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Die Mine

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14.07.2007
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Die Mine

Chicago im Winter 1954
„Walt? Walter, mach die Tür auf, sofort!“ rief die ältere, etwas dickliche Frau und klopfte weiter energisch an die Schlafzimmertür ihres einzigen Sohnes.
„Walt! Ich sags dir nicht noch einmal! Mach jetzt endlich die Tür auf!“
Doch ihr Sohn hörte sie nicht.
Der 16 jährige Walter, genannt Walt, hörte nichts – außer dem leisen Flüstern seiner Freundin. Verzückt nahm er sie in die Arme und sie schmiegte sich an ihn.
„Deine Mutter hat Angst um dich. Wie entzückend!“ h auchte sie spöttisch in sein Ohr.
„Soll sie doch,“ raunte er zurück, „es kümmert mich nicht.“ Durchs offene Fenster wehte der eisige Dezemberwind dicke Schneeflocken herein, es war bitterkalt. Lärm von der nahe gelegenen Jefferson Street in Chicago dröhnte bis zu ihm hoch. Der Wind spielte mit ihrem langen, goldenen Haar, Schneeflocken verfingen sich in ihm, landeten auf ihrem Körper und blieben liegen. Sie schmolzen nicht.
„Walt!“ Jetzt schlug seine Mutter mit der Faust gegen das Holz.
„Lass mich in Ruhe! Geh weg!“ schrie er unvermittelt.
„Ist dieses Mädchen wieder bei dir? Sie ist nicht gut für dich!“ rief die Mutter verzweifelt von draußen. „Sie soll verschwinden! Ich will sie nicht in meinem Haus haben!“
Das Mädchen lachte und entwand sich geschmeidig Walts Umarmung. Anmutig wandte sie sich dem Fenster zu, sah nachdenklich hinaus, drehte sich dann noch einmal zu Walt um. Ihre strahlenden Augen drangen tief in seine Seele; er stürzte zu ihr und vergrub sich in ihrer wehenden Mähne. Sie küsste seinen Hals, ihr Mund verharrte eine Ewigkeit auf seiner warmen Haut, er erschauerte vor Glück, als er den leisen, ziehenden Schmerz ihres Kusses spürte. Dann löste sie sich von ihm und stieg auf das Fenstersims. Unter ihr, vier Stockwerke weiter, lag der Garten mit dem Rosenbeet seiner Mutter in tiefem Schatten.
„Wann kommst du wieder?“ fragte er zitternd.
„Nie mehr!“ rief sie, lachte auf und sprang. Mit einem Schrei stürzte er vor, starrte nach unten doch sah er nichts. Sie war verschwunden. „Wo bist du? Komm zurück! Ich brauche dich!“ schrie er wild in die Nacht hinaus. Stille. Doch dann hörte er ihre Stimme, vom Wind getragen drang sie an sein Ohr.
„Wenn du mich wiedersehen willst, dann musst du mich finden. Dann habe ich etwas für dich.“ lockte sie.
„Aber wie? Was ist es? Warum tust du das?“
„Lausche deinen Träumen und folge deinem Begehren, es wird dich zu mir führen. Wenn du mich findest, werde ich dir das Kostbarste aller Geschenke machen.“ Der Wind trug ihr spöttisches Lachen zu ihm.
„NEEEEEIIIIIIINNNNNNNNNNNNNNNN!!!!!!! Gib es mir jetzt! Lass mich nicht allein!“ schluchzte er und brach am Fenster zusammen. Kurz darauf flog die Zimmertür mit lautem Bersten auf. Seine Mutter und ein Nachbar stürzten herein. Blind vor Tränen und noch immer benommen von ihrem Kuss bemerkte er kaum, wie seine Mutter auf ihn einschimpfte und ihn aus dem frostigen Zimmer zerrte. Der Nachbar schlug das Fenster zu, das im aufgepeitschten Sturm wild hin und her flog. Aus der Küche drang der Geruch leicht angebranntem Bacons hoch; Walt schüttelte sich vor Ekel. Er konnte den würzigen Duft, den er vorhin noch geliebt hatte, auf einmal nicht mehr ertragen.

*

Es regnete in Strömen. Wie ein dichter grauer Schleier hingen die dicken Regenwolken in den Gipfeln der Tepuis fest und luden eine nicht enden wollende Flut eiskalten Regens auf den wackligen Dächern des kleinen, namenlosen Ortes, einer kleinen Siedlung am Rande des Canaima-Nationalparks in Venezuela ab. Niemand schickte bei diesem Wetter auch nur einen Hund auf die Straße, und so war der 23 jährige Carlos Rodriguez ziemlich überrascht, als es plötzlich an seiner Tür pochte. Selten kam ihn jemand besuchen. Seine Familie wohnte weit entfernt, der Vater tot, der ältere Bruder in Rio. Freunde hatte er hier keine; als er hier ankam, nahmen sie ihn mit offenen Armen auf, hübsch und kräftig wie er war. Doch als sie merkten, dass er ein Säufer war, sich jeden Abend bewusstlos trank und viel zu oft im Rinnstein lag, hatten sie sich nach und nach von ihm abgewandt. Jetzt sprach niemand mehr mit ihm. „Madre mia, wer ist das denn?“ murmelte er mürrisch vor sich hin, wälzte sich mühsam aus dem Bett und ging gähnend zur Tür. „Ich bring Ihnen die Miete später, muss erst...“ murmelte er, als er die Tür öffnete. Übermüdet nach der durchzechten, schlaflosen Nacht öffnete er und betrachtete verblüfft den schmächtigen, kleinen Mann, der dort stand. 1,60 m war er, höchstens, kalkulierte Carlos. Ziemlich mickrig und schon recht alt, den Falten und den weißen Haaren nach zu urteilen. Der Fremde ließ die Musterung geduldig über sich ergehen, auch wenn es in seinen eisblauen Augen spöttisch blitzte.
„Sind Sie fertig? Kann ich reinkommen?“ kam es plötzlich. „Sie sind doch Carlos Rodriguez, der Spanier, oder irre ich mich?“ Der Fremde legte den Kopf schief und sah seinem Gegenüber herablassend in die überschatteten, dunkelbraunen Augen, unter denen sich tiefe schwarze Ringe eingenistet hatten. Sein Blick verweilte kurz auf einem einfachen Silberkreuz, das der Spanier mit einem Lederriemen am Halse trug.
„Ja, sicher. Perdóneme.“ stammelte Carlos verlegen, schüttelte sich, schluckte und versuchte, den schalen Geschmack des billigen Bieres aus seinem Mund zu vertreiben. Er wusste, dass er stank. „Kommen Sie herein.“ Der Fremde trat ein, sah sich ruhig um und schien die ärmliche Einrichtung und die herumliegenden Bierflaschen mit einem zufriedenen Lächeln zur Kenntnis zu nehmen. Bevor Carlos die Tür schloss, warf er noch einen kurzen Blick auf seine geliebten Tafelberge. Kein einziger der hoch über den Regenwald ragenden Tepuis war zu sehen. Es war kalt, ihn fröstelte und er ließ die Tür ins Schloss fallen. Mit einem tiefen Seufzer wandte er sich seinem Besucher zu.
„Nun, Señor, Sie haben mich also gefunden. Was kann ich für Sie tun?“
Der Fremde lächelte.

*

„Carlos, ich darf Sie doch Carlos nennen? Mein Name ist David Baldwin, ich arbeite als Journalist und interessiere mich für das Unglück, das sich in einer der hiesigen Goldminen abgespielt hat. Sie haben doch sicher davon gehört?“ sprach der Fremde jovial und betrachtete interessiert die heruntergekommene Einrichtung von Carlos Haus.
„Sí....ja...natürlich..“ stotterte Carlos verblüfft und schloss die Tür. „Aber ich verstehe nicht, was daran so besonderes sein soll. Das Unglück ist viele Jahre her.“
„Wie auch immer. Ich möchte, dass Sie mich dorthin bringen. Recherchen, ein paar Bilder für die Zeitung, Sie verstehn?“ Davids Lächeln hatte jetzt etwas Maskenhaftes. Mit präzisen Bewegungen kramte er eine Karte hervor und breitete sie auf dem wackligen Esstisch aus.
„Wenn Sie dann so freundlich wären? Carlos?“
Zwei Stunden später brüteten die beiden Männer über der Karte, die eine der verlassenen Goldminen auf halber Höhe zum Gipfel des Kukenam-Tepuis zeigte. Der heilige Berg der Indios; seit 1997 durfte ihn keiner mehr betreten. Carlos kannte sie gut, war doch das Schicksal seiner Familie untrennbar mir ihr verbunden „Was wollen Sie dort, Señor?“ fragte Carlos den Alten wieder und kämpfte gegen den trunkenen Nebel in seinem Gehirn. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren. „Die Mine ist schon seit Ewigkeiten stillgelegt. Sie wurde damals mit Brettern vernagelt. Da ist nichts mehr zu sehen. Und hoch darf man dort eh schon lange nicht mehr.“ David antwortete mit leiser, eindringlicher Stimme. Erinnerungsfetzen zogen wie Nebelschwaden durch Carlos trunkenes Gehirn...............
Er lag wach mit wie taufgerissenen Augen in seinem Kinderbett und lauschte den Schreien, die durchs Haus hallten. Auf Zehenspitzen näherte er sich der verschlossen Tür zum Schlafzimmer seiner Eltern. Er hörte seine Mutter weinen, sein Vater schrie vor Schmerzen. Manchmal lief ein dünnes Rinnsal aus Blut unter der Tür hindurch. Er konnte es immer noch sehen, riechen und hören. Seit er 15 war, trank er sich jede Nacht in den Schlaf, um die Albträume zu vertreiben, doch es wirkte nicht. Sie kamen immer wieder.
Carlos wagte es nie, die Klinke zu fassen, sie niederzudrücken und das zu sehen, was sich hinter der verschlossenen Tür abspielte. Nie fand er den Mut, zu ergründen, wessen Blut in manchen Nächten unter der Tür durchfloss.

Carlos stöhnte auf.
Der Fremde ließ Carlos nicht aus den Augen. Mit scharfen Blick fixierte er den Jüngeren und sah dessen Angst, konnte dessen Entsetzen fast mit Händen greifen. Ein dünnlippiges Lächeln umspielte seinen harten Mund.
„Señor?“
„Ja?“
„Wollen Sie dort oben wirklich graben?“
„Ja sicher. Ein wenig Spuren suchen, vielleicht ein paar Knochen ausbuddeln...“ Antwortete David jovial. „Und Carlos...“
„Sí Señor?“ „Sie können mir die Geschichte unterwegs erzählen. Da haben wir genug Zeit dafür.“ „Sí Señor.“
Versonnen sah er wieder auf die Karte als Carlos endlich den Alb seiner Erinnerungen abschüttelte, aufstand und wahllos nach den Flaschen griff, bis er eine gefunden hatte, in der noch ein Rest Alkohol war und ihn gierig trank. Auf seiner Stirn stand Schweiß.
Wie oft bin ich dort hochgestiegen? Fragte sich Carlos. Wie oft wollte ich dem Fluch die Stirn bieten? Mit voller Wucht kam die Scham über ihn, die Scham versagt zu haben, die Bitterkeit, dass er nicht stark genug war. Würde sein Neffe ebenso leiden müssen wie er? In seinen Gedanken versunken bemerkte er den verächtlichen Blick seines Besuchers nicht.

