wir werden Sie nun nicht länger behelligen. Einen schönen Tag noch, Ma’am.“
„Ich hab’s gewusst, Bob! Wir müssen zu Stone und dann diesen Reiter.“
Luke spürte, wie er jeden Halt unter seinen Füßen verlor, spürte, wie sich Bobs Arme um ihn schlossen und hörte eine papierne Stimme säuseln: „Meiden Sie Jungfrauen, meine Herren.“

„Was machen wir hier überhaupt. Du hast gesagt, wir fahren noch mal ins Krankenhaus. Der Reiter, Mann.“
Bob zog seine Hose zurecht. „Ich weiß nicht, wie ich dir das sagen soll, aber der Biker, ja.“
„Ja?“
„Nehmen wir mal - nur für einen winzigen Moment - nehmen wir mal an, dass es diesen James-Dean-Sleepy-Hollow-Verschnitt wirklich gibt, okay?“
Luke nickte fahrig, blieb aber stehen, obwohl ein Sessel hinter ihm stand.
„Miss Lobotomie hat doch gesagt, er jagt nur Jungfrauen, oder?“
„Ja, Mann. Vor ’ner halben Stunde erst.“
„Nur weibliche Jungfrauen, oder?“
Luke schwieg.
„Und weder Ken noch Ray waren weibliche Jungfrauen, oder?“
Lukes Mund öffnete sich und bewegte sich auch, aber keine Worte kamen heraus. Bob gab ihm Zeit. Wartete darauf, dass der Groschen endlich fiel, doch nichts. Nur dieses leere Kauen.
„Komm jetzt, leg dich hin. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“
Als er Luke sacht am Arm berührte, hörte das Kauen schließlich auf. „Alter, wir müssen zu Sheriff Stone, Mann. Oder zu Crawford. Oder zu Rebecca. Ja, Scheiße zu dieser Fotze Rebecca.“
Bob schüttelte den Kopf. Sollte er einen Arzt anrufen? Oder wenigstens Lukes Vater?
„Diese Fotze, die ist an allem Schuld.“
„Hör mal, red nicht in diesem Ton über sie, okay. Sie ist meine Freundin.“
„Verpiss dich doch, Judas. Verräter, alle seid ihr Verräter. Verpiss dich, Mann. Wirst schon sehen, was du davon hast, wenn der Reiter, der Reiter …“
Bob ging, ohne zurückzublicken.

6
Sie schrie unter ihm. Das Gejohle der anderen. Ihr Gesicht ganz verzerrt. Wie eine Fratze. Die Hitze in ihm. Der Alkohol. Crawford mit seinen Rastalocken. Wie er lachte. Die Elfenbeinzähne, dieses Lachen.
Seine Lippen waren spröde. Sein Mund trocken. Hatte er geschlafen? Wie lange? Luke griff neben sein Bett und einige Flaschen fielen klirrend um. Auf zitternden Knien schleppte er sich zum Schnapsschränkchen seines Vaters. Bourbon. So weit war es schon gekommen.

Jemand schlug ihm zwei Mal auf die Wange und schrie schrill: „Ich wusste es. Du vermasselt alles. Du verdirbst mir alles.“
Luke ließ die Augen geschlossen. Das Ganze hier roch nach Ärger. Es war besser, es einfach zu ignorieren. Die meisten Sachen erledigten sich von selbst, wenn man nicht mehr an sie dachte.
Dann zuckte er doch hoch, als kaltes Wasser in sein Gesicht fiel. Er öffnete die Augen und da war sie: Tammy.
„Was zum?“
„Laura, du suchst den Anzug, Barb, du hilfst mir, ihn in die Dusche zu wuchten.“
Kleine Hände umfassten Luke.
„Seid ihr Kobolde?“
„Ich hab gewusst, dass du es vermasselst. Ich hab gewusst, dass du nur darauf wartest, meinen großen Tag zu vermasseln. Aber nein, Tammy MacPherson wird das nicht zulassen. Hast du gehört!“
„Bissu eigentlich noch Jungfrau?“
Der Schlag traf ihn direkt in die Kronjuwelen.

Bob warf sich zwei Pfützen Old Spice ins Gesicht und zog beide Schultern hoch. Okay, der Anzug saß jetzt nicht wirklich fabelhaft, aber herrje, wenn sie auf Äußerlichkeiten Wert legte, dann war er ohnehin verloren.
Seine Mutter schlug ihre Hände vor der Brust zusammen. Sein Vater nickte ihm zu.
Bob öffnete die Tür und sein Vater brüllte ihm hinterher: „Und sei keinesfalls vor Zwölf zu Hause.“

„Deeedadadapp. Deedadadapp. Deedadada. Deedadada. Dappdappda.”
„Alter, Scott. Hätten Sie die Güte, die bekackte Musik auszuschalten?”
„Bedaure, Sir“, antwortete Scott, drehte sich kurz zu ihm um und tippte sich an seine lächerliche Chauffeurskappe. „Nichts für ungut.“
Luke fläzte sich im Fond der Limousine. Aber egal, wie - richtig bequem wurde es nicht. Es war nicht einmal eine Position zu finden, in der die Übelkeit nachließ und noch dazu dieses Queen-Gejohle.
„This is our last dance, this is our last dance. Under Pressure!“
„Alter. Mach die Musik aus, sonst vergess ich mich!“
„Sir, Miss MacPherson wies mich ausdrücklich an, während der ganzen Fahrt dieses Lied zu spielen. Das würde Sie, wie sie es so trefflich formulierte, in Form bringen.“
„Das ist psychologische Kriegsführung, Mann. Das ist Folter!“
„Ja, Sir. Miss MacPherson verwendete diese Worte ebenfalls.“

Doug klingelte und hielt das Bouqet in der Hand. Mit einem Auge schielte er auf seine Armbanduhr.
Er hatte nicht viel Zeit. Das Ganze hier musste ein bisschen expressmäßig ablaufen. Morgen Mittag war das Spiel. Also kein Alkohol und um zehn Uhr Bettruhe. Das hatte ihm sein Vater eingeimpft.
Die Tür öffnete sich.

„Kommen Sie doch rein.“
Bob betrat ein Mausoleum. Das merkte er sofort.
Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, aber surrte nicht. Es war eisig, seine Nase fror.
„Setzen Sie sich, Becca wird jeden Moment für Sie da sein.“
Bob setzte sich vorsichtig in einen schwarzen Ohrensessel, stemmte dabei die Füße fest in den schweren Teppich und bemühte sich, das Sitzpolster nur ganz leicht zu belasten.
Das fehlte ihm noch, dass hier ein antiker Sessel unter ihm zusammenbrach.
„Etwas Tee?“
„Oh, nein, danke.“
Sonst bekleckerte er sich noch.
Weil er nicht wusste, was er mit seinen Händen anfangen sollte, legte er sie in seinen Schoß. Aber als ihn Rebeccas Mutter mit einem, wie er glaubte, leicht tadelnden Blick belegte, krallte er sie lieber in die Lehnen des Sessels.
Überhaupt diese Frau. Ganz in schwarz, blass geschminkt, die Haare lang und gekräuselt, von unbestimmtem Alter. So hatte er sich immer die Parzen vorgestellt.
Sie machte Bob Angst. Auf eine lächerliche, pubertäre Weise machte sie ihm Angst. Eine Angst, dass er am liebsten ständig kontrolliert hätte, ob sein Hosenstall auch wirklich zu war.
Was sie wohl von ihm hielt? Ihr erster Gedanke war bestimmt „Rebecca hätte etwas Besseres bekommen können“ gewesen – oder vielleicht auch „Er sieht nicht sonderlich gut aus, also muss mehr an ihm dran sein, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.“
„Sie wird gleich kommen. Wollen Sie wirklich nichts?“
Eine zweite Frage. Musste er jetzt nicht etwas trinken?
„Nur wenn es wirklich keine Umstände macht.“
„Ach, wo denken Sie hin? Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.“
Ihre Mutter ging.
Komisch, dachte Bob. Normalerweise gehört zu solchen Sätzen ein Lächeln.

Ihre Mutter lächelte ihm gequält zu. Sie trug einen grauen Trainingsanzug, das gleiche Outfit wie ihr Ehemann, der gerade der jüngsten seiner Töchter das Fläschchen gab.
Doug schaute vorsichtig an ihr vorbei. Versteckte sich Sarah hinter ihr?
„Ähm, Doug-Schatz. Es gibt da ein Problem.“
Klar, wäre ja auch zu schön gewesen, wenn einmal etwas glatt laufen würde.
„Wo ist sie?“
„Oben. Wir haben da ein kleines Problem … mit dem Kleid.“
„Problem?“
„Es gab einen Vorfall … Klein-Mary hatte Blaubeer-Brei und …“
Doug nickte und pulte mit der Zunge an der Vorderseite seiner oberen Schneidezähne herum.
„Sie will nicht mehr raus kommen.“
„Doug, mein Junge.“ Nun hatte ihn auch ihr Vater entdeckt und schlug ihm zwei Mal kräftig auf die Schulter, während Klein-Mary auf allen Vieren zu einem farbigen Xylophon kroch.
„Weiß er schon Besch-?“
„Ja, Bill.“
„Tja, mein Junge. Weiber, was?“
Doug nickte, seufzte, ging an den beiden vorbei, stieg über Klein-Mary und ihr Xylophon und schritt die Treppe hinauf.
„Viel Glück, mein Junge.“
„Tut uns wirklich leid. Fünf sind wir losgeworden, aber Mary hat noch keine Freunde, bei denen sie übernachten kann.“
Doug nickte. Nickte noch, als er an die Tür von Sarahs Zimmer schlug und rief: „Schatz? Schatz? Ist alles okay?“

„Alles okay mit Ihnen, Sir?“
Luke stütze sich vom Rasen hoch und streifte seine Hände am nun grün-schwarzen Anzug ab.
„Nein, Scott. Es ist überhaupt gar nichts okay.“
„Mein Fehler, Sir. Ich hätte Sie stützen sollen.“
Luke drehte sich zur MacPherson-Villa. Ein Vorhang wurde rasch im dritten Stock zugezogen. „Scott?“
„Ja, Sir?“
„Glauben Sie an die Indifferenz des Schicksals?“

Ein Foto, drei Frauen. Eine war Rebecca – das war klar, sie war auf dem Foto vielleicht zwölf, aber viel hatte sich nicht an ihr verändert. Die Gesichtszüge waren jetzt vielleicht noch ein wenig spitzer, der Babyspeck ganz verschwunden und okay, natürlich hatten sich ihre Make-Up-Gewohnheiten etwas verschoben, heute sah man sie wohl kaum noch mit rosanen Backen.
Die zweite Frau auf dem Foto war ihre Mutter – auch das war offensichtlich. Sie hatte sich gar nicht verändert. Aber zwischen den beiden stand noch eine dritte Frau. Ebenfalls schwarzhaarig, ebenfalls spitze-aristokratische Gesichtszüge und ebenfalls diese schwarzen, tiefen Augen.
Eine Schwester? Bob wusste alles über Rebecca. Von einer Schwester hätte sie ihm doch erzählt.
„Wollen Sie auch Plätzchen?“
Bob erschrak. Das Bild glitt aus seinen schweißnassen Händen.

