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Die Prüfung
Der Berg lag vor ihm, von dichtem Nebel umhüllt, ragte er aus der bewaldeten Ebene empor.
„Sobald du den Berg erreichst, halte dich dicht an die Felswand, damit Er dein Kommen nicht bemerkt“, hatte sein Vater zu ihm gesagt und er gedachte sich daran zu halten.
Als er den Fuß des Berges erreicht hatte, begann er die Stufen zu erklimmen, die in die Flanke des Berges gehauen waren und die sich um den gesamten Berg wanden. Wobei sein Schwert, das er gegürtet hatte und ihm jetzt immer wieder gegen sein linkes Bein schlug, ihm bei dieser Tätigkeit äußerst hinderlich war. Zudem hatte er auch noch eine Armbrust geschultert, was er jetzt bereute. „Du wirst sie eh nicht brauchen Paul“, hatte sein Vater gemeint. „Seine Haut ist viel zu dick, als dass ihn ein kleiner Armbrustbolzen verletzen könnte. Du musst ihm mit dem Schwert gegenübertreten.“ Paul hatte genickt und ihm zugestimmt, aber innerlich war er wütend, dass ihn sein Vater immer noch bevormundete, obwohl er doch schon erwachsen war (oder sich zumindest für erwachsen hielt). Er hatte sie doch mitgenommen und das hatte er nun davon. Der Lederriemen, an der die Armbrust hing, sowie der des Köchers, drückten ihm schmerzhaft auf die Schulter. Das machte den Weg die steil nach oben führende Treppe hinauf auch nicht einfacher.
Nach vielen Stunden des Hinaufsteigens, setzte er sich erschöpft unter einen Felsvorsprung und ruhte sich aus. Die Hälfte des Weges hatte er bereits geschafft und wenn er erst einmal oben war, dann… ja, was dann?
Das was ihn dort oben erwartete, war eine alte Tradition in seinem Land. Der Kampf - Junge gegen Bestie - und wenn der Junge den Kampf gewann, durfte er sich von nun an Mann nennen und wurde zum Ritter geschlagen. Aber das Problem war, Paul hatte keine Ahnung wie er die Prüfung bestehen sollte. Nun gut, man hatte ihm Ratschläge gegeben, ihm beigebracht mit Schwert und Armbrust zu kämpfen, aber der Knackpunkt war, dass er nur so ungefähr wusste, was auf ihn zukam. Denn obwohl sein Vater viel von dem Entsetzen geschildert hatte, das einem beim Anblick solch einer Bestie packt, waren seine emotionslosen und sachlichen Worte außerstande gewesen, dieses Gefühl Paul begreiflich zu machen. Noch weniger war es seinem Vater gelungen ihm zu erklären, wie man dieses Entsetzen überwinden könne, um seinen Mut zu finden, sich dem Untier zu stellen.
Pauls Gedanken waren gerade so weit gediehen, als rund 100 Schritte über ihm ein Brüllen ertönte. Es klang wie ein gewaltiges Donnergrollen, wie eine gigantische Steinlawine, die von der Flanke des Berges zu ihm herunterrollte. Das Brüllen war so stark, dass es den Berg zum Beben brachte und die Kieselsteine zu Pauls Füßen wild herumhüpfen ließ.
„Die Bestie“, dachte er und plötzlich spürte er wie ein dumpfes Entsetzen, nahe der Verstand raubenden Panik, in ihm aufkam und langsam begann er zu verstehen, was für ein Kampf noch vor ihm lag.
Mit zitternden Knien richtete er sich wieder auf und zwang seine widerstrebenden Beine die immer steiler werdende Treppe hinauf. Zum Schluss war sie so steil, dass er die Stufen förmlich hochklettern musste. An diesem Punkt entschloss er sich die Armbrust einfach liegen zu lassen, da er mit ihr auf dem Rücken den Aufstieg kaum gepackt hätte. Um keine Zeit zu verlieren, schnitt er die Halteriemen ganz einfach mit einem Dolch durch, den er in den gleichen Gürtel gesteckt hatte an dem auch sein Schwert hing. „Und wieder mal hast du Recht gehabt Vater und ich habe mich geirrt“, dachte Paul resigniert und nicht ohne eine Spur Zorn.