Dann verhärteten sich des Fremden Züge und er starrte dem Jüngeren hart in die Augen. „Bringen Sie mich dorthin und helfen Sie mir beim Graben. Ich bin zu alt, um es alleine zu schaffen.“ Dann legte er einen dicken Batzen Geldscheine auf den wackligen Tisch. „Das, und noch mal so viel, wenn Sie mit mir kommen.“ Carlos schluckte. Es war viel Geld, sehr viel sogar. Und er konnte es gut gebrauchen. Seine Gläubiger saßen ihm schon im Genick, obendrein war er mit der Miete schon einige Monate im Rückstand. Niemand wollte ihm Arbeit geben. Er seufzte tief. Es war illegal und wenn sie erwischt würden, hatte er keine Gnade zu erwarten. Und dennoch, es blieb ihm keine andere Wahl.
„Bueno, ich werde Ihnen helfen.“ Der alte Mann entspannte sich sichtlich. „Wir werden einiges an Ausrüstung brauchen, wenn Sie in der Mine graben wollen. Doch ich sage Ihnen gleich, die Stollen sind nicht sicher.“
„Sie machen das schon. Besorgen Sie alles Nötige. In 3 Tagen bin ich wieder hier. Dann ziehen wir los.“ Er schob den Batzen Geld zu Carlos hinüber, der es mit zitternden Händen griff und einsteckte. Davids Mundwinkel verzogen sich verächtlich. Für Geld ist wirklich jeder zu haben, dachte er und warf noch ein kleineres Bündel Scheine auf den Tisch. „Das ist für die Ausrüstung und den Proviant. Kümmern Sie sich darum!“ rief er Carlos über die Schulter zu, als er die Tür öffnete und gemächlich hinaustrat. Der Regen hatte aufgehört und die schweren Regenwolken rissen langsam auf. Blauer Himmel blitzte zwischen ihnen hindurch. Der Blick auf den Urwald und die steil emporragenden Tafelberge war Atem beraubend.
Der alte Mann, dessen schlohweiße Haare säuberlich geordnet am Schädel klebten, blinzelte ins Licht und drehte sich noch einmal zu Carlos um. Er zündete sich in aller Seelenruhe eine Zigarette an, tat einen tiefen Zug und ließ den Rauch genussvoll in Kringeln durch den Mund entweichen. Ein eiskalter Blick traf den Jüngeren. „Ach ja, und zu niemandem ein Wort.“
Carlos schluckte und nickte. Die Tür fiel mit einem Krachen zu.
Carlos zählte rasch die Scheine durch, pfiff leise und steckte sie in die Hosentasche seiner alten, verwaschenen No-name-Jeans. Er trat ans Fenster, schob die gammelige Gardine zur Seite und beobachtete den seltsamen Mann, der selbstbewusst und mit ausgreifenden Schritten die kleine, abschüssige Straße hinunter ging. Er starrte ihm lange und sehr nachdenklich nach. Auf dem Kaminsims stand eine kleine, steinerne Statue des aztekischen Jaguargottes. Rat suchend sah er ihn an, doch der starrte nur gleichgültig zurück. Oder blitzte da etwa ein höhnisches Lächeln aus den steinernen Augen? Er war sich nicht sicher.

*

Es war ein mühseliger, mehrtägiger Aufstieg zum Eingang der Mine, die verborgen an einer der Wände des Kukenam-Tepuis in der Gran Sabana lag, und obwohl David schwächlich wirkte, hielt er sich so aufrecht wie eine Eiche. Carlos hatte mit dem Saufen aufgehört und der Entzug machte seine Glieder schütteln und ihn frösteln, doch schon lange hatte er sich nicht mehr so wach und gut gefühlt. Er musste einen klaren Kopf bewahren! Schlimme Befürchtungen hatten ihn erfasst. Er traute David nicht über den Weg. Es war etwas Merkwürdiges an ihm, etwas Kaltes und er schien nicht ganz bei Sinnen. Wer wusste schon, was er dort oben wirklich wollte? Carlos kannte die Geschichte der Mine nur zu gut, hatte doch sein eigener Großvater das Unglück als Einziger überlebt. Er wollte sich nicht erinnern, doch jetzt musste er es tun. Und er sah immer wieder dieselbe Szene vor seinem geistigen Auge.
Der Tag, an dem sie Vater fanden, in seinem Zimmer. Die Zunge hing aus seinem Mund, die Augen starrten blicklos ins Nichts, Fliegen umschwirrten ihn und tranken von seinen Lippen; krochen über sein Gesicht und erfüllten den Raum mit ihrem Summen. Carlos hörte seine Mutter weinen, sein älterer Bruder stand erstarrt neben ihm und beide sahen nur ihren erhängten Vater an, dessen Körper sacht in der kalten Morgenbrise baumelte. Mit Wunden übersät, seine Kleider mit Blut getränkt hatte er dem nächtlichen Alb ein Ende bereitet.
Als die Männer aus dem Dorf kamen, um ihn herunter zu schneiden, fiel Carlos auf, dass etwas in der geballten Faust steckte. Sein Bruder und er mühten sich ab, die von der Totenstarre erfassten Finger auseinander zu biegen. Dann war die Hand offen und enthüllte ihr Geheimnis: Ein schlichtes Kreuz aus Silber, vom Halse gerissen.

Dann, am späten Nachmittag, waren sie tief im Regenwald auf die Mine gestoßen. Völlig mit Ranken und Palmen überwuchert war der Eingang kaum noch zu erkennen. Seltene Orchideen hatten sich an den jungen Bäumen festgesetzt, doch der Spanier hackte die Pflanzen ohne mit der Wimper zu zucken klein. Später hatte er mit einem Brecheisen die morschen Bretter vom Eingang gerissen, und nach einer dürftigen Mahlzeit aus Bohnen, Speck und Kaffee, der wie Hühnerpisse schmeckte, war der Alte sofort an die Erkundung der einzelnen Stollen gegangen. Carlos war ausgehungert und aß wie ein Scheunendrescher. Er wunderte sich immer wieder, wie wenig sein Begleiter zu sich nahm. Doch es schien seiner Energie und seinem eisernen Willen nicht zu schaden.
Die Stollen hatten sich als dunkle Brutstätten für Fledermäuse, Vogelspinnen und allerlei Krabbeltiere herausgestellt und sie hatten ihre Mittel gegen Insektenstiche schon nach der ersten Woche beinah aufgebraucht. Wie eine von einer übernatürlichen Macht aufrecht gehaltenen Marionette war David den ganzen ersten Tag rastlos durch die Stollen marschiert, bis er nach zähem Brüten über der Karte und endlosen Tobsuchtsanfällen endlich den Richtigen gefunden zu haben schien. Carlos hatte es sich grade mit einer Zigarette gemütlich gemacht, als sein Auftraggeber wie ein Irrer aus dem Dunkel geschossen kam und ihn zum Aufbruch drängte.
„Ich hab’s gefunden! Was sitzen Sie da noch so faul herum? Auf auf!“ fauchte David seinen verdutzten Begleiter an und fuchtelte herrisch mit den Armen herum.
Carlos hatte schon sehr früh aufgegeben, sich über den komischen, kleinen Kerl zu wundern. Er schien zäher, als man aufgrund seiner schmächtigen Statur annehmen konnte, hart, zielstrebig und zerbrechlich in einem. Er hätte auch nie angenommen, dass der alte Mann auch nur einen Tag im Dschungel überleben würde, doch es schien fast so, als hätte der Dschungel keinerlei Auswirkungen auf ihn; als ob sich seine Umgebung an ihn anpassen würde. Irgendwie hatte er was Unheimliches an sich. Seit mehreren Tagen waren sie nun in dem eingebrochenen, alten Stollen 3 der Miene am Wühlen und er war so aufgeregt und rastlos wie am ersten Tag. Wie besessen hatte David die einzelnen Gänge erkundet und war dabei auf die Überreste des Stollens gestoßen, in dem sich vor so langer Zeit die Tragödie abgespielt hatte.
„Señor, wir können da nicht graben!“ fauchte Carlos den Alten an, Angstschweiß stand ihm auf der Stirn. „Ach ja, und warum nicht, Sie Schlaumeier?“ giftete der Alte zurück. In dessen hellen Augen lag ein besessener, fiebriger Glanz, der Carlos gar nicht gefiel.
„Ich hatte Ihnen doch schon erzählt, hier hat sich ein böses Unglück ereignet. Böse Geister hausen hier! Wir dürfen sie nicht erwecken!“
„Ah, Ihre kleine...Geschichte, richtig.“ flüsterte David nun mit eisiger Stimme. „Aber bitte, erzählen Sie sie mir doch endlich!“ Er winkte Carlos mit ausladender, spöttischen Geste zu ihrem Lager, und nahm dann auf seinem Klappstuhl platz. „Ich höre.“ Davids plötzlicher Sinneswandel verunsicherte Carlos fast ebenso sehr wie seine vorherige aggressive Hektik.
Carlos holte tief Luft und fing an zu erzählen. Im Geiste beider Männer sahen sie die Ereignisse wie in einem Film ablaufen.

*

Es war ein Tag wie jeder andere. Für die einheimischen Arbeiter, die für einen Hungerlohn in den Tiefen der dunklen Stollen nach dem wenigen Gold schürfen mussten, sollte sich der langsame, mühselige Takt jedoch nur zu bald in das donnernde Stakkato des Grauens verwandeln. Wie die Ameisen strömten sie mit Steinen und Erde gefüllten Körben heraus und mit leeren Körben wieder hinein in die stickigen, engen Stollen. Stetig wie im Takt zu einer lautlosen Musik. Tagein, tagaus, ohne Hoffnung auf ein Entkommen.

Unter der heißen Sonne Venezuelas schufteten sie, gruben sich Meter für Meter tiefer in die dunkle, kühle Flanke ihres heiligen Berges. Es war schon später Nachmittag, die Sonne senkte sich dem Horizont entgegen und färbte den Himmel in ihr herrlichstes Rot. Die Vögel, Affen und Insekten pfiffen, schrien und zirpten um die Wette und machten zusammen einen Höllenlärm. Darunter mischte sich das hass erfüllte Murmeln der Indios und das grölende Lachen der spanischen Aufseher, die mit geladenen Revolvern aufpassten. Julio, einer der Aufseher, zog einen Zigarrenstummel aus einer seiner dreckigen Taschen und versuchte geduldig, ihn zum Brennen zu bringen. Obwohl sich der Tag schon zu seinem Ende neigte und die Luft kühler wurde, lief ihm der Schweiß in Strömen ins Gesicht und tränkte seine Kleider. Moskitos bissen sich in seinem Genick fest und immer wieder schlug er fluchend nach ihnen. „Miese kleine Biester“ fauchte er missmutig, „der Teufel soll euch holen!“ Da ihm nichts weiter übrig blieb, als sich die Langeweile zu vertreiben, fing er an, die völlig erschöpften Arbeiter mit der Peitsche anzutreiben. Es machte ihm Spaß sie zu quälen.
Im Stollen 3 gruben sich vier Einheimische stoisch mit Schaufeln und Piken voran. Kleine Ölfunzeln warfen ein unruhiges Licht an die schwarzen Wände. Niedrig und eng war er, der Stollen, doch die Indios hatten keine Angst. Immer zwei gruben und die beiden anderen kratzten die losgebrochene Erde zusammen und brachten sie in ihren Körben hinaus. So kamen sie langsam aber stetig voran. Der Ältere der beiden Grabenden wunderte sich und zog die Augenbrauen misstrauisch zusammen als seine Pike unvermittelt einen Hohlraum freilegte. Beide Indios zögerten, sahen einander an, doch keiner von ihnen hatte hierfür eine Erklärung. Hier sollte es keine natürlichen Höhlen geben. Hatten sie etwa die Ruhestätte ihrer Gottheit entdeckt?
Leise flüsternd diskutierten sie miteinander über diese unvermutete Entdeckung. Sie arbeiteten schon viele Jahre miteinander hier und eine krisenfeste, stille Freundschaft hatte sich entwickelt.
„Was meinst du“, flüsterte der Ältere. „Sollen wir es den spanischen Hunden melden?“ Sein Freund überlegte bedächtig.
„Besser wäre es“, antwortete dieser schließlich. „Sollen sie sich mit dem auseinandersetzen, was dahinter auf uns wartet. Vielleicht werden sie dann endlich für ihren Frevel und ihre Gier bezahlen.“ Ein fester, stummer Blick besiegelte die Abmachung. Dann ging der Jüngere los und benachrichtigte die Spanier.
Wenig später kamen zwei der Aufseher murrend in den Gang gerannt. In ihren braunen Augen brannte der Hass, und es lag das Versprechen in ihnen, dass die beiden Indios mit Blut dafür bezahlen würden, wenn es keinen Grund für die Aufregung gab. Die Beiden hatten inzwischen vorsichtig das Loch vergrößert. Es war jetzt Fußballgroß und man hatte einen guten Blick hinunter in einen langen Gang. Die Spanier quetschten sich, ihre Platzangst mit Aggression verdeckend, in den engen Stollen, der vom Hauptgang abzweigte und leuchteten mit ihren Laternen in das Loch hinein. Dann stieß Julio den neben ihm knienden Indio an und brüllte laut: “Los du Faulpelz, mach es größer, ich will da runter. Vamos!“ Er unterstrich dies mit eindeutigen Gesten. Der Indio sah ihn stumm an und tat wie ihm geheißen.
Julio und Juan, die beiden Spanier warteten unruhig, und als das Loch endlich groß genug war, ließen sie sich einer nach dem Anderen hinunter ins Dunkle.