Lukes Hände zitterten leicht, als er den Summer drückte. Was machte er hier überhaupt? Er sollte auf dem Weg zu Bob sein, ihn ins Auto laden und danach diesen Crawford suchen und ihm die Fresse einschlagen. Richtig einschlagen. Backsteinmäßig. Aber stattdessen stand er hier und: „Oh, Sie müssen Luke Witherfield sein. Ich habe Sie ja schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Wie geht es Ihrem Vater? Er macht sich rar bei den gesellschaftlichen Anlässen. Nicht, dass wir ihm das verübeln, er ist ein viel beschäftigter Mann. Oh, bitte, entschuldigen Sie, kommen Sie doch rein. Nur hereinspaziert.“
Luke folgte der Plastikfrau, deren Äußeres ihm vorgaukelte, dass sie viel zu jung war, um irgendjemandes Mutter zu sein. Fast hatte er geglaubt, das Botoxlächeln sprengte ihr Gesicht.
Kaum hatte er sich gesetzt, hörte er schon die Schritte.

Er hörte die Schritte aus der Küche.
Das war sein Ende.
Nie und nimmer hätte er herkommen sollen, nie und nimmer von diesem Stuhl aufstehen sollen, nie und nimmer nach einem Foto greifen dürfen. Er musste wahnsinnig geworden sein.
Der Blick zur Tür. Aber dann war alles verloren. Also das Foto – schnell kehrte er mit einigen Fußschiebern das zersplitterte Glas und den Rahmen unter die Vitrine, hechtete zurück auf seinen Sessel und lächelte Rebeccas Mutter zu.
„Mit Milch und Zucker?“
„Ja, gerne. Woher wissen Sie das?“
„Sie sind so ein süßer Junge, da lag das nahe.“
„A-Hahahaha.“

„Komm schon. Lass mich rein. Du siehst toll aus. Das Kleid ist doch egal. Komm schon. Lass mich rein.“
Seine Knöchel schmerzten langsam von dem ganzen Geklopfe. Es war doch ohnehin eine Farce. Sie würde mitkommen. So oder so. Er wusste es, sie wusste, ihre Eltern wussten es. Sie wollte nur ein bisschen Drama, aber wenn er das erwähnte, dann würde sie Hackfleisch aus ihm machen.
„Komm schon, Schatz. Die Sterne leuchten auch und haben keine Kleider.“
Die Tür öffnete sich einen Spalt.
„Das war das Dümmste, was du je gesagt hast. Verschwinde endlich!“
Doug brachte einen Fuß zwischen Tür und Angel.
„Sarah. Bitte. Lass uns endlich gehen. Lass uns das hinter uns bringen, ja?“
Die Tür amputierte beinahe seinen Fuß.
„Ja, genau. Hinter uns bringen! Das bin ich für dich! Das sollte eine romantische Nacht werden und was passiert? Ich werde vollgekotzt von einer Vierjährigen! Und mein Freund will es hinter sich bringen! Das ist mein Leben.“
„Oh, bitte. Mach kein Drama draus. Bitte, um Gottes willen, mach heute kein Drama draus. Morgen ist das Spiel, und-“
Die Tür flog auf, ein schwarzes Bündel Fleisch sprang auf ihn zu, warf ihn gegen die Wand, stieß drei, vier grunzende Laute aus und verschwand wieder im Zimmer.
Das Spiel hätte er wohl nicht erwähnen sollen.

„Ist Morgen nicht das Spiel?“, fragte der Fotograf.
„Ja“, quetschte Luke zwischen seinen Zähnen hervor, während er weiter lächelte und in die Kamera starrte.
„Nicht vergessen. Mint-Pastete“, gurrte Tammy neben ihm.
„Würde es dir etwas ausmachen, Darling, wenn wir vor dem Ball noch einen kleinen Umweg machen? Dauert nicht lange, ich will nur kurz zu Bob und dann zu Mister Jamaal Crawford. Männer-Sachen. Ist wirklich wichtig.“
Ihr Stiletto-Absatz bohrte sich in Lukes Spann.
Luke lächelte.

„Guck nicht direkt in die Kamera.“
„Bill, nun drück schon endlich drauf. Die Kinder werden doch ungeduldig“
„Wie sehe ich überhaupt aus?“
„Toll, Liebes, ganz toll.“
„Wie eine Königin.“
„Wie Jennifer Lopez.“
„Bestimmt seh ich aus wie aus der Altkleiderspende.“
„Lächeln, meine Kinder. Lächeln.“
„Mary! Was machst du denn schon wieder?“
„Hier kommt das Vögelchen.“
„Ich liebe dich.“
„Dafür wirst du büßen. Glaub ja nicht, dass ich das von vorhin vergessen habe.“

Ihr Anblick raubte ihm fast den Atem. So musste sich Achill gefühlt haben, als er Penthesilea das erste Mal in ihrer Rüstung sah. Ein schwarzes Ballkleid, der Hauch einer Nacht. Sie legte ihre Hand in seine. Sie war kühl, wie ein Kristall. Sie roch rein und pur. So wie Göttinnen riechen sollten.
Ihre Mutter weinte. Rebecca schwebte zu ihr. Der Kristall floss aus Bobs Hand.
Träumte er? Oder wachte er?
„Kind-Schatz. Nicht, dein Make-Up.“
„Ist schon gut, ist schon gut. Mach dir keine Sorgen. Jetzt wird alles gut. Heute ist die Nacht.“
Die Nacht. Was meinte sie damit? Etwa tatsächlich: die Nacht der Nächte?
Heute schon? Nach kaum einer Woche?
Bob konnte sein Glück kaum fassen.

7
„Warum nennen sie dich eigentlich den Sultan des Swing?“
Wenn er einfach aus dem fahrenden Wagen sprang. Was konnte dann schon groß passieren?
„Ist das nicht ein Begriff aus dem Baseball?“
Die Geschwindigkeit des Wagens dürfte dabei eigentlich keine Rolle spielen, denn er sprang ja raus, also auf die Straße. Was hatte da der Wagen mit zu tun? Das war wie die Geschichte mit dem abstürzenden Fahrstuhl. Kurz vor dem Aufprall hochspringen und alles okay.
„Symmetrie, Normalität und Kindchenschema.“
Was? Was laberte Barbie da eigentlich? Dieser Pfefferminz-Ballen in seinem Mund brachte ihn um, aber Tammy hatte auf ihn bestanden. Nach der letzten „Pause“. Das waren bestimmt zwanzig Streifen Kaugummi, wenn nicht mehr.
„Du findest mich doch schön, oder?“
„Hör mal, wenn du Scott nur kurz sagen würdest, dass er mich zu Bob fahren soll, ich verspreche dir, dann werde ich artig sein.“
„Wann sind wir eigentlich so geworden, Luke?“
„Ich, ich glaube du verstehst mich einfach nicht. Das hier ist wirklich wichtig. Ken, du weißt doch Ken und Ray, die beiden, also, das waren keine Unfälle.“
„Kannst du dich noch an die Feier von Steven Miller erinnern? Da waren wir dreizehn, oder so.“
Scheiße. Was wusste sie von der Feier … Wollte sie ihn jetzt erpressen, oder was? Was wollte sie überhaupt von ihm?
„Wahrscheinlich weißt du gar nicht mehr, dass ich auch dort war. Ich war damals ziemlich unscheinbar. Ich dachte sogar eine Zeit lang, dass ich mich irgendwann in Luft auflöse. Das hab ich mal im Fernsehen gesehen, in einer Parker Lewis-Folge. Ziemlich albern, oder? Und schau mich jetzt an.“ Sie lächelte mit Zähnen, die ihren Vater ein Vermögen gekostet haben mussten. Ihre Augen strahlten. Die rote Sonne stand in ihrem Rücken, leuchtete durch die Scheibe hinein und tauchte sie in ein goldenes Licht.
Aber ein anderes Gesicht legte sich über den Engel.
Luke sah nur dieses andere Gesicht. Das blasse, blasse Gesicht mit den strohigen, toten, schwarzen Haaren.
„Deshalb habe ich das alles gemacht. Nur für dich. Damit du mich schön findest, aber du hast mich nie beachtet. Was hat diese Vogelscheuche Rushmore, was ich nicht habe?“
„Was? Du weißt von … ähm, verdammt, was zum Teufel meinst du damit?“
„Bitte, ihr wart wirklich nicht sehr vorsichtig. Warum glaubst du denn, redet keiner darüber? Weil ich es weiß.“
Die Kopfschmerzen wurden wieder stärker, das Pfefferminz stieß wahrscheinlich irgendwelche giftigen, grünen Dämpfe aus. Wie lange dauerte die Fahrt noch? Morgen war das Spiel. Wie lange hatte die Videothek noch auf? Diesen Film mit Johnny Depp, wie ging der aus? Man brauchte den Kopf, oder?
Aus den Tiefen seiner Eingeweide schoss saurer Bourbon hoch und vermischte sich mit dem Pfefferminz.
Luke Witherfield wollte einfach nicht mehr.

Doug ertrank in dem Bächlein Missachtung, das träge aus Sarahs Mund plätscherte. Er hörte kaum hin, aber dann kamen die Bilder und er hörte wieder hin. Diese Bilder. Lange Zeit waren sie vorm Schlafengehen gekommen. Dabei war es nicht seine Schuld gewesen. Ray damals – er hatte das Mädchen. Niemand hätte ahnen können, dass sie so reagiert.
Aber dann waren die Bilder verschwunden, nach und nach, bis nur noch ein Schatten geblieben war, der manchmal auftauchte, wenn er Ken sah oder Ray oder wenn er Auto fuhr oder mit Sarah sprach. Aber es war ein Schatten und nach allem, was er durchgemacht hatte, hieß er ihn willkommen.
„Es tut mir leid. Du weißt, dass ich dich liebe, oder?“
„Ja“, antwortete Doug. „Ich weiß.“
„Wir sollten uns den Abend nicht verderben lassen. Wir haben nicht viel Zeit, oder? Du hast das Spiel morgen.“
„Ja.“
„Versprich mir: Egal, was passiert, wir werden uns den Abend nicht verderben lassen.“
„Ja.“
„Kannst du auch noch was anderes sagen außer Ja?“
„Natürlich.“
Sie boxte ihn in die Seite.
Ein einzelner Scheinwerfer tauchte im Rückspiegel auf.

Bobs Hose rutschte. Schon wieder. Dabei hatte er extra Hosenträger angezogen. Und wo war Rebecca? Benutzte sie ihn doch nur als Alibi für ihre Mutter? Warum hatte sie ihn mitgeschleppt, wenn sie jetzt ewig auf dem Klo rumhing? Was –in Gottes Namen- machte sie da überhaupt so lang?
Marc tauchte vor ihm auf, mit zwei Gläsern in der Hand. Sein bebrillter Kopf zuckte. „Tolle Feier, oder? Mit wem bist du hier?“
„Verpiss dich.“
„Klar, klar. Tut mir leid, ich wollte nur fragen, ob du …“
Bob versuchte an ihm vorbeizusehen, doch dieser Freak versperrte ihm die Sicht auf den Eingang. Wo blieb sie nur?
„… Gary Oldman, genau. Der sollte immer den Schurken spielen. Gary Oldman, geh mir weg mit deinem Alan Rickman, der hat nur zwei Filme gemacht, aber Gary Oldman, der ist groß!“
„Alter, verpiss dich, okay.“
„Ja, ja, schon gut. Oldman ist der Man, nicht Rickman!“
Marc verzog sich und gab den Blick auf den Eingang frei. Keine Rebecca.
Bob zog seine Hose hoch.

