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Die Reise

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08.06.2004
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Die Reise

Die Türen schließen sich, begleitet von einem hydraulischen Zischen. Die Luft wirkt plötzlich schwerer, dichter, wie an einem schwülen Sommertag. Nervös streichst du deine Hose glatt. Dein Blick wandert auf der Suche nach Ablenkung; von der klebrigen Lache vor deinen Füßen über die abgenutzten Sitzbänke, zur Decke. Alles ist in gelbes Licht getaucht. Du zählst die Lampen, es beruhigt dich, lässt dich vergessen, wo du bist. Acht Stück auf jeder Seite, nein, halt; auf der Linken sind es nur sieben, eine ist kaputt.
Die anderen Fahrgäste haben sich gleichmäßig verteilt, jeder für sich, alleine in seiner stillen Einsamkeit. Alle sitzen in Fahrtrichtung. Vielleicht wird ihnen sonst schlecht, vielleicht wollen sie auch nur sehen, was auf sie zukommt, dort in der Dunkelheit auf sie lauert.
Du verscheuchst diesen Gedanken und schaust nach draußen. Noch fahrt ihr überirdisch, trotzdem bist du von Dunkelheit umgeben. Schon seit Tagen wird es nicht mehr richtig hell; die Nacht hat den Tag verschluckt.
Die Lichter der Stadt vermischen sich mit schemenhaften Reflexionen auf der zerkratzten Scheibe. Du verspürst Unruhe, deine Blase drückt. Als du über deine Stirn streichst, spürst du einen leichten Schweißfilm. Du fühlst dich beobachtet, doch keiner hat sich umgedreht; sie blicken weiter starr geradeaus, obwohl es dort nichts zu sehen gibt.
Der Zug wird langsamer, dein Atem beruhigt sich. Die Türen öffnen sich mit dem selben Zischen. Klare, kühle Luft flutet deine Lungen. Du schließt die Augen und atmest Freiheit.
Ein paar Fahrgäste steigen aus und andere nehmen ihren Platz ein. Mit einem Rucken geht die Fahrt weiter. Keiner spricht, als fürchteten sie sich, die bleierne Stille zu zerreißen. Das Bild bedrückt dich, du schaust wieder aus dem Fenster.
Lichter ziehen an dir vorbei. Ein, zwei Mal erhascht du einen Blick in eines der erhellten Fenster. Der Anblick suggeriert Harmonie und Geborgenheit; als gebe es noch eine andere Welt außerhalb dieser.
Plötzlich verschwinden die Lichter. Wenige Zentimeter vor deinem Gesicht, nur durch die Glasscheibe getrennt, rast schmutziger Beton an dir vorbei. Dein Herz schlägt schneller, deine Beine fangen an zu kribbeln. Du versuchst dich zu beruhigen, versicherst dir, dass du aussteigen könntest. Es funktioniert, die Angst geht zurück. Die Bahn wird langsamer, du siehst den Bahnsteig. Von künstlichem Licht beschienen, erscheint er noch schmutziger; trotzdem spendet er dir Hoffnung. Du sammelst neue Kraft, bekämpfst den Drang auszusteigen, aufzugeben. Du klammerst dich an die Illusion hinter der Scheibe und bemerkst nicht, dass immer mehr Menschen in den Wagon strömen.
Jemand setzt sich neben dich. Ein dicker, ungepflegter Kerl. Du machst ihm Platz, wirst in die Ecke gedrängt. Er riecht nach Alkohol und altem Schweiß. Du überlegst, das Fenster zu öffnen, doch entschließt dich dagegen. Nervös tippelst du mit den Füßen; eine Schweißperle läuft deine Schläfe hinunter. Du hörst eine Stimme. Ein Bettler bahnt sich seinen Weg durch die taubstumme Menge. Niemand sieht ihn an, alle ignorieren seinen kleinen Kaffeebecher. Als er dich erreicht, beugst du dich nach vorne und lässt Kleingeld in den Becher fallen. Müde Augen lächeln dich aus einem zerfurchten Gesicht an.
"Gott segne dich."
Du lächelst zurück und nickst. Die Bahn hält, der Bettler steigt aus und die Einsamkeit kehrt zurück. Immer mehr Gesichter strömen herein, ihre leblosen Körper versperren dir die Sicht. Du fühlst dich gefangen, ohne Ausweg. Der Geruch ihrer Leiber hängt in der Luft, macht dir das Atmen unmöglich. Du stehst auf, deine Beine fühlen sich schwer an. Niemand macht dir Platz, du zwängst dich durch die Menge, berührst mit deinem Gesicht ihre stinkenden Körper; Ekel erfüllt dich. Schließlich erreichst du die Tür, die Masse schließt sich hinter dir. Gegen die Panik ankämpfend versuchst du dich zu erinnern, wie weit die nächste Station entfernt ist. Die Bahn verliert an Fahrt, du atmest erleichtert auf. Sie kommt zum Stehen; mitten in der Dunkelheit des Tunnels. Die Erkenntnis trifft dich wie ein Schlag. Schweiß läuft dir in die Augen, du siehst dich panisch um, doch keiner nimmt Notiz. Ein Knacken erfüllt den Wagon, du hörst eine Durchsage, doch verstehst sie nicht. Du bekommst keine Luft mehr, beginnst an der Tür zu zerren, die Hebel lassen sich nicht bewegen. Immer panischer zerrst du an ihnen, mit aller Kraft, die Tür öffnet sich, du fällst, schlägst hart auf; Blut fließt dein Kinn hinab, du stehst auf und läufst los.
Läufst einfach blindlings in die Dunkelheit.

