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Die letzte Nacht

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25.06.2008
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Die letzte Nacht

Er verließ die kühle Lobby des Hotels und trat auf die Straße. Die Luft war warm und feucht und am Himmel türmten sich dunkle Wolken mit hellgelben Lichtsäumen. Es würde bald dunkel sein und es würde bald regnen an diesem letzten Abend seiner Reise. Der Koffer war gepackt, die Hotelrechnung bezahlt. Sehr früh am nächsten Morgen würde er zum Flughafen fahren und dann, ja dann war der Urlaub zu Ende und der vertraut vertrackte Alltag würde wieder beginnen. Er hatte sich vorgenommen in diesen letzten Stunden noch etwas richtig Schönes zu machen, noch einmal gut Essen, über den belebten Boulevard flanieren, das letzte Bargeld ausgeben und dann früh ins Bett gehen.

Er ging zu dem Restaurant, an dem er schon ein paar Mal vorbeigekommen war und das einen guten Eindruck auf ihn gemacht hatte. Zu dieser frühen Abendstunde waren die Tische auf der Terrasse nur mäßig besetzt. Er suchte sich, wie er es gerne tat, einen Tisch am äußersten Rand, bestellte einen Aperitif und studierte ausgiebig und konzentriert die Speisekarte. Nachdem der Ober die Bestellung aufgenommen hatte, wandte er seine Aufmerksamkeit zunächst dem Geschehen auf der Straße, das ihn jedoch bald langweilte und dann den anderen Gästen zu. An einem Nebentisch saß eine ältere Frau mit einem jüngeren Mann, vermutlich ihrem Sohn. Sie redete pausenlos auf ihn ein, während er kaum etwas sagte und verbissen vor sich hin starrte. Etwas weiter entfernt verbreitete eine Touristengruppe beste Laune. Ihr Lachen und Wortfetzen in einer unbekannten Sprache drangen zu ihm. Die Personen an den anderen Tischen erschienen ihm uninteressant, bis auf eine junge Frau, die, genau wie er, etwas abseits im Schatten saß. Er sah sie ein paar Mal verstohlen an und auch sie sah wie zufällig zu ihm herüber, aber dass es kein Zufall war, merkte er schnell. Sie suchte den Augenkontakt mit ihm und lächelte ihn an und er lächelte schließlich zurück. So sahen sie sich eine Weile wechselseitig an, bis er, mutig geworden, per Zeichensprache fragte, ob sie noch etwas trinken wolle. Sie nickte und als er ihr dann, noch mutiger geworden, bedeutete an seinen Tisch zu kommen, kam sie dieser Aufforderung umgehend nach und setzte sich zu ihm.

Sie war wohl doch etwas älter als er sie zunächst eingeschätzt hatte und bei Licht störte ihn auch das viele Make-up, das sie aufgetragen hatte. Ihre Kleidung war zwar durchaus modisch, wirkte aber etwas abgetragen, wie aus einem Second-hand-Laden. Sie unterhielten sich und ihre Unterhaltung verlief ganz gut, wenn auch etwas stockend, weil seinem Französisch, der Lingua franca in diesem Land, die notwendige Übung fehlte. Ihm fiel auf, dass sie bei allen Themen, die sie ansprach routinierte, stereotype Floskeln benutzte und bei Themen, die er einbrachte und die ihr offensichtlich nicht vertraut waren, zurückhaltend und einsilbig reagierte. Sie wirkte wie jemand, der bestimmte Situation einstudiert hat und sich anscheinend sicher bewegt, der aber zu straucheln beginnt, sobald er das vertraute Terrain verlässt. Aber letztlich störte ihn das alles nicht, weil sie charmant und liebenswürdig und durchaus attraktiv war. Als sein Essen kam, hatte er den kurzen, sehnsüchtigen Blick auf seinen Teller sofort bemerkt und als er sie fragte, ob sie auch etwas wolle, sagte sie sofort ja.