Um so näher sie der Schule kamen, um so mehr klangen die Kopfschmerzen ab und um so leiser wurde Tammy. Luke straffte sich, strich seinen Anzug glatt und fuhr sich durch die Haare. Er war bereit. Er würde die Rolle spielen, die ihm zugedacht war. Rebecca also. Natürlich Rebecca.
„Wir sind spät dran, aber das gehört sich so. Für die Königin und ihren König“, säuselte Tammy, ihre Hand glitt über seinen Oberschenkel.
Dougs verbeulter Dodge kroch vor ihnen über die Allee, die zur Schule führte. Was machte der denn hier? Der dachte doch sonst nur an Football? Hatte Sarah ihm wohl die Pistole auf die Brust gesetzt.
Tammy schlug zwei Mal mit der flachen Hand gegen die geschwärzte Scheibe, die Scott von ihnen trennte. Ihr Ring tönte dabei unangenehm metallisch.
Scott ließ die Scheibe runter.
„Überholen Sie den Typen endlich.“
„Wir sind gleich da, Ma’am.“
Luke fröstelte. Seine Nackenhaare stellten sich auf, als wäre er statisch aufgeladen.
Etwas sauste durch sie durch. Mitten durch die kleine Lücke zwischen Tammy und ihm. Sauste durch Tammys Arm auf seinem Oberschenkel, sauste durch die schwarze Trennscheibe, durch das Amaturenbrett und die Motorhaube, sauste auf Dougs Dodge zu.

„Wie sitzen meine Haare?“
„Gut, gut.“
„Weißt du, ich hab mir das überlegt, also, du hast schon recht, das ist wirklich albern. Ich nehm jetzt seit drei Monaten die Pille und wenn du auch noch ein Kondom nimmst, dann kann doch eigentlich gar nichts passieren.“
Wieder der Blick in den Rückspiegel. Zwei Scheinwerfer, ein anderes Auto. Wie hatte es so verdammt schnell dunkel werden können? Lächerlich, diese Motorrad-Geschichte. Das brachte ihn um den Verstand.
„Hast du gehört, was ich gesagt habe?“
„Ja, deine Haare. Wirklich toll.“
„Nicht das, du Idiot.“
Der Wagen klapperte überlaut. Die Stoßdämpfer gaben bald den Geist auf. Bis Maryland musste die Kiste noch halten, bis ins neue Leben. Dann wurde alles anders.
„Hast du mir zugehört?“
Was wollte Sarah denn nun schon wieder? Wenn er jetzt zugab, nicht zugehört zu haben, dann war der Abend gelaufen. Das Kleid, bestimmt ging es um das Kleid.
„Steht dir wirklich gut. Ich hab dir doch gleich gesagt, wenn deine Schwester da reingekommen ist, dann passt du locker rein.“
Sarah schnappte nach Luft. Einmal, zweimal, dreimal sogar. Dreimal. Gott, das war kein gutes Zeichen. Dann lachte sie auf.
„Ich weiß wirklich nicht, was ich mit dir anfangen soll.“
Doug grinste verschmitzt.
„Wahrscheinlich musst du mich einfach lieb haben.“
Er hielt vor dem Eingang der Schule an.
„Steig schon mal hier aus, ich park den Wagen dann da hinten.“
Sarah lächelte ihn an, ihr Kopf flog von ihrem Rumpf, klatschte gegen die Windschutzscheibe, prallte von da ab, direkt in Dougs Schoß. Eine Blutfontäne sprudelte über und über, wie ein ausbrechender Vulkan, aus ihrem toten Körper, der –von Sicherheitsgurten gehalten- in Dougs Richtung gekippt war.
Doug schrie.

Tammy schrie. Luke riss seine Tür auf und zerrte Tammy mit sich, auf den Dodge zu.
Tammy stolperte, Luke zerrte sie weiter.
Aus der Schule drang Musik und Gelächter.
Der rostige Dodge: Im Innenraum nur Doug. Nur Doug, zusammengesackt auf dem Lenkrad.
Tammy lachte.
„Der Reiter.“
Tammy gackerte.
„Doug? Doug, alles okay?“
Luke versuchte, die Tür aufzuziehen. Sie klemmte.
Tammy schnappte nach Atem und schluchzte.
Bob. Scheiße, er brauchte Bob.
„Doug? Alles okay, wir rufen dir ’nen Arzt, okay? HEY, SCOTT, RUFEN SIE EINEN SCHEISS ARZT!“
Die Limousine blieb schwarz und starr.
Weiter. Nicht aus der Rolle fallen. Zehn Sekunden Panik, nicht mehr.
Was zum Teufel hatte Doug denn hier gemacht? Der dachte doch nur an Football, nie und nimmer wäre er hier gewesen. Mit was hatte man ihn hergelockt? Wer?
Bob, er brauchte Bob. Die Treppen zur Schule hoch, durch das Eingangstor. Der lange Korridor mit den Spinden an den Seiten.
Tammys Arm lag kalt in seiner Hand, er schleifte sie mit, sie gab ihm Halt, sie war real.
Tammy wehrte sich nicht.
Der Korridor zog sich hin. Endlos. Hier hatte ihn Tammy erwischt. Scheiße, wo war Vanessa? War sie auch auf dem Ball? Hinter der Abbiegung da, dort musste die Aula sein. Warum stand niemand hier? Wo waren die Stimmen hin?
Statt der Musik und den Stimmen nun: Nur Motorengeheule.
Nicht zurücksehen, einfach weiter, Tammy weiter ziehen, aber der Arm, Tammys Arm, nicht mehr da?
Luke blickte sich um.
Das Motorrad stand auf der anderen Seite des Korridors, genau am Eingang. Es war eine wunderschöne Maschine. Eine schwarze Harley, massiv, wie ein gepanzertes Schlachtross. Darauf saß eine Gestalt, ganz in schwarz gekleidet, wahrscheinlich in einer Lederkluft. In der rechten Hand hielt sie einen fahlen Totenschädel, dessen Augen rot funkelten. In der Linken wirbelte eine Motorradkette durch die Luft und malte rote Zeichen ins Nichts.
Tammy lag vor Luke, lachte und weinte, gluckste und schrie, raufte ihre Haare und rieb sich an seinen Beinen.
Der Motor heulte auf.
Lukes Zunge strich über seine Lippen.
„Tammy? Bist du noch Jungfrau?“
Das Motorrad raste auf sie zu. Die Kette wirbelte wie ein Lasso. Die Schädelaugen blitzten. Spindtüren flogen auf und zu und klapperten.
„Tammy?“
Die Maschine schoss auf ihn zu, wie ein wütender Defensive End.
Luke stieg breitbeinig über Tammy und baute sich vor ihr auf. Die rechte Schulter schob er etwas nach vorne. Er war Luke Witherfield. Der Lukster.
Die Maschine war nun ganz nahe, der Scheinwerfer so groß wie eine Nova.
Luke stellte sich auf seine Zehenspitzen, wippte leicht, verlagerte das Gewicht nach vorne, zur Schulter hin.
Die Maschine bockte vor ihm auf, das Vorderrad hoch in der Luft. Luke konnte die kleinen Rillen sehen. Die Kette peitschte auf ihn zu, wurde zu einem Pfeil, zu einer Schlange. Instinktiv wich Luke aus, tänzelte flink nach rechts, doch zu spät, die Peitsche erwischte ihn an der Seite, glitt durch ihn hindurch wie durch ein zu weites Netz.
Luke drehte sich langsam um.
Die Kette zog sich um Tammys wunderschönen, dünnen Alabasterhals, die Glieder bewegten sich zärtlich auf und ab, ein Kettenmuster auf bleicher Haut, wie ein modernes Kunstwerk. Tammy griff mit langen Fingern an ihren Hals, zerrte und zurrte, versuchte ihre Finger zwischen Kette und Hals zu bringen.
Flammen leckten die Kettenglieder entlang, leuchteten phosphorfarben auf.
Die Kette verschwand. Kein langsames Verblassen, kein allmähliches Hinübergleiten, kein Dahinschmelzen. Sie verschwand in einem Wimperzucken.
Zeit verstrich. So als hätte sie einen Staudamm durchbrochen, verspielt und reißend.
Luke stand im Strudel gestauter Zeit.
„Tammy? Bist du noch Jungfrau?“, fragte er mit samtener Stimme, so wie man zu einem Kind spricht.
Tammy sprach. „Bill Nightinggale, mein Nachhilfelehrer in Französisch, vor zwei Jahren. Ich musste doch Erfahrung sammeln für dich, für heute Abend.“
Luke sprang über Tammy und rannte.

„Hast du mich schon vermisst?“
Bob drehte sich um. Tatsächlich, wie ein schwarzer Engel, war sie in den Raum geschwebt. Verdammt, dabei hatte er den Eingang keine Sekunde aus den Augen gelassen. Doch. Bei Marc.
„Sekt?“, fragte Bob dumm und hasste sich dafür.
„Du bist süß, wenn du so bist.“
Sie lehnte sich leicht zu ihm hinüber – zu ihm! - ihr Mund strich über seine Wange. „Der wortgewaltige Bob, der seiner armen Lehrerin eine zwanzigminütige Strafpredigt hält, weil sie Steinbeck beleidigt hat. Und ich, armes, kleines Ding, bringe ihn zum Schweigen.“
Sie schmiegte sich an ihn, ganz leicht nur, natürlich nur ganz leicht, und entwand ihm das Glas Sekt aus den steifen Fingern.
Bob räusperte sich kehlig. „Ähm, ähm, ähm.“ Gott, er klang wie eine defekte Motorsäge. Sag was, irgendwas halbwegs Geistreiches. „Ja, nun, also.“ Ein Zitat, ein Königreich für ein Zitat.
Unruhe erfasste die Menge um ihn herum. Leute tuschelten und drängelten. Dankbar ließ Bob seinen Blick schweifen. Die Unruhe ging in kleinen Wellen von einem bestimmten Punkt nahe des Eingangs aus, das bemerkte er schnell.
„Ich seh kurz nach, was da los ist, okay?“
„Ich folge dir auf dem Fuße, mein kleiner Moloch.“
Bob schob sich durch Leiber, wie ein Bulldozer oder ein Schneeschieber räumte er den Weg für seine dunkle Königin frei, zur Quelle der Unruhe hin, zu dem kleinen, aufgeräumten Fleck am Rande des Saales. Dort stand Luke und machte Miss Rushmore eine Szene.
Oh, Gott. Luke. Dieser Idiot. Er würde wieder alles verderben.

„Mister Witherfield, ich verbitte mir diese Zudringlichkeiten.“
„Bitte, bitte, Vanessa. Jetzt verdammt, glaub mir doch einfach.“ Er versuchte, sie zu kriegen, sie zu fangen. Irgendwie. Tatschte nach ihrem Arm, nach einem Zipfel ihres Kleides.
„Ich rufe den Sicherheitsdienst, Mister Witherfield, wenn Sie nicht auf der Stelle aufhören, mich zu belästigen.“
„Verdammt, komm endlich mit.“
Da der Arm, wieder ein verdammter Arm.
„Hilfe! Hilfe!“
Luke umklammerte ihr Handgelenk und drehte sich Richtung Ausgang. Dumme Gesichter glotzten ihn an, aus Ochsenfroschaugen.
Er ging auf sie zu, sie wichen vor ihm zurück. Nur einer nicht. Eine kalte Zigarre im Aschegesicht stand Coach Carter da, genau vor dem Eingang. „Junge, hör mir zu, lass die Frau in Ruhe, okay. Das ist nur die Aufregung vor dem Spiel morgen. Das verstehe ich absolut, aber du kannst doch nicht.“
Vanessa kratzte ihn mit ihren scharfen Krallen. Der beißende Schmerz verklang dumpf am Rande seines Bewusstseins.
Luke rannte den Coach um, wie ein Mehlsack plumpste er zu Boden.
Vanessa schrie spitz auf.
Er musste es jetzt hinter sich bringen.