Die beiden Männer schritten vorsichtig voran. Ihre Lampen erhellten den Gang, der über und über mit Spinnenweben verhängt war. Ihre schweren Stiefel knirschten auf den zahllosen Knochen und Panzern unzähliger kleiner Tiere und Insekten. Nach etwa 30 Metern kamen sie an eine offen stehende Tür. Sie sahen einander an, schoben diese langsam auf und was sie dort sahen, ließ sie vor Erstaunen aufkeuchen.

Draußen ging hinter den Bergen die Sonne unter.

Aufgeregt lief Julio zurück zu dem Loch. Dort waren die ernsten Gesichter der Indios auf ihn gerichtet. „Hey vosotros, kommt alle herunter“, brüllte er aufgeregt. „Bringt alle Körbe mit, die ihr finden könnt. Beeilt euch.“ Einer nach dem Anderen kletterten sie hinunter, die Aufseher kamen ebenfalls. Nur einer blieb oben, um dort aufzupassen. Schließlich waren alle 20 Arbeiter im Gang versammelt und warteten. Juan rief sie in den großen Raum, den sie hinter der Tür entdeckt hatten. Der Glanz des dort angehäuften Goldes leuchtete stärker und heller als jedes Feuer. „Hierher! Jeder füllt seinen Korb! Wir nehmen alles mit.“
„Señor“, murmelte einer der Arbeiter furchtsam. „Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Esto es oro del Diablo. Das ist das Gold des Teufels.“ Juan schrie auf vor Zorn und schlug den wehrlosen Mann mit seinem Revolver nieder. Der Unglückliche sackte mit einem schmerz erfüllten Wimmern zusammen und blieb ohnmächtig in einer Ecke liegen. Aus seinem Kopf sickerte dunkelrotes Blut. Der Duft des frischen Blutes vermischte sich mit dem stinkendem Atem und dem Schweiß der Männer in der kühlen Luft, zog durch den langen Gang und in eine versteckte Kammer. Er zog weiter durch den Raum und kroch durch alle Ritzen. Etwas schlug die Augen auf, schnüffelte ungläubig und stieß einen schrillen Wutschrei aus.

Draußen vor der Mine hörte José, der letzte der Spanier den Wutschrei, der sich mit den panischen Angstschreien der Arbeiter vermischte. Wildes Scharren und Kratzen mischte sich unter die Schreie, als die Indios verzweifelt versuchten, dem blutrünstigen Wesen zu entrinnen. Mit Entsetzen konnte er einen panischen Indio erkennen, der verzweifelt versuchte, durch die kleine Öffnung in der Decke zu entkommen. Schrille Schmerzensschreie mischten sich unter das hektische Kratzen von Fingernägeln auf Stein, dem Platschen nackter Füße auf harter Erde. Der Mann hielt den Atem an und lauschte. Er taumelte rückwärts und stolperte über Äste und Steine, doch er konnte seinen Blick nicht vom Eingang der Mine abwenden. Ein Teil von ihm wollte wegrennen, sich in Sicherheit bringen; doch ein anderer Teil wollte sehen, konnte sich nicht abwenden. Er sah im Dunklen die vor Todesangst geweiteten Augen des Indios; kurz trafen sich ihre Blicke, dann wurde der Mann mit unglaublicher Wucht erst an die Decke geschleudert und dann mit einem Ruck zurück ins Dunkle gezogen. Im letzten Licht glühende Augen waren für einen winzigen Moment zu erkennen, fixierten ihn und brannten sich in seine Seele.

*

Carlos drehte sich zu seinem Begleiter um und sah ihm ernst in die Augen. „Das Böse ist dort drin, Señor. Sie dürfen da nicht rein, bitte, lassen Sie uns umkehren.“ Er zitterte am ganzen Körper wie Espenlaub. Feigling! schalt er sich höhnisch. Versager! Geh zurück in deine dreckige Hütte und sauf dich zu Tode. Seine innere Stimme quälte ihn und er krümmte sich unter der peitschenden Stimme in seinem Kopf schüttelte sich heftig. Nein! Nicht schon wieder. Nicht heute!
David sagte kein Wort. Langsam sog er den bitteren Rauch seiner Zigarre in seine Lungen und blies ihn dann gemächlich wieder aus. „Wissen Sie was Carlos?“ fragte er und sah sein Gegenüber eisig an. „Sie sind ein erbärmlicher Wurm.“ „Ich weiß.“ murmelte Carlos.
„Gut! Dann schnappen Sie sich gefälligst eine Schaufel, wir haben noch 3 Stunden Tageslicht.“

„Grab schon! Mach weiter, nur noch ein kleines Stück!“ zischte der alte Mann seinem jungen Begleiter zu, als sie sich vorsichtig durch die tiefschwarze Erde wühlten. Seit gestern Abend und heute schon den ganzen Tag hörten sie nur noch das rhythmische Geklopfe, mit dem die schwere Spitzhacke die harte Erde aufriss. Carlos führte die Spitzhacke mit zunehmend geübter Hand und sie kamen trotz der Enge und ihrer beginnenden Klaustrophobie gut voran.
Immer wieder hielt der alte Mann inne, griff seinen Kompass, überprüfte ihre Richtung und verglich sie mit den Aufzeichnungen in seinem Notizbuch. Carlos schnüffelte kurz und verzog angewidert sein Gesicht. Es stank! Vielleicht würde der eklige Gestank David ja zur Vernunft bringen und sein Vorhaben aufgeben? Bei dieser Überlegung musste Carlos unwillkürlich grinsen. David sah auf und missverstand das Grinsen im Gesicht seines Partners. „Jaaa“ flüsterte er „ganz nah dran.“ Ein fanatisches Grinsen im Gesicht. Seine eisigen Augen hielten die braunen Augen Carlos im eisernen Griff. „Mach weiter!“ fauchte er, die Stimme hart wie Stahl. Der Spanier schluckte und fügte sich.
Er holte weit aus und rammte die Hacke mit Wucht in den braunen Untergrund. Die Spitze sackte ein, als wäre sie in Gel statt in harte Erde getaucht worden. Der Gestank wurde unerträglich und beide Männer hielten nach Luft japsend inne und wedelten sich Sauerstoff zu. „Das ist ja übelst,“ ächzte David. „Wo kommt das denn her?“
Beide Männer richteten ihren Blick auf die Spitzhacke, die Carlos jetzt langsam aus der Erde zog. Mit einem ekligen Schmatzen löste sie sich und eine widerlich schleimiggraue Masse troff von der Hacke. Beide Männer rannten raus und japsten nach Luft.
„Wir müssen aufgeben! Da können wir nicht weitermachen, unmöglich!“ Carlos gaffte seinen Begleiter sprachlos an, als dieser ohne eine Miene zu verziehen, eine Atemmaske aus einer Tasche zog und sie ihm hinhielt. Er lächelte bös. „Denken Sie nicht mal dran!“

Kurze Zeit später änderte sich der Klang der Spitzhacke, hohl schallte es nun unter jedem der wuchtigen Hiebe. Der Alte keuchte vor unterdrückter Freude. Carlos verzog angewidert das Gesicht. „Das ist es! Das muss es sein, das muss es einfach sein!“ David drückte sich ungeduldig an seinem Begleiter vorbei und klopfte gegen die vor ihnen liegende Wand aus harter Erde. Noch ein Schlag. Dann der Durchbruch. Erst ein hohler Klang, dann das erste kleine Loch. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Eine unbekannte Höhle vor ihnen, hinter der schwarzen, harten Erde verborgen. „Señor, Sie haben mir nie erzählt, was Sie hier unten eigentlich zu finden hoffen.“ sagte Carlos vorsichtig. Doch der Angesprochene funkelte nur mit seinen harten, blauen Augen und brummte: „Und ich hab es auch nicht vor! Vergrößern Sie nun das Loch, wir müssen da rein.“ Damit wandte er sich von dem vor Anstrengung schnaufenden Carlos ab und kritzelte weiter in sein Handbuch, nur wurde dies nun von merkwürdigem Gemurmel begleitet, das dem erschöpften Carlos den letzten Nerv raubte. Vorsichtig und missmutig vergrößerte er das Loch und schließlich war die Öffnung groß genug, dass sich die beiden Männer hindurchquetschen und in den Gang herunterklettern konnten. Mit starken Taschenlampen leuchteten sie den Gang entlang, der sich vor ihnen auftat.

*

Mehrere Jahre war es jetzt schon her, das Walt sein Zuhause verlassen hatte. Er konnte immer noch das Weinen und Flehen seiner Mutter hören, die ihn bat, von seinem Vorhaben abzulassen. Doch er hatte sie grob weggestoßen und ihr ins Gesicht geschlagen. Ein Teil von ihm schämte sich entsetzlich dafür, doch er wusste, dass es kein Zurück gab. Er musste sie wiederfinden! Ihr Blut brannte in ihm, machte ihn rastlos. Nur mit einem Rucksack, gefüllt mit dem Notwendigsten und dem Geld, das er seiner Mutter gestohlen hatte, war er unterwegs. Wohin er auch kam, zuerst machten sie sich lustig über sein dickliches Aussehen, aber ein Blick in seine harten, kalten und berechnenden Augen ließ sie schnell verstummen. Als ihm das Geld schließlich ausging, schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten in einem kleinen Supermarkt durch.
Dann, eines Abends, als er auf einem Hügel sitzend den Sonnenuntergang beobachtete, sah er sie. Im letzten Licht der untergehenden Sonne, eingetaucht in die blutig roten Strahlen schien sie vor ihm zu tanzen. Er konnte ihr silbriges Gelächter hören. Wind kam auf und zerrte an seinem Hemd.
„Hast du mich noch nicht gefunden, Walt?“ lachte sie. „Komm! Komm mein Hübscher! Komm zu mir, hoch oben wo der Himmel die Erde küsst! Dort wirst du mich finden.“
„Wo ist das?“ schrie er ihr hinterher und rannte, so schnell er konnte, in ihre Richtung, doch sie schien sich immer weiter zu entfernen. „Ich verstehe nicht. Warum tust du das?“ schluchzte er verzweifelt, als er erschöpft stolperte und fiel. Er hatte schon lange nichts mehr gegessen, der Hunger quälte ihn, doch der Geruch von Essen machte ihn würgen. Er hatte stark abgenommen und die Haut hing traurig an ihm herunter.
Doch sie lachte nur kalt, tanzte und drehte sich im Wind. Und als der letzte Strahl hinter den Hügeln verschwand, funkelten ihre kristallklaren Augen und für einen Sekundenbruchteil konnte er das Dach der Welt sehen. Schneebedeckte Gipfel, ein hohes Tor zu einem Tempel, tief in den Fels getrieben.
Dann war es fort, sie verschwand und ließ Walt weinend im Dreck zurück. Am nächsten Morgen packte er wortlos seine Sachen, plünderte die Kasse und machte sich auf den Weg, er hatte ein Ziel.

*

Schmal und hoch war er, grade so breit, dass sich ein erwachsener Mann darin bewegen konnte. Ein Gang, der Tief in die Erde getrieben worden war, Wände, Decke und Boden aus festgestampftem Grund. Der Boden war staubig und mit jedem Schritt, den die Beiden taten, wirbelten sie ihn auf und mussten davon heftig niesen. Ihre Lampen strahlten wie kleine Kerzen in die Finsternis, warfen verzerrte Schatten an die schwarzen Wände und ließen die Unebenheiten tiefer aussehen als sie waren. Durch die rechte Wand auf den Gang gestoßen führte dieser nun von ihnen aus in beide Richtungen. Selbst im grellen Licht der Lampen sah die festgestampfte Erde Ekel erregend schwärzlich aus, wie mit Blut getränkt und dann getrocknet. Carlos erschauerte, als die uralte, feuchte Luft an seinem Nacken vorbeistrich. Er erinnerte sich an die alten Geschichten über das Grubenunglück, die ihm sein Großvater erzählt hatte. Die Geschichte seines Urgroßvaters, der damals hier gewesen war.
Schreie, Schreie die durch die Nacht hallten. Das Zimmer verschlossen; Blut, das unter der Tür durchfloss.
Doch der alte Mann konnte seine Freude nur mit Mühe verbergen. „Ich hatte Recht! Ich hatte Recht!“ jubelte er und besah sich mit weit aufgerissenen Augen die Vertiefungen an den Wänden. Seine Finger erkundeten begierig jede einzelne. „Sie war hier, ist es vielleicht immer noch.“ Carlos wagte kaum, hinzuschauen, fröstelnd und mit bösen Vorahnungen erfüllt folgte er dem kleinen Mann, der wie ein Betrunkener von einer Seite zur Anderen wankte, die Kratzer bestaunte und fortwährend leise vor sich hin kommentierte. Carlos Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Gab es diesmal eine Chance, das Unheil abzuwenden? Sollte sich die Geschichte wiederholen? Er musste einen Weg finden!

