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Die Melodie der Birke

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11.01.2021
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Die Melodie der Birke

Die Melodie der Birke gemischt mit Motorengeräuschen, die jeden noch so schönen Gedanken auf Asphalt zurückholten. Das war sie, die Komposition, die ihn an diesem trüben Tag begleitete. Und es blieb eine ganze Weile die Frage offen, zu was für einer Art Maniküre der Gesellschaft er das nun wieder umsetzen sollte. Die Salbung der Intelligenzia, das Belanglose als Ablenkung der eigenen Geschmacklosigkeit...das war seine Aufgabe. Er war freischaffender Autor und schrieb Kolumnen für eine Zeitschrift, die seiner Meinung nach einzig und allein dazu taugte, seinen Lohn zu rechtfertigen. Die pervertierte Vokabel Kunst hinterliess mittlerweile einen bitteren Nachgeschmack, lag unangenehm zwischen den Zeilen, ähnelte einer alternden Hure, die man gerne verehrte, aber niemals liebte.


Er empfand oberflächliche Beleidigung, wenn man ihm die Kunst zusprach, ihn gar für seine Kreativität lobte. Ein Fluch verbarg sich hinter jeder Wahrnehmung, jede vom Publikum geliebte Abstraktion, jede Ode an das Leben, jeder grausame Blick auf das Unausweichliche und sei dies nur, der geheuchelte Gruss des Nachbarn. Alles passierte ohne Absicht.


Heute war einer dieser geschmacklosen Tage, an dem man zu keiner Zeit erwachte, an dem alle Menschen gleich waren und einem schon das Atmen schwer fiel. Der Kaffee schmeckte ihm nicht und diente lediglich zur Dekoration, ein Attribut der Konformität, die dennoch nur als Wort in seinem Kopf existierte. Auf der Brücke hielt er an, schaute ins Wasser und dachte einen Moment darüber nach, wie dies aussehen mochte... mit seinem stilvollen Mantel, dessen Ärmel verschlissen waren und den teuren Lederschuhen, deren Kappen von seiner uneleganten Art des Gehens zeugten. Das Wasser umspülte die grossen Steine der Brücke und erzeugte dieses Geräusch, das man aus der Kindheit kannte. In solchen Momenten erschienen manchmal Erinnerungen die sofort wieder verblassten, sobald er begann nach ihnen zu greifen. Eigentlich waren es genau jene Motive, die er am meisten begehrte. Sie waren die Herausforderung, das nicht zurückeroberte Land, das man irgendwann verlassen musste. Wahrhaft sinnvoll erschien ihm in diesem Moment mal wieder nur, etwas Erahntes zu erkennen, begleitet von der Hoffnung die derzeitige Misslage des Empfindens dadurch nachvollziehbar werden zu lassen. Doch sprach viel mehr dafür, dass es ein selbst erdachter Trick war, um sich der Integration zu entziehen.


Er sah noch eine kurze Weile dem Spiel des Wassers zu, bemitleidete sich aufrichtig und setzte seinen Weg fort. Bei den Steinstufen links der Brücke entlang, schlich er wie ein alter Mann hinunter. Unter der Brücke staute sich der unangenehme Geruch modriger Luft des Quartiers eines Obdachlosen. Das prinzipielle Bedauern solcher Schicksale war ihm zuwider. Er empfand Abneigung und dieses Gefühl bereitete ihm in gewisser Weise ein Wohlempfinden. Die Falschheit des gesellschaftlichen Mitleids wurde über die Jahre hinweg zur Todsünde.


Er hielt die Luft an und eilte an dem verwahrlosten Mann vorbei, machte einen grossen Schritt über eine Lache und kam auf einen Pfad in Ufernähe. Versonnen ging er dem Gedanken an die wehende Birke nach, die sich täglich vor seinem Balkon einen Einblick in die Welt der Menschen verschaffte. Diese feingliedrige Dame mit ihrem goldenen Laub war ihm all morgendlich eine Freude. In ihren leisen Melodien fand er Trost. Oft keimte der Gedanke einer überstürzten Flucht in ihm auf und am Ende blieb die beruhigende Feststellung, dass dieses rauschende Bäumchen das Einzige war, dem er zärtlich nachtrauern würde.