Dem Bulldozer ging das Benzin aus. Ein fetter Tubaspieler und Smitz, der Right Guard, versperrten ihm dem Weg und nicht einmal Bob kam so einfach an diesem Wall vorbei. Er schob und drängelte, doch die beiden ließen sich einfach nicht, verdammt, was war da überhaupt los? Wohin schleppte Luke diese Tussi?
„Luke, Luke! Verdammt, jetzt macht doch mal Platz hier, das ist ja nicht zum.“
Rebecca stöhnte dumpf auf. Welcher Vollidiot wagte es denn, sie anzufassen?
Bob fuhr herum und grunzte einmal kräftig seinen Footballgrunzer. Die Drängler wichen zurück.
Doch die beiden vor ihm bemerkten ihn noch immer nicht in all dem stinkenden, schwitzenden Gewühle.
Bob hatte genug, wütend griff er die beiden Berge an ihren Schultern, drängte sie auseinander, so wie Moses das Meer, und brach durch sie hindurch. Doch Luke war verschwunden. Nur Coach Carter saß ungläubig auf dem Boden und spuckte ratlos schwarze Tabakkrümel durch die Gegend.
Bob stampfte an ihm vorbei.
Dieser Idiot. Er vermasselte alles.

Luke warf sie aufs Pult, drückte ihre Hände gegen das Holz und brachte sein Gesicht dicht an ihres.
„Bitte, vertrau mir.“
Ihr Knie krachte gegen seinen Unterleib und Luke rutschte von ihr. Tränen schossen in seine Augen.
Sie stürmte an ihm vorbei und er hörte, wie sie an der Tür zerrte.
„Verstehst du denn nicht. Ich tu das, weil ich dich liebe.“
Luke quälte sich hoch.
Vanessa schlug gegen die Tür.
Er packte sie an den Schultern. Wirbelte sie herum. Drückte sie gegen die Tür. „Bitte, vertrau mir. Glaub mir doch, du musst mir vertrauen.“
Sie schlug ihm ins Gesicht, während er die Hose seines Anzugs öffnete.

Bob schaute sich um. Keine Spur von Luke und Vanessa. Und auch Rebecca war verschwunden. Er stand ganz allein auf diesem Korridor.
Wo konnte er hin sein? Raus?
Da. Geräusche. Bob rannte in die Richtung. Hier, in diesem Klassenzimmer, da schlug jemand gegen die Tür und …

Luke nestelte an seinem Hosenstall herum, während er sie weiter gegen die Wand drückte. Gott, wie sollte er jetzt einen hochbekommen. Sie wimmerte. Genau wie damals.
Aber damals, da war er ein anderer gewesen. Kraftlos schlug sie gegen seine Schultern. Das Mädchen damals. Hatte es auch?
Er schob sich zwischen sie, sein schlaffes Glied drückte gegen den Samtstoff, aber es musste sein.
Luke schob seinen Unterleib höher, auf den Eingang zu. Gott, er musste hart werden. Ihre Schreie. Klangen sie nicht fast wie Lustschreie? Er musste es ausblenden. Er musste sie beschützen.
Zischen. Luke hörte Zischen.
Schwefelgeruch lag in der Luft.
Irgendetwas brannte in seinem Hirn. Etwas kaltes. Eiskaltes.
Luke schloss die Augen.
Es brannte in ihm, brannte wie Eis.

Bob warf sich, Schulter voran, gegen die Tür.
Und fiel mit der Tür ins Zimmer.
Glassplitter regneten auf ihn herab, während er auf allen Vieren auf der Tür lag und versuchte, sich zu orientieren.
Ihm schwindelte.
Dort stand Luke. An der Wand.
Etwas zog an Bobs Geist, brandete gegen die Küste seines Verstandes, stieg immer höher und schwappte in ihn hinein.

Bob hielt Luke in seinen Armen. Luke weinte in seine Schulter. „Ist ja gut, ist ja gut“, hörte Bob sich selbst sagen. Man steckte einfach nicht in den Leuten drin. Nicht einmal in seinem besten Freund. „Ist ja gut. Alles ist gut.“
Luke gluckste.
Was wollte er hier? Was war hier vorgefallen?
„Vanessa. Vanessa.“
„Was für eine Vanessa?“, fragte Bob.
„Es tut mir so leid. Vanessa.“
Er hätte besser auf ihn acht geben sollen. Kens Tod, Rays Unfall. Für all das hätte er sich Zeit nehmen sollen, aber, verdammt, hatte er es sich nicht verdient? Hatte Bob, das Ein-Mann-Abriss-Kommando, nicht auch ein wenig Glück und Zeit verdient?
„Vanessa. Miss Rushmore.“
„Alles ist gut.“
Wo blieben die Anderen? Jemand musste einen Arzt rufen. Luke hatte eindeutig einen Nervenzusammenbruch.

Luke dachte ganz klar. Dachte ganz klar in Bobs weichen, weichen Armen. Verstohlen schloss er seinen Reißverschluss. „Lass mich bitte los.“
Der Griff lockerte sich und Bob ließ endlich von ihm ab.
Luke strich seinen Anzug glatt. Die kalte, leere, nackte Wand im Rücken. Er war nicht verrückt. Jetzt verstand er es endlich.
Plötzlich war sie im Raum. Diese kleine, schwarzhaarige Schlampe.

„Geht es ihm gut?“, fragte die Engelsstimme in seinem Rücken.
Bob drehte sich zu ihr um und nickte. „Könntest du bitte einen Arzt rufen?“
Ein Schrei. Zornerfüllt.
Etwas hastete an ihm vorbei. Luke.
Er stürzte sich auf Rebecca, wie ein wildes Tier.
Bob handelte, ohne nachzudenken. Drehte sich nur in die Richtung. Zog seine Schulter nur eine Handbreit hoch. Er spürte den Aufprall kaum.

„Danke“, säuselte sie in sein Ohr.
Bob sah zu Luke, der gefällt zwischen den niedrigen Stühlen lag.
Die anderen flossen nun in den Raum. Schaulustig, glotzäugig flossen sie in den Raum.
Sic transit, dachte Bob. Sic transit.
„Ruft einen Arzt!“
Niemand reagierte.
Rebecca presste sich an ihn. „Du hast mich gerettet.“
„Einen Arzt!“
Von Ballkleidern und Anzügen umhüllte Leiber quetschten sich durch das Nadelohr der Tür. Immer mehr. Murmelten „Oh, Gott“ und „Der Arme“, warfen mit Ausrufe- und Fragezeichen um sich. Und mit Blicken.
Niemand von ihnen würde einen Arzt rufen.
Bob wühlte sich durch die Masse. Im Sekretariat musste ein Telefon sein.

Die Toilette war leer. Nicht wie vorhin, als sich die anderen beschminkt und angegackert hatten. Dumm und unschuldig, wie Gänse.
Rebecca stellte sich vor den Spiegel. So also. So sah sie aus, wenn sie glücklich war.
Sie ging in die dritte Toilette von links, schloss die Tür hinter sich ab und öffnete den Toilettenkasten. Dort lag er. In einer Plastiktüte.
Sie konnte nicht widerstehen. Zärtlich strichen ihre Finger über das Plastik, liebkosten den harten Gegenstand darin.
Jetzt musste sie schnell sein. Sie klemmte sich die Plastiktüte mit dem Beschwörungsfokus unter ihren Arm und rannte. Zu ihrer Mutter. In die Freiheit.
Bob hatte sie beschützt.
Warum – warum dachte sie jetzt, wo alles vorbei war, wo ein normales Leben beginnen konnte, warum dachte sie jetzt an Bob?

„Ja, machen Sie schnell. Ich weiß nicht, bringen Sie Beruhigungszeug mit, oder so.“
Bob legte auf, obwohl die Stimme noch weiter Fragen stelle. Mit einer Hand fuhr er über sein Gesicht. Irgendwie fühlte er sich erwachsen. Er atmete zweimal tief ein.
Damit musste er nun leben. Er hatte es nicht kommen sehen.
Bob fühlte sich müde, sehr müde. Entscheidungen, die er aufgeschoben hatte, standen an. Aber das konnte warten. Er musste jetzt funktionieren.
Auf dem Weg zum Ausgang lief ihm Coach Carter über den Weg. „Kann er morgen spielen?“
Bob ging weiter.
„Kann er morgen spielen? Morgen das Sharks-Spiel? Du warst doch bei ihm. Meinst du, er kann morgen spielen?“
Bob ging weiter. Coach Carter griff nach seinem Arm, doch Bob schüttelte ihn einfach von sich ab.
„Kannst du morgen spielen?“, schrie die fistelnde Stimme hinter ihm.
Doch Bob ging weiter.

8
Die Kreide kreischte, als er „Nemesis“ an die Tafel schrieb, hinter ihm lachten sie. Bob zog sich die Hose hoch. Er hasste Donnerstage.
„Nemesis. Was verbinden Sie mit dem Begriff?“
Einige Arme schossen nach oben.
„Und ich meine nicht den neuen Action-Film von The Rock, der - nebenbei bemerkt - langsam auch etwas in die Jahre kommt.“
Die Arme versanken.
„Das war mir klar. Meine Damen und Herren: Nemesis ist der personifizierte Gegenentwurf zu einem indifferenten Schicksal.“
Fragende Augen. Bob seufzte.
„Sie wissen doch. Indifferentes Schicksal. Moby Dick? Der alte Mann und das Meer? Nihilismus? Irgendjemand?“
Fragende Augen wurden zu geschlossenen.
Bob hasste Donnerstage.

Wie an jedem Donnerstag quälte sich der Wagen die Serpentinen hoch. Wie jeden Donnerstag ärgerte sich Bob. Es war einfach unfair. Damals hatte er es nicht ausgesprochen, aber es war klar, dass es der letzte Sommer war. Man hätte sich versprochen, in Kontakt zu bleiben, doch die Wege hätten sich getrennt. Ohne böse Absicht. So etwas passierte einfach. Erinnerungen verblassten. Gemeinsamkeiten auch. Und schließlich war man sich so fremd, dass man auf der Zehn-Jahres-Feier nur noch von früher reden konnte.
Aber das ging nicht. Er war verantwortlich.
Bob fluchte. Wie jeden Donnerstag.