Schließlich und endlich nach stundenlanger Quälerei die steile Treppe hinauf hatte er sein Ziel erreicht: Einen senkrecht aus dem Berg herausragenden Felsvorsprung, der aussah wie eine gewaltige steinerne Nadel, die sich jedoch nach hinten verbreiterte und eine Art Plattform bildete, auf der ein Kreis von großen Gesteinsbrocken stand, wobei die Gesteinsbrocken eher wie grob gehauene Säulen wirkten. Hinter dem Kreis aus Steinen befand sich eine Höhle, die weit in den Berg hinein führte. Der Eingang dieser Höhle sah aus wie ein riesiges Maul voll spitzer raubtierhafter Zähne aus dunkelgrauem Felsgestein. Aber Paul dachte, dass das nichts war im Vergleich zu dem Maul, das in dieser Höhle lauerte und das einem Wesen gehörte, das sowohl an Bösartigkeit als auch an Listigkeit und Verschlagenheit seines gleichen im Tierreich suchte.
Als Paul sich dem Steinkreis näherte und sich etwas genauer umsah, stockte ihm das Blut in den Adern. In der Mitte des Kreises befand sich ein viereckiger, abgeflachter Stein, der fast wie ein Altar wirkte und auf ihm, sowie um ihn herum lagen Gebeine, vollkommen verkohlt, ohne irgendwelche Ordnung verteilt und Paul war sich ziemlich sicher, dass nicht alle von Tieren stammten.
„Oh verflucht“, dachte er „wie viele liegen hier, die wie ich hier heraufgekommen waren um sich ihrem Schicksal und ihrer Prüfung zu stellen. Wie viele, die er getötet hat durch einen einzigen Stoß seines feurigen Atems?“ Er spürte, wie ihn das Entsetzen erneut überkam und sich in Panik zu verwandeln versuchte. Panik, die nur eins wollte: dass er schreiend weglief und alles vergaß, was er über Mut und Tapferkeit, über Ruhm und Standhaftigkeit gelernt hatte. Panik, die sich mit einer lauten schrillen Stimme in seinem Kopf zu Wort meldete: „Lauf, lauf weg, bevor Er dich sieht, bevor Er herauskommt um dich in seinen Feuerodem einzuhüllen! Lauf, bevor du so endest wie die Narren, die du vor dir siehst, nichts als verkohlte Knochen und Gebeine, lauf!“
Und Paul war nahe daran es zu tun, sich dieser schreienden, wahnsinnigen Stimme hinzugeben und jeglichen vernünftigen Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen.
Doch da erklang eine zweite Stimme ruhig, kühl und gefasst, eine Stimme, die seinem Vater gehören könnte. „Bleib ruhig Paul“, sagte diese Stimme „und denk nach. Was würde geschehen, wenn du weglaufen würdest? Was würden dein Vater, deine Mutter, deine Geschwister und deine Freunde und Bekannten sagen, wenn sie hörten, dass du einfach aufgegeben hast? Du würdest ein Leben in Schande führen und niemals ein Ritter werden. Sag, würdest du den Tod und sei er auch noch so schrecklich, nicht diesem Leben vorziehen? Und außerdem hast du eine gute Chance den Kampf zu überleben, wenn du einen kühlen Kopf bewahrst. Denn weißt du, was die Männer, die hier liegen, falsch gemacht haben? Weißt du das Paul? Sie haben sich von ihren Gefühlen übermannen lassen und diese sind, egal ob Übermut oder Furcht, in einem Kampf auf Leben und Tod nur hinderlich. Verstehst du, was ich damit sagen will?“
Ja, er verstand, was ihm diese ruhige, gefasste Stimme sagen wollte. Er würde nicht in Panik geraten und davonlaufen. Er würde diese schrille Stimme in seinem Kopf unterdrücken und ihr keine Beachtung mehr schenken. Aber er würde auch nicht hier wie auf dem Präsentierteller stehen bleiben und sich dem Ungetüm und seinem Feueratem schutzlos aussetzen. So suchte er hinter einer der großen Felssäulen Deckung und das keinen Augenblick zu spät, denn aus der Höhle drang ein dumpfes, hallendes Stampfen, das immer näher kam und im nächsten Moment blitzten zwei glühend rote Augen aus dem Dunkel und Er trat ins Sonnenlicht.