Akut bedauerte er, dass er den Fluchtgedanken nicht Realität hat werden lassen. Während eine andere Realität ihn einholte, versuchte er noch krampfhaft den Gedanken an die Birke festzuhalten. Doch die Eindringlichkeit seiner sogenannten Mitmenschen machten jede Träumerei zunichte...mehr und mehr wurden es, bei ihrem immer gleichen Marathon um Geld und Anerkennung, gegen die Zeit und für ein glückliches Ende. So platt fand er sich in seinen Ausführungen, dass er beschämt einige Passanten anlächelte, sozusagen als Wiedergutmachung für seine pauschale Verachtung. Eine Schönheitskönigin lächelte zurück, aufdringlich, mit herbstrotem Mund und einem Duft von schwerer Süsse, der als Band an ihm vorbeizog.

Veteranenfriedhof. Kleine, kaum betretene Wege, gesäumt von gleichen Steintafeln, welche ihm so neutral erschienen, dass er für den Moment dieser Abkürzung an nichts konkret dachte. Stimmungsabhängig ergab es sich manchmal, dass er seine Finger im Vorrübergehen auf die eine oder andere Tafel legte und über die schroffen Kanten glitt. Besonders gerne an solchen Tagen, an denen sich der Nebel auf alles niederlegte, sich zwischen den Unebenheiten der Steine sammelte, bis ein Tropfen zur Erde rann. Oder eben an seiner Haut haften blieb.


Als Kind hielt er an solchen Tagen auf dem Schulweg durch den Park oft an, und wenn er sicher war, dass er nicht gesehen wurde, liess er die Wassertropfen, die sich an den Spitzen der herzförmigen Lindenblätter gebildet hatten, auf seine Zunge laufen. Das war der Zaubertrank, der ihn vor dem bevorstehenden Übel schützen würde, hoffte er und war jetzt beim Erinnern selbst ein wenig von seiner Naivität peinlich berührt. Sein letzter Schritt auf dem Friedhof traf eine übrig gebliebene welke Herbstzeitlose, die er unter seinem Schuh zerrieb. Sie blieb an ihm haften, wie zuvor das Parfum und der Nebel.


In nicht allzu weiter Entfernung sah er den messingfarbenen Griff des Bürogebäudes leuchten. An grauen Tagen war das Leuchten ein anderes als in vollem Sonnenschein. Er musste noch eine schmale Strasse überqueren, um zwischen den parkenden Autos hindurch auf den Gehweg zu gelangen, der zu seinem Büro führte. Als er seine Hand auf die abgegriffene kalte Klinke legte, galt es wie jeden Morgen, die Option zu bedenken einfach umzukehren. Und wie immer war der Automatismus schneller und damit entscheidend. Wieviele Menschen waren es wohl allein nur in diesem Viertel gewesen, die täglich um die gleiche Zeit geneigt waren nicht zur Arbeit zu erscheinen? Da ihm jedoch spontan keine praktikable Alternative einfiel, die ihm den gleichen Halt gegeben hätte, war ihm die Wahl dieser scheinbar wertlosen Tätigkeit nur recht.


Auf dem gefliesten Boden hallten seine Schritte unverschämt laut, dafür, dass er am Liebsten unerkannt sein wollte. Beim Öffnen der schweren Glastür in der ersten Etage schlug ihm warme, abgestandene Luft entgegen. Eine Geruch von Kaffee und Handcreme begleitete die Stimmung allgemeiner Lustlosigkeit, die diesen Raum erfüllte. Mit Einbildung alleine lies sich das alles nicht mehr erklären. Jeder einzelne trug dazu bei, dass man schon beim Passieren der Tür am Liebsten Umkehren wollte. Sie hassten ihn für den Titel des kreativen Kopfes und er wusste zu gut, wie berechtigt die Missbilligung war. Wenn auch nicht bis ins Detail nachvollzogen, so wussten sie ganz genau um sein Unvermögen und um die Lüge, die seine Arbeit ermöglichte.


Er zog seinen abgetragenen schönen Mantel aus, stopfte den Schal in einen Ärmel und hing alles an einen Haken an die Garderobe, die unbewacht war und mit dem Hinweis versehen worden ist, dass beim Abhandenkommen seiner Kleidung die Firma in keiner Weise haften würde. Darin lag wohl auch die einzige realistische Chance für ihn irgendwann an neue Kleidung zu gelangen. Er vermied es konsequent ein Bekleidungsgeschäft zu betreten, solange dies nicht absolut notwendig erschien, wie etwa durch Diebstahl seines Mantels. Früher hatte ihn Anna begleitet und beratend zur Seite gestanden.


Anna, der Nachklang beim Flüstern ihres Namnes machte es ihm unmöglich solche Wege nun alleine zu gehen.