Die Wärter ließen ihn grußlos passieren.
Luke wartete schon unruhig auf ihn. In seinem Pyjama.
„Hast du Doug gefunden?“
Bob schüttelte den Kopf. Doug war tot. Seit vierzehn Jahren. Und seit dreizehn Jahren hatte er aufgehört, Luke davon zu erzählen.
„Und Ray? Was Neues von Ray?“
Bob schüttelte den Kopf.
„Tammy? Was ist mit Tammy? Und was mit Scott?“
Warum tat er sich das nur an? Ray lebte als Mechaniker in einem kleinen Dorf in Nebraska. Das Letzte, was Bob von ihm gehört hatte, war, dass er verhaftet worden war, nachdem er Obszonitäten auf Keith Richards Grab geschmiert hatte. Tammy war in der alten Heimat geblieben und arbeitete als High-School-Lehrerin. Unverheiratet geblieben. Erstaunlicherweise.
Natürlich hätte Bob ihm das alles erzählen können. Aber Luke wusste das alles. Eigentlich. Doch sein Hirn siebte aus, was nicht zu seiner Geschichte passen wollte. Selektive Wahrnehmung, Realitätskonstruktion, Wahnsinn macht blind sozusagen. In den ersten Jahren hatte Bob viel gelesen und ausprobiert, war mit ihm sogar durch die alte Stadt gelaufen, hatte alles Mögliche versucht.
Aber jede Theorie, jeder Ansatz eines Gespräches – alles war eine Sackgasse.
„Glaub mir endlich. Sie wollen nur nicht darüber sprechen, weil man sie dann auch einsperren würde.“
Bob seufzte.
„Du vertrittst eine unhaltbare Position, mein alter Freund. Du hast dir ein Konstrukt zusammengeschustert, das sich selbst in seiner Absurdität stützt. Es ist unmöglich, dich von deinem Irrtum zu überzeugen, weil du dir deine Realität so konstruiert hast, dass du nicht überzeugt werden kannst. Eine Vergewaltigung auf einer Party. Ein Geist, der die Erinnerung an Personen auslöscht. Eine sich biegende Realität. Alle anderen erinnern sich falsch, nur du nicht.“
Luke ging weiter auf und ab. Knabberte an seinen Fingernägeln, bis Blut floss.
Bob lächelte. „Weißt du, ich weiß nicht. Warum tust du dir das an?“
„Ich hab’s gefunden, Bob. Ich hab’s gefunden. In einem Buch. Da stand: Die Seele, Bob. Die Seele ist nicht abstrakt. Die Seele ist unser Daumenabdruck in der Welt. Als der Geist die Seele, Bob, die Seele geraubt hat, da hat er auch den Daumenabdruck entfernt. Du musst mit den Leuten reden, Bob. Red doch mit den Leuten. Red mit Ray, red mit Tammy, finde Scott, finde Doug.“
Bob nickte. Er hasste Donnerstage.

Bob machte es sich in seinem Sessel bequem. Diese verdammten Besuche forderten ihren Tribut. Sie erinnerten ihn daran, dass er für sein Leben einen hohen Preis hatte zahlen müssen. Und manchmal, wenn er zu lange bei Luke blieb, fühlte er sich in seinem eigenen Leben wie ein Besucher.
Dann roch er ihn, diesen dunklen Duft. Diesen Duft nach Schlafzimmer, den er so liebte.
Sie streichelte seine Schultern und massierte ihn zärtlich.
„Donnerstag?“, fragte Becca.
„Donnerstag“, schnurrte Bob, während sich seine Schultern in Gummi verwandelten.
„Mein armer Schatz. Du solltest es wirklich mal mit Chi-Gong probieren. Glaub mir, seit deine Mutter mich auf die Idee gebracht hat, geht’s meinem Rücken auch viel besser.“
Bob lächelte. Seine Frau, die Verrückte. Wenigstens war sie von dem Teenager Horror-Trip runter, aber irgendwas Mystisches brauchte sie wohl in ihrem Leben.
Dann schoss Madelaine durch den Raum und erinnerte Bob daran, dass er nicht nur Ehemann, sondern auch Vater war. Madelaine –benannt nach Vanessas früh verstorbener Schwester -rannte die Treppe nach oben, schluchzte und warf die Tür zu.
„Wo kommt die überhaupt her? Es ist schon nach Zehn.“
„Sie war auf einer Party“, antwortete Rebecca.
Ach, Teenager. Jetzt musste er sich nicht nur mit infantilen Studenten und geistesgestörten Jugendfreunden sondern auch noch damit rumschlagen. Bob stemmte sich hoch.
„Lass nur“, sagte Rebecca. „Das ist Frauensache. Ich kümmere mich darum.“

 

Hallo Quinn!

Boah ist die Geschichte lang! Respekt an deine Ausdauer (und insgeheim auch in meine..) ;)

Die Geschichte liesst sich wirklich flüssig, hat ein bisschen voll allem drin (Humor, Spannung, "Horror"), dein Schreibstil gefällt mir wirklich gut..

Allerdings kapiere ich nicht ganz, was Rebecca für eine Rolle spielt.. Was soll dieser Totenkopf in der Toilette? Was Hat Rebeccas Mutter damit zu tun? Diesen Teil habe ich nicht verstanden, vielleicht aber werde ich es, sobald ich die Geschichte noch einmal durchlese..

Gruss

Mareo

 
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Mareo schrieb:
Hallo Quinn!

Boah ist die Geschichte lang!

Ja, sie ist furchtbar lang. Ich bin mir auch bewusst, dass ich die Leute, die es bis zum Ende schaffen, wahrscheinlich an einer Hand abzählen kann, deshalb vielen Dank, dass du dich durchgekämpft hast. :)

Die Geschichte liesst sich wirklich flüssig, hat ein bisschen voll allem drin (Humor, Spannung, "Horror"), dein Schreibstil gefällt mir wirklich gut..
Jau, ich hab mir auch Mühe gegeben; wenn sich schon einer durchkämpft, soll es ihm ja hinterher nicht leid tun.
Es hat mir auch sehr viel Spaß gemacht, die Geschichte zu schreiben.

Allerdings kapiere ich nicht ganz, was Rebecca für eine Rolle spielt.. Was soll dieser Totenkopf in der Toilette? Was Hat Rebeccas Mutter damit zu tun? Diesen Teil habe ich nicht verstanden, vielleicht aber werde ich es, sobald ich die Geschichte noch einmal durchlese..
Das wär nen arger Spoiler, wenn ich's jetzt schon so deutlich verraten würde (vor allem weil bei solchen Geschichten ja die Kommentare vor der Geschichte gelesen werden). Aber eigentlich ist alles im Text drin, so undurchschaubar ist es auch -jedenfalls aus meiner Warte- nicht. Ich dachte sogar an vielen Stellen, ob es nicht schon zu viel Informationen sind und die Geschichte zu durchschaubar wird (obwohl es ja keine eigentliche Pointengeschichte ist).
Aber wenn ich dich durch diese kleine Rätselraterei dazu veranlasse, das Epos noch ein zweites Mal zu lesen, grenzt das natürlich fast an seelische Grausamkeit.

Vielen Dank für deine Zeit, rechne ich dir hoch an, ist ja wirklich nen Haufen Zeug.
Quinn

 
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Hi Quinn


Vorab: Der Titel ist ... ist nicht wirklich ansprechend. Zudem ist der Biker ja nichtmal kopflos (nenn mich dämlich, aber erst in diesem Augenblick ist mir aufgefallen, welches Märchen du dir zur Brust genommen hast ... Schande über mich ... immerhin hab ich Sleepy Hollow an die fünf Mal mindestens gesehen und es wird ja nur circa tausend Mal in der Story erwähnt, weshalb der Titel jetzt natürlich zumindest was das Märchen angeht korrekt ist*g*), anfangs hat er den Kopf immerhin in der Hand.

In ihrer anderen Hand hielt die Gestalt einen Schädel.

Warum hat den Schädel Rebecca erst auf dem Abschlussball? Wer steuert den Reiter ... äh Biker denn jetzt? Oder ist er zufällig wieder aufgetaucht? Und wieso will Rebecca überhaupt Jungfrauen umbringen? Ich habe das Gefühl, irgendetwas überlesen zu haben, das diese Fragen beantwortet. Aber vielleicht auch nicht, da du ja öfter gern Dinge überspringst, die vielleicht nicht ganz unwichtig für die Story wären.

Vanessa schlief. Er rollte sie auf den Rücken, drückte ihre Schenkel leicht auseinander und legte sich auf sie.
Sie schlug ihre Augen auf und schrie.
Hier verstehe ich zB nicht, weshalb Vanessa schreit. Nur, weil der Typ, mit dem sie im fast vögelt, sie plötzlich ganz vögeln will? Wenn die aufwacht, ist da erstmal gar nix mit sofort schreien. Sie würd ihn runterschubsen, wenn er das nicht zuließe, würd sie ihn kratzen, beißen und dann schreien.
Oder steht der kopflose Biker hinter ihr? Eigentlich nicht, denn später, als Luke sie auf dem Abschlussball entjungfern will, kommt sie mir nicht so vor, als hätte sie erst wenige Tage zuvor einen Geist gesehen, der sie umbringen wollte. Wenn aber der Biker sie wirklich überrascht hätte, weshalb hat sie dann überlebt?
Und wenn er nicht da war, weshalb ist Luke plötzlich so von dem Kerl besessen? Nur, weil Ray ihm davon erzählt hat?
Hier konnte ich einfach nicht mehr folgen. Das hat dann auch den Lesespaß etwas beeinträchtigt. Ich hab jetzt den Großteil der Story nochmal überflogen, aber nirgends etwas neues entdecken können, das ich überlesen hätte. Da die Story auch noch eher klassischer Grusel ist, vorrangig Unterhaltung sozusagen, fände ich großes Rätselraten auch unpassend. Darauf stellt sich der Leser allein nach dem ersten Absatz nicht ein.
Wenn ich doch was überlesen hab, sorry. :)


Die Charakterisierung funktioniert größten Teils über den Schauplatz. Die amerikanische Highschool, Footballspieler und Cherleeder. Die Horror- und Teenie-Filme der 90er haben einiges dazu beigetragen, dass der Leser sich von selbst ein Bild malt. ;)
Trotzdem ... die Prots sind real, Bob ist als der Zweite-Geige-Typ dem Leser recht nahe. Rebecca allerdings ... sie macht gegen Ende einen ziemlichen Charakterumschwung mit. Auf dem Abschlussball ist sie so anhänglich, so mädchenhaft, so unterwürfig. Finde ich, wenn man bedenkt, was sie anhat, wie sie sich anfangs gibt, etwas unrealistisch. Ein paar Mal weniger an Bobs starke Arme drücken und dem Gganzen wäre Genüge getan.


Ach ja, gefallen hat mir die Story. Sie hat mich nicht vom Hocker gehauen, liegt aber daran, dass ich dieser Schicki-Micki-Kleinstadt-Atmosphäre nicht mehr viel abgewinnen kann. Aber routiniert geschrieben (allerdings einige Kommafehler, aber, sorry, ich war zu faul, um sie rauszukopieren. ;) ) und durchgehend spannend. Du musst dich für die Länge, die so lang ja nicht ist, nicht entschuldigen.


Liebe Grüße
Tamira

Ach ja: Wenn ein Kopf vom Torso ploppt ist das irgendwie unpassend für Horror. Die Story ist ja ernst. Davon gibts noch ein paar mehr im Text, die ich an deiner Stelle killen würde. Schwarzer Humor ist bei der dritten Person mE nicht angepasst.


Das Jungfrauen-Sprichtwort ist übrigens sehr makaber. *g*
Als ob es einen Unterschied machen würde, ob man eine Jungfrau oder eine Hure schändet. Nicht jede Jungfrau ist schließlich freiwillig Jungfrau und würde vielleicht nicht lieber das Leben einer Hure führen ... *laber*


Letztens: Passt ein Schädel überhaupt in einen Toiletten-Spülkasten? So groß sind die Dinger, zumindest bei uns, nicht.

 

Hey Tamira,
erstmal herzlichen Dank dafür, dass du dir die Zeit genommen hast.