Nachdem er bezahlt hatte und sein Bargeld nun schon fast aufgebraucht war, fragte sie ihn unvermittelt, ob er sie nach hause bringen könne. Mit dem Taxi sei es nicht weit und auch nicht teuer und der Taxifahrer würde warten und ihn dann zum Hotel zurück bringen. Mit dem Bus dagegen sei es eine Weltreise und außerdem würde um diese Zeit kaum noch einer fahren. Sie habe eine eigene kleine Wohnung und könne ihm ja bei sich noch einen Kaffee servieren. Er glaubte, aus ihren Worten herauszuhören, dass sie mehr meinte, als nur Kaffee trinken. Nach einigem Zögern, weil er fürchtete, dass sein Bargeld für das Taxi nicht reichen würde und weil er annahm, dass er anschließend auch ihr noch etwas geben müsse und weil er der Abend eigentlich anders geplant war, stimmte er zu. Die ungewöhnliche Situation reizte ihn genauso wie diese Frau und die Aussicht auf ein Abenteuer zum Abschluss der Reise. Er merkte an ihrer Reaktion, wie erleichtert sie war und sie sagte ihm, dass sie dankbar sie sei und dass er wirklich „un grand chéri“ sei.

Als sie dem Taxifahrer die Adresse nannte, schien dieser nicht so recht zu wollen. Sie redete auf ihn ein und sagte dann, dass er die Fahrt im Voraus bezahlen müsse, wegen des Wartens. Das Geld reichte gerade noch. Als er es dem Taxifahrer gab, schaute dieser ihn etwas merkwürdig an, fuhr aber dann los. War es so ungewöhnlich, dass ein Fremder mit einer einheimischen Frau im Taxi fuhr? Oder lag es an dem Ziel, das sie ihm genannt hatte? Sie verließen das Zentrum und je weiter sie in die Vororte kamen, um so eintöniger und schäbiger wurden die Häuser. Die Fahrt kam ihm sehr lang vor und er hatte keine Ahnung, wo sie waren und in welche Richtung sie fuhren. Schließlich ging die Straße in einen unbefestigten Feldweg über, an dem triste, dunkle Wohnblocks standen. Er wunderte sich, in welcher Gegend diese Frau, die sich so kultiviert und weltläufig gab, wohnte. Aber was kannte er schon von diesem Land und seinen Menschen?

Während der Fahrt hatte es heftig zu regnen begonnen und der Feldweg war eine schmierige Matschbahn. Vor einem der Wohnblocks hielt das Taxi und beide stiegen aus. Und obwohl er dem Fahrer nochmals ausdrücklich gesagt hatte, er solle warten, startete der Wagen zu seinem großen Ärger kaum dass die Türen geschlossen waren, wendete und fuhr die Straße zurück. Die Frau meinte noch, er würde weiter vorne warten, dort wo ein paar Straßenlampen trübes Licht verbreiteten, er solle aber jetzt kommen, sonst würden sie noch völlig nass werden, dabei hakte sie sich bei ihm ein und zog ihn auf den Hauseingang zu. Sie summte zufrieden vor sich hin und kramte in ihrer Handtasche nach dem Haustürschlüssel. Er schaute noch einmal die Straße hinab, aber das Taxi hatte nicht gehalten.

Dir Frau öffnete die Tür, trat in den dunklen Flur und er folgte ihr. Sie schimpfte, weil das Flurlicht schon wieder kaputt sei und wollte gerade ihre Wohnungstür öffnen, als diese heftig aufgestoßen wurde. In dem hellen Licht des Türrahmens sah er zwei Männer, die in den Flur traten. Die Frau schrie überrascht auf, wich zurück und umklammerte seinen Arm. Einer der Männer packte sie und schrie laut und böse auf sie ein. Sie schrie zurück und begann zu heulen. Dann wurde sie in die Wohnung gezerrt und die Tür zugeschlagen. Nun war er war mit dem zweiten Mann allein, den er nicht sehen, dafür um so besser hören und fühlen konnte. Er verstand nur einige Bruchstücke, aber genug, um zu begreifen, dass der Mann ihr Bruder war und wissen wollte, was er mit seiner Schwester schon angestellt habe und was er noch vorhatte, nachts, allein mit ihr in der Wohnung. Der Mann gab auch gleich die Antwort, es sei ja wohl klar, was er gewollt habe, er sei ein Vergewaltiger, ein blöder fickender Tourist, ein Arschloch, ein Schwein, eine Ratte. Bevor er etwas sagen konnte, bekam er heftige Schläge auf die Brust, in den Magen und in den Bauch. Dann öffnete der Schläger die Haustür, zerrte ihn auf die Straße. Ein Tritt in die Kniekehle und ein Fausthieb ins Gesicht, ließen ihn straucheln. Seine Brille fiel auf die Straße, er hörte, wie sie knirschend unter der Schuhsohle zerbrach. Ein kräftiger Hieb in den Magen beförderte ihn schließlich in den Matsch der Straße. Als er da lag und sich vor Schmerzen krümmte, beugte sich der Wütende über ihn, durchsuchte seine Taschen und steckte ein, was er fand, zwar kaum Bargeld, aber die Kreditkarte, den Pass, das Flugticket und die teure Armbanduhr. Bevor er sich mit einem letzten Fußtritt verabschiedete und wieder in das Haus ging, sagte er noch, er solle verschwinden und sich hier ja nicht mehr sehen lassen und wenn er zur Polizei ginge, würde er ihn umbringen. Als er allein war, heulte er vor Wut, vor Scham und vor Schmerz. Dann stand er mühsam auf und ging, nach vorne gekrümmt, in die regenvolle Nacht, einem unbekannten Ziel entgegen.