 

Hi Don Chorcho,

eine sehr gut und authentisch beschriebene Alltags-Situation, die dir da aus der Feder geflossen ist. Nachempfinden kann das vermutlich nur, wer in einer Großstadt lebt, in der es eine U-Bahn gibt. Insofern ist deine Story gar nicht mal so seltsam, wie die gewählte Rubrik nahelegt. Wäre vielleicht besser unter Alltag aufgehoben, aber egal.
Ich kenne diese wachsende Beklemmung, diese leisen Panik-Attacken, die misanthropischen Anwandlungen gegenüber den Mitreisenden sehr gut und ich finde, deren Schilderung ist dir relativ gut gelungen. Solche Gefühlsbeschreibungen kann man auch schnell übertreiben.
Was mir aber gar nicht gefällt, ist der Schluss der Geschichte.

Wenn man in so einer psychotischen Verfassung ist, ist es schon höchst unangenehm, wenn die U-Bahn einfach nur minutenlang im Tunnel stehen bleibt, ohne dass man den Grund dafür erfährt.
Weil du deinen Prot nun scheinbar ohne triftigen Grund aus dem Wagen steigen lässt und er sich dabei obendrein verletzt, beginnst du für mein Empfinden quasi einen neuen Abschnitt der Geschichte, die du aber dann nicht weiter erzählst.

Ich denke, die Story wäre irgendwie runder, wenn du den Schluss ein wenig ändern würdest. Lass die U-Bahn doch einfach nach einer Weile weiterfahren, kurz bevor der Protagonist endgültig durchdreht und Anstalten macht, den Hammer für den Notausstieg aus der Verplombung zu reissen, um die Scheibe einzuschlagen.
Nur mal so als Vorschlag.

Grüße
Cantalupo

 

Hi Don Jorgo,

eine sehr beklemmende Geschichte.

Ich kenne keine Panik-Attacken und von misanthropischen Gefühlen habe ich noch nie gehört. (werd mal nachlesen)

Trotzdem glaube ich mich in die Gefühlswelt deines Prot versetzen zu können.

Er hat Angst, vor allem vor sich selber. Umgeben von Menschen, die genausogut Roboter sein könnten, fühlt er sich verlassen in einer dunklen Welt, der er entfliehen möchte, aber nicht kann.

Der Zug hält in einem Tunnel. Er fühlt sich gefangen, will raus.

Nun könnte dein Ende auch bedeuten, dass dein Prot den Anfang gemacht hat, seinem eigenen Gefängnis zu entfliehen.
Der Beginn ist schmerzhaft (Verletzung) Er läuft in die Dunkelheit, den Weg den er gehen muß, um das Licht am Ende des Tunnels zu erreichen.

Man kann deine Geschichte auch noch anders deuten.

Der Zug, (eine Zwischenstation) Die Stationen,(er könnte aussteigen)
Er hat den Mut nicht. Dann wird ihm klar, er kann nicht ewig sitzen bleiben.