Tamira Samir schrieb:
Vorab: Der Titel ist ... ist nicht wirklich ansprechend.
Ja, Sleepy-Hollow-Anspielung; bewusst ein wenig trashig.

Warum hat den Schädel Rebecca erst auf dem Abschlussball? Wer steuert den Reiter ... äh Biker denn jetzt? Oder ist er zufällig wieder aufgetaucht? Und wieso will Rebecca überhaupt Jungfrauen umbringen?
Den Schädel hat sie wohl die ganze Zeit und das Ding in der Hand ist kein richtiger Schädel, sondern so nen ... keine Ahnung irgendwas, im Orginal hat er nen Kürbis in der Hand. :) Einigen wir uns einfach drauf, dass es zwei Schädel gibt? :P
Okay, okay, das ist ein alaskagroßes Logikloch, ich geb's ja zu.

Hier verstehe ich zB nicht, weshalb Vanessa schreit.
Ganz ehrlich? Weil es nen guter Abschluss für das Kapitel war. Richtiger wäre wahrscheinlich wirklich schubsen, kratzen, beißen gewesen, aber ich fand es so einen schönen Schlußpunkt. Hab mir darüber aber auch nicht sonderlich den Kopf zerbrochen. Ich opfere hier aber auch mit nem Achselzucken die Logik für ne gute Pointe, das tun die entsprechenden Werke, die ich hier zitiere, ja auch. :)

Und wenn er nicht da war, weshalb ist Luke plötzlich so von dem Kerl besessen? Nur, weil Ray ihm davon erzählt hat?
Weil Luke von verdrängten Gewissensbissen geplagt wird -und na ja, Kens Selbstmord hat er ja live mitbekommen.
Die Gewissensbisse usw.:Das ist diese ganze "Indifferenz des Schicksals"-Geschichte. Ich dachte das hätte ich zum Ausdruck gebracht.

Da die Story auch noch eher klassischer Grusel ist, vorrangig Unterhaltung sozusagen, fände ich großes Rätselraten auch unpassend. Darauf stellt sich der Leser allein nach dem ersten Absatz nicht ein.
Mitdenken muss sein. Darauf besteh ich. :) Aber okay, ich hätte bei der Kopf-Geschichte auch besser nach denken sollen, geb ich ja zu.
Ach ja, warum Rebecca bzw. Rebecca und ihre Mutter ausgerechnet auf die Freundinnen der Vier losgehen und nicht auf sie selbst? Vielleicht war kein anderer Dämon frei oder sie dachten, dass der Tod zu gnädig für sie wäre.
Wenn ich das Ganze in einem klassischen Show-Down zwischen Rebecca und z.B. Luke hätte enden lassen, dann hätte man die Motive deutlicher klären können, aber ich hab mich ja für ne andere Schlußpointe entschieden.

Die Charakterisierung funktioniert größten Teils über den Schauplatz. Die amerikanische Highschool, Footballspieler und Cherleeder. Die Horror- und Teenie-Filme der 90er haben einiges dazu beigetragen, dass der Leser sich von selbst ein Bild malt. ;)
Ja, ist das toll, nicht? Man hat sofort die Szenerie vor Augen.

Trotzdem ... die Prots sind real, Bob ist als der Zweite-Geige-Typ dem Leser recht nahe.
Das war mir wichtig.

Rebecca allerdings ... sie macht gegen Ende einen ziemlichen Charakterumschwung mit. Auf dem Abschlussball ist sie so anhänglich, so mädchenhaft, so unterwürfig. Finde ich, wenn man bedenkt, was sie anhat, wie sie sich anfangs gibt, etwas unrealistisch. Ein paar Mal weniger an Bobs starke Arme drücken und dem Ganzen wäre Genüge getan.
Rebecca ja, das ist ja für den Leser ne black-box. Ich sehe den Einwand, aber sie wird ja größtenteils aus Bobs Sicht geschildert und die ist nicht gerade objektiv.

Ach ja, gefallen hat mir die Story. Sie hat mich nicht vom Hocker gehauen, liegt aber daran, dass ich dieser Schicki-Micki-Kleinstadt-Atmosphäre nicht mehr viel abgewinnen kann. Aber routiniert geschrieben (allerdings einige Kommafehler, aber, sorry, ich war zu faul, um sie rauszukopieren. ;) ) und durchgehend spannend. Du musst dich für die Länge, die so lang ja nicht ist, nicht entschuldigen.
Das ist doch das wichtigste. Und tschuldigung für die Kommafehler -für das Setting entschuldige ich mich nicht, dass musste ich einfach mal verwenden. :)

Ach ja: Wenn ein Kopf vom Torso ploppt ist das irgendwie unpassend für Horror. Die Story ist ja ernst.
Echt? Ich find sie gar nicht so ernst, sie war auch nicht so ernst gedacht, ich würde ja dieses Setting, diese Zitate und die ganzen Motive niemals in ner bierernsten Geschichte verwenden. Diese Teenie-Horrorfilme sind ja auch nicht vollkommen ernst. Ich hab bei The Faculty oder "Dich kriegen wir auch noch" z.B. eher gelacht, als mich gegruselt -oder gar nachgedacht.

Das Jungfrauen-Sprichtwort ist übrigens sehr makaber. *g*
Ja, so waren sie die alten Rittersleut.

Letztens: Passt ein Schädel überhaupt in einen Toiletten-Spülkasten? So groß sind die Dinger, zumindest bei uns, nicht.
Ach, wenn Michael Corleone da ne Wumme reinkriegt, dann wird da auch nen Schädel reinpassen. :)

Aber nochmal vielen Dank für die Kritik; du hast mit deinen Logik-Anmerkungen wirklich ins Schwarze getroffen, wenn man auf sowas achtet, ist das natürlich des Teufels

Gruß
Quinn

 
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Hey Dr. Quinn!

Erstmal Fehler und Anmerkungen, Kommentar kommt morgen!

Der Schlüpfersturm Hügel
Mit Bindestrich: Schlüpfersturm-Hügel
führte sie in seinen Schoß
Klingt schon sehr komisch: „Schoß“ und dann noch „IN“??
Ach komm schon, was soll ich denn noch machen?
Komma: Ach, komm...
Wenn es dir hier zu eng ist, dann können wir auch rausgehen. Vielleicht auf die Motorhaube, oder so.“
Miss Juni, dachte Ken.
:D
Komm schon rück den Quarterpounder raus.
Komma: Komm schon, rück...
Verdammte Schande was mit Ken passiert ist.
Komma: ...Schande, was mit...
Ich kenn das, ist nix schlimmes.
groß: Schlimmes
Bob stützte beide Pranken auf die Theke der Krankenhausrezeption ab.
entweder ohne „ab“ oder: „stützte beide Pranken auf DER Theke...ab“
der Typ, der ihre Gehaltsschecks unterschreibt!
groß: Ihre
Luke schätze es nicht, Aufzug zu fahren
schätzte
Man kann dich ja nirgendwo mithin nehmen
Äh, nein, so geht das nicht: „Man kann dich ja nirgendwohin mitnehmen“, muss das heißen.
Bob kratzte sich zwei Mal an der Nase
klein und zusammen: zweimal
Das war jetzt wirklich mehr als er vertragen konnte.
Komma: ...mehr, als er...
Du schläfst zwei, dreimal mit dem Dicken
zwei-, dreimal
Danke, aber danke Nein
Komma und klein: aber danke, nein
Dann kam sie. Rebecca. Ein schwarzer Schleier umwehte sie wie ein Trauerflor. Ihre Augen und Lippen waren schwarz gefärbt. Sie trug schwarze Samthandschuhe, aber ihre Fingerspitzen schauten daraus hervor. Natürlich waren auch die Nägel schwarz lackiert.
Eindeutig zu oft „schwarz“ und umständlich beschrieben.
in die entgegen gesetzte Richtung
zusammen: entgegengesetzt
und fischte ein Buch daraus hervor
warum nicht einfach: fischte eine Buch heraus?
Aber es war nicht sein
seins
Das er nicht lachte.
Dass
näselte etwas von guten Morgen und dunkle Tage, in die Literatur ein Licht werfen könne.
würd ich mit Anführungszeichen machen: näselte etwas von „guten Morgen“ und „dunklen Tage, in die ...könne“
Als wäre sie einem Victoria Secret Katalog für Bibliotherkarinnenmode entsprungen.
mit Bindestrichen: Victoria-Secret-Katalog, und: Bibliothekarinnen..
klopfte Bob zwei Mal auf die Schulter
zweimal
Es war zum aus der Haut fahren
mit Bindestrich und groß: zum Aus-der-Haut-Fahren
Tatsächlich sie war es.
Komma: Tatsächlich, sie...
das hier untergrab eindeutig seine Autorität und überhaupt
untergrub
er roch den Schweiß und Bratensoße
entweder: „Schweiß und Bratensoße“ oder „den Schweiß und die Bratensoße“
noch viel stärker war als in seine Vorstellungen
seinen
Oh, eine antiquierte, popkulturelle Anspielung. Wie soll ich angemessen darauf reagieren?
Würde Luke wirklich so etwas sagen (können)??
Seine Augen wurden zu kleinen See,
Seen
musterte ihn Rebecca mit hochgezogenem Brauen
hochgezogenen
Was symbolisiern die Haifische im alten Mann? Sie da.
symbolisieren; und Rufzeichen hinter „da“
Ich weiß es ist albern
Komma: Ich weiß, es...
Klassische Musik wummerte daraus in den Garten.
„hinaus“ statt „daraus“
Myrrhe und Weihrauch lagen in der Luft. Oder Zimt
Nein, das passt nicht, es kann nur der Duft davon in der Luft liegen.
Und dann stand er vor einer Theke, wo Bob mit einer unglaublich fetten, schwarzen Frau redete, die nur weiß in den Augen hatte und keine Pupillen.
Uiuiui, Sim wird schimpfen, „an der“ statt „wo“; groß: Weiß
Es klang als rasselten Ketten.
Komma: Es klang, als...
Sagen ihnen die Stichwörter
groß: Ihnen
Es war in den Sechsziger Jahren
Sechziger
Luke spürte wie er jeden Halt unter seinen Füßen verlor
Komma: ...spürte, wie...
Bob zog seine Hose zu recht
zusammen: zurecht
Das ganze hier roch nach Ärger.
groß: Ganze
Aber egal wie
Komma: Aber egal, wie
Das Ganze hier musste ein bisschen Express-mäßig ablaufen.
expressmäßig
Die Klimaanlage lief auch Hochtouren
auf
von unbestimmten Alter
unbestimmtem
Nicht das wir ihm das verübeln
Komma und falsches "das": Nicht, dass wir...
Fast hatte er geglaubt, ihr Botoxlächeln spränge ihr Gesicht
sprengte
Ja“, quetsche Luke zwischen seinen Zähnen heraus
quetschte; und „hervor“ statt „heraus“, oder?
Ihr Stiletto-Absatz bohrte sich in Lukes Span.
Spann
den Sultan des Swings
Swing
Lange Zeit waren sie vorm Schlafen gehen gekommen
zusammen: Schlafengehen
Luke stieg breitbeinig über Tammy und baute sich vor sie auf
vor ihr
Mister Witherfield, wenn sie nicht auf der Stelle aufhören, mich zu belästigen
groß: Sie
Ich weiß nicht bringen Sie Beruhigungszeug mit
Komma: ...nicht, bringen...
Meinst du er kann morgen spielen.“
Komma und Fragezeichen: Meinst du, kann....?

