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Die Nächste oder Option auf Glück
Sie sagt, sie will mich. Jetzt.
Nun ja, weder die Wortwahl noch ihr flehender Schlafzimmerblick sind sonderlich originell.
Ich kenne das zur Genüge.
Egal.
Ich sage: Meinetwegen ... nippe besonders gelangweilt am Bier.
Sie strahlt mich sprachlos an. Der freudige und dankbare Blick lässt mich stutzen.
Die Alte macht sicher Probleme. Ich gebe ihr zu verstehen, dass sie schon mal das Taxi rufen darf, und gehe pissen.
Scheiß Bier.
Auf dem Rücksitz schießen mir Szenen aus "Species" durch den Kopf. Ihre pelzige Zunge schnellt wie ein außer Kontrolle geratener Gartenschlauch durch meinen Mund. Nicht gerade gekonnt.
Hoffentlich häutet sie sich nicht oder peelt sich aus einem Kokon, denke ich noch, während mir aus dem Spalt zwischen ihrer engen Jeans und dem Bauch feuchte Wärme entgegenschlägt.
Ich ziehe die Hand zurück ... mag es gar nicht wenn sie beinahe tropfen.
Der stierende Blick des Taxifahrers im Rückspiegel lässt auf ein unerfülltes Sexualleben schließen.
Das arme Schwein. Ob ich sie ihm überlassen soll?
Ach nein. Sein keuchendes 30-Sekunden-Gerammle im Feldhasen-Stil würde sie bestimmt enttäuschen und mich als gefühlsloses Arschloch dastehen lassen. Außerdem habe ich nur zwei Gummi dabei ... einen zuwenig. Ich schaue aus dem Seitenfenster auf die vobeihuschenden Lichtpfützen der Straßenlaternen.
Traurig und trostlos.
Sie wohnt also noch bei Mutti. Das hätte ich mir denken können. Wäre das Taxi nicht schon weg, würde ich wieder einsteigen und mir die Lebensgeschichte des fetten Mel Gibson-Verschnitts anhören. Von seinen unerfüllten Träumen und den putzigen Kindern.
Das volle Programm.
Bevor ich ihr in die Wohnung folge, lasse ich mir Volljährigkeit und ein eigenes Zimmer versichern. Zumindest beim zweiten Punkt kann sie meine Zweifel beseitigen.
Na ja, was soll ich sagen ... ich habe nichts anderes erwartet. Ein paar Gangsta-Rapper und Bitch-Deluxe-Poster an der Wand, ein Lastwagen voller Schuhe, anscheinend frisch übergezogene weiße Satin-Bettwäsche und ein riesiger Spiegel an der Schranktür, vor dem sie sich stundenlang stylt, in der Hoffnung, solch Schönlinge wie mich abschleppen zu können.
Auf dem Notebook läuft ein Bildschirmschoner.
Keine Teddys.
Sie scheint es wirklich nötig zu haben. Mit ihrer Zunge versucht sie schon wieder mich zu stilettieren, knabbert an meinen Ohrläppchen, saugt an meinem Hals und greift mir in allerbilligster Schlampen-Manier in den Schritt. Irgendwie muss ich an diese Yoga-Affen denken: Finde deine Mitte. Ich bin enttäuscht, vermute, dass sie auf sexuell-erfahren machen will.
Gekonnt? Nein.
Ich sage es offen und ehrlich: Es ist drei Uhr morgens, ich bin müde, hab vier Bier intus und die Kleine überzeugt mich einzig und alleine durch ihre Optik.
Sie kann bestenfalls darauf hoffen, mich ausgiebig mündlich verwöhnen zu dürfen. In diesem Fall gebietet der Anstand jedoch eine Dusche.
Ich bin anständig ... und konsequent. Sie versucht vergebens mir die Vorzüge des zu-zweit-Duschens schmackhaft zu machen.
Das Wasser schießt mir ins Gesicht, während ich wichtige Körperteile blitzblank rubble. Nebenan schläft ihre Mutter. Alleine? Ich weiß es nicht. Aber hat sie in der Bar nicht irgendwas von einem abgehauenen Vater geschwafelt? Keine Ahnung. Es ist mir auch egal.
Ich verdränge spätpubertäre Mutter-Tochter-Fantasien ... versuche es zumindest. Einen Augenblick überlege ich noch, ob ich meinen einzigen und besten Freund, einen bekennenden Liebhaber reiferer Frauen um die Vierzig, anrufen soll. Diesen Gedanken verwerfe ich aber schnell wieder ... der soll gefälligst selbst auf die Jagd gehen.
Wie oft habe ich ihm geraten, sein Beuteschema im Sinne der Chancenerhöhung zu überdenken ... aber nein, ihm fehle an nichts, behauptete er stets ... ganz im Gegenteil. Und außerdem möge er es gerne etwas weicher. Meinen Einwand, er sei pervers, wies er immer empört zurück.
Nun gut. Jedem das Seine.
Eigentlich bist du ein ziemliches Arschloch, denke ich, während ich mir das Wasser aus dem Gesicht streiche. Du bist 23, stehst in irgendeinem Vorstadt-Badezimmer mit getragenen Höschen im Wäschekorb, polierst dir den Pimmel für seine Option auf Glück und weißt nicht das Geringste über das Mädl ... und schlimmer noch, du 'willst' auch gar nichts über sie wissen.
Jedes Gericht der Welt würde dasselbe Urteil fällen: schuldiges, arrogantes, beziehungsunfähiges und gefühlskaltes Arschloch. Strafe: Lebenslanges Unglück.
Ich bin unfähig zu lieben und geliebt zu werden. Diese Erkenntnis ist mir nicht neu, aber erst jetzt in diesem Augenblick gestehe ich mir die bittere Wahrheit ein.
Der Entschluss steht fest: Ich werde an mir arbeiten ... an mir arbeiten müssen.
Noch während ich mich in ihrem Zimmer unverrichteter Dinge wieder anziehe überlege ich, ob sie dafür verantwortlich sein könnte, ob sie anders als die anderen ist. Nein, wohl nicht. Sie ist genauso beliebig und austauschbar wie all die anderen zuvor ... genauso gewöhnlich.
Nein, ich kann ihr nicht sagen, warum ich gehe ... es liege jedenfall nicht an ihr.
Habe ich gerade eben wirklich für einen kurzen Moment erwartet, dass sie weinen würde? Warum sollte sie, sie kennt mich doch gar nicht. Ich kenne sie nicht und sie kennt mich nicht.
Es trifft mich wie ein Schlag in die Magengrube: Ich bin verroht und charakterlich verkrüppelt.
Nein, meine Nummer kriegt sie nicht und ich will auch nicht ihre.
Auf der Straße bläst mir ein kalter Wind entgegen. Ich warte. Dasselbe Taxi, derselbe Mann.
Schicksal? Womöglich. Er lächelt mich scheinbar wissend und verschmitzt an.
Ich frage, wie es seinen Kindern geht. Er sagt, er habe weder Frau noch Kinder.
Ich sage, ich hätte gerne Kinder.
Er sagt, er nicht.
Ja, sage ich ... jedem das Seine.