Vielleicht weißt du was ich meine, wenn nicht ist auch okay. :shy:

Ich mag solche Geschichten.
Du hast sie, so finde ich, sehr Eindrucksvoll geschrieben. :)

ganz lieben Gruß, coleratio

 

Hey Cantalupo!

eine sehr gut und authentisch beschriebene Alltags-Situation, die dir da aus der Feder geflossen ist.
Das freut mich. Eigentlich ist es eine Mischung aus einer Alltagssituation mit einer Art Botschaft, deshalb habe ich sie hier gepostet. Aber Du hast Recht, unter Alltag könnte sie genauso passen.

Ich kenne diese wachsende Beklemmung, diese leisen Panik-Attacken, die misanthropischen Anwandlungen gegenüber den Mitreisenden sehr gut und ich finde, deren Schilderung ist dir relativ gut gelungen.
Entstanden ist diese Geschichte in den überfüllten Wagons der Hamburger U-Bahn. Ich habe einfach versucht mich in mein Unbehagen und meine leichte Platzangst hineinzusteigern. Es hat teilweise besser geklappt als mir lieb war.

Ich denke, die Story wäre irgendwie runder, wenn du den Schluss ein wenig ändern würdest.
Vielleicht kommt das Ende wirklich ein wenig zu rasant...

Weil du deinen Prot nun scheinbar ohne triftigen Grund aus dem Wagen steigen lässt und er sich dabei obendrein verletzt, beginnst du für mein Empfinden quasi einen neuen Abschnitt der Geschichte, die du aber dann nicht weiter erzählst.
Meine Intention ist ein wenig anders, allerdings wäre die Geschichte mit einem "gemäßigteren" Ende runder und abgeschlossener. Das wollte ich aber gar nicht unbedingt.

Vielen Dank für Deine Kritik. :)

Hey Coleratio,

auch Dir vielen Dank für Dein Posting. Ich bin wirklich erstaunt darüber, wie Du meine Geschichte interpretiert hast.

Der Beginn ist schmerzhaft (Verletzung) Er läuft in die Dunkelheit, den Weg den er gehen muß, um das Licht am Ende des Tunnels zu erreichen.
Genau das meinte ich. Er muss sich von der gesichtslosen Masse lösen und seinen eigenen Weg beschreiten, auch wenn er mit Schmerzen verbunden ist und anfangs noch im Dunkeln liegt.

Der Zug, (eine Zwischenstation) Die Stationen,(er könnte aussteigen)
Er hat den Mut nicht. Dann wird ihm klar, er kann nicht ewig sitzen bleiben.
Er denkt, dass es feige wäre auszusteigen und seiner natürlichen Angst nachzugeben, doch eigentlich ist es eher ein Instinkt, den er falsch interpretiert.

Ich mag solche Geschichten.
Du hast sie, so finde ich, sehr Eindrucksvoll geschrieben.
:D

An alle:
Meine Intention wird sich bei den Meisten (außer Coleratio, die mich anscheinend ziemlich gut kennt :D ) nicht mit ihrer Interpretation decken.
Die Geschichte ist, wie schon gesagt, ein kleines "Selbstexperiment" gewesen. Ich habe fast komplett während längerer U-Bahnfahrten geschrieben, dadurch ist es natürlich sehr persönlich und emotional geworden. Bei der Nachbearbeitung habe ich sie inhaltlich, als auch stilistisch, kaum verändert, weil ich befürchtete, dass sonst die Authentzität verloren gehen könnte. Das Ende resultiert daraus, dass ich versucht habe zu erkennen, woher meine Ängste (in die ich mich absichtlich reingesteigert habe) stammen.

Was ich eigentlich damit sagen wollte: Ich habe volles Verständnis dafür, wenn jemand mit der Geschichte nichts anfangen kann bzw. sie mir um die Ohren haut (auch wenn das jetzt natürlich keine Aufforderung dazu ist).

Jorgo

 

Hallo Don Jorgo

Auch ich schließe mich dem Lob meiner Vorredner an. Die Dichte und Echtheit des Gefühls, dass du beschreibst ist wirklich erstaunlich hoch bzw. gut getroffen.