Alles Weitere morgen, muss noch eine Nacht drüber schlafen, heut hab ich zuviel Bier getrunken! ;)

Gruß
Andrea

 
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Hey Quinn!

1. Die Zeitkrümmung
Wo soll ich bloß anfangen? Ok, vielleicht mal bei der Zeitschiene: In den Sechziger Jahren passiert also diese Sache mit dem Entjungferungs-Wettbewerb. Da bereits gibt es diese Mutter, die mit den dunklen Kräften in Verbindung steht, und sie nutzen kann. Die eigentliche Geschichte spielt in der Jetztzeit (ich schließe das aus der Bemerkung über die Teeniefilme aus den 90ern), einige Jahre (ein langer Zeitraum kann es nicht sein, denn Luke geht noch zur Schule und war damals 13 oder vierzehn, also vielleicht fünf oder sechs Jahre) vorher ist diese Geschichte mit der Vergewaltigung passiert, an der Luke und die anderen drei offensichtlich beteiligt waren, und bei dem anscheinend, der Text legt es nahe, Rebeccas Schwester eines der oder das Opfer war. Und dann am Ende: Die Geschichte scheint sich zu wiederholen, Bobs und Rebeccas Tochter kommt weinend von einer Party heim: auch vergewaltigt? Die Geschichte hat also eine chronologische Abfolge, die sich jedoch am Ende zu einem Kreis krümmt.
Das Schicksal wird als etwas dargestellt, das sich außerhalb des zeitlichen oder geschichtlichen Ablaufs immer wieder wiederholt. Warum es möglich ist, dass Madeleine dem auch nicht entkommen kann, dem, was immer wieder in der gleichen Weise passiert, erklärt der Text nicht. Sie ist doch die Tochter und Enkelin dieser Schicksalsgöttinnen, dieser strafenden Hexen, die anscheinend außerhalb der Zeit stehen, zumindest die Mutter.

2. Vanessa und Tammy
Mir ist nicht ganz klar, warum Luke sich von Tammy so behandeln lässt? Irgendwie hat man als Leser die ganze Zeit das Gefühl, dass Tammy etwas weiß, womit sie ihn erpresst. Die Beziehung zwischen Tammy und Luke ist irgendwie nicht schlüssig, es ist mir nicht klar, warum du die eingebaut hast.
Ein weiteres Problem ist die Sache mit Vanessa. Bei folgender Stelle hab ich mir gedacht, dass die jetzt auch vergewaltigt wird.

Vanessa schlief. Er rollte sie auf den Rücken, drückte ihre Schenkel leicht auseinander und legte sich auf sie.
Sie schlug ihre Augen auf und schrie.
Als Leser dachte ich, dass es ein paar Absätze später mit der Vergewaltigung Vanessa weitergeht, die sich in Lukes Vorstellung mit der früheren vor ein paar Jahren mischt:
Sie schrie unter ihm. Das Gejohle der anderen. Ihr Gesicht ganz verzerrt. Wie eine Fratze. Die Hitze in ihm. Der Alkohol. Crawford mit seinen Rastalocken. Wie er lachte. Die Elfenbeinzähne, dieses Lachen.
Aber anscheinend doch nicht: Denn sie verschwindet dann ja auch, indem ihr die Seele von dem Biker geraubt wird. Sie muss also noch Jungfrau gewesen sein. Eine Unstimmigkeit oder Unklarheit.

3. Die dunklen Hexen
Rebecca und ihre Mutter sind die Verwalterinnen und Rächerinnen des immer gleichen Schicksals, das den Frauen auferlegt ist und dem diese offensichtlich nicht entkommen können. Das bedient ein Klischee, wonach Frauen die Herrinnen der Natur sind, während Männer die Herren der Geschichte sind. Die ganze Geschichte ist eine gekonnte Kollage von Zitaten von verschiedensten Filmgenres.
Aber sie ist, so denke ich, schon mehr. Nicht zuletzt geht es in der Geschichte ja auch um Reproduktion. Die Frauen, die sich ihrer Natur und Bestimmung verweigern, die also alles tun, um ja Jungfrau zu bleiben, werden durch die Vertreterinnen der dunklen Macht Natur, ausgelöscht. Nicht einfach nur getötet, sondern sie sind einfach gar nie dagewesen. Keiner erinnert sich ihrer mehr. Ist ja schon sehr eigenartig, dass die Mädchen betraft werden, und nicht die Burschen. Ok, die drehen auch durch oder sterben, aber, wenn man der Logik der Geschichte folgt, wäre weder ihnen noch ihren Mädchen etwas geschehen, wenn sie vorher diese gegen deren Willen gevögelt hätten: Eben weil die dann keine Jungfrauen mehr gewesen wären. Eigentlich eine ganz schön arge Botschaft der Geschichte! Alle Opfer werden deswegen zu Opfern, einfach weil sie nicht ihrem Trieb gefolgt sind.
In der Figur der Rebecca gibt es allerdings einen Bruch:

Warum – warum dachte sie jetzt, wo alles vorbei war, wo ein normales Leben beginnen konnte, warum dachte sie jetzt an Bob?
Konnte da der Erzähler nicht ertragen, dass Rebecca einfach ein berechnendes böses Miststück ist? Deswegen muss sie so etwas wie tiefere Gefühle für Bob haben? :D

Die Kreide kreischte, als er „Nemesis“ an die Tafel schrieb, hinter ihm lachten sie. Bob zog sich die Hose hoch. Er hasste Donnerstage.
„Nemesis. Was verbinden Sie mit dem Begriff?“
Einige Arme schossen nach oben.
„Und ich meine nicht den neuen Action-Film von The Rock, der nebenbei bemerkt langsam auch etwas in die Jahre kommt.“
Die Arme versanken.
„Das war mir klar. Meine Damen und Herren: Nemesis ist der personifizierte Gegenentwurf zu einem indifferenten Schicksal
:D :Pfeif: :sealed:

einen hab ich noch:

Sie schwang eine flammende Eisenkette über ihren Kopf.
ihrem Kopf

Ich denke, es ist eine sehr gelungene Geschichte. Sie hat Tempo, sie ist interessant, man kann sie ohne weiteres mehrere Male lesen, ohne dass es einem fad wird dabei. Und ich denke, das ist nicht das Schlechteste, was man von einer Geschichte sagen kann! :)

Gruß
Andrea

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Andrea,
hab mich sehr über deinen Kommentar gefreut, auch wenn ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte, was die Smiley-Flut bei der einen Stelle zu bedeuten hatte.

Andrea H. [B schrieb:
1. Die Zeitkrümmung[/B]
Und dann am Ende: Die Geschichte scheint sich zu wiederholen, Bobs und Rebeccas Tochter kommt weinend von einer Party heim: auch vergewaltigt? Die Geschichte hat also eine chronologische Abfolge, die sich jedoch am Ende zu einem Kreis krümmt.
[...]
Warum es möglich ist, dass Madeleine dem auch nicht entkommen kann, dem, was immer wieder in der gleichen Weise passiert, erklärt der Text nicht. Sie ist doch die Tochter und Enkelin dieser Schicksalsgöttinnen, dieser strafenden Hexen, die anscheinend außerhalb der Zeit stehen, zumindest die Mutter.
Viel primitiver: das ist einfach ein Ringschluss. Wie er in dem Genre üblich ist. Nach dem Motto: es ist noch nicht vorbei, es geht weiter.

2. Vanessa und Tammy
Die Beziehung zwischen Tammy und Luke ist irgendwie nicht schlüssig, es ist mir nicht klar, warum du die eingebaut hast.[/quote]
Weil ich das Cheerleader-Klischee wollte und die Szene mit "Hups, doch keine Jungfrau."
Warum sich Luke auf die einlässt? Ich weiß nicht, bestimmte Frauen können schon sehr überzeugend wirken, also ich weiß nicht, ob ich Tammy einen Wunsch abschlagen könnte. Luke braucht ja ohnehin wen, um auf den Ball zu gehen. Vielleicht hätte er sich unter normalen Umständen noch aus der Sache rausmanövriert, aber für ihn bricht ja dann alles recht schnell zusammen und Tammy überrumpelt ihn einfach.

Ein weiteres Problem ist die Sache mit Vanessa. Bei folgender Stelle hab ich mir gedacht, dass die jetzt auch vergewaltigt wird.
Nein, es bleibt bei dem Versuch. Das sind alles Sachen, die -da geb ich dir vollkommen recht- eigentlich genauer ausgeführt gehörten (wird dann nur später mal aufgegriffen, wenn Luke mit sich selbst spricht und die frigde Lehrerin erwähnt).
Normalerweise hätte ich noch einige Szenen mehr schreiben können, für das Verständnis vielleicht sogar schreiben müssen.
Aber du siehst ja, es liest jetzt ohnehin schon kaum einer.

Rebecca und ihre Mutter sind die Verwalterinnen und Rächerinnen des immer gleichen Schicksals, das den Frauen auferlegt ist und dem diese offensichtlich nicht entkommen können. Das bedient ein Klischee, wonach Frauen die Herrinnen der Natur sind, während Männer die Herren der Geschichte sind.
Ja, zum zweiten Teil. Zum ersten, öhm, sie sind die Rächerinnen ihrer Tochter bzw. Schwester und bedienen sich dazu des Reiters.

Die ganze Geschichte ist eine gekonnte Kollage von Zitaten von verschiedensten Filmgenres.
Ab und an hab ich auch mal ne eigene Idee, selten, aber kommt vor. :)

Aber sie ist, so denke ich, schon mehr. Nicht zuletzt geht es in der Geschichte ja auch um Reproduktion. Die Frauen, die sich ihrer Natur und Bestimmung verweigern, die also alles tun, um ja Jungfrau zu bleiben, werden durch die Vertreterinnen der dunklen Macht Natur, ausgelöscht.
Ich will dem nicht widersprechen, weil ich mich vor den Konsequenzen fürchte.

[..]wenn man der Logik der Geschichte folgt, wäre weder ihnen noch ihren Mädchen etwas geschehen, wenn sie vorher diese gegen deren Willen gevögelt hätten: Eben weil die dann keine Jungfrauen mehr gewesen wären. Eigentlich eine ganz schön arge Botschaft der Geschichte!
Ehm, das ist dieses umgekehrte Horrorfilmklischee (Jungfrauen überleben immer); wurde auch mal in nem Film derart verdreht, aber von dem hab ich circa vierhundert Mal den Vorspann gesehen, aber nie den Film selbst. So gut kann der also nicht gewesen sein.

Konnte da der Erzähler nicht ertragen, dass Rebecca einfach ein berechnendes böses Miststück ist? Deswegen muss sie so etwas wie tiefere Gefühle für Bob haben?
Ach, ich konnte das schon ertragen; ich musste das letzte Kapitel nur irgendwie vorbereiten. (Außerdem gönne ich Bob Rebecca von ganzem Herzen.)


Ich denke, es ist eine sehr gelungene Geschichte. Sie hat Tempo, sie ist interessant, man kann sie ohne weiteres mehrere Male lesen, ohne dass es einem fad wird dabei. Und ich denke, das ist nicht das Schlechteste, was man von einer Geschichte sagen kann! :)
Das ist sogar mit das Netteste, was ich je über eine von meinen Geschichten gelesen habe.

Nochmal vielen Dank -auch und gerade für die Fleißarbeit mit den Komma-Fehlern und dem Kram, wirklich furchtbar, was sich alles noch versteckt hat-, aber besonderen Dank für die interessanten Perspektiven auf die Geschichte.