Eine Weile gingen sie den schmalen Gang entlang als sich vor ihnen eine Tür aus dem Schatten löste. Wie die Wände war auch sie über und über mit Kratzern versehen. Carlos blieb stehen und begaffte die merkwürdige Tür mit offenem Mund. So etwas hatte er hier unten nicht erwartet. „Mach schon, brech sie auf! Halt keine Maulaffen feil!“ fuhr ihn der Alte an. Carlos zuckte erschreckt zusammen, knurrte etwas Unverständliches in Spanisch und brach die Tür mit der Spitzhacke auf. Das Holz war schon so morsch geworden, dass es sich unter seinen Schlägen fast von alleine auflöste. Vorsichtig traten sie über die Schwelle und bestaunten ehrfürchtig, was sich nun ihrem Blick darbot.

Ein Raum, so groß wie ein ritterlicher Speisesaal, tat sich vor ihnen auf. Die hellen Strahlen der Taschenlampen richteten sich auf die im Schatten liegenden Berge, die sich überall auftürmten und das helle Licht mit goldenen Blitzen zurückwarfen.
Berge von Gold und Schätzen waren hier achtlos zusammengetragen worden. Wie ein irrer Sammler, der erst fanatisch einem Schatz hinterher jagt, nur um ihn dann – sobald errungen – achtlos in eine Ecke zu werfen und sich dem nächsten Objekt zuzuwenden. Körbe lagen herum, wild verstreut, einige voll, manche leer, hektisch gefüllt und dann fallengelassen.
Köstlich funkelte das Geschmeide, lockte der Ruf des Goldes und brachte Carlos Blut in Wallung. Mit einem leisen Aufschrei der Überraschung und Verzückung ließ er die schwere Ausrüstung fallen und stürmte den nächsten Goldberg. Er lachte, als er sich durch die Haufen grub und warf übermütig mit Goldmünzen um sich. David betrachtete seinen Begleiter mit eiskaltem Blick.

*

Jahre hatte es gedauert, bis er erste Spuren zu dem Tempel fand, den er im Geiste gesehen hatte. Seine Besessenheit hatte ihn abgehärmt, ihm tiefe Furchen ins Gesicht gemeißelt und ihn vorzeitig altern lassen, doch seine eisblauen Augen waren so wach und kalt wie nie zuvor.
Gerüchten folgend hatte sich Walt wochenlang durch die einsame Wildnis des Himalaja gekämpft. Dann, nach eisigen Nächten, durchwanderten Tagen in völliger Einsamkeit hatte er ihn schließlich gefunden. Schnell hatte er die alte Wächterin des Felsentempels ausfindig gemacht und sie hatte sich sofort bereiterklärt, ihn in den Tempel zu lassen - gleich nachdem er ihr seinen geladenen Revolver an die Stirn gehalten hatte. Er war schon viel zu oft viel zu weit gegangen, ein Menschenleben bedeutete ihm nichts mehr.
Mit einem tiefen, rostigen Knarren öffneten sich die riesigen, eisernen Flügeltüren, die den Weg versperrten ins Innere des uralten Felsentempels auf dem Dach der Welt. Wie von Geisterhand bewegt gaben die 3 Meter hohen und mit reichen Verzierungen versehenen Tore den Eingang frei, und doch wurden sie nur von der alten Frau mit einer Hand bewegt. Mit einer schier unglaublichen Leichtigkeit hatte die Alte ihre runzlige Hand auf den Knauf gelegt und gab nun den Blick ins Innere des komplett in den Fels getriebenen Tempels frei. Staunend stand der dürre doch sehnige junge Mann im Eingang und starrte mit zusammengekniffenen Augen in die trübe Dunkelheit. Seine Augen wanderten den langen Gang entlang, bestaunten die im Halbdunkel verborgenen, hohen Säulen und fielen dann auf die alte Frau, die ihn mit dunklem Blick verächtlich ansah. Oder war es Mitleid? In den wachen, schwarzen Augen der Alten glühte es. Mühelos hielt sie seinem harten Blick stand. Ein schwacher Wind fuhr über seine Haut, verschwand im Dunkel des Tempels und verklang mit einem leisen Seufzen zwischen den schlanken Säulen.

Im Moment fühlte er sich wie Indiana Jones – so nah dran. Er griff sich eine der Fackeln aus der Halterung am Eingang und, nachdem er der Alten ein letztes Mal den geladenen Revolver drohend unter die Nase gehalten hatte, machte er sich auf ins Dunkel des Tempels.
Viele Berichte hatte gelesen, viele Gerüchte gehört über diesen Tempel. Eine herrliche Statue aus reinstem Alabaster gefertigt, wurde als Göttin verehrt. Doch was dann seine Aufmerksamkeit erregt hatte, waren die Gerüchte über die Menschenopfer, die der Göttin dargebracht wurden. Er lachte rau. Er war jetzt einige Meter ins Innere des Säulengang vorgedrungen, hielt die Fackel hoch und sah sich um. Immer weiter grade aus, immer weiter. Ein merkwürdiger Geruch hing in der Luft, irgendwie extrem staubig und etwas verrottet, als wäre vor ewigen Zeiten etwas Großes hier verendet. Egal, immer weiter ging er, Schritt für Schritt, leuchtete nach links und rechts und folgte den hohen, herrlich verzierten Säulen immer tiefer in den Fels.
Dann sah er ein helles, gelblich Schimmern und Flackern am anderen Ende des Saales. Das müssen Fackeln sein, dachte er, sie beleuchten bestimmt den eigentlichen Altarraum. Feuriges Blut brannte in seinen Adern, stieg in ihm auf, ließ sein Herz schneller schlagen.
Seine Vorsicht vergessend rannte er los, durch die zweite, steinerne Tür hindurch in das Allerheiligste.
Atemlos starrte er die atemberaubenden Schätze an, die sich zu Füßen der alabasterweißen Statue einer Göttin stapelten, doch um ihretwegen war er nicht gekommen. Die Gier in seinem Herzen wurde übermächtig und er stürzte sich wie ein Verhungernder auf die im Fackelschein sanft schimmernde Statue. Zitternd vor Aufregung streckte Walt seine Hand aus und berührte sacht die fein gemeißelten Züge, strich über ihre Wangen. Er holte ein Messer heraus, schlitzte seinen linken Unterarm auf und ließ das heiße Blut auf sie tropfen. Nichts passierte! Immer wieder ließ er Blut auf sie fließen, dann dämmerte es ihm, er hielt inne und stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus. Sie war es nicht! All die Mühe vergebens, nur eine blöde Statue! Von Schluchzern geschüttelt brach er vor der Statue zusammen und weinte. Dann fühlte er auf einmal Blicke auf sich gerichtet. Die alte Frau stand hinter ihm und betrachtete ihn mitleidlos. „SIE ist nicht mehr hier! Gehen Sie heim! Hören Sie auf zu suchen, denn alles, was Sie finden werden, ist ihr eigener Tod.“ Dann drehte sie sich um und verließ das Allerheiligste. Walter starrte ihr fassungslos nach.
„Niemals! Niemals werde ich aufhören, SIE zu suchen, hörst du, du hässliche alte Vettel? NIEMALS!!!“ brüllte er ihr hinterher und sackte erschöpft auf den Boden. Umsonst.

Und dann, eines Tages, hatte er wieder einen Traum. So real, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb. Er lag auf seinem Bett in einer namenlosen Herberge in einer unwichtigen Stadt, irgendwo in Bhutan, und träumte........fest und kühl schmiegte sich ihr perfekter, glatter, biegsamer Leib an ihn. In ihren klaren Augen funkelte und blitzte es. Sehnsüchtig streckte er die Hand nach ihr aus, berührte ihr reiches, blondes Haar; fuhr mit fast ehrfürchtigen Bewegungen den süßen Bogen ihres Halses nach. Er konnte nicht genug von ihr bekommen. Sie lachte leis und silbrig als hätte sie seine Gedanken gelesen. „Ich kann es nicht länger ertragen,“ flüsterte er heiser, doch sie lachte nur. Sie umarmte ihn, umklammerte ihn und küsste ihn auf den Hals. Er bog sich ihr entgegen, gab sich hin. Im Taumel des Rausches sah er es in ihren Gedanken; eine dunkle Höhle, tief im Dschungel verborgen. Tief sah sie ihm in die Augen, als sie sich von ihm löste. „Finde mich, und ich werde dir geben, was du verlangst.“ Seine Schreie mischten sich unter ihr Gelächter, als sie ihn verließ. Nie wieder hat er sie gesehen, doch sie lag in seinem Blut. Kein Rasten oder Ruhen bis er sie gefunden hatte.
Walt schrak auf und machte sich auf den Weg.


*

Er löste sich aus seinen Grübeleien und mit einem Blick auf den ahnungslosen Carlos bleckte er die Zähne. „Wenn du wüsstest....wenn du wüsstest....“ murmelte er unhörbar – und lächelte kalt. „Wenn Sie dann fertig sind, richten Sie das Lager ein und kochen Kaffee für uns.“ Es war keine Frage, es war eine Feststellung; eine, die keine Widerworte zuließ.
Carlos begann murrend, ihre mitgebrachte Ausrüstung auszupacken und Kaffe zu kochen. Eine Weile später brachte er David eine heiße Tasse Kaffee. „Hier, trinken Sie. Er schmeckt asqueroso, wie .... gekochte Hühnerpisse, ist aber wenigstens heiß.“ Der nahm einen Schluck und verzog angewidert das Gesicht. „Großer Gott ist das eklig! Das verdient den Namen Kaffee nicht.“ keuchte er, nahm noch einen und würgte.
Carlos ignorierte Davids Gefluche und begann, den Saal nach weiteren Türen oder Gängen zu untersuchen. Die Kratzer gingen ihm nicht recht aus dem Kopf, sein Verstand krümmte sich bei dem Gedanken an die Szenen, die sich hier unten abgespielt haben müssen, und die eklige Leiche, die seine Hacke gefunden hatte. „Auf was habe ich mich hier bloß eingelassen?“ Dios mio, que miedo!
„Hey Señor, ich schau mir mal den Gang an, den wir gekommen sind. Mal sehn, wo der hinführt.“ rief er David zu. „Sind sonst keine anderen Gänge da, und auch keine Türen.“ „Ja ist gut, gehen Sie nur.“ antwortete dieser abwesend. Carlos schnappte sich seine Pike – für alle Fälle – und seine Lampe und stiefelte los. Vielleicht war dies seine einzige Chance, dem Anderen zuvorzukommen und ihn aufzuhalten. Das beinah heimelige Licht aus dem Saal hinter sich lassend, betrat er den finsteren Gang, durch den sie gekommen waren und machte sich entschlossen auf in die Dunkelheit.

