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Die letzte Kunst
"So, ihr Küken. Jetzt könnt ihr fast alles, was ihr zum Überleben braucht. Und es hat euch Spaß gemacht! Oder?"
"Ja, Herr Kommandant."
"Ich kann euch nicht hören, ihr Hohleier! Lauter! Es hat euch doch Spaß gemacht!"
"Jawoll, Herr Kommandant!"
"Geht doch!"
Gruul zauste an seinem Kopf herum, während er die in Reih und Glied dastehenden Kadetten abschritt. Plötzlich deutete er auf den schmächtigen Chuuhr und brüllte:
"Wie verhältst du dich in Gegenwart einer Dame, Chuuhr?!"
"Ich plustere mich auf, bocke zärtlich und vollführe die rituellen Tänze, Herr Kommandant."
"Gut. Gut. - Und wann machst du das, Kadett?!"
"Bei jeder sich bietenden Gelegenheit, Herr Kommandant."
"Schwachsinn! Dir ist wohl der Babyflaum ins Hirn gewachsen! Ab in den Bunker mit dir, Chuuhr! Die Eierschalen werde ich dir schon noch wegpecken, Kerl!"
Während der Kadett Richtung Bunker schlich, wandte sich Gruul an die anderen.
"Und? Wer kann es mir sagen?"
Kru trat zackig vor.
"Die beste Zeit ist, wenn der Frühlingswind die Federn bauscht, Herr Kommandant!"
Gruul nickte wohlwollend. "Richtig! Zurücktreten!"
Kru kam dem Befehl sofort nach, während Gruul wiederum an den Kadetten entlangtrippelte. Seine Stimme bekam einen bedeutungsvollen Klang.
"Dann wird es Zeit für die letzte Kunst. Auch dafür ist der laue Südwestwind am geeignetsten. Wisst ihr, wovon ich spreche?"
"Jawoll, Herr Kommandant!"
"Gut. Kru! Los, vorführen!"
Kru trat mit stolzgeschwellter Brust vor und überhörte geflissentlich das "Streber"-Gegurre seiner Kameraden. Er ging zum Sims, lauerte kurz, breitete seine Flügel aus und stieß sich ab. Kommandant Gruul beobachtete ihn genau. Nach einer Weile gluckste er missbilligend. Kurz darauf kehrte Kru sichtlich geknickt zurück. Auch die anderen Kadetten sahen betreten zu Boden.
"Was soll das gewesen sein, Kru?! Weicheier! Ihr müsst noch viel lernen! Was sind die Erfolgskomponenten?!"
"Zeitpunkt - Winkel - Aufwind - Druckpunkt!" riefen die Kadetten aus einer Kehle.
"Genau! Wenigstens hat euch das Eiweiß nicht komplett verblödet. Aufgepasst jetzt - seht und lernt!"
Daraufhin begab sich der alte Täuberich zum Sims, verharrte kurz, flog weg und landete auf einem Baum neben dem Parkweg. Den beobachtenden Kadetten schien es schon, als wäre Gruul dort eingeschlafen, doch plötzlich - als ein Mensch mit einem Koffer den Weg entlang geeilt kam - wurde der Kommandant hellwach. Er trippelte kurz auf seinem Ast hin und her, schnellte steil nach oben, glitt kurz am Wind und ... drückte ab. Ein weißer Klecks landete punktgenau in der Kopfmitte des Menschen, der daraufhin schreiend und fluchend gegen den Himmel gestikulierte. Gruul landete mit einem wissenden Lächeln bei seinen Kadetten und ließ ihr bewunderndes Gurren über sich ergehen. Als endlich wieder Ruhe eingekehrt war, brüllte er sogleich los:
"So geht das, ihr Küken! Und jetzt seid ihr dran! Ihr habt bis mittags Zeit zum Üben! Und ... ich erwarte mir maximale Erfolgsquoten! Weg mit euch! Sofort!"
Dann blickte er seinen Jungs nach, gurrte zufrieden und sagte sich:
"So. Jetzt hole ich noch den Kleinen aus dem Bunker. Er soll auch seinen Spaß haben. Es ist ja Frühling."