Die lila Blume
... Ich stehe vor einem riesigen braunen Berg und kann mich nicht bewegen. Ich schaue nach oben und bin fasziniert von der wundersamen Blume, ganz weit oben am Gipfel. Sie funkelt so wunderschön lila, obwohl alles um mich herum schneeweiß bedeckt ist. Schön und doch zugleich etwas unheimlich, da alles so gigantisch um mich herum scheint. Eine kleinste Schneeflocke liegt neben mir, doch klein ist sie nicht, sie ist um das tausend Fache so groß wie ich und ich möchte gar nicht wagen den Berg mit dieser zu vergleichen, da dieser dann unvorstellbar zu sein scheint. Ich stehe dort und bin platt und fasziniert von meiner Umwelt, will am liebsten vor Freude schreien, weil ich es endlich geschafft habe. Doch dann bemerke ich, dass noch etwas in mir schlummert. Ein Wunsch nach oben zu gelangen. Diesen will ich stillen und begebe mich auf den Weg zum Gipfel. Die langen dürren Wände des merkwürdigen Berges verstricken sich in tausend braune Irrpfade. Ich versuche immer die blaue Blüte im Auge zu behalten und wandere Stück für Stück über die glatten Flächen. Es ist alles so uneben, überall finde ich kleine Schluchten, über die ich mich hinweg angeln muss. Seltsam, doch ich habe eine Kraft in mir, die mich stets vorwärts treibt, sie sagt mir, dass es sich lohnt, an die Spitze zu gelangen. Der Wind bläst so stark, dass ich mich kaum auf den Füßen halten kann. Ich ducke mich oft und suche halt am Boden, damit ich nicht in den tiefen Abgrund falle und sterbe. Sterben? Doch plötzlich kommt zu dieser unvorstellbaren Angst etwas Grausigeres hinzu: eine riesige, ja gigantische Schneeflocke beweckt sich vom Himmel her auf mich zu. Sie droht mich zu erdrücken, da ich so klein und unbedeutend auf diesem kleinen Weg bin. Doch da kommt sie wieder, diese innere Kraft, dieser innere Wunsch, nach oben zu gelangen. Ich entschließe mich weiter zu gehen, weiter auf meinem Pfad, um so meine lila Blume zu erreichen. Ich springe über felsenartige Gebilde, hangle mich über die Schluchten und renne und renne, die Flocke stets im Visier. Das Lila kommt immer und immer näher, ich sehe es. Ich fühle es. Die Flocke verschwindet hinter mir. Und plötzlich fange ich das Lila ein; mit meinem Herzen.
Mein Blick löst sich langsam von der einzigen lila Blüte des Buschs, draußen vor meinem Fenster und ich widme mich wieder meinen Hausaufgaben.