Carole sah ihn missbilligend an, grüsste dennoch freundlich und drückte ihm eine Mappe in die rechte Hand. “Ahmed” war alles, was sie dazu sagte. Ahmed war sein Vorgesetzter, klein, rundlich, untersetzte Figur. Dieser Mann besass eine unglaubliche Ausstrahlung, man liess ihn bedenkenlos in den persönlichen Sicherheitsabstand und dennoch,galt es, ihm auf keinen Fall etwas Privates anzuvertrauen. Jederzeit rechnete man damit, dass er sich als Drahtzieher entpuppte und alles gegen einen in der Hand hielt, womit man erpressbar wurde.


In der Mappe befand sich eine Sammlung zusammenhangsloser Informationen zu verschiedensten Themen. Insgesamt alles den kulturellen Teil des sogenannten geselllschaftlichen Lebens betreffend. Nach all den Jahren der Zusammenarbeit wusste er, was Ahmed von ihm wollte, er kannte die gefragten Schwerpunkte. Die Sammlung sollte ihn inspirieren und tatsächlich hatte Ahmed einen unverkennbar guten Blick für die Talente seiner Autoren, sodass er sie scheinbar mühelos zu ihren eigenen Erfolgen lenken konnte, die im Endeffekt seiner eigenen Reputation dienten.


Dennoch widmete er sich thematisch zunächst einmal seiner Birke. Er hatte das Gefühl ihr diese Widmung schuldig zu sein. Auf den weichen Drehstuhl gesetzt, warf er endlich den kalten Kaffeebecher mit einem Hoch auf die Umweltbelastung in den schwarzen Mülleimer, der sich in dem Gang neben seinem Schreibtisch befand und der offensichtlich letzten Abend von der Putzfrau nicht geleert worden ist. Das machte ihn kurz stutzig, da es sich ausserhalb des normalen Ablaufs befand. Vielleicht war sie krank. Überhaupt schien in letzter Zeit so vieles anders. Bishin zu den sonst so grausamen Grüssen der Nachbarn, die neuerdings scheu und zurückhaltend waren. Wo sie doch sonst ihrer dümmlichen Überheblichkeit immerwieder gerne Ausdruck verliehen, waren sie seit geraumer Zeit erstaunlich still. Aber auch dieser Umstand wich nun dem Gedanken an diesen kleinen Wunderbaum vor seinem Fenster. Es war Anna, die sich vor drei Jahren für die Wohnung entschied, weil es ihr so gut gefiel ein Stück wehendes Geäst vorzufinden, wenn sie sich morgends zum Rauchen auf den Balkon setzte. Es erinnerte sie an ihr Kinderzimmer und gab ihr eine kleine Pause in dieser unruhigen, heimatlosen Stadt. So konnte sie den Jahreszeitenwandel unabhängig der Menschen beobachten, denn war ihr so oft ein Baum lieber, als der Mensch als allgemein.


Anna, der Nachklang beim Flüstern ihres Namens machte es unmöglich weiterhin ignorant am Leben teilzunehmen.


Die plötzliche Trauer verunsicherte ihn und er öffnete doch erst einmal die Mappe. Als erstes rutschte eine Anzeige zur anstehenden Ausstellungseröffnung der Sepulkralkultur heraus, organisiert vom Museum zur Kriminalgeschichte. Heissbegehrtes Thema, was dennoch bei den meisten Unwohlsein auslöste. Über die Jahre hatte er die Vorlieben der Menschen hier kennengelernt. Abgründe durften nur oberflächlich Eindrücke hinterlassen, sodass kein dauerhaftes Unwohlsein ausgelöst wurde. Man sollte sich in netter repräsentativer Runde Bildung vorweisen können und vor allem mit der kritischen Anteilnahme den spektakulären Beweis der eigenen Infragestellung darlegen. Das war sein Job, er war der Coach der Chamäleons, die gefüttert werden wollten. Er sollte verstandgerechte Happen Kultur verteilen und weil die anderen zu träge waren selbst zu interpretieren, lieh er ihnen seinen Charakter, obgleich dieser ebenfalls inszeniert war. Da er selbst sich jedoch nicht anders empfand, spielte es keine Rolle. Wieviele KZ-Wächter waren sich ebenfalls ihrer Schuld wirklich nicht bewusst, sie hätten nur Befehle ausgeführt...