 

Tja, das ist wohl ein typischer yupag. Protagonisten ohne Namen (daraus folgend: wild durcheinander gewirbelte Bezüge), die an anonymen Orten durch die Gegend stolpern. Viel Text um Nebensächlichkeiten; ausufernde Langeweile; fehlende Spannung. Am Ende noch 'n bisschen was, das die Wahl der Rubrik rechtfertigt.
Mir hat's nicht gefallen.
Aber Kritik interessiert dich ja offenkundig ohnehin nicht.

Bin schon wieder weg.
Chris

 

So ganz stimmt das nicht, dass mich Kritik nicht interessieren würde. Aber ich sehe nicht ein, dass ich meinen Stil deswegen ändern sollte. Manchmal muss man eben etwas nachdenken beim lesen und ob man nun eine Geschichte gut oder schlecht findet, das ist ein weites Feld. Jedenfalls Danke für den Kommentar. Gruß yupag

 
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Hallo yupag,

mir ist bei deinem Text aufgefallen, dass die Sätze zwar sehr lang sind, aber dennoch einfach und nicht verschachtelt. Dennoch ist der Text nicht füssig genug, da höchstwahrscheinlich der Wortschatz des Textes zu gering ist (damit ist nicht die Anzahl der Wörter gemeint, sondern die Wahl der Wörter). "Schreiben ist leicht man muss nur die falschen Wörter weglassen" von Mark Twain
In dem Text kommen die Protaginisten wenig zur Sprache bzw. die Figuren handeln zu wenig bis gar nicht. Ich bzw. der Leser kann sich mit keiner der Figuren identifizieren. Charakterzüge der Figuren lässt der Text kaum erkennen.
Der Text macht den Eindruck als gäbe es keine Figuren bzw. keinen Erzähler, sondern nur Regieanweisungen. Die Spannung geht dadurch verloren und eine fehlende Handlung ist offensichtlich.

Meine Meinung gilt nur dem Text.

Dennoch finde ich die Idee (die Geschichte an sich), die dahinter steckt gut. Du könntest aus dieser Idee viel mehr machen - viel Spaß beim Schreiben.

Gruß
Argus

 

Danke Argus für deine konstruktive Kritik. Ich versuche ganz bewußt einen sachllichen, emotionslosen Stil, aber interessant sollte es natürlich schon sein. Ich werde mal über deine Anregungen nachdenken.
Gruß yupag

 
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Hallo yupag,
mich würde mal interessieren, in welchem französischsprachigen Land die Geschichte spielt.
Zuerst dachte ich, er wird von einer raffinierten Trickbetrügerin in ein Elendsviertel gelotst und wird dann beklaut oder abgezockt. Die Wendung zum Schluss mit den aggressiven Bruder(n) fand ich gut, denn er war nicht so klischeehaft.

Gruß
Leia4e

 

An sich spielen meine Geschichten eher in fiktiven Ländern. Angeregt zu dieser Geschichte wurde ich bei einer Fahrt durch Marokko. Gruß yupag

 

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