Gruß
Quinn

 

Zerbrösel-Pistole schrieb:
eine lange Geschichte, eine Abwandlung hin zum Klischeeburner des Teenslaughterklassikerthemas. [...] Trash hin oder her, das ist Popcornliteratur im großen Stil.
Ah, ich fühle mich verstanden. So war's gedacht.


Stilistisch überzeugst du mich hier zwar nicht wie in deinen anderen (von mir kritikgespamten) Geschichten, aber du führst einen Plot, der trotz des ... altbackenen Themas wirklich komplex daherkommt - du spannst immerhin eine Geschichte über verschiedene Handlungsebenen und Zeiträume mit einer Vielzahl an Charakteren, von denen die meisten auch schön gezeichnet sind; nun, du führst diesen Plot gelungen und konsequent zu Ende, und das finde ich beachtlich.
Und nun fühle ich mich höchst gelobt, vielen Dank. Den Stil hab ich bewusst zurückgefahren, damit er der Handlung nicht ins Gehege kommt.

Footballjargon (?), schön authentisch, doch: Gut.
Jau, es ist halt die Frage wie man sowas macht. Also die einzelnen Begriffe zu erläutern oder zu übersetzen würde das ganze sehr seltsam machen. Ich bin mir bewusst, dass mit Begriffen wie "blitzen" oder "double coverage" nicht jeder Leser was anfangen kann, aber das muss man ja auch nicht unbedingt -natürlich hätte ich da auch deutsche Begriffe für nehmen können, aber Doppeldeckung und "Überzahlangriff" sind ziemlich unsexy in dem Zusammenhang. Im Wesentlichen ist die Kernaussage dieses Abschnitts ja auch nur: Ken nicht mehr da, Luke kriegt auf den Sack, alles mies. Und das bekommt man ja glaube ich mit. :)


Hier habe ich nicht verstanden, warum er die Schwester seines Kumpels nicht kennt - irgendwie komisch.:hmm:
Ray und Yor leben wohl schon seit längerem bei jeweils einem Elternteil und na ja, ich glaub auch nicht, dass sich Luke sehr für Rays Privatleben interessiert. Die beiden scheinen ja eher Probleme miteinander zu haben.


Hier eine kleine Anmerkung: Ab einem gewissen Punkt haben mich deine 'Das Ende des einen Absatzes definiert den Anfang des neuen' ein wenig ... nun ich will nicht sagen genervt; es ist sicher eine schöne Technik - trotzdem könntest du dir hier noch was einfallen lassen, um mehr zu variieren. In dieser Form nutzt sich der Effekt rasch und nachhaltig ab.
Ja, seh ich ein. Hab's übertrieben. Ich wollte vor allem das Kapitel, wo die drei ihre jeweiligen Damen abholen, dadurch verknüpfen und zusätzliche Spannung in diesen eigentlich eher faderen Abschnitt bringen. Mir gefällt der Effekt sehr gut, aber ich sehe ein, dass es nicht allen so geht (und es ist auch nicht immer gelungen, wie ich zugeben muss, an manchen Stellen (mit den Schritten usw.) ist der Übergang auch mit der Brechstange gebastelt.

Also Quinn, wie bereits gesagt: Mir hats gefallen. Ich steh auf Popcornkino, und das hast du (auch)drauf.
Jau, vielen Dank. Ich hatte beim Schreiben tatsächlich die Absicht, so ne durchgeknallte Buffy-Folge zu schreiben, also in der Stimmung. Natürlich schleichen sich dann relativ bald, wie bei jedem meiner Texte, bestimmte Muster mit ein usw., aber im Kern sollte das hier einfach Popcorn sein und richtig krachen. :)


Vielen Dank für deine Kritik, ich klopf die ganze Geschichte die Tage noch mal auf deine Anmerkungen ab

Gruß
Quinn

 

Das "kurz" bei der Kurzgeschichte ist abhanden gekommen... ein wenig klarer konstruieren hättest du es können, aber ... Lob!

 

Hallo Quinn,

eigentlich wollte ich "nur mal eben" eine kurze Geschichte lesen und schwupps, ist die ganze Mittagspause weg, jetzt kann ich nicht mal mehr eine rauchen...
Nun ja, aber immerhin spricht es schon mal für dich, dass ich nicht abgebrochen habe.
So, die Kommentare habe ich jetzt aber nicht mehr gelesen, also sorry falls ich etwas schreibe, dass andere schon erwähnt haben mögen.

Zuerst mal am Anfang wo du schreibst ( Sinngemäß...) er hat in der einen Hand die Kette in der anderen den Schädel und fährt dabei auf sie zu.
Ähm, das mag ja bei Sleepy Hollow funktionieren, aber bei einem Motorad stell ich mir das irgendwie schwierig vor mit dem Lenken. Aber mag sein, dass es trotzdem funktioniert ( aber man könnte ne gute Homor Story draus machen, wo er sich voll auf die Fresse legt und sich mit seiner glühenden Kette den Schritt versengt....okay, war ja nur so ne Idee...vergiss ess ;-) )

Ich glaube ich habe jetzt, während des Schreibens allmählich kapiert, dass Rebeas Schwester die Tote war, oder?
Aber was haben die Jungs damit zu tun?? Also sie sind ja gar nicht so "Charakter Schweine", jedenfalls kommt es nicht so rüber, sie warten ja alle brav bis sie endlich dürfen.
Und warum werden dann die Mädels enthauptet? Die haben ja gar nichts damit zu tun und sind ja eigentlich eher so wie Rebeccas Schwester einst war...
Und warum- zur Hölle- sind nach der Enthauptung die Körper und die Erinnerung an diese Verschwunden? Also das kapier ich mal echt nicht, aber vielleicht soll es ja so sein...spuky!

Wie auch immer, trotz High Scholl Klischee Szenerie hat sie sich gut und spannend gelesen!
Vom Stil her gibt es da nichts zu meckern, alle Beschreibungen finde ich sehr gut gelungen und vorstellbar.

Weitermachen!

Lg,
Sumpfkuh

(jetzt hab ich nicht mal mehr Zeit meine eigenen Geschichten Kommentar zu kommentieren. WEHE du liest meine nächste zehn Seiten Geschichte nicht!!!)

 

Hey Antti1,

freut mich, dass dir die Geschichte wohl gefallen hat. Die Struktur könnte klarer sein, ja, aber ich mag verschachtelte Perspektiven sehr gerne - normalerweise mag ich dazu auch noch verschachtelte Zeitebenen, aber dann wär's zu viel gewesen.

Danke für deinen Kommentar

Hey Sumpfkuh,

ist natürlich ein schönes Kompliment, wenn man den Leser zum Dranbleiben zwingt. Um deine Mittagspause tut es mir leid.

Das Bild mit dem freihändigen Motorrad - na ja, man hätte es aus Kens Sicht reflektieren können, also (wie lenkt er das Motorrad?), aber das hätte kaum zu seiner Situation gepasst. Es ist ja offensichtlich kein "richtiges" Motorrad, sondern Bestandteil dieser Erscheinung.

Den Rest hast du dir schon richtig zusammengetüftelt. Ich glaube auch nicht, dass die Jungs zum Zeitpunkt der Geschichte "Schweine" sind. Sie waren damals dreizehn, auf einer Party und was da genau vorgefallen ist, bleibt ja im Dunkeln. Aber das ist auch fünf Jahre her und man verändert sich -gerade nach so einem Erlebnis- wahrscheinlich nie wieder so stark wie von dreizehn bis achtzehn.

Warum er auf die Jungfrauen losgeht - Na ja, vielleicht war kein anderer Geist verfügbar und die Frauen wollten die Jungs so indirekt viel stärker bestrafen (ihnen auch das Liebste nehmen, was sie haben).
Warum sie sich auflösen, usw. das ist diese Fingerabdruck-Geschichte. Tut mir leid, dass ich da keine viel befriedigenderen Antworten geben kann. Dachte das wäre soweit im Text drin, wie es für das Verständnis nötig ist.

Dein Lob für den Stil und die Geschichte nehm ich gerne mit

Vielen Dank für die Kritik
Quinn

 

Ich hab diese Geschichte vor ein / zwei Wochen schon gelesen, war aber hier noch nicht angemeldet und gebe daher erst jetzt den Kommentar ab, den ich wirklich wichtig finde:

Die Story ist viel zu lang - du könntest sie ohne etwas zu streichen um mindestens 1/3 kürzen, wenn du nicht jedem Satz einen Absatz gönnen würdest. Bei der wörtlichen Rede bspw. trennst du sogar teilweise das, was jemand tut von dem, was der gleiche jemand sagt - so hatte ich manchmal Probleme herauszufinden wer denn nun was gesagt hat. Durch die wörtliche Rede kommt die Entertaste oft genug zum Einsatz, wenn ansonsten alles, was jeweils zusammengehört auch in einem Absatz stehen würde würde sich der Text wesentlich flüssiger lesen.

Viele Grüße,
Some

 

Hey Sometimes,

Sometimes schrieb:
Die Story ist viel zu lang - du könntest sie ohne etwas zu streichen um mindestens 1/3 kürzen, wenn du nicht jedem Satz einen Absatz gönnen würdest.
Die Textmenge bliebe dann aber doch die Gleiche. Sie würde nur weniger Platz auf dem Bildschirm einnehmen. Ich persönlich mag luftige Texte und mache bei Sinnabschnitten gerne einen Zeilenumbruch. Natürlich kann man sich dann immer fragen: Muss der nun dahin oder sind die beiden Teile noch eng genug zusammen, um in einem Absatz stehen zu können. Aber ehrlich gesagt, hab ich mir über die Formatierung nicht viele Gedanken gemacht. Interessanter Ansatz, könnte ich mal drüber nachdenken.

Vielen Dank für den Hinweis
Quinn

 

Die Textmenge bliebe dann aber doch die Gleiche.
Eben, das ist es ja. Ich bin auch ein Freund von luftigen Texten aber der Text ist nicht mehr luftig, er zieht sich. Ich habe mir deinen Text zum Lesen in OpenOffice direkt gekürzt, hätte ich den Text so lesen müssen wie er hier gepostet ist hätte ich ihn nicht gelesen.

Wenn du alles im Blocksatz ohne einen Absatz geschrieben hättest würde der Text den Leser erschlagen - trotzdem es die gleiche Textmenge bliebe. Die Formatierung macht einen nicht unwichtigen Teil eines Textes aus und sollte wohl bedacht eingesetzt werden.

Grüße,
Some

 

So, ich bin jetzt noch mal über die Formatierung drüber gegangen, und habe den Text "behutsam" verändert.
Man könnte ihn wohl tatsächlich um ein Drittel "kürzen" (also von der Textlänge her), das hab ich aber nicht übers Herz gebracht, weil ich die Zeilenwechsel auch als Rhythmuselement sehe, wobei man da wirklich trefflich drüber streiten kann, wo so ein Zeilenwechsel angebracht ist und wo nicht.
An den Stellen, wo es "dialogmäßig" sonst unklar wäre, wer spricht, habe ich aber auf jeden Fall gearbeitet.
War auf jeden Fall ein wertvoller Hinweis, sometimes. Vielen Dank noch mal.

Gruß
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich habe alles gelesen! Insgesamt gefällt mir deine "Kurzgeschichte".

Aber ich mag dich persönlich nicht :D

 

Uhm, danke für deinen Kommentar. Und schön, dass es dir "insgesamt" gefallen hat.

Gruß
Quinn

 

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