Zu verdanken ist das der ungewöhnlichen Erzählperspektive die du gewählt hast. 2.Person Singular liest man hier nicht oft, vielleicht weil sie etwas speziell ist und sich fast nur für derartiges eignet, aber da besonders gut (behaupte ich mal :) )

Mit dem Ende kann ich mich so wie es ist gut anfreunden. Solche offenen Kösungen haben was für sich.

Etwas feilen würde ich an deiner Stelle aber noch an der Steigerung der Emotionen.
Du schreibst, dass du diese Geschichte als eine Art Selbstexperiment gestartet hast, wo du versucht hast dich selbst beim Schreiben in diesen klaustrophobischen Wahn hinzusteigern.
Das merkt man dem Text mEn auch an. Denn am Anfang, wo deine eigenen Gefühle wohl noch recht kühl und sachlich waren, ist auch dein Prot noch nicht so zerrissen. Gegen Ende (vor allem im letzten Abschnitt) hatte ich das Gefühl, dass du dich da rekursiv hingesteigert hast. Daher ist der Anstieg der Gefühle speziell in diesem Abschnitt verglichen mit den anderen wesentlich stärker.
Damit will ich sagen, dass du versuchen solltest, den aufkeimenden Wahnsinn deines Prots kontinuierlicher darzustellen.

So, mehr wollte ich nicht sagen :)

lg
Hagen

 

Hallo Don Jorgo,

da reist jemand mit Menschen, zu denen er sich nicht zugehörig fühlt, die Mitmenschen Ekeln ihn sogar. Ist es nur ihr Geruch? Nein, auch ihre `Massenhaftigkeit´, ihre Gefühllosigkeit, der Prot. ist der Einzige, der dem Bettler etwas gibt. Die ganze Geschichte steigert sich zu einem von Panik geprägtem Finale, ist auch bildhaft und flüssig geschrieben. Doch was weiß der Leser am Schluss? Jemand hat die Flucht ergriffen. Ich denke, hier fehlt etwas, z.B. ein deutlicher Deflationsfokus. So ist ein gut geschriebener Bericht entstanden, keine Geschichte.

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo Don!

So gehts mir immer, wenn die VfB-Stuttgart-Fans die S-Bahn-Abteile stürmen :D

Jetzt im Ernst: Ich schließ mich im Prinzip meinem Vorredner Woltochinon an. Deine bildhafte Schreibweise trägt ungemein dazu bei, dass die Handlung dramatisch wird. Emotionen des Protagonisten wirken echt und nicht "aufgesetzt".

Allerdings finde ich, dass der Bettler und die anderen Fahrgäste zu kurz kommen. Sie könntest du noch detailierter beschreiben, ihre Eigenheiten, ihre Ekelhaftigkeit (bei den Fahrgästen), etc...

In einem muss ich Woltochinon jedoch widersprechen:

Woltochinon schrieb:
Doch was weiß der Leser am Schluss?
Muss er denn was wissen? Ich finde das offene Ende eigentlich gerade gut. Muss ja nicht immer eine abgerundete Geschichte sein. Gerade diese Ungewissheit, das offene Ende, entspricht doch dem Gefühlszustand und der Gedankenwelt des Protagonisten. Der is bisle verpeilt, das Ende der Geschichte is auch bisle verpeilt ;)

Gruß. Kaktus.

 

Hey Hagen!

Etwas feilen würde ich an deiner Stelle aber noch an der Steigerung der Emotionen.
Gegen Ende (vor allem im letzten Abschnitt) hatte ich das Gefühl, dass du dich da rekursiv hingesteigert hast. Daher ist der Anstieg der Gefühle speziell in diesem Abschnitt verglichen mit den anderen wesentlich stärker.
Stimmt, dieser Teil ist mir auch am schwersten gefallen. Bis zu einem gewissen Punkt waren meine Empfindungen "echt", aber zum Ende hin musste ich meine Vorstellungskraft bemühen, weil ich das Ganze nicht bis zum bitteren Ende durch gespielt habe.
Wenn ich ein wenig Abstand zur Geschichte gewonnen habe, werde ich diesen Punkt noch mal überarbeiten.

Die Dichte und Echtheit des Gefühls, dass du beschreibst ist wirklich erstaunlich hoch bzw. gut getroffen.
Freut mich, dass auch Dir meine Geschichte gefallen hat.

