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Die perfekte Welle

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21.08.2006
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Die perfekte Welle

Tom stand mit einem Bein im Türrahmen des Badezimmers. Der Rest seines Körpers befand sich sogar darin. Seine Frau hatte ihm irgendetwas zugerufen, das er jedoch bei geschlossener Badezimmertür und unter dem Plätschern des Wasserhahns nicht verstanden hatte. Er hatte den Nassrasierer beiseite gelegt, den Wasserhahn abgedreht und war behänden Schrittes mit feuchten Händen und Schaum im Gesicht zur Tür gegangen, um sie zu öffnen und seine jetzige Position einzunehmen. Mittlerweile hatte Tom seinen Körper – um seinen Fuß als Angelpunkt herum – symmetrisch versetzt. Er stand jetzt noch mit einem Bein im Türrahmen. Der Rest seines Körpers ragte in den Wohnungsflur hinein. Irgendwo am anderen Ende musste sie ja sein, seine Frau, und hoffentlich würde sie sich bald wiederholen. Tom hatte noch einiges vor. Er wollte sich ausgehbereit machen und seine Frisur zu diesem Zweck auf Hochglanz trimmen. Sekunden des Wartens machten ihn ungeduldig; Wasser tropfte von seiner Hand auf den Teppichboden. Die grauen Poren unter ihm saugten die Leben spendende Flüssigkeit auf. Außer einem winzigen Fleck, der für einige Zeit etwas dunkler sein würde und tausenden von Mikroben, die unter dem Druck des auf sie hereinbrechenden Wassers um ihr Schmarotzerdasein rangen, rührte sich nichts. Tom horchte noch eine Weile fahrig in den Flur hinein und ging dann wieder ins Bad, schloss die Tür hinter sich, nahm den Rasierer wieder in die Hand und drehte den Wasserhahn erneut zum Plätschern auf. Er hätte sie noch einmal fragen können, ob sie ihm etwas hatte sagen wollen. ‚Aber’, dachte er bei sich, ‚wenn es wichtig gewesen wäre, hätte sie sich schon beschwert.’ Just in dem Moment hörte er wieder die scheinbar aufgeregte Stimme seiner Frau etwas rufen. Es kam bei ihm wieder nur als eine Fülle lückenhafter Phrasen an. In etwa so: „Schatz, das …“ und „Da ist etwas …“, „… im Fernsehen.“, und am Ende noch so etwas wie „… Wasser …“. Letzteres konnte er beim besten Willen mit den Wortfetzen von davor nicht in Einklang bringen. Er hatte zwar viel Übung darin, die unfertigen Gedanken seiner Frau emphatisch zu vervollständigen, aber in diesem Fall musste er passen. Er würde sich, sobald er im Badezimmer fertig war, über die Dinge erkundigen, die seine Frau ihm hatte mitteilen wollen. Sie hatte sich noch nicht selbst als Einsatzkommando in Personalunion auf den Weg gemacht. Er konnte noch immer ungestört fuhrwerken. Vielleicht war es nicht so wichtig, oder sie im Gegenteil so gefesselt davon, dass sie sich nicht vom Fleck wegbewegte. Das konnte er sich gut vorstellen, da sie von „im Fernsehen“ gesprochen hatte. Tom rasierte sich zu Ende. Er benetzte seine Hände mit alkoholhaltigem Aftershave und rieb sich damit sein Gesicht ein. Wenn er zu viel davon nahm, stieg ihm jedes Mal der Alkoholdampf in die Nase und er erinnerte sich daran, dass manche Leute so etwas gar absichtlich taten. Als er seinen Zivildienst in einer psychosomatischen Klinik für Drogen- und Alkoholabhängige abgeleistet und dort noch für zwei weitere Jahre neben seinem Studium gejobbt hatte, war ihm zu Ohren gekommen, dass manche männlichen Alkoholiker sich auf diese Weise tagtäglich eine Form minimaler Ersatzbefriedigung besorgten. Sie badeten schon fast in Aftershave, anstatt es einfach nur zu benutzen, wie Tom es gerade eben auch getan hatte. Konnten sie es kontrollieren?! – ‚Es ist schon komisch’, dachte er, ‚woran man sich alles erinnert.’ Er selbst hatte mal von seinem Kopf als einem Schwamm gesprochen, der unheimlich viele Informationen aufsog. Tom fing an, seine Haare zu fönen. Er hatte zuvor unter der Dusche gestanden und war eben erst damit fertig geworden, sein Kinn, seine Wangen und seinen Hals unter einer dicken Schicht Rasierschaum zu begraben, wollte gerade den ersten Zug mit dem Rasierer unternehmen, als er die unverständlichen Rufe seiner Frau zum ersten Mal vernommen hatte. Er sollte heute einen Termin in der Stadt haben, für den er sein Haar auf unnachahmliche Weise in Form bringen wollte. Er war nicht Elvis, weiß Gott nicht, aber er fönte sich die Welle hinein. Er kam mit dem Fön von rechts unten auf seine eigene behaarte Weltkugel zu. Dann führte er eine Bewegung von der anderen Seite aus. Er trocknete zunächst die Haare im Nacken und kreierte anschließend mit einem Frontalangriff die Wahnsinnswelle. „Unfassbar“, freute er sich. „Einfach zu schön um wahr zu sein.“ – Er wollte diesen Augenblick der Perfektion einfangen. Er wollte ihn bändigen und bannen. Tom griff resolut zur Flasche mit Haarspray und fixierte diese vollkommene Ausgeburt seiner kreativen Schöpfung. Wenn jemand in diesem Moment in seinen Kopf hätte hinein horchen können, wäre ihm schwindelig geworden. ‚Zum krönenden Abschluss’, dachte er bei sich, ‚nur noch ein wenig Duft.’ Er sprühte Eau de Toilette auf seine Kleidung, etwa in Brusthöhe, und auf seine heute besonders gelungene Frisur.
Als er endlich aus dem Badezimmer kam und eilig ins Wohnzimmer ging, wollte er sich von seiner Frau verabschieden. Da sah er es endlich, das Wasser von dem seine Frau gesprochen hatte. Der Nachrichtenkanal zeigte die entfesselte Naturgewalt vor den Inselküsten Südostasiens. Eine angestrengte Reporterstimme sprach über unfassbar hohe Zahlen von Toten und Verletzten in der Region. Jetzt wusste er das „…Wasser …“, diese Flutwelle, diesen Tsunami mit den Worten seiner Frau in Einklang zu bringen. Es erschien ihm alles so absurd und paradox. Er wollte ins Bad gehen und sich die ganzen euphorischen Emotionen von vorhin wieder vom Kopf waschen.

Alexander Bernhard Trust (2005), zuletzt aktualisiert im August 2006

 

Hallo sajonara
und herzlich willkkomen auf kg.de.

Leider muss ich dir gleich als Einstieg sagen, dass mich deine Gescichte nicht sonderlich beeindruckt hat. SIe lässt sich mit deinen langen Bandwurmsätzen nur schwr lesen und verliert sich in unnötigen Details, die für die Handlung keine Bedeutung haben.
Und da ist auch schon der springende Punkt. Wo ist eigentlich die Handlung in diesem Text?
Was ist deine Intention? Warum diese detailbesessenheit um Frisur, Poren, Teppich, Beinstllung und so weiter, wenn es doch eigentlich um die Tsunami-Welle geht? Die Analogie zum plätschernden Wasser reicht da leider nicht aus.

Es erschien ihm alles so absurd und paradox
Ja, was denn eigentlich?

grüßlichst
weltenläufer

 

Tja, entweder man merkt es oder eben nicht. Die Geschichte ist eine Parabel. Die Eitelkeit bezüglich der Frisur tritt allerdings angesichts der Katastrophe in den Hintergrund. Ob man von Besessenheit im Detail sprechen kann, wer weiß. Die Geschichte soll auch niemanden beeindrucken. Ich schreibe nicht, um irgendwelchen Klischees gerecht zu werden. Ich habe einige Kurzgeschichten geschrieben, mal solche, mal solche... zum Teil auch surrealistische Experimente. Aber mir ist jeder Kommentar willkommen. Aus diesem Grund hab ich diese Geschichte hier ja zunächst einmal online gestellt. Ich wollte in Zukunft auch andere Geschichten präsentieren. Es muss nicht immer Handlung sein. ;) Natürlich schon für Leute, denen Handlung gefällt, richtig. Was nicht heißen soll, dass ich nicht auch anders kann, aber in dem Fall kommt es eben nur auf die Diskrepanz zwischen persönlicher Eitelkeit und dem Schicksal vieler an. Zudem ist die Figur Tom nicht ganz frei von, mh... na ja, wie soll man sagen: Also, die Figur kommt einige Male in einigen Kurzgeschichten von mir vor, überdies auch in einem Romanmanuskript. Es hat so etwas wie eine Bewandtnis mit ihr. Je mehr Geschichten man mit Tom kennt, desto mehr Einblick wird man zu dieser Figur erhalten. Es geht nicht um die Tsunami-Welle als solches. Das plätschernde Wasser ist nur ein Detail neben anderen. Das ist eben ein anderen Blick, ein anderer Stil. ;) Nevermind. Jedenfalls, danke für den Kommentar, bzw. die Meinung.

 

Hi Sajonara nochmal

du stellst dich hier ein bisschen so hin, dass der leser zu doof ist, deine doch an sich unglaublich geniale geschichte zu verstehen. das animiert nicht unbedingt zum lesen weiterer geschhichten von dir.
Aber ich will es mal nicht so eng nehmen, und auf das eingehen, was du geantwortet hast.
Eine Parabel also, ja? Sieh dir hier vielleicht noch mal genauer an, was denn eigentlich eine Parabel ist.

Ob man von Besessenheit im Detail sprechen kann, wer weiß.
Solche Dinge erkennt der Leser meist besser, als der Autor
Ich schreibe nicht, um irgendwelchen Klischees gerecht zu werden
Mit deiner Badezimmer-scene wirst du so einigen Clichés gerecht!!
Es muss nicht immer Handlung sein
ach nein, was kann es denn sonst noch sein?
Zudem ist die Figur Tom nicht ganz frei von, mh... na ja, wie soll man sagen: Also, die Figur kommt einige Male in einigen Kurzgeschichten von mir vor, überdies auch in einem Romanmanuskript. Es hat so etwas wie eine Bewandtnis mit ihr. Je mehr Geschichten man mit Tom kennt, desto mehr Einblick wird man zu dieser Figur erhalten.
Hier sollen Kurzgeshcichten gepostet werden, die in sich abgeschlossen sind. Es ist in Ordnung Fortsetzungen zu posten, aber jede Kg muss für sich verständlich sein, die eine Geschichte darf nicht mit INhalten aufwarten, die für eine eine andere Kg wichtig sind, dort aber nicht erwähnt werden.

klingt jetzt alles ein bisschen hart,
aber vielleicht hilft dir das für deine weitere Arbeit hier im Forum

grüßlichst
weltenläufer

 

Wenn das Forum Kurzgeschichten aufnehmen soll, dann wird es wohl auch meine Kurzgeschichten aufnehmen. Sorry, wenn ich nicht danach gucke, was ne Parabel ist. Ich studiere schon ne Weile lang vom Fach, aber ich schwing mich nicht auf, irgendwelche Dinge zu Dogmen auszurufen. Ich bin kein Normativer. Und in Sachen Gattungstheorie wird man bei mir eher eine liberale Position finden. Die Summe aller Kurzgeschichten wird's wohl machen.

Es hat bislang jedenfalls noch niemand ein neues Genre ausgerufen, neben der Kurzgeschichte. Wenn DU in Kurzgeschichten Handlung haben möchtest, gut, dann ist das so. Aber was sind dann Kurzgeschichten in denen es auf den Augenblick ankommt? Ist nicht gerade die Handlung einer Kurzgeschichte auf möglichst geringe Zeiträume eingegrenzt, im Vergleich zum Roman?!

Die Figur wird vielleicht Klischees gerecht, nicht ich. Aber bis auf die Eitelkeit soll die Figur eigentlich nichts mitbringen, was es rechtfertigt, sie in eine Schublade zu stecken. Aber gerade die Diskrepanz zwischen der Figur und dem Ende ist das parabelhafte.

Nun, es gibt keine "Fortsetzungen". Grass' Danziger Trilogie ist auch keine Sammlung von Fortsetzungen. Es gibt Geschichten, in denen eben dieselben Figuren mitspielen. Das ändert aber ja nichts an der Abgeschlossenheit der Geschichte.

Ob irgendwas "hart" klingt oder nicht. Nun, das ist deine Sache, wie du den Leuten hier begegnest. Ich hätte jedenfalls nicht gedacht, dass ein frei zugängliches Forum, derart viel normative Pedanterie bietet. Ich halte jedenfalls nichts davon, und die wenigsten Literaten tun das. Einzig einige Damen und Herren aus dem 18ten Jahrhundert haben dies gerne getan, und sind selbst von Zeitgenossen nicht gerade auf Händen getragen worden. Das soll nicht heißen, dass es nicht Vorgaben geben kann. Aber "Kunst" entsteht auch immer erst dann, wenn Regeln gebrochen werden. Was du "Detailbesessenheit" nennst, ist für mich eine Ausdrucksform, ein Stilmittel. Es gibt solche Unterschiede in allen Künsten, in der Musik, in der Malerei. Man kann Ausschnitte extrapolieren und damit auch Bedeutung erzeugen. Gerade das Ungleichgewicht zwischen dem vielen Detail von "eigentlich" nebensächlichen Dingen und der dann allerdings "nebenher" erwähnten Flutkatastrophe bildet meines Erachtens eine stimmige Wiedergabe dessen, was in der Welt so vor sich geht. Der Einzelne verliert den Blick fürs Große, Ganze. So ist es gedacht und angelegt. Und da kann man natürlich drüber diskutieren. Aber meine Geschichten entstehen auch deswegen, weil ich damit "versuche" Botschaften zu vermitteln.

Mir ist es auch lieb, darüber zu diskutieren, gerne sogar. Ich wünschte mir in der Welt sowieso viel mehr Diskurse. Aber davon abgesehen, scheine ich meine Botschaft bei dir nicht vermittelt bekommen zu haben. Nevermind. Das ist für mich kein Grund traurig zu sein, aber es macht mich neugierig, wie ich "auch" Dich erreichen könnte.

 
Zuletzt bearbeitet:

Aber davon abgesehen, scheine ich meine Botschaft bei dir nicht vermittelt bekommen zu haben. Nevermind. Das ist für mich kein Grund traurig zu sein, aber es macht mich neugierig, wie ich "auch" Dich erreichen könnte
Das ist ein guter Ansatz. Für den Autor ist die eigene Geschichte immer sehr schlüssig, denn er ist in ihr. Die Kunst besteht aber eben darin, die "Vision" mit Außenstehenden zu teilen/ bzw sie ihnen zu vermitteln.

Mir ist es auch lieb, darüber zu diskutieren, gerne sogar
Das merke ich, aber für mich hat sich diese Diskussion erledigt.
Ich habe dir lediglich meine Meinung zu deiner Geschichte gesagt, denn dafür hast du die ja schließlich hier eingestellt. Im Besten Falle wollte ich dir also "helfen". Wenn du mit meinen Ansätzen nichts anfangen kannst und lieber auf deinen Standpunkt beharrst, ist das vollkommen in Ordnung.
Es ist deine Geschichte und natürlich steht es dir völlig frei, sie so zu gestalten, wie du es für richtig hältst.

Aber eines noch: Ich schreibe hier lediglich meine eigene Meinung auf und stehe nicht repräsentativ für das Forum Kurzgeschichten.de. Also verdamme meinetwegen mich, aber nicht Kg.de...

grüßlichst
weltenläufer

 

Ich hab auch nicht angenommen, das einer für alle spricht oder schreibt. ;) Ich selbst schreibe ja auch nur meine Meinung. Schade, dass du so schnell aufgibst. Ich verdamme niemanden! Vielleicht lesen wir uns bei einer anderen Geschichte wieder.

 

Hej Sajonnara,

ich sehe einen Mann, der seine Haare hochgelt, etwas auf seine Frau herabsieht und dann angesichts des Tsunamis in Asien seine Eitelkeit in Frage stellt.

Das an sich ist ein interessanter Ansatz, nur leider fehlt Deiner Geschichte das gewisse Etwas, das mich "ja, genau!" sagen lässt, das dazu führt, dass sie mir im Gedächtnis haften bleibt. Und das ist schade.

Wenn es Dir also darum geht, eine Botschaft zu vermitteln, dann solltest Du darauf achten, dass diese auch ankommt und verstanden wird. Wie weltenläufer schon schrieb: Der Autor weiß immer, was er sagen will, weil er in seiner Geschichte ist, aber nur, wenn der Leser ebenfalls einen Einstieg in die Geschichte findet, funktioniert sie auch.

Bin gespannt, was noch von Dir kommt. :)

Liebe Grüße
chaosqueen

 

Danke für den Kommentar. Du siehst immerhin den Ansatz, das freut mich. Und ich hätte nichts dagegen, auch irgendwann dahin zu gelangen, dass es dann von dir heißt: "Ja genau." - Liegt es in dem Fall dieser Geschichte "wirklich" an der Handlung, so wie Weltenläufer meint? Ich bin nicht der Meinung, dass es das sein muss, was den Aha-Effekt nicht ermöglichen sollte.

 

@Der Friese: Nja das Unverhältnis von Ende zum Rest habe ich absichtlich erzeugt oder erzeugen wollen. Das ist, so denke ich, wie in der Malerei, wenn man dort Dinge verzerrt und damit einen Effekt erzielt. Die Dinge, die ich "ausgewälzt" habe, das ist die Welt von Tom. Tom ist blass, ja. Muss/soll man Figuren immer in Gänze einführen?! Das hätte der Figur zu viel Raum gegeben, dabei kam es nicht auf sie selbst, sondern nur auf ihr Verhalten an.

Ich habe eine andere Kurzgeschichte, Der kleine Mann und das Meer, da geht die Perspektive auch eher von den Objekten in der Welt aus. Das Hemd, das die Figur trägt, etc... es "soll" darin andeuten, wie wenig in der Welt diese Figur doch sei. Zumindest war es so gedacht.

Es geht nicht darum, in der Geschichte, jemanden für den Tsunami empfindsam zu machen. Eher könnten Leute, oder sollten, so war's gedacht, sich einfühlen, die ebenfalls Eitel sind. Wenn Du mir jetzt sagst, du seist eitel und du könntest die Figur in ihrer Eitelkeit empfinden, dann wäre das durchaus schon ein Teilerfolg. Vielleicht könnten die eitlen unter euch mal einen Kommentar dazu abgeben. *G* Vielleicht hast du aber auch einen Vorschlag, wie sich die Diskrepanz zwischen persönlicher Eitelkeit und globaler Empathie besser heraus arbeiten lassen kann.

 

Hallo Sajonara,

also ich bin eitel und mein Mann ist es auch. Wir waschen, gelen, sprayen. Trotzdem fühlen wir bei schrecklichen Geschehen mit und tun sogar was dagegen. Wir waschen, gelen, sprayen auch weiterhin. Es tut mir leid, aber auch ich kann in deiner Geschichte kein "Aha-Erlebnis" finden.

LG
Katinka

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Sajonara!

Mir hat dein Text gut gefallen. Die Haarwelle wird zum Symbol für die Selbstüberschätzung des Subjekts, die angesichts der gewaltigen Naturkatastrophe, der echten „Wahnsinnswelle“, in sich zusammenfällt.

Das wird formal gut rübergebracht: Für die Beschreibung, wie sich Tom rasiert, braucht die Geschichte, entsprechend dem aufgeblähten Ego, überproportional lang gegenüber der kurzen Erwähnung der Naturkatastrophe. Die Umständlichkeit ist Absicht und unterstreicht die Aussage der Geschichte.

Deine Geschichte lebt, vom Ende her gelesen, von diesen Gegensätzen: Hier die gedehnte Darstellung einer Alltagszene, dort die der weltbewegenden Naturkatastrophe, hier die Harmlosigkeit des Wasser, dort seine zerstörerische Gewalt, hier die Darstellung eines einzelnen Subjektes mit all seinen Eitelkeiten, seiner Gedankenwelt, seinen Macken, dort die Auslöschung von vielen Subjekten, die angesichts einer Gewalt von außen zu Objekten werden.

Außer einem winzigen Fleck, der für einige Zeit etwas dunkler sein würde und tausenden von Mikroben, die unter dem Druck des auf sie hereinbrechenden Wassers um ihr Schmarotzerdasein rangen, rührte sich nichts.

Das ist die zentrale Stelle der Geschichte: Sie nimmt die Katastrophe, von der am Ende die Rede ist, bereits vorweg. Und sie weist darauf hin, dass sich Mikro- und Makrokosmos nicht wirklich unterscheiden, dass der Mensch sich für die Natur in nichts von den Mikroben unterscheidet. Das einzige Problem bei dieser Stelle: Ich glaub nicht, dass sich Mikroben viel aus dem auf sie hereinbrechenden Wasser machen!

Deine Geschichte ist nebenbei aber auch eine nette, kleine Studie über die alltägliche Beziehung zwischen Mann und Frau.


Noch einige Verbesserungen:

Seine Frau hatte ihm irgendetwas zugerufen, das er jedoch bei geschlossener Badezimmertür und unter dem Plätschern des Wasserhahns nicht verstand. Er legte den Nassrasierer beiseite, drehte den Wasserhahn ab und ging behänden Schrittes mit feuchten Händen und Schaum im Gesicht zur Tür, um sie zu öffnen und seine jetzige Position einzunehmen.

Bitte da die Zeit einhalten, damit man weiß, dass diese ganze Szene vorzeitig ist. Also: ...., das er jedoch bei geschlossener Badezimmertür und unter dem Plätschern des Wasserhahns nicht verstanden hatte. Er hatte der Nassrasierer beiseite gelegt, den Wasserhahn abgedreht und war behänden Schrittes mit feuchten Händen und Schaum im Gesicht zur Tür gegangen, um sie zu öffnen ......

um seinen Fuß als Druckpunkt herum

vielleicht wäre „Drehpunkt“ besser?

wollte sich auf Vordermann bringen und seine Frisur auf Hochglanz trimmen

Das würde ich anders formulieren, weil sich „bringen“ und „trimmen“ etwas reimt und daher komisch klingt.

Wasser tropfte von seiner Hand auf den Teppichboden und wurde stehenden Fußes von dessen Poren aufgesaugt. Außer einem winzigen Fleck, der für einige Zeit etwas dunkler sein würde und tausenden von Mikroben, die unter dem Druck des auf sie hereinbrechenden Wassers um ihr Schmarotzerdasein rangen, rührte sich nichts.

Ich verstehe nicht, was du hier mit „stehendes Fußes“ meinst??
groß: Tausenden

ultra kurze Weile

Es gibt dieses Wort zwar nicht, aber ich würde: „ultrakurze“ schreiben, also zusammen

nicht vom Fleck wegbewegte

getrennt schreiben: weg bewegte

Als er seinen Zivildienst in einer psychosomatischen Klinik für Drogen- und Alkoholabhängige abgeleistet
und dort noch für zwei weitere Jahre neben seinem Studium gejobbt hatte

Das erste „hatte“ weg lassen.

Eaux de Toilette

Eau

sah er sie, das Wasser von dem seine Frau gesprochen hatte.

Ich weiß, dass du mit „sie“ die Welle meinst, aber es war bisher von ihr nicht die Rede, du musst also hier „es“ nehmen, für Wasser.

Liebe Grüße
Andrea

 

@Katinka:

Kein Mensch hat davon gesprochen, nicht waschen, gelen, sprayen zu wollen. Aber es ist auch eher nebensächlich, ob und was er mit seinen Haaren tut. Es ist ein Stück narzisstische Selbstverliebtheit, die zum Ausdruck kommen sollte. Wenn Eitelkeit - offensichtlich - nicht in jedem Fall bis dorthin reicht, dann gibt es aber vielleicht doch noch einige Leute, die derart Ticken. Die Figur Tom ist ja selbst kein Massenphänomen. Die Arbeit an der Frisur erfüllt eher den Zweck, sich sicher fühlen zu können. Weil er sich sonst so vorkäme, als würde er nicht ausgehfertig sein.

 

@Der Friese: Also... das etwas in "direktem" Zusammenhang steht, nun, das gibt es nicht "per se". ;) Jedenfalls nicht so ohne weiteres. Das lernen selbst die, die gerade solche ursächlichen Zusammenhänge versuchen herzustellen. In den Grundlagen der empirischen Sozialforschung nämlich wird den Studenten gezeigt, dass es kein von a) nach b) gibt. Und wenn man noch ein paar philosophisch, linguistische Gedanken dabei pflanzt, dann wird ein Kontext erzeugt. Ich denke, dass diese Geschichte nicht bei vielen auf fruchtbaren Boden fallen kann, weil sie eben eine Figur zeigt, die in der großen Masse nur eine Randerscheinung ist. Bei dieser Figur jedoch war es so. Und, wie schon in Ice Age 2 gezeigt, sind die wenigsten Lebewesen auf dieser Welt gänzlich "alleine". Sprich, am Ende ist dieser Text vielleicht nur gut genug, um eine Nische zu bedienen. Aber er hatte keine weiter reichende Intention gehabt, und deshalb kann ich mich damit sehr gut vereinbaren. Mich würden von den inhaltlichen Kritikpunkten abgesehen, die ja nun Mal subjektiv sind, auch sprachliche Hinweise interessieren. Der weltenläufer sprach von Bandwurmsätzen; ich habe mir diese Anmerkung auf einen Notizzettel geschrieben, der mich bei der baldigen Bearbeitung der Geschichte begleitet. Ebenso hat Andrea ein paar Anmerkungen gemacht.
Gibt es vielleicht noch weitere Hinweise?!

 

@Andrea: Das mit den Mikroben, die sich nichts aus dem Wasser machen, ist mit Sicherheit ein diskussionswürdiger Punkt. Ein Heidegger hätte auch nicht geglaubt, dass sich Mikroben etwas daraus machten. Ich bin mir nicht sicher. Aber wenn man den Maßstab abstrahiert und uns Menschen im Grunde mit Menschen oder Ameisen vergleicht. Wir fristen ja prinzipiell das gleiche Leben. Wir werden geboren, wir leben und: wir sterben. Bei dem richtigen Tsunami sind bestimmt Ameisen und Menschen ums Leben gekommen, und mitunter bestimmt auch anderes Getier. Unsere Bewusstheit, oder unser Bewusstsein, das sind interessante Anküpfungspunkte für Diskurse. Der Mensch und der freie Wille, usf. In gewisser weise könnte man dann jedoch vergröbernd annehmen, dass der Mensch auch nicht wesentlich an der Entscheidung über die Flutkatastrophe beteiligt war. So wie eben die Mikroben nicht in der Lage waren, dem über sie hereinbrechenden Wasser(tropfen) Einhalt zu gebieten. :)

Ja, ich hatte schon ein Mal ein Gespräch mit einer Kommilitonin, die auch über Dreh und Druckpunkt mit mir gesprochen hat. Druckpunkt klingt formaler, Drehpunkt umgangssprachlicher. Es sind Synonyme... wenngleich auch nicht völlig gleichbedeutend, wie bei allen Synonymen.

Also: "...stehenden Fußes..." war als beschreibendes Element wörtlich zu verstehen. Tom steht ja... aber ich schau mal, ob man das nicht anders formulieren kann.

Also, im Duden nach der Rechtschreibreform (sprich, noch nicht die reformierte Reform) - zu diesem Zeitpunkt also, fand sich die Option, dass man tausenden oder Tausenden hätte schreiben können. Wie das nach der Reform von der Reform dieses Jahr war, weil dort Teile der Groß- und Kleinschreibung wieder zurück genommen wurden, weiß ich leider nicht.

Zum Thema "wegbewegen" - es heißt ja auf jeden Fall auch weglaufen, etc. Von daher fand ich es sinnvoll, auch wegbewegen zu schreiben. Aber prinzipiell ist das Thema Getrennt- und Zusammenschreibung auch nicht unknifflig. Da man Weg immer groß schreibt, könnte man eigentlich weg vor Verben auch ohne Umstände getrennt schreiben... aber was macht man dann mit hinfahren, herkommen, etc... weil dort dann Zweifelsfälle entstehen, ist die Zusammenschreibe von weg-... ganz annehmbar, oder? *G*

Das mit dem "es" hab ich geändert, im Dokument am heimischen Computer und das mit dem Eaux auch. Du lagst richtig, dass er nur "ein" Eau der Toilette benutzt hatte, aber, ;), was wäre, wenn er wirklich mehr als nur eines benutzt hätte?!

@Der Friese: Du stelltest die Frage: Warum??? der Protagonist so geschockt sei. Das ist eine gute Frage. Die aber der Text aufwirft, und den die Klientel, die ich erreichen möchte, vielleicht auch bereit ist, zu beantworten. Diejenigen, die Tom verstehen, werden das auch wissen. Fakt ist, ich möchte nicht nur Fragen beantworten, und ziehe mitunter sogar offene Enden von Geschichten vor... der weltenläufer hat auch angemerkt, was denn eigentlich paradox sei, und absurd, wie es im Text heißt. Du hast gemerkt, ich gebe auf vieles hier Rede und Antwort, aber eben nicht auf Alles. Diese Stellen kann man mir dann ankreiden, wenn man sie nicht versteht. Tut man es allerdings doch, wird man sie zu schätzen wissen. Es ist nicht so, dass ich ein Massenpublikum suche, oder unbedingt mit dem Schreiben mein Brot verdienen möchte. Ich identifiziere mich viel eher mit literarischen Persönlichkeiten, die allesamt Randfiguren waren. JMR Lenz, Büchner, Kafka, Musil... und weitere.

 

@Weltenläufer und alle anderen: Sodele. Einige der "Bandwurmsätze" sind getilgt, manche Wortwahl überdacht und so ist es vollbracht. ;) Oben lest ihr also eine aktualisierte Fassung der Kurzgeschichte. Anmerkungen derjenigen, die die andere Version bereits kommentiert haben, sind sehr willkommen.

 

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