Langsam und vorsichtig suchte er sich seinen Weg. Kleine und größere Knochen lagen verstreut auf dem Boden und immer wieder stieß er mit seinen Stiefeln gegen sie. Es widerte ihn an und er meinte, an einigen noch vertrocknete Fleischreste erkennen zu können. Die Kratzspuren an den Wänden sahen im Schein der Lampe unheimlich aus, sie schienen in einer stummen Sprache zu ihm zu sprechen, die er nicht verstand. Er konnte das Böse fühlen, so wie damals, als er noch ein Kind gewesen war. Die Tür verschlossen. Blut. Überall war Blut. Wo war sein Bruder nur? Er war vor dem Bösen geflohen, doch auch ihn hatte die Erinnerung nicht verlassen.
Er begann, seine Entscheidung immer mehr zu bereuen. Weiter und weiter folgte er dem Gang, der schnurgrade in die Endlosigkeit zu führen schien. Dann, wie nach einer halben Ewigkeit, erreichte er eine weitere Tür. Wie die Erste, war auch sie aus uraltem, morschem Holz gearbeitet und mit schweren Eisenbeschlägen versehen. „Irgendwie mittelalterlich“ murmelte Carlos und erschrak, als er seine Stimme als hohles Echo von den engen Wänden hallen hörte. Ihn schauerte und spürte mit einem Mal die schleimigfeuchte Kühle, die sich wie ein Schleier auf seine Haut legte. Misstrauisch um sich schielend legte er die Lampe auf den Boden und schwang die Hake mit ausladenden Bewegungen. Das morsche Holz zersplitterte erwartungsgemäß und gab den Blick frei in den Raum, der sich dahinter verbarg. Sein Blick erfasste sofort, was er war: eine Menagerie des Grauens, die all seine heimlichen Befürchtungen bei weitem übertraf.
„Madre mia! Que horror!“ jaulte Carlos. Seine Stimme brach sich tausendfach an den Wänden und drang bis zu David vor, der sich wissend grinsend auf den Weg machte und Carlos gemächlich in die Dunkelheit folgte. Der Alte sah den entsetzen, jungen Mann mit spöttisch hochgezogener Braue an und eisiger Häme ruhig ins Gesicht. „Lassen Sie mich raten, noch mehr Knochen?“
Carlos sah sein Gegenüber verdutzt an. „Sí , woher wissen Sie das? Es sind Skelette, menschliche. Allesamt! Der ganze Raum ist voll davon. Was...“ Carlos brach ab, als hätte er es sich anders überlegt. Der Ältere sah sein Gegenüber für einen langen Augenblick fest an, dann stand er auf, klopfte sich den Staub von den Hosen und forderte ihn mit einer Geste zum Sprechen auf. Doch Carlos schüttelte nur störrisch den Kopf und beleuchtete das heillose Chaos aus Knochen und alten Stofffetzen.

Nur zögernd erhellte der Schein der Lampe den Raum. Dutzende vertrocknete Kadaver eindeutig menschlichen Ursprungs hingen an eisernen Ketten von der Decke und an den Wänden. Faulendes Fleisch hing in Fetzen herunter, in den tief klaffenden Wunden wanden sich fahlweiße Maden. Zahllose Insekten wimmelten auf den Überresten von Toten und nährten sich von ihnen. Der Gestank war unbeschreiblich. In die Wände waren Dutzende kleiner Vertiefungen geschlagen. Als David sich, ein Taschentuch vor den Mund haltend, vorsichtig seinen Weg durch das Durcheinander bahnte und ein wenig herum leuchtete, fanden sie in den Nischen verrottende Schädelknochen.
„Großer Gott, wer hat das bloß getan?“ hauchte Carlos, vor Grauen und Ekel grün im Gesicht. So vertraut....so quälend vertraut.... ein Körper, leblos und kalt, sanft schaukelnd im Morgenrot... summende Fliegen...Er atmete so flach wie möglich durch den Mund, um dem Gestank besser ertragen zu können, doch seine Zunge erfasste den fauligen Geschmack verwesten Fleisches und drehte ihm den Magen um. Zum Glück hatte er schon lange nichts mehr gegessen. Seine Augen irrten wie zwei dunkle Irrlichter durch den Raum, als würde er erwarten, jeden Moment die Urheber dieses Massakers zu erblicken.
„Ja, wer bloß?“ krächzte der Alte dumpf mit einer seltsam kalten Aufregung in der Stimme. „Oder vielleicht sollte man besser fragen: Was?“ Das wissende Altmännerlachen hallte unangenehm durch die Dunkelheit, zerbrach in zahllose Echos und verklang. Carlos wurde das Gefühl nicht los, dass sein Begleiter sehr viel mehr über die Geschichte wusste als er sagen wollte. Mit stoischer Ruhe machte sich der alte Mann an die Untersuchung der Leichen, nahm einige Knochen in die Hand, betrachtete sie eingehend und warf sie dann achtlos wieder weg. Carlos, den dieses Verhalten zutiefst beunruhigte, wich einen Schritt zurück, nur zur Sicherheit. Er glaubte die Journalistenstory schon lange nicht mehr. David hatte ihn angelogen, soviel war sicher. Ob er vielleicht mehr über das Böse, das hier hauste, wusste als er zugab? War er hergekommen, weil er die Geschichten gehört hatte, ihnen glaubte? Wollte er dem Fluch vielleicht sogar ein Ende bereiten? Er war sich nicht sicher. Aber vielleicht war doch noch nicht alles verloren. Doch dann sah er wieder den inzwischen vertrauten Wahnsinn in den Augen des Anderen glühen. Ihn schauderte.

Schließlich hatte sich David bis ans andere Ende des Raumes vorgearbeitet und dabei wieder leise vor sich hin gemurmelt. Carlos hatte er dabei keines Blickes gewürdigt. Wie von unsichtbaren Fäden geführt tastete sich David an der Wand entlang, bis seine Finger die Vertiefung fanden, die tiefer in die Erde führte. Keine Tür, nur ein weiterer Gang, niedrig und schmal und finster. Ohne zu zögern trat der Alte in den Gang und verschwand in der Dunkelheit. Carlos zögerte, wusste nicht, ob er den Mann begleiten sollte oder nicht. Doch ein kurzer Blick auf das Grauen zu seinen Füßen ließ ihn hastig hinterhereilen.
Der Gang war nur kurz und öffnete sich schon nach wenigen Metern hin zu einem sehr kleinen Raum, in dessen Mitte ein mit seltsamen Motiven verzierter, steinerner Sarkophag stand. Dicker Staub bedeckte ihn und trudelte träge durch die Luft. Ein ersticktes Keuchen entwand sich der Staub trockenen Kehle des alten Mannes, als er mit bebenden Händen über den Sargdeckel strich. In seinen Augen standen Tränen und er konnte seinen Blick nicht von den Inschriften abwenden. Seine Lippen bewegten sich lautlos, formten Worte in seltsamen Sprachen und ließen Carlos, der inzwischen hinter den zitternden David getreten war, erschauern. Was murmelte der Alte denn jetzt schon wieder? Ojala me hubiera quedado en casa, wär ich doch bloß zu Haus geblieben, wünschte er sich verzweifelt und wartete unbehaglich. Erinnerungen tauchten aus den Tiefen seines Unterbewusstseins auf, er konnte es nicht mehr verhindern. Sie übermannten ihn.
In Schweiß gebadet lag er da und blickte wild um sich, als erwarte er, diese Augen wiederzusehen. Doch das war unmöglich; so lange her, so weit weg. Dann eines Nachts begannen die Schreie. Vom Vater auf den Sohn sprang es, verflucht war ihre Familie. Als der Großvater sich das Leben nahm, kam das Böse zu seinem Sohn und zu dessen Sohn – und so zog es heran und hielt sie in seinem festen Griff. Die Söhne verließen das Dorf, zogen umher, doch das Böse fand sie immer. Seit 60 Jahren nun hallten die Schreie durch die Nacht und niemand wusste, ob es je ein Ende nehmen würde.

„Carlos!“ hallte die harsche Stimme so plötzlich durch den Raum, dass der Angesprochene erschrocken zusammenzuckte. „Soso. Dann stammen Sie also direkt von diesem einen Spanier ab, wusste ich’s doch.“ grinste David, warf einen berechnenden Blick auf seinen Begleiter und ging mit raschen Schritten um den Sarkophag herum.
„Woher wissen Sie das?“ jammerte Carlos. Er hasste sich selbst für sein elendes Verhalten, konnte es aber nicht verhindern.
„Jemand der im Schlaf spricht und bei Tagträumen schreit, sollte besser keine Geheimnisse haben.“ lachte David hämisch. „Dann hatten meine Quellen also Recht, als sie mir Ihren Namen gaben.“
„Wie? Was zum Teufel haben Sie mit mir vor?“ Carlos verlor sichtlich die Beherrschung.
„Was wollen Sie?“
„Halten Sie den Mund und tun Sie was ich Ihnen sage, Mann.“ herrschte David ihn mit eisiger Stimme an und begann, sich mit aller Kraft gegen die steinerne Abdeckung zu stemmen. „Na los! Packen Sie endlich mit an.“ Carlos zögerte erst, doch dann sprang er schließlich hinzu und unter ihren vereinten Bemühungen begann sich die dicke Platte Stück für Stück zu bewegen. Schließlich fiel die schwere Platte mit einem steinernen, dumpfen Schlag zu Boden und gab den Blick frei auf etwas, das seit Ewigkeiten niemand mehr gesehen hatte.

*

Weitere endlose Jahre später hatte Walt sein Ziel erreicht, ein kleines, namenloses Kaff an der Grenze des Canaima-Nationalparks in der Gran Sabana. Eine kleine Randmeldung in einer Lokalzeitung hatte Walt schließlich auf die richtige Spur gebracht, nachdem er weitere Jahre mit dem Absuchen unzähliger Minen in Südamerika verschwendet hatte, doch außer Knochen, Dreck und Frust hatte er nichts gefunden. Er nahm sein Gepäck vom Rücksitz des Jeeps, der ihn hergebracht hatte, dankte dem Fahrer mit einem kurzen Nicken und mit einem kühl-berechnenden Blick machte er sich auf. Er hatte es sich grade an einem wackligen Tisch in der einzigen Taverne, wenn sie denn dieses Wort verdiente, gemütlich gemacht, als ihm auffiel, dass sämtliche Gespräche verstummt waren. Die anderen Gäste starrten ihn an. Er verzog den Mund zu einem höhnischen Grinsen und starrte zurück. Seine eiskalten, blauen Augen gegen die schwarzen Augen der Einheimischen. Es dauerte nicht lange, und einer nach dem Anderen wandten sie sich ab.
„Wollen Sie was zu essen, Señor?“ ertönte eine raue Altmännerstimme. Der Wirt stand neben ihm und sah ihn fragend an. „Si. Geben Sie mir was Heißes, Fettiges – irgend etwas. Nur nichts Gebratenes, davon wird mir schlecht.“
Der Wirt zog überrascht eine Augenbraue hoch und stapfte wortlos davon. Zirka 20 Minuten stand etwas Undefinierbares, aber Heißes und Fettiges vor ihm, mit Bohnen. Er aß hungrig und doch stand ihm der Ekel vor dem Essen ins Gesicht geschrieben. Als er fertig war, schob er den Blechteller beiseite, legte eine Karte und einen Batzen Geld auf den Tisch und sah die Männer an der Theke fragend an.
„So, und wer von Ihnen möchte sich ein bisschen Geld verdienen?“ fragte er mit einem kalten Lächeln. „Ich hätte da ein paar Fragen.“


*

Carlos erstarrte vor Entsetzen. „Dios, das kann nicht sein. Sie ist es.“ Und wieder erschütterten schmerzhafte Erinnerungen den jungen Mann. Als in dieser Nacht wieder die Schreie seiner Eltern und das kalte, grausame Lachen einer unbekannten Frau erklangen, nahm er seinen ganzen Mut zusammen, und machte sich wie so oft auf den Weg.
Mit leisen Schritten tapste er mit nackten Füßen über den kühlen Flur und zur Tür des Zimmers seiner Eltern. Wind zog durch die Türritze und ließ seine Schlafanzughose flattern. Schritt für Schritt näherte er sich der verschlossenen Tür und lauschte.
Des Vaters Schreie wurden schriller und verstummten dann plötzlich. Stille herrschte, unterbrochen nur vom leisen, verzweifelten Schluchzen seiner Mutter. Langsam und vorsichtig drückte er die Klinke runter, die Tür öffnete sich mit einem leisen Knarren und gab den Blick auf etwas wieder, das ihn sein ganzes Leben verfolgen würde. Eine junge Frau mit goldenem Haar, das sich wie ein wilder Wasserfall bis weit über ihren Rücken ergoss, ein weißer Alabasterkörper und Augen wie geschliffene Saphire stand da und lachte. Sie griff das Handgelenk seines Vaters, stach mit einem Messer seine Pulsader an und fing das hervorschießende Blut mit ihrem Mund auf. Carlos wagte nicht zu atmen; geblendet vor Abscheu, Schmerz und ihrer vollkommenen Schönheit stand er da. Er hörte seine Mutter schreien, doch konnte er den Blick nicht von der grausigen Szene vor ihm abwenden.
Walt streichelte mit bebenden Händen das goldene Haar der Toten.
„Señor, wissen Sie etwa, wer sie ist?“ flüsterte Carlos.
Doch der alte Mann beachtete ihn gar nicht. Tränen standen in seinen Augen – und ein sehr merkwürdiger Glanz, der Carlos irgendwie bekannt vorkam – Besessenheit, und noch etwas.

Eine kleine Ewigkeit verstrich, Carlos` Schritte verhallten leise im dunklen Gang und David starrte immer noch auf sie herab. „Ich habe dich nicht vergessen, nie.“ flüsterte er ihr zu. „Ich könnte dich niemals vergessen, du meine Geliebte.“ hauchte er leise. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck griff er mit der Rechten nach seinem kleinen Messer und schnitt sich rasch tief in den linken Arm. Süßer Blutgeruch durchdrang die trockene, staubige Luft und vermischte sich mit dem alten Geruch des Todes.
Ein Schluchzer des Schmerzes, der auch für einen der Lust gehalten hätte werden können, entwand sich seiner Kehle, als er den blutenden Arm über die Tote hielt und zusah, wie die Blutstropfen langsam auf die schimmernd weiße Alabasterhaut unter ihm herabfielen. Und als die Erinnerungen an Farbe gewannen, vor seinem inneren Auge wieder lebendig wurden, vermischten sie sich mit dem Verwesungsgestank und ließen ihn aufschreien.

„Was tun Sie da? Reden Sie endlich, Mann! Wissen Sie eigentlich, mit was wir es hier zu tun haben? Sie ist ein Monster! Hat meinen Vater und meinen Großvater auf dem Gewissen. Sie muss vernichtet werden!“ brüllte Carlos David unvermittelt an. Der Alte zuckte nicht mal zusammen. Mit klarem, ruhigem Blick sah er seinen Gegenüber an und lächelte fein.
„Sie vernichten? Sind Sie wahnsinnig?“ fauchte David unvermittelt los und ein irres Glitzern flackerte in seinen eisblauen Augen. „Ich habe sie gesucht, so lange! Bin in der ganzen Welt herumgereist, nur um sie zu finden. Sie ist mein! MEIN! MEIN!“
„JETZT verstehe ich! Sie gottverdammter Hurensohn! Sie sind dieser berüchtigte Grabschänder Walter Maynard!“ brüllte Carlos los.
„Clever, wirklich clever!“ flüsterte Walter eisig. „Dann sind Sie also endlich dahinter gekommen. Hat ja auch lange genug gedauert.“
„Ich werde nicht zulassen, dass Sie dieses Monster da wiederbeleben!“
„Ach,“ lächelte Walter spöttisch, „und wie wollen Sie mich daran hindern?“
„Mir fällt schon was ein!“ Carlos sprang auf, rannte wie wild herum und suchte nach seiner Spitzhacke.
„Na da bin ich aber gespannt,“ höhnte er, legte den Kopf schief und schien wie entrückt einer Stimme zu lauschen, die außer ihm niemand hören konnte.
Er hatte SIE gefunden. Seine Zeit war gekommen.
Carlos packte den Griff seiner Spitzhacke und machte sich entschlossen auf den Weg. Er würde jetzt ein für alle Mal diesem Dämon ein Ende bereiten, seine Familie von dem Fluch befreien. Zögernd wand er sich an den stinkenden Leichenhaufen vorbei und trat ein in die Kammer in der jetzt der offene Sarkophag stand. Schatten tanzten an den Wänden und der Decke, seine Lampe war einfach zu schwach, erzeugte mehr Schatten, als sie vertrieb. Langsam aber mit wachsender Entschlossenheit näherte er sich dem steinernen Grab und sah hinein. Die Mumie lag dort wie zuvor. „Carlos, du fängst an zu spinnen. Mach jetzt endlich! Venga!“ knurrte er sich an, wütend auf sich selbst. Zu wütend um sich einzugestehen, dass er Angst hatte. Er starrte der Mumie in die leeren Augenhöhlen. Sie starrte zurück.
„Sie starrt zurück!“ keuchte er. „Sie starrt mich an!“ wiederholte er jetzt lauter. Er wich zurück und fuhr sich mit den Fingern durchs kurze, schwarzlockige Haar. „Sere idiota! Das ist bloß der Alkohol! Ich hätte niemals saufen dürfen.“ schalt Carlos sich selbst, trat wieder näher heran und hielt den Lichtstrahl direkt ins tote Gesicht der Mumie. Walter lachte nur und beobachtete ihn müßig.
Ihr Kopf drehte sich ganz langsam, bis ihre leeren Augenhöhlen Carlos direkt ansahen. Wie ein Blitz schoss ihr Arm vor und schnappte sich dessen linkes Handgelenk.
Carlos ließ die Hacke fallen und begann zu kreischen.

Walter keuchte auf, als Carlos Schreie ihn aus seinen Gedanken rissen. „Meine Geliebte.“ flüsterte er. Eben noch bei Sinnen übernahm wieder etwas Anderes die Kontrolle und füllte sein Bewusstsein mit Besessenheit aus. Blut rauschte wie ein feuriger Strom durch seine Adern und verschärfte seine Sinne. Ihr altes Blut erwachte in ihm, vermischte sich auf ein Neues mit dem Seinen und ließ jedes noch so leise Geräusch in seinen Ohren schmerzen. Das Feuer in ihm brannte hell und brachte Bereiche seines Körpers zum reagieren, die er schon lange tot wähnte.

„Sagen Sie, Carlos“ ertönte unvermittelt Walters eisige Stimme hinter ihm „Haben Sie jemals geliebt?“ Er ging um den Sarkophag herum und sah dem Angesprochenen direkt in die Augen. „J..ja, glaub schon. Warum?“ stotterte Carlos verdutzt über den plötzlichen Themenwechsel. „Hören Sie, das ist.........helfen Sie mir! Wenn noch irgendetwas Menschliches in Ihnen ist, befreien Sie mich! Machen wir diesem Dämon endlich ein Ende!“ Er starrte den Alten an und zerrte dann wieder wie wild an seinem Arm, doch der Griff der Mumie lockerte sich nicht. Walt ging zum Kopfende des Sarkophages, lächelte liebevoll und strich wieder über die vertrockneten Locken. Carlos würgte. „Qué coño estás haciendo? Was tun Sie denn da?“ schrie er. „Sind Sie verrückt?“ „Sie verstehen das nicht, Carlos.“ sagte Walt bestimmt. „Werden es aber bald verstehen, nur Geduld.“ Und grinste. Und dieses Grinsen gefiel Carlos ganz und gar nicht. Mit wilder, verzweifelter Kraft zerrte er an dem Griff der eingefallenen Mumie – doch er lockerte sich um keinen Millimeter. Walt lächelte nur und wanderte tief in Gedanken versunken rastlos durch den kleinen Raum. Er hatte Zeit, er würde warten.

Wieder ging draußen im Dschungel die Sonne unter.

Nach einer Weile schien sich die Atmosphäre im Raum zu verändern. Alles wurde still, kein Geräusch zu hören, sogar Raum und Zeit schienen den Atem anzuhalten. Eine Präsenz erfüllte den kleinen Raum, drang in jede Ritze, kroch Carlos Wirbelsäule hinauf und ließ ihm die Haare zu Berge stehen. Es fängt an! schoss es ihm durch den Sinn. Es fühlte sich nicht gut an, gar nicht gut. Er stand ganz still, wehrte sich nicht mehr gegen den ehernen Griff – lauschte nur angstvoll der Stille. Auch Walt hatte diese neue Anwesenheit gespürt und frohlockte. Tief einatmend unterdrückte er die aufwallende Erregung, die durch seinen Körper nach oben stieg und schluckte schwer. Es war soweit! All die Jahre, dachte er, soviel Zeit verschwendet. Er griff nach seinem kleinen, aber scharfen Taschenmesser, trat an das Kopfende des Sarkophages und schnitt sich erneut tief in den rechten Arm. Er verzog vor Schmerz das Gesicht und japste, aber er zog das Messer unaufhaltsam weiter, bis es ihm aus der zitternden Hand fiel.

Carlos hielt vor Entsetzen den Atem an. „Dios mio, Walt, was tun Sie da?“ schrie er hysterisch. Walt beachtete ihn nicht, aber irgendwie hatte Carlos das auch nicht wirklich erwartet. Fassungslos musste er mit ansehen, wie der Alte das herausströmende Blut auf den Kopf der Mumie tropfen ließ, hörte sein unverständliches Murmeln, sah die unnatürliche Blässe in dessen Gesicht, sah den Wahnsinn in den eisblauen Augen glühen. Carlos schloss die Augen und begann zu weinen.
Vaters Zimmer, die Tür öffnet sich, Blut fließt. Leere Augenhöhlen starren ins Nichts. Das Fenster ist offen, leise weht der Nachtwind ins Zimmer, der Vorhang weht im Wind. Schatten tanzen in der Nacht, blutroter Himmel, Finster die Nacht, kein Laut zu hören. Das Echo der Schreie hallt stumm von den Wänden wider. Seine Mutter weint. Oh nein.......nein............lass es nicht zu. Gebete, die ungehört verhallen. Gott kümmert es nicht.
„Ich erinnere mich, ich erinnere mich“ weinte Carlos und dachte an seinen Großvater, seinen Vater. Keine Hoffnung, nie gehabt, niemals, nein.

Walt war inzwischen speiübel vor Schmerz, doch er beachtete es nicht. Sein ganzes Sehnen und Trachten galt seiner Geliebten. Keine Sekunde ließ er sie aus den Augen, keinen Augenblick wandte er die Augen von ihr, sog ihren Anblick in sich auf und konnte es kaum noch erwarten. „Nicht mehr lange, gleich.....gleich. Nur noch ein bisschen.“ hauchte er keuchend. Blut tropfte auf vertrocknete Haut; süßer Duft nach frischen, heißen Blut erfüllte den Raum und belebte die Präsenz, ließ weitere Erinnerungen wach werden, erweckte Gier. Ein geisterhaftes Beben brüllte tonlos durch die Gruft, ließ Carlos erschauern und war wie eine Liebkosung für Walt.
Die fremde, machtvolle Präsenz im Raum drang langsam auch in Carlos Körper ein, füllte seinen Geist mit fremdem Wissen. Es reicht nicht! Das Blut. Es war nicht genug. Und dann sah er, wie sich ihr blickloser Kopf erneut zu ihm hin drehte. Da wurde ihm klar, von wem sie mehr Blut bekommen würde. Er winselte und konnte fühlen, wie ihm ein warmer Strom die Hose nässte und an seinen Beinen herunterrann. Walt lachte. Er lachte und lachte und hörte auch dann nicht auf, als die andere Hand der Mumie vorschoss, Carlos Kopf packte, den jetzt Schreienden runterzog und ihm die Reißzähne voller Gier in den Hals rammte. Nur eine Minute später ließ sie den ausgesaugten Leichnam fallen wie eine Puppe. Die Regeneration verlief nun wie im Zeitraffer. Binnen weniger Minuten war sie vollkommen wiederhergestellt, ein rosiger Engel, warm und lieblich. Einen Augenblick lang lag die junge Frau reglos in ihrem Sarg. Dann öffneten sich die unglaublichen, saphirblauen Augen und betrachteten ihre Umgebung aufs Neue. Ihre herrlich goldene Lockenmähne fiel ungebändigt weit über ihren Rücken und umfloss sie wie ein köstlicher Schleier, als sie sich erhob. Mit einer Geschmeidigkeit und Grazie, wie sie nur ein uraltes, unsterbliches Geschöpf erlangen kann, verließ sie ihren Sarg und richtete ihren kalten, toten Blick auf den alten Mann neben sich.
„Erinnerst du dich noch an mich?“ fragte Walt leise mit zitternder Stimme. Sie wandte sich ihm ganz zu, wie eine bewegliche Statue aus feinstem, reinweißem Alabaster, durch das frische Blut sacht rosig gefärbt. Ihre Schönheit war vollkommen, kalt, unmenschlich – sie verströmte den kaum wahrnehmbaren Geruch des Todes aus ihrer Haut. Nicht die leiseste menschliche Regung war auf ihrem perfekten Gesicht auszumachen. Sie suchte in ihrer Erinnerung nach ihm, ah ja. Da erschien ein ganz leises Lächeln in ihren Mundwinkeln. Sie unterbrach den Kontakt, erblickte den toten Carlos zu ihren Füßen und fauchte vor Abscheu auf. Sie packte ihn am Genick und schleuderte ihn mit einer Leichtigkeit in den Vorraum mit den anderen Skeletten, als wäre er leicht wie eine Feder. Walt sah das alles nicht, er sah nur sie, war erfüllt von ihrer Gegenwart.

„Ich habe von dir geträumt. All die Jahre habe ich von dir geträumt. Und auf dich gewartet.“ flüsterte Walt. „Warum hast du mich verlassen? Ich kann ohne dich nicht leben.“ fragte er und näherte sich ihr. Sein Verlangen nach ihrem Körper wurde immer stärker. Sein Atem ging schneller, als er schließlich in ihr unbewegtes Gesicht brüllte:“ Warum hast du mich verlassen, zum Teufel?“ Ganz nah war er ihr jetzt. Nur Zentimeter trennten sie voneinander. Walts heißes Verlangen traf auf ihre Eiseskälte, Feuer und Eis prallten aufeinander und ließen die Spannung ins Unerträgliche steigen. „Wie unvernünftig du bist.“ sagte sie mit einem Mal maliziös. „Aber das warst du ja schon damals.“ Ihre süße, sanfte Stimme stand im völligen Gegensatz zu ihrer Kälte und verwirrte Walt die Sinne. Langsam und geschmeidig wandte sie sich und lauschte dem Brüllen der Welt in der Stille der Gruft. Walt folgte ihr wie ein Hündchen.

Dann sah sie Walt fragend an. Er zitterte vor Sehnsucht. „Was willst du von mir?“ fragte sie sanft und spöttisch.
„Mit dir vereint sein.“ Gab er zurück. „Ich will dich, ich liebe dich, ich brauche dich.“ sprudelte es aus ihm heraus. Sein schlohweißes Haar hing in wirren, fettigen Strähnen um seinen Schädel. Er streckte seine Hände gierig nach ihr aus, doch er wagte es nicht, sie zu berühren. Da lachte sie, öffnete einladend die Arme und rief:“ Komm zu mir, und empfange deinen Lohn.“ Und als er sich mit aller Inbrunst in ihre Arme warf, umschlang sie ihn und senkte ihre langen, weißen Reißzähne in seinen faltigen Hals.
Es war so unbeschreiblich schön! Endlich vereint, so lange her, ging es Walt durch den Kopf. Fast konnte er fühlen, wie sie leise lächelte. Aller Schmerz war vergessen, die Zeit stand still. Ihr kaltes, totes Herz nahm den Rhythmus seines Herzens auf und es dröhnte jeder Schlag wie ein tiefer, hallender Donner, jagte sein warmes, menschliches und ihr heißes, unsterbliches Blut durch ihrer beider Venen. Sacht saugte sie sein köstliches Blut aus ihm und genoss jeden Tropfen. Ihre Freude und Ekstase vermischte sich mit der Seinen und beide ertranken im Taumel ihrer Lust. Eng an sie geschmiegt konnte er spüren, wie ihr Körper wärmer wurde, weicher; er ließ seine Hände wandern, erkundete ihre Rundungen und keuchte auf vor Erregung. „Meine Geliebte, meine Schöne, meine....meine...“ flüsterte er. Beide vermischten sich, wurden eins. Walt verlor sich in ihr, gab sich ihr hin. „Du bist mein. Mein. Für immer.“ keuchte er. Mitten im Taumel der Lust riss sie sich von ihm los und leckte sich genüsslich die letzten Blutstropfen von den vollen Lippen. Walt erstarrte. Seine Knie gaben unter ihm nach, er stürzte zu Boden und streckte verständnislos die Hände nach ihr aus. „Was tust du?“ krächzte er. Der Blutverlust ließ ihn schwach atmend zurück. Sein ganzer Körper zitterte unkontrolliert und er fühlte sich wie auf einem Schiff im Sturm, das hilflos den tobenden Wellen ausgesetzt ist. Er konnte nicht aufstehen, kaum atmen, kaum sprechen. Es toste und klingelte in seinen Ohren. Seine Sinne spielten verrückt. Sie machte ein paar Bewegungen eines alten Tanzes, drapierte ihre modrige Kleidung neu und besah sich den hilflos am Boden liegenden Walt dann lange und nachdenklich. „Warum sprichst du nicht mit mir?“ setzte er erneut unter Qualen an. „Du hast es mir doch versprochen! Du hast mir das ewige Leben versprochen! Seitdem du mich verlassen hast, habe ich keine Ruhe gefunden. Beim Geruch von Essen wird mir schlecht, es widert mich an. Ich leide!“
„Ist das mein Problem?“ gab sie gleichgültig zurück. Ihre stahlharten Augen fixierten ihn. Walt konnte nicht ertragen, was er da hörte. Es konnte nicht sein! Der Raum begann sich zu drehen, ihm schwanden die Sinne. Als er sie ansah, fuhr ihm ihr gedankenvoller, fast mitleidiger Blick wie ein Dolch ins Herz. Für einen kleinen Moment konnte sie sich selbst sehen; so viel Zeit vergangen, so lange her. Hätte doch nur ihr Schöpfer mit ihr Erbarmen gehabt. Doch Erbarmen hatte es nicht gegeben. Damals nicht und seitdem nie.
Sie seufzte auf und schwang ihre makellosen Beine von der steinernen Gruft, auf der sie gesessen hatte, und wandte sich der Tür zu. Dort drehte sie sich noch einmal um. „Ich habe dir etwas versprochen,“ sprach sie ruhig.
Walt erstarrte und lauschte angestrengt, als sie jetzt flüsterte. Würde sie ihm jetzt endlich das ewige Leben geben, nach dem es ihn so dürstete? Würde sein Elend dann endlich ein Ende finden? Nichts bereitete ihm mehr Freude, keine Frau konnte das tosende Feuer in seinen Lenden löschen, keine Speise seinen Hunger stillen. Es gab nur noch SIE.
„Doch ist es nicht das, was du als das ewige Leben bezeichnest.“ fuhr sie ruhig fort. „Das kostbarste Gut der Welt ist das Leben selbst!“ Ich gebe dich frei. Folge mir nicht mehr, ich bringe dir kein Glück, habe es nie getan.“ sprach sie und ging. Nur der wirbelnde Tanz des Staubes in der Luft verkündete noch, dass sie jemals hier gewesen war. Walt brach in Tränen aus. „Alles umsonst! Kein Sinn, kein Sinn!“ weinte er hemmungslos, als ihm die Tragweite ihrer Worte bewusst wurde.

*

Wie lange er so dort am Boden gelegen hatte, er konnte es hinterher nicht mehr sagen. Doch schien es ihm wie eine Ewigkeit, bis er die ersten Stimmen hörte; Stimmen, die nach ihm und Carlos riefen, Schritte, die sich vorsichtig dem Raum, in dem er lag, näherten. Dann Hände, die ihn hochhoben und zurück ans Licht trugen, Sonne, die ihn blendete. Sie redeten auf ihn ein, doch er verstand kein Wort, wollte auch nichts verstehen. Er hatte verloren, sein Leben weggeworfen. Was kümmerte es ihn, was sie sagten.
Andere bargen den misshandelten Leichnam Carlos aus der Mine und legten ihn vor dem Eingang auf die Erde. Sie redeten, schrien auf ihn ein doch er schluchzte nur. Der Anblick Carlos ließ den Wahnsinn wieder erwachen; Walt fing an zu schreien und zu toben. Die Männer schlugen ihn schließlich nieder und brachten ihn mit Gewalt zurück in die Zivilisation. Der diensthabende Polizist besah sich das irre brabbelnde Wrack nur kurz, warf einen schnellen Blick auf den Toten und beschloss, Walt in seinem Knast einzusperren.
„Bringt ihn in die letzte Zelle, die ist noch frei. Dem armen Irren ist nicht mehr zu helfen und in seinem Zustand kriegen wir ihn für den Mord eh nicht dran. Soll er hier verrotten!“ beschied er und wandte sich wieder seiner Mahlzeit zu.
Walt ließ sich willenlos durch den Raum zerren, starrte blicklos in die Gegend und brabbelte zusammenhangloses Zeug vor sich hin. Sein Essen rührte er kaum an, auch wenn ihm jetzt der Duft der Mahlzeiten verführerisch in die Nase stieg; nur in den Nächten, wenn der Vollmond hoch am Himmel stand, hörten ihn die Wachen schreien und weinen.
Er starb dort viele Jahre später, ausgezehrt und erschöpft, ohne aus seiner geistigen Umnachtung je wieder zu erwachen.
Niemand fragte nach ihm oder besuchte ihn. Es schien, als hätte es Walter Maynard nie gegeben.

*

Weit entfernt in Rio hörte der kleine Rafael des Nachts seinen Vater schreien und seine Mutter weinen und flehen. Er versteckte sich ängstlich unter seiner Bettdecke, drückte seinen Teddy an sich und wartete darauf, dass es aufhörte. Doch es hörte nicht auf und eines Nachts, als seine Mutter besonders laut weinte, nahm der Kleine seinen ganzen Mut zusammen, verließ sein Zimmer und schlich leise zur Schlafzimmertür seiner Eltern. Seine Füße berührten etwas Nasses, Klebriges auf dem Boden. Zitternd drückte der die Klinke herunter und warf einen Blick auf das Grauen, das sich dahinter verbarg.

 

Hallo Christy
und hezlich wilkommen auf Kg.de :)


h auchte sie

Der Wind spielte mit ihrem langen, goldenen Haar, Schneeflocken verfingen sich in ihm, landeten auf ihrem Körper und blieben liegen.

hui, das ist für meinen Geschmack ein bisschen dick aufgetragen. Aber na ja, ein bisschen Kitsch-Ästhetik kann auch mal guttun :)


Sie schmolzen nicht.

hm, interessant - sollte es auf das hinauslaufen was ich jetzt denke, eine hübsche Andeutung, die Interesse weckt. Nicht schlecht.


„Wo bist du? Komm zurück! Ich brauche dich!“ schrie er wild in die Nacht hinaus. Stille.

Ah, ich muss es nochmal wiederholen: Sehr Klischeehaft und Kitschig... ein bisschen weniger währe hier denke ich mehr. Denn mir geht es so, dass ich den Anfang jetzt als eher komisch, denn mhystisch sehe (wobei ich nicht weiss was davon deine Absicht war, zumindest noch nicht.)

NEEEEEIIIIIIINNNNNNNNNNNNNNNN!!!!!!! Gib es mir jetzt! Lass mich nicht allein!“ schluchzte er und brach am Fenster zusammen

Ach komm, das ist jetzt echt zuviel des Guten: Ich würd da dringend ein paar Buchstaben und Ausrufezeichen wegnehmen, die Szene trieft eh schon vor Schmalz.


Wie ein dichter grauer Schleier hingen die dicken Regenwolken in den Gipfeln der Tepuis fest und luden eine nicht enden wollende Flut eiskalten Regens auf den wackligen Dächern des kleinen, namenlosen Ortes, einer kleinen Siedlung am Rande des Canaima-Nationalparks in Venezuela ab.

Wortwiederholung.
Ich würde ausserdem die Informationen über mehrere Sätze verteilen, sonst wirkt das ganze so "Achtung, jetzt kommt der Einleitungssatz", sprich etwas gezwungen.

Carlos Rodriguez

ziemlicher Klischeename. Is natürlich Geschmackssache, ich würds aber überdenken.

Freunde hatte er hier keine; als er hier ankam, nahmen sie ihn mit offenen Armen auf, hübsch und kräftig wie er war.

als er hier ankam, nahmen sie ihn mit offenen Armen auf, hübsch und kräftig wie er war. Doch als sie merkten, dass er ein Säufer war, sich jeden Abend bewusstlos trank und viel zu oft im Rinnstein lag, hatten sie sich nach und nach von ihm abgewandt.

„Ich bring Ihnen die Miete später, muss erst...“ murmelte er, als er die Tür öffnete. Übermüdet nach der durchzechten, schlaflosen Nacht öffnete er und betrachtete verblüfft den schmächtigen, kleinen Mann, der dort stand.

„Kommen Sie herein.“

Fragt man nicht normalerwéise was der Fremde von einem will, bevor man ihn hereinbittet?

„Sí....ja...natürlich..“ stotterte Carlos verblüfft und schloss die Tür.

Er hat die Tür doch schon zugemacht

David antwortete mit leiser, eindringlicher Stimme. Erinnerungsfetzen zogen wie Nebelschwaden durch Carlos trunkenes Gehirn...............

sehr seltsamer Übergang... ist da was mit den Absätzen durcheinander gekommen?

Antwortete David jovial

"jovial" benutzt du recht gerne, nimm zur Abwechslung mal ein anderes Adjektiv

Dann verhärteten sich des Fremden Züge und er starrte dem Jüngeren hart in die Augen.

Hm ja, hübsch formuliert, prinzipiell mag ich diese Art Satzkonstruktion, hier aber empfinde ich es als Stilbruch, da es nicht zum Rest passt.

Dann legte er einen dicken Batzen Geldscheine auf den wackligen Tisch. „Das, und noch mal so viel, wenn Sie mit mir kommen

Danke, darauf hab ich gewartet. Ich hätt das mit dem Geld vielleicht schon früher gebracht, da es mir unlogisch erschien warum Carlos diesem Mann überhaupt hilft, in seine Wohnung läst etc. Ich hab ihn mir halt misstrauischer vorgestellt.

Seine Gläubiger saßen ihm schon im Genick, obendrein war er mit der Miete schon einige Monate im Rückstand.

Is das nicht das Selbe?

Es war illegal und wenn sie erwischt würden, hatte er keine Gnade zu erwarten.

Aber einen Prozess doch wohl hoffentlich? Das klingt als würde er hingerichtet werden.

Der Regen hatte aufgehört und die schweren Regenwolken rissen langsam auf.

No-name-Jeans.

Oh mein Gott, mach doch bitte einfach "Jeans" draus.

als ob sich seine Umgebung an ihn anpassen würde.

gefällt mir

Hatten sie etwa die Ruhestätte ihrer Gottheit entdeckt?

würd ich streichen

Es war jetzt Fußballgroß und man hatte einen guten Blick hinunter in einen langen Gang.

schwer vorstellbar, beim Licht von Öllampen. Ausserdem währe ein weniger guter Blick doch auch spannender, oder?

Ihre Lampen erhellten den Gang, der über und über mit Spinnenweben verhängt war. Ihre schweren Stiefel knirschten auf den zahllosen Knochen und Panzern unzähliger kleiner Tiere und Insekten.

Wo kommt denn als das Viezeuchs her, mitten im Berg?

Nach etwa 30 Metern kamen sie an eine offen stehende Tür. Sie sahen einander an, schoben diese langsam auf und was sie dort sahen, ließ sie vor Erstaunen aufkeuchen.

Wie schiebt man denn eine offen sthende Tür auf?

Im letzten Licht glühende Augen waren für einen winzigen Moment zu erkennen, fixierten ihn und brannten sich in seine Seele

Mit einem tiefen, rostigen Knarren öffneten sich die riesigen, eisernen Flügeltüren, die den Weg versperrten ins Innere des uralten Felsentempels auf dem Dach der Welt. Wie von Geisterhand bewegt gaben die 3 Meter hohen und mit reichen Verzierungen versehenen Tore den Eingang frei, und doch wurden sie nur von der alten Frau mit einer Hand bewegt.

Hier wiederholst du eine Aussage

Mit einer schier unglaublichen Leichtigkeit hatte die Alte ihre runzlige Hand auf den Knauf gelegt

Als ob es dazu einer großen Anstrengung bedürfte ;)
Mir ist schon klar, dass du das Öffnen der Tür meinst, aber die Stelle ist missverständlich formuliert.

Im Moment fühlte er sich wie Indiana Jones – so nah dran.

Nich doch, auf jeden Fall streichen - wirkt unfreiwillig komisch und zerstört die schöne Atmosphäre.

nachdem er der Alten ein letztes Mal den geladenen Revolver drohend unter die Nase gehalten hatte,

Wozu denn das jetzt noch? Hat er Angst sie ruft die Bullen? wohl kaum. In diesem Sinne kannst du auch das streichen, vor allem da er sich gerade noch gefragt hat ob sie ihn nicht Mitleidig anschaut - da zerstört diese Geste die Mhystik ihrer Person

Viele Berichte hatte gelesen, viele Gerüchte gehört über diesen Tempel.

Er war jetzt einige Meter ins Innere des Säulengang vorgedrungen, hielt die Fackel hoch und sah sich um.

Dann sah er ein helles, gelblich Schimmern und Flackern am anderen Ende des Saales

du hässliche alte Vettel?

Schöner Begirff, hab ich lange nicht mehr geklesen ;)

Es war keine Frage, es war eine Feststellung; eine, die keine Widerworte zuließ.

Eine solche Feststellung nennt man einen Befehl

Die Kratzer gingen ihm nicht recht aus dem Kopf, sein Verstand krümmte sich bei dem Gedanken an die Szenen, die sich hier unten abgespielt haben müssen,

mussten

Ob er vielleicht mehr über das Böse, das hier hauste, wusste als er zugab?

Das ist doch hoffentlich eine rhetorische Frage?

War er hergekommen, weil er die Geschichten gehört hatte, ihnen glaubte?

Liest sich komisch: Besser währe vielleicht ein Fragezeichen nach "hatte".

Ihn schauderte.

jetzt bin ich selbst verunsichert: Müsste es nicht "ihm" heißen?

Carlos zögerte erst, doch dann sprang er schließlich hinzu und unter ihren vereinten Bemühungen begann sich die dicke Platte Stück für Stück zu bewegen.

Der is aber ziemlich behämmert der Carlos. Warum hört er noch auf den Walt?

und mit einem kühl-berechnenden Blick machte er sich auf.

du benutzt viel zu oft "kühl" und "kalt" etc. wenn du Walt beschreibst. An ein paar Stellen solltest du dir Alternativen überlegen.

Als er fertig war, schob er den Blechteller beiseite, legte eine Karte und einen Batzen Geld auf den Tisch und sah die Männer an der Theke fragend an.
„So, und wer von Ihnen möchte sich ein bisschen Geld verdienen?“ fragte er mit einem kalten Lächeln. „Ich hätte da ein paar Fragen.“

Zuviel "Fragen" an dieser Stelle. Ausserdem lächelt er schon wieder "kalt"

seine Lampe war einfach zu schwach, erzeugte mehr Schatten, als sie vertrieb.

sehr schön

Die Mumie lag dort wie zuvor.

Also unter einer Mumie verstehe ich etwas Einbalsamiertes.

„J..ja, glaub schon. Warum?“ stotterte Carlos verdutzt über den plötzlichen Themenwechsel.

Die Toten stehen auf und er wundert sich über den Themenwechsel (und geht auch noch darauf ein) - find ich unrealistisch

sogar Raum und Zeit schienen den Atem anzuhalten.

komisches Bild

Es reicht nicht! Das Blut. Es war nicht genug
.

Dieser Umstand erscheint mir unlogisch, da ja nur wenige Tropfen (in einem anderen Raum) dazu führten, das sie vor Energie nur so sprühte.

Er winselte und konnte fühlen, wie ihm ein warmer Strom die Hose nässte und an seinen Beinen herunterrann.

Das nenn ich doch mal Realitätsnah, gefällt mir.

Nur eine Minute später ließ sie den ausgesaugten Leichnam fallen wie eine Puppe. Die Regeneration verlief nun wie im Zeitraffer. Binnen weniger Minuten war sie vollkommen wiederhergestellt, ein rosiger Engel, warm und lieblich. Einen Augenblick lang lag die junge Frau reglos in ihrem Sarg

An welchem Film erinnert mich das, hm? ;)

Ihr kaltes, totes Herz nahm den Rhythmus seines Herzens auf und es dröhnte jeder Schlag wie ein tiefer, hallender Donner, jagte sein warmes, menschliches und ihr heißes, unsterbliches Blut durch ihrer beider Venen. Sacht saugte sie sein köstliches Blut aus ihm und genoss jeden Tropfen. Ihre Freude und Ekstase vermischte sich mit der Seinen und beide ertranken im Taumel ihrer Lust.

sehr schön formuliert

„Ist das mein Problem?“ gab sie gleichgültig zurück. Ihre stahlharten Augen fixierten ihn.

Ah, da fällt ihr doch noch was ästhetischeres, königlicheres ein... so klingt es zu, ich trau mich gar nicht es zu sagen, proletarisch :)

Für einen kleinen Moment konnte sie sich selbst sehen; so viel Zeit vergangen, so lange her. Hätte doch nur ihr Schöpfer mit ihr Erbarmen gehabt. Doch Erbarmen hatte es nicht gegeben. Damals nicht und seitdem nie.

Hm, gefällt mir nichts so. ich denke du brauchst nicht näher auf ein "Warum" ihrer Herkunft Einzugehen. Zumindest jetzt nicht mehr, das währe nämlich eine Geschichte für sich wert und kommt darum halbherzig daher.


„Doch ist es nicht das, was du als das ewige Leben bezeichnest.“ fuhr sie ruhig fort. „Das kostbarste Gut der Welt ist das Leben selbst!“ Ich gebe dich frei.

Ach ich weis nicht, das find ich irgendwie inkonsequent. Sie brauch nichts mehr sagen, und schon gar nicht gnädig tun, das tut ihrer Figur keinen Gefallen denke ich.

„Bringt ihn in die letzte Zelle, die ist noch frei. Dem armen Irren ist nicht mehr zu helfen und in seinem Zustand kriegen wir ihn für den Mord eh nicht dran. Soll er hier verrotten!“

Bahndelt man Verdächtige, die geistig verwirt sind in dieses Teilen der Welt so? ich weiss es ehrlich nicht, wage es aber zu bezweifeln, da er ja amerikanischer Staatsbürger ist, oder?


Hui, na das war ein ziemlicher Brocken. :)
Vorausgeschickt sei gesagt: Für ein Erstlingswerk UND eine Vampiergeschichte (welche zumeist doch sehr abgenudelt sind) eine sehr solide Angelegenheit. Die Strukturierung gefällt mir gut, also der Wechsel zwischen den verschiedenen Erzählperspektiven. An der Ausführung diesbzüglich kann man allerdings noch feilen: Manchmal war es etwas verwirrend oder auch innerhalb der Situation unpassend einen Rückblick einzuwerfen. Auch scheint mir die innere Logik teilweise etwas fragwürdig - z.B: Warum liegt die Vampirfrau jetzt im Grab? Warum hat man ihr Tempel gebaut, während sie doch gerade noch mit ihm im Bett war? Warum brauchte sie ihn, wenn doch schon Arbeiter Jahre zuvor in ihre Gruft kamen? etc. Das sind so Kleinigkeiten über die man halt stolpert. Auch diesen ganzen Erzählstrang mit dem Carlos und seinen Eltern... ich weis nicht recht ob das nötig gewesen währe. Zum einen ist es natürlich ein sinnvoller Verknüpfungspunkt für die Charaktere, aber es wirft auch viele unbeantwortete Fragen auf und zieht die Sache sehr in die Länge. Ich persöhnlich währe sie Sache wahrscheinlich anders angegangen und hätte Carlos rükblickend erzählen, sowie ihn und nicht Walt überleben lassen (damit hätte man sich den zweiten Erzählstrang sparen und trotzdem die Prallelgeschichte von Walts Suche einbringen können). Aber egal, ist Geschmackssache, und deine herangehensweise abselut legitim.
Was das sprachliche anbelangt: Die meiste Zeit gefällt es mir recht gut. Deine Rechtschreibfehler halten sich in Grenzen und teilweise beschreibst du sehr schön und plastisch. So Kleinigkeiten wie Wortwiederholungen, allzuoft benutzte Adjektive oder Sinnwiederholungen hab ich ja schon am Text angemerkt.
So, mehr fällt mir jetzt zu später Stunde nicht mehr ein :)
Insofern: Gern gelesen und ich wünsche noch viel Spass.

Gruß, Skalde.

 

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