Hey Woltochinon!

Doch was weiß der Leser am Schluss?
Ich denke, hier fehlt etwas, z.B. ein deutlicher Deflationsfokus.
Was schwebt Dir diesbezüglich vor? Meinst Du so etwas wie die Moral von der Geschichte oder das die Handlung zu abrupt endet?

So ist ein gut geschriebener Bericht entstanden, keine Geschichte.
Stimmt. Auch wenn ich versucht habe eine Botschaft in dem Ganzen zu vermitteln, ist es hauptsächlich ein Bericht.

Hey Kaktus!

Allerdings finde ich, dass der Bettler und die anderen Fahrgäste zu kurz kommen. Sie könntest du noch detailierter beschreiben, ihre Eigenheiten, ihre Ekelhaftigkeit (bei den Fahrgästen), etc...
Auch dies ist ein Punkt, den ich bei der Überarbeitung noch mal ins Auge fassen werde.

Muss er denn was wissen? Ich finde das offene Ende eigentlich gerade gut.
Durch das offene Ende wollte ich noch mehr Platz für eigene Interpretationen lassen, auch damit sich der Leser besser mit der Handlung identifizieren kann.

Deine bildhafte Schreibweise trägt ungemein dazu bei, dass die Handlung dramatisch wird. Emotionen des Protagonisten wirken echt und nicht "aufgesetzt".
Ich empfand diese Gratwanderung als ziemlich schwierig, deshalb freut es mich, dass Du sie so beurteilst.

An alle:
Ich hatte erst befürchtet, dass mein Text in dieser Rubrik kaum Beachtung findet, deshalb danke ich für Eure Kommentare.


Jorgo

 

Hi Don!

Zuerst Textzeugs:

Dein Blick wandert rastlos weiter.
Unnötig, wurde ich streichen. Du hast genug Dichte in den vorherigen Sätzen, da ist dieser Zusatz etwas störend.

ielleicht wollen sie auch nur sehen, was auf sie zukommt, dort in der Dunkelheit auf sie lauert.
Ich glaube, damit dieser Satz ganz richtig wird (oder sich zumindest für mich besser und schöner liest), fehlt ein "Was" vor dem "dort in der..."

Du überlegst das Fenster zu öffnen,
In den Ubahnen, die ich benutzte, konnte man die Fenster nicht öffnen. Oder täusche ich mich da?

und lässt das Kleingeld in den Becher fallen
und lässt Kleingeld - das "das" ist unnötig.

=====

Was ich eigentlich damit sagen wollte: Ich habe volles Verständnis dafür, wenn jemand mit der Geschichte nichts anfangen kann bzw. sie mir um die Ohren haut (auch wenn das jetzt natürlich keine Aufforderung dazu ist).
Hehe, das werde ich nicht tun, keine Sorge.
Ich finde es mal sehr interessant, dass du diese kleine Geschichte in der Ubahn selbst geschrieben und dich wissentlich in deine "Angst" hineingesteigert hast. Ein interessantes Experiment.
Gelungen ist dir eine authentische Geschichte - ganz ohne Frage. Besonders gelungen fand ich das "du", eine hervorragend gewählte Perspektive.

Sprachlich habe ich fast nichts auszusetzen, anfangs erschien es mir ein bisschen überladen, ein bisschen zu sehr auf einen möglichst blumigen Stil aus - aber in einem gemäßigten Rahmen.

Das Ende kommt dann etwas plötzlich und war für mich verwirrend. Anfangs zumindest, dann hab ich ein bisschen drüber nachgedacht und deine Koms gelesen. Ich wäre zwar nicht auf die von dir angegebene Interpretation gekommen, aber das spielt keine Rolle. Der Text hat trotzdem gewirkt.

In diesem Sinne
c

Kleines Edit: den Titel finde ich auch eher schwach.

 

Moin Chazar, moin Noel!

Wisst Ihr warum mir dieses Forum so ans Herz gewachsen ist?
Hier wird wirklich kein Fehler übersehen!

Kleines Edit: den Titel finde ich auch eher schwach.
Bur bei der Titelauswahl könnte man sich etwas mehr Mühe geben, obwohl es ja den kern trifft, nämlich eine Resieerfahrung