Das Erste was von Ihm zu sehen war, war die lang gezogene krokodilähnliche Schnauze, die zu einem Kopf gehörte, aus dem nach hinten weg zwei Hörner herausragten, flach und spitz wie zwei Speerspitzen, die nicht aus Eisen sondern aus Knochen waren. Dann kam der lange schlanke Hals, gefolgt von einem ebenfalls schlanken Körper, an dem zwei riesige fledermausartige Flügel angelegt waren, die die Aufgabe der Vorderbeine übernahmen und die beiden Hinterbeine, die mit jeweils drei Klauen bewehrt waren. Zuletzt kam der lange Schwanz, an dessen Ende sich eine Art Klaue befand, die in ihrem Aussehen den Hörnern auf dem Kopf des Drachen glich. Der Rücken der Kreatur war erstaunlich glatt, wie die Haut einer Schlange und hatte die Farbe von Felsgestein.
Das Alles sah Paul, als er hinter dem schützenden Felsbrocken hervorlugte, duckte sich aber schnell wieder, als Er seinen Kopf in Pauls Richtung drehte. Paul hoffte inständig, dass Er ihn nicht gesehen hatte. Aber Er hatte ihn gesehen. Er war zwar alt, hatte aber nicht viel von seiner Sehkraft eingebüßt und noch weniger von seiner Verschlagenheit. Er war der Abkömmling einer alten Rasse Feuer speiender Kreaturen, die oft fälschlicherweise mit Drachen verwechselt werden. Früher hatten tausende von ihnen die Welt bevölkert, doch nun war Er einer der Letzten seiner Art. Und was weder Paul, noch sein Vater, noch irgend ein anderer Mensch wusste war, dass all die Kreaturen, die man die letzten fünfhundert Jahre getötet hatte, allesamt Jungtiere gewesen waren, jung und unerfahren, von ihrer eigenen Mutter fortgejagt, als sie alt genug waren.
Doch Er war alt, Er war listig und verschlagen und auch wenn Er nicht mehr so gelenkig war, wie die jüngeren Abkömmlinge Seiner Spezies, so machte Sein härteres Schuppenkleid diesen Nachteil mehr als wett. Aus diesem Grund war auch Sein Vorhaben, in dieses Land umzusiedeln keineswegs von der Kunde beeinträchtigt worden, dass Abkömmlinge Seiner Spezies hier schon seit Jahrhunderten gejagt wurden.
Bereut hatte Er es jedenfalls bis jetzt noch nicht. In Seiner alten Heimat hatte Er Hunger gelitten, nun hatte Er das erste Mal nach langer Zeit wieder einen vollen Magen.
Und gerade sinnierte Er noch darüber nach was Er als nächstes unternehmen könnte, da kam dieses winzige Schäblein doch direkt vor Seine Höhle gekrochen. Er würde garantiert seinen Spaß mit ihm haben. Denn Er war wie kein anderer seiner Art dazu in der Lage, die Macht der verführerischen Stimme zu benutzen, die alles was Er sagte in den Ohren anderer als wahr und richtig klingen ließ. Und diese Macht wollte Er nun einsetzen, um die erbärmliche Kreatur, die es gewagt hatte Ihn aufzusuchen, aus ihrer Deckung zu locken. Dazu richtete Er sich auf seine Hinterbeine, breitete seine Flügel aus und zeigte seinem Opfer seine scheinbar verletzliche aber in Wirklichkeit stark gepanzerte Unterseite, die so weiß war wie Schnee. Dann begann Er mit seiner geschmeidigen Stimme zu reden. „Ich grüße dich Paul, Heinrichs Sohn, der du gekommen bist um mich hinterrücks zu ermorden, wie ein gemeiner Strauchdieb, denn zu welchem Zweck solltest du dich sonst hinter diesem Felsen verstecken? Sag mir, junger Knappe, ist dies einem zukünftgen Ritter würdig? Was würde wohl dein Vater dazu sagen? Denkst du wahrhaftig, eine solche schändliche Tat würde ihn Stolz machen? Oh nein, ganz im Gegenteil! Er würde sich schämen, ob dieser Feigheit und du würdest niemals von ihm zum Ritter geschlagen. Also warum trittst du nicht hervor und stellst dich mir in einem ehrenvollen Kampf?“
Paul saß hinter dem Felsbrocken und lauschte den listigen Worten des Untiers, die zu ihm hinüberplätscherten wie vergiftetes Wasser aus einer verdorbenen Quelle, das zwar rein und klar aussah, aber einem die Eingeweide verätzte, wenn man es trank.