Als nächstes fielen ihm die Fotos der Premiere “der Verurteilte” in die Hände. Eine vom Expressionismus beeinflusste Choreografie des städtischen Tanzensembles, dass vielerseits
unterschätzt wurde. Er hatte bereits mehrere Aufführungen in den letzten Jahren besucht. Mittlerweile blieben solche Unternehmungen aus, er fühlte sich zu sehr durch das Publikum gestört. Das letzte mal, als er ausging, war zu Annas Geburtstag. Sie hatte eine Einladung zu einer Perfomance einer ortsansässigen umstrittenen Künstlertruppe erhalten. Die Akteure schmückten sich mit Protestaktionen bevorzugt zum isrealisch-palestinensischen Konflikt. Dem plakativen plumpen Stil entsprechend wurden die sonstigen üblichen Themen gleich mit abgehandelt...Frauenrechte, Kapitalismuskritik, eben all die zeitlosen Hits, die einem garantiert immer ein paar fans brachten. Er hatte sich oft mit ihr darüber gestritten, nicht ernsthaft, aber als Garant für eine ausgeglichene Beziehung. Selten ist es schlimmer geworden, ihre Verzweiflung traf ihn, aber er vermochte nicht, ihr den Gefallen zu tun das zu leisten, was sie selbst sich erkämpfen musste. Obgleich er wusste, dass sie ihm dann Herzlosigkeit vorwarf.


Anna, der Nachklang beim Flüstern ihres Namens machte jeden weiteren Tanz unmöglich.


Die Themenzusammenstellung der Mappe bereitete ihm plötzlich Unwohlsein. Er spürte aufkommende Übelkeit und beschloss ein paar Schritte zu gehen. Der erste Moment, nach acht Jahren mehr oder minder erfolgreicher Tätigkeit, wo Ahmeds Wahl in ihm Zweifel aufkommen liess. Sie wirkte ungewohnt, mit einer persönlichen Note, die wie ein insistierender Blick wirkte. Der Weg zur Toilette führte an Marcels Schreibtisch vorbei, sodass ein Wortwechsel unvermeidbar war. In der Regel ging es um die übliche Normalität, Familie, Hobbies, Wochenende...hast du gehört, dass...wie war es...wann...wo...sehr selten auch mal ein warum. Während er mit sich selbst bereits Wetten über die kommende Themenwahl schloss, bemerkte er, wie Marcel ihn bereits beobachtete. Eigenartig daran war, dass er es zu verstecken versuchte. Und entsprechernd der allgemeinen Stimmung, die gerade herrschte, bewies Marcel eine ungewohnte Zurückhaltung beim Abhandeln der gängigen Konversation. Ein wenig unbeholfen stellte er am Ende die Frage nach Annas Befinden.


Anna, der Nachklang beim Flüstern ihres Namens machte eine Antwort unmöglich.


Die Frage machte ihn so perplex, dass ihm die Stimme versagte. Er setzte seinen Weg fort und schloss sich ein. Dreimal übergab er sich, bis nichts mehr kam und er sich entkräftigt und angeekelt auf den Deckel setzte. Er hoffte, dass man ihn nicht gehört hatte und wischte sich mit einem Taschentuch die Mundwinkel trocken. Er steckte es wie gewohnt in seinen Ärmel und öffnete vorsichtig die Tür, um mit etwas schwachen Beinen zum Waschbecken zu eilen. Das Wasser war unerwartet kalt und tat gut. Als er die Augen wieder öffnete und sich im Spiegel betrachtete, erschrak er. Ohne zu wissen warum, erschrak er vor sich selbst. Unerwarteter Weise stellte sich dieses Gefühl nicht ein. Auch nicht, als er wieder sicher in seinem Stuhl am Schreibtisch sass, um sich die restlichen Artikel anzuschauen. Das Gefühl des Erschreckens blieb stetig.


Als er den letzten Abschnitt endlich las und ihm bereits eine Idee seines Artikels vorschwebte, unterbrach ein Sirenengeräusch die Arbeit aller. Da wieder bemerkte er, wie grau und anders alles heute war. Es sind diese kleinen plötzlichen Momente, die den Alltag unerwartet unterbrechen und einen aufmerksam machen. Als würde man mit einem scharfen Messer die Kehle durchtrennen und aus der Oberflächliche das viele Blut tritt, so kommen Stimmungen zwischen den Alltagssituationen hervor, wenn man sie unterbricht. Diesmal jedoch schien es nicht nur ihm aufzufallen, denn eine eigentümliche Aufregung verbreitete sich im Raum, die gleichermassen Beklemmung mit sich führte. Er konnte es sich nicht erklären und um das abzulösen, stellte er sich an das Fenster, um Näheres zu dem Sirenengeräusch herausfinden zu können. Unten standen zwei Fahrzeuge der Polizei, unbemannt. Er sah gerade noch einen Polizisten weggehen, der Richtung nach zu urteilen schienen sie in unmittelbarer Nähe des Bürogebäudes zu tun zu haben. Er spürte wieder das unangenehme Stechen im Magen und merkte im gleichen Augenblick, dass er es schon nicht mehr zurückhalten konnte. Ihm wurde schwindelig und er sank zu Boden. Erstaunlicher Weise kam keiner der Kollegen hinzugeeilt, um ihm zu helfen. Niemand rief seinen Namen und half ihm hoch. Nicht mal Anna hatte nochmal geschrieben, wo sie doch wusste, dass ihm gestern Abend schon so unwohl war. Auch am Tag zuvor ging es ihm bereits nicht gut. Warum schrieb sie nicht? Gab es einen Grund, weshalb sie ihm böse war, so kannte er diesen nicht. An nichts anderes konnte er mehr denken, als das Handy zu suchen und sie zu fragen, warum sie ihm böse war.


Anna. Der Nachklang ihres Namens beim Flüstern machte jedes Weiterleben unmöglich.


Als er sich umdrehte, um nach dem Telefon zu suchen, sah er allen Mitarbeitern ins Gesicht. Sie standen ungerührt auf ihren Plätzen und schauten ihn mit entsetzem Ausdruck an. Schwiegen und rührten sich nicht. Weiter hinten an der Glastür standen zwei bewaffnete Polizisten. Der eine nahm den alten Mantel ab, seinen alten Mantel, den er nicht ersetzt bekommen würde. Auch direkt neben ihm stand ein Polizist und er hörte, wie ihm eindringlich Fragen gestellt wurden, vernahm jedoch nicht die Worte und war selbst unfähig zu sprechen.


Es war das eine Bild, das ihn einholte und nicht mehr verliess. Der süsse Duft ihrer Haut, gemischt mit der Derbheit des eisernen Geruchs von Blut. Das Gefühl ihrer Haut, wenn er ihr die Strähnen aus dem Gesicht strich. Und wie sie ihn dabei ansah, ohne Ausdruck in den Augen, ohne Frage und ohne Antwort…in die Leere starrend. Er war es, der sie beraubt hat, sich an ihr schuldig gemacht hatte ohne Aussicht auf Vergebung. Sein “Ich komme bald zurück” hatte sie nicht mehr hören können. Mit der Sehnsucht diesem Leben zu entkommen, hatte er sie geliebt und sein Unvermögen in ihre Hände gelegt, die nun nichts mehr entscheiden konnten, da er selbst entschieden hatte. Wenigstens sie sollte befreit sein und unangetastet von all den Dämonen bleiben, frei von Schatten. Nun rann an seiner Hand ihr Blut zäh hinab und er wusste, dass ihr nichts mehr zustossen konnte.

 

Hallo @Tilia

du schreibst geübt, doch dieses düstere ist auch nichts was ich gerne lese.
Doch ich wollte erfahren warum dein Porta, so krankhaft weltverdrossen erscheint.
Ich hatte vermutet dass er sich umbringt oder Sterbehilfe bei Anna geleistet hat.
Ich würde mich freuen etwas kürzeres nicht ganz so düsteres von dir zu lesen. Wäre für einen Einstieg hier vielleicht auch eher geeignet um mehr Rückmeldungen zu bekommen.

Ein Fluch verbarg sich hinter jeder Wahrnehmung, jede vom Publikum geliebte Abstraktion, jede Ode an das Leben, jeder grausame Blick auf das Unausweichliche und sei dies nur, der geheuchelte Gruss des Nachbarn.
Zu lange Sätze zu kompliziert und abgehoben für mich.

Aber ich bin auch nicht so literarisch versiert, wie viele andere hier im Forum.

Ich wünsche dir noch viel Freude am schreiben hier bei den Wortkriegern.
Viele Grüße und einen schönen Abend
CoK

 

Hallo Tilia,

leider habe ich nach einer Weile deinen Text abgebrochen. Er ist für mich viel zu gewollt literarisch, malt Bilder, wo sie für mich gar nicht auftauchen können, schwelgt in komplizierten Sätzen, die die Geschichte in keinster Weise voran bringen.
Vielleicht gibt es Leser, die das mögen, mich jedenfalls hast du damit nicht ansprechen können.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo @Tilia,

zunächst heiße ich dich bei uns Wortkriegern herzlich willkommen!

Dein Einstand, bei dem ich, das gestehe ich, gleich gestern Nacht erstmal weiter geklickt hatte, weil er mich nicht packte, ist gar nicht mal so schlecht geworden, was sich nun beim erneuten, aber gelungenen Versuch, ihn durchzulesen, herausstellt.

Ich kann aber durchaus meine Vorkritiker gut verstehen, wenn sie bemängeln, dass dein Schreibstil, höflich ausgedrückt, etwas unattraktiv ist, weil man sich durch relativ lange Satzgebilde durchkämpfen muss. Insoweit profitierst du davon, dass ich es von Berufs wegen gewöhnt gewesen bin, im schlimmsten Falle über eine halbe Seite gehende Sätze zu verinnerlichen.
Ich glaube aber, dass dein Schreibstil heutzutage nicht mehr so sehr viele Freunde finden wird, einmal, weil alles doch kurzlebiger geworden ist und somit auch irgendwie kurzsätziger und zum anderen, weil viel eher mit einer gewissen Häme dir deine Satzkonstruktionen wieder ins Gesicht klatschen, weil sie nicht mehr so furchteinflössend sind, wie sie es früher in der Lage waren und sie gerne dazu verwendet wurden, anderen Personen indirekt mitzuteilen, dass sie nicht dazu gehören, wenn sie sie nicht verstehen. Das wird dir in unserer heutigen Zeit fast schon unterstellt, dass du dich abgrenzen willst.
Und genau an dieser Stelle möchte ich für deine Art zu schreiben eine Lanze brechen. Wenn ich mir vorstellte, es gäbe solche Texte wie deinen nie wieder auf dieser Welt in Zukunft, würden sie mir durchaus fehlen, wenn auch nicht an vorderster Linie.

Anbei nun etwas Textarbeit für dich, wenn du magst. Teils ist es natürlich höchst persönlich meine Meinung dazu und somit, im Gegensatz zu Rechtschreibfehlern, deine ebenfalls höchst persönliche Entscheidung, Veränderungen vorzunehmen.

Was mir grundsätzlich, dies möchte ich einleitend noch erwähnen, aufgefallen ist, sind teils hochdramatische Formulierungen, in welchen du immens übertreibst, so wie ich jetzt mit diesem Satz. Ich habe mich gefragt, ob es dem Charakter deines Protagonisten geschuldet ist, ihn so hochfahrend denken zu lassen oder ob es dir nur einfach nicht gelungen ist, schlichter zu schreiben.
Könnte ja sein, dass du dich nicht oder noch nicht getraust, mit weniger Wucht zu schreiben, in der fehlgehenden Annahme, nur bei deutlichem Nachdruck wahrgenommen zu werden.
Wäre das hier eine Schreibschule, würde ich dich auffordern, einmal ganz leicht und luftig zu schreiben, ganz schlichten Satzbau, schnörkellos, aber detaillreich.
Sind wir aber nicht, keine Angst.

Die pervertierte Vokabel Kunst hinterliess mittlerweile einen bitteren Nachgeschmack, lag unangenehm zwischen den Zeilen, ähnelte einer alternden Hure, die man gerne verehrte, aber niemals liebte.
Hier begehst du meiner Meinung nach einen Anfängerfehler, obgleich ich eher den Eindruck habe, dass du gar keine mehr bist: ...zwischen den Zeilen und Punkt, denn alles, was danach kommt, klingt zwar gut, aber du hast bereits von einem bitteren Nachgeschmack geschrieben. Jetzt nicht noch aufdoppeln. Das wäre so als würde ich sagen, heute war der Regen aber sehr nass, anstelle von: es regnete in Strömen.
Ein Fluch verbarg sich hinter jeder Wahrnehmung, jede vom Publikum geliebte Abstraktion, jede Ode an das Leben, jeder grausame Blick auf das Unausweichliche und sei dies nur, der geheuchelte Gruss des Nachbarn. Alles passierte ohne Absicht.
Hier haust du mir zu sehr auf die Verbalpauke, um Tiefe in deine Aussagen zu bringen und erreichst eigentlich bei mir eher, dass ich denke, es könnte eine Satire sein oder der Typ ist schlicht reichlich durchgeknallt. Zu letzterem aber fehlen mir weitere stichsichere Angaben, dass ich als Leserin am Ende mir denke: ja, genau, der hatte einen Sprung in der Schüssel und deswegen!!! dachte er solche Sätze. Mit anderen Worten, wenn du solche wuchtigen Begriffe wie Fluch, Ode an das Leben, grausame Blick, das Unausweichliche, geheuchelt etc. schreibst, dann möchte ich es in deinem Text verorten können. So aber schwimme ich hier und weiß nicht, was nun der Grund für diesen Nachdruck ist.
In solchen Momenten erschienen manchmal Erinnerungen die sofort wieder verblassten, sobald er begann nach ihnen zu greifen.
vor "die" bitte ein Komma
Sie waren die Herausforderung, das nicht zurückeroberte Land, das man irgendwann verlassen musste.
Auch hier wieder eine Wucht an Bedeutung. Ein Land zurück erobern, oder es verlassen, da spielen sich in einem einzigen Satz menschliche Tragödien ab. Und ich weiß nicht warum.
begleitet von der Hoffnung die derzeitige Misslage des Empfindens dadurch nachvollziehbar werden zu lassen
hier wieder vor "die" ein Komma
bemitleidete sich aufrichtig
schöner Ausdruck...
Die Falschheit des gesellschaftlichen Mitleids wurde über die Jahre hinweg zur Todsünde.
Du haust auch hier echte Klopper raus: Falschheit des Mitleids und Todsünde. Wozu diese Wucht?
Akut bedauerte er, dass er den Fluchtgedanken nicht Realität hat werden lassen.
Müsste es hier nicht "hatte" lauten?
Das war der Zaubertrank, der ihn vor dem bevorstehenden Übel schützen würde, hoffte er und war jetzt beim Erinnern selbst ein wenig von seiner Naivität peinlich berührt.
Wunderschöner Satz, der hat mir deswegen so gut gefallen, weil du so viel über ihn aussagst. Von dieser Sorte vermiss ich mehr in deiner Geschichte.
Sein letzter Schritt auf dem Friedhof traf eine übrig gebliebene welke Herbstzeitlose, die er unter seinem Schuh zerrieb. Sie blieb an ihm haften, wie zuvor das Parfum und der Nebel.
Logikprobleme bahnen sich da bei mir an. Eine Herbstzeitlose, die wo wuchs? Auf dem Weg? Und dann tritt er drauf? ER? Das passt nicht zu ihm. Gehen da die Autorenpferde mit dir durch, dass es unbedingt so ein Bild benötigt? Garantiert findest du was Passenderes.
In nicht allzu weiter Entfernung sah er den messingfarbenen Griff des Bürogebäudes leuchten
Tja und an diesem Satz bin ich schon gestern Nacht hängen geblieben und ich dachte, oh, es handelt sich wohl um so eines dieser total verglasten Hochhäuser und die Sonne spiegelt sich in den Fenstern so, dass es aussieht wie ein riesiger messingfarbener Griff.
Aber heute weiß ich, dass ich weit gefehlt hatte. Es geht um einen wirklich schnöden Messingtürgriff. Wäre das vielleicht eine Idee, es auch so zu schreiben? Das winzige Wörtchen "Tür" dazwischen hätte mich von meinem Irrtum abgehalten.
die täglich um die gleiche Zeit geneigt waren nicht zur Arbeit zu erscheinen?
Ich meine, dass vor "nicht" ein Komma müsste.
Eine Geruch von Kaffee und Handcreme begleitete die Stimmung allgemeiner Lustlosigkeit, die diesen Raum erfüllte.
Sehr schönes Geruchsbild. Gefällt mir sehr gut.
Darin lag wohl auch die einzige realistische Chance für ihn irgendwann an neue Kleidung zu gelangen.
Zum einen meine ich wieder, es müsste vor "irgendwann" wieder ein Komma, aber ich habe auch inhaltliche Probleme. Genau darin lag ja NICHT die Chance, an neue Kleidung zu gelangen, weil doch die Firma nicht haftet.
Dieser Mann besass eine unglaubliche Ausstrahlung, man liess ihn bedenkenlos in den persönlichen Sicherheitsabstand und dennoch,galt es, i
Super Satz! Mehr davon. Ein Federstrich und schon steht ein Charakter vor einem.
und tatsächlich hatte Ahmed einen unverkennbar guten Blick für die Talente
An dieser Stelle habe ich mich gefragt, ob dein Protagonist ist der Lage ist, derartig positiv über andere zu urteilen. Denn er macht ihm ja hier ein Kompliment. Passt das wirklich zu ihm?Müsste es nicht eher so eine Art gequälte Anerkennung sein, die er sich, wenn überhaupt,abringen muss?
Dennoch widmete er sich thematisch zunächst einmal seiner Birke.
Hier komm ich nicht damit klar, dass er an die Birke denkt, die ja vor seiner Wohnung steht.
Das halte ich für unrealistisch. Wenn er wieder an dieser Birke denkt, dann müsstest das mehr einbetten in eine Nachvollziehbarkeit.
Aber auch dieser Umstand wich nun dem Gedanken an diesen kleinen Wunderbaum vor seinem Fenster.
Wunderbaum? Weil ?
Anna, der Nachklang beim Flüstern ihres Namens machte es unmöglich weiterhin ignorant am Leben teilzunehmen.
Komm vor "weiterhin"
er war der Coach der Chamäleons, die gefüttert werden wollten.
Schöner Satz, also er ist nicht schön, er schillert feinfarbig. Gelungen.
Wieviele KZ-Wächter waren sich ebenfalls ihrer Schuld wirklich nicht bewusst, sie hätten nur Befehle ausgeführt...
Oh, nein, hier trägst du zu dick auf und damit kippt die davor liegende Aussage. Ich würde den Satz streichen.
die einem garantiert immer ein paar fans brachten.
Fans
Er hatte sich oft mit ihr darüber gestritten, nicht ernsthaft, aber als Garant für eine ausgeglichene Beziehung.
als Garant für eine ausgeglichene Beziehung ....boah, was für ein Arsch. Verzeih.
Obgleich er wusste, dass sie ihm dann Herzlosigkeit vorwarf.
Sie hätt ich besser verlassen sollen.
Dreimal übergab er sich, bis nichts mehr kam und er sich entkräftigt und angeekelt auf den Deckel setzte.
Ich mag manche deiner Übertreibungen gar nicht. Sie machen eher kaputt. Wieso dreimal. Ich finde, sich einmal übergeben schon echt schlimm. Liegt nicht auch manchmal in der Beschränkung die Macht der Bedeutung?
zum Waschbecken zu eilen.
Würdest du, zudem nach dreimaligem Übergeben, noch irgendwohin eilen können? Ich nicht. Wieso er?
Als würde man mit einem scharfen Messer die Kehle durchtrennen und aus der Oberflächliche das viele Blut tritt, so kommen Stimmungen zwischen den Alltagssituationen hervor, wenn man sie unterbricht.
Dieser Satz ist ganz schlimm, weil er derartig übertreibt, dass einem die Satireporen platzen.


Sie standen ungerührt auf ihren Plätzen und schauten ihn mit entsetzem Ausdruck an.
Hier hab ich Logikprobleme. Wenn sie alle auf ihren Plätzen standen und ich mir einen relativ normal großen Büroraum vorstelle, konnten sie dann alle wirklich auf ihn blicken, so dass er alle ihre Gesichter erkennen konnte? Da stand nix im Wege von denen zu ihm?
gemischt mit der Derbheit des eisernen Geruchs von Blut.
Genau so riecht es. Gut dargestellt.
Er war es, der sie beraubt hat,
Müsste es nicht auch hier "hatte" lauten?
Nun rann an seiner Hand ihr Blut zäh hinab und er wusste, dass ihr nichts mehr zustossen konnte.
Schau, wenn du den ersten Halbsatz mal weglässt, könnte es noch ein gut formuliertes Ende sein. Aber so ist es wieder mal zu dick aufgetragen.


Ich hoffe, dir erscheinen meine Bemerkung nicht als zu arrogant und verrissig. Ich finde, es ist eine durchaus gelungene Geschichte mit ein paar heftigen, aber schleifbaren Kanten.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo @Tilia, ganz herzlich Willkommen hier!
Ja, meine Vorgängern haben schon viel zu deiner Geschichte gesagt. Also, mal in meinen eigenen Worte fassend:
Ich habe deine Geschichte gelesen, wurde aber überrumpelt von der Tragik und düstere Ton. Da ich nicht aufgeben wollte, habe ich weiter gelesen, aber auch ich möchte mich lieber nicht mit solchen düsteren Geschichten einlassen.
Auch durch deine Wortwahl und lange Sätze, ermutigst du mich, als Leserin, nicht gerade um weiter zu lesen.

Ich hoffe aber sehr, du lässt dich nicht entmutigen, weil es immer eine Leserschaft gibt, die Geschichte wie deine gerne lesen. Falls du eine Geschichte schreibst, die weniger Düster ist, dann wage ich gerne noch mal einen Versuch.

Herzliche Grüße,
Schwerhörig

 

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