Oh ja! Er hatte Recht. Wieso verkroch er sich denn hier, wo er sich doch ihm entgegenstellen und gegen ihn kämpfen sollte wie ein wahrer Rittersmann?
Da erklang erneut die ruhige und gefasste Stimme und ermahnte ihn: „Paul, tu das nicht, das ist eine Falle und das solltest du wissen. Seine Brust mag verletzlich aussehen, doch zerbricht an ihr jede Klinge. Hast du das etwa schon vergessen? Nur wenn du ihm in den Rücken stichst, kannst du ihn töten. Es gibt keinen anderen Weg, sei also nicht töricht!“
Dies sagte die Stimme, doch Paul hörte sie nicht, denn sie war so viel unangenehmer als die sanfte Stimme der Bestie, die Stimme, von der jedes Wort einfach wahr sein musste. „Ja, ich werde herauskommen“, dachte Paul, „erhobenen Hauptes und mit dem Schwert in der Hand wie ein wahrer Ritter.“ Und er trat aus der Deckung hervor, direkt in die Reichweite des feurigen Atems der Kreatur. „Da bist du ja endlich Menschlein“, dachte Er gierig, „wie leicht du mir doch in die Falle gegangen bist. Ich wusste auf deinen Stolz ist Verlass. Oh, du wirst noch bitter bereuen, dass du wagtest mir entgegenzutreten.“
Siegesgewiss sog Er Luft durch seine Nüstern für den vernichtenden Feuerstoß. Doch in dem Moment blickte Paul in die Augen des Monsters und was er sah hatte nichts mit der sanften einschmeichelnden Stimme gemein, die er gehört hatte. Sie waren voller Gier und Lust auf Zerstörung. In dem Augenblick wo er dies erkannte, fiel der Bann von ihm ab und das gerade rechtzeitig, denn das Maul des Untiers entsandte einen gewaltigen Feuerstrahl, der Paul mit Sicherheit getötet hätte, wenn er nicht geistesgegenwärtig nach vorne gehechtet wäre unter die Beine des Untiers.
Er stieß einen enttäuschten Schrei aus, die Schabe, so schien es, war doch schlauer, als Er gedacht hatte. Doch seine Verwunderung wich Verblüffung als er hörte, wie Paul mühsam versuchte die Felswand hinter ihm zu erklimmen. „Was hat das Schäblein denn jetzt vor?“, dachte Er verwirrt. Da überkam ihn die Erkenntnis: Das Menschlein dachte wohl Sein Rücken sei so weich und verwundbar, wie der eines Jungtiers. Nun, es würde wohl bald erkennen, dass es sich bitter getäuscht hatte.
Paul indes hatte einen kleinen Felsvorsprung erreicht, der sich nur wenige Fuß über dem Rücken des Untiers befand. Dieses hatte sich, der heiligen Jungfrau sei dank, noch keinen Schritt von der Stelle gerührt. Siegessicher zog Paul sein Schwert und sprang auf den Rücken der Bestie.
Für einen kurzen Augenblick, überkam ihn eine Siegesgewissheit, die ihn beinahe berauschte, so stark war sie.
Für einen kurzen Augenblick, wohl gemerkt.
Dann glitt sein Schwert an dem unnachgiebigen und ganz und gar nicht verletzlichen Rücken des Untiers ab und schlagartig überkam ihn die schreckliche Gewissheit, das er sich getäuscht hatte, nein das sein Vater sich getäuscht hatte.
Doch diese Erkenntnis kam zu spät, denn die Bestie warf ihn ab und er schlug hart auf dem Felsboden auf. Dabei glitt ihm sein Schwert aus der Hand und fiel über den Rand der Felsplattform in die Tiefe.
Dunkelheit umhüllte Paul.
Und durch diese Dunkelheit, konnte er wieder die ruhige und gelassene Stimme hören.
Diese Stimme gehörte seinem Vater, da war er sich nun ganz sicher.
„Paul, wie konntest du mich nur so enttäuschen?“, fragte die Stimme, „Du hättest auf mich hören sollen. Doch nun ist alles aus. Und das nur weil du meinen Anweisungen nicht gefolgt bist.“
Oh ja, dachte Paul, wie Recht doch sein Vater hatte. Er hatte sich wie ein Narr verhalten, eines Ritters unwürdig und das hatte er nun davon.
Aber ein Teil von ihm wusste es besser. Ein Teil von ihm hatte endlich die Wahrheit erkannt:
Er hatte sich zu sehr auf das verlassen was sein Vater ihm gelehrt hatte statt auf sich selbst zu vertrauen. Er hätte die Armbrust trotz der Unannehmlichkeiten, die sie ihm bereitet hatte, nicht wegwerfen sollen, dann hätte er jetzt dem Untier einen Bolzen in sein Auge oder sein Maul jagen können. Doch stattdessen hatte er einfach die Halteriemen durchgeschnitten und … Durchgeschnitten?
Die Erkenntnis wirkte wie ein kalter Regenschauer: Er wachte auf.
Und das wahrlich keinen Augenblick zu spät: Das Maul der Bestie war direkt über ihm, so nah das er das er den fauligen Atem riechen und die zwischen den Zähnen hängenden Fleischfetzen sehen konnte.
Hastig tastete er nach seinem Gürtel und nach einem kurzen Moment des Suchens, der sich für ihn jedoch bis in alle Ewigkeit zu erstrecken schien, fanden seine Finger den Dolch und zogen ihn aus der Scheide.
Nun war der Augenblick gekommen, der Augenblick zwischen Leben und Sterben, zwischen dem Ritterschlag und dem Zermalmt werden.
In diesem einen Augenblick gab es nur eins, dass für Paul wichtig war:
Und das war nicht das Rittertum, sein Vater oder seine Ehre.
Nein, das einzige was jetzt noch für ihn zählte, war der Gaumen der Bestie, weich und vollkommen ungepanzert, der ihm immer näher kam, bis er nur noch eine Armlänge von ihm entfernt war.
Dann stach er zu.
Die Nacht brach herein über das Lehen des Ritter Heinrich, dessen Sohn ausgezogen war, um einen Drachen zu töten und sich so das Recht zu erwerben, ein Ritter zu sein. Heinrich stand am Eingang des Dorfes, das zu seinem Lehen gehörte und das am Fuße der Ritterburg lag.
Sein Sohn war immer noch nicht zurückgekehrt und er begann langsam zu glauben, dass er es wohl niemals tun würde. Das Schlimmste aber war, dass er bei diesem Gedanken keineswegs die Trauer empfand, die er von sich selbst erwartete, sondern lediglich eine bittere Enttäuschung.
Doch plötzlich, als er gerade zu seiner Burg zurückkehren wollte, sah er einen dunklen Punkt am Horizont auftauchen. Als dieser sich näherte, spürte er wie sich eine wilde Freude und ein nicht unselbstgefälliger Stolz in ihm ausbreiteten, denn es war sein Sohn Paul, der da kam. Er war zwar vollkommen verdreckt und verschmutzt und blutete aus mehreren kleinen Schürfwunden, aber er lächelte und schwenkte einen langen, giftgrün glänzenden Zahn über seinem Kopf. Heinrich kam ihm überglücklich entgegengeeilt. In dieser Nacht würde er doch nicht für einen toten Sohn beten, sondern einen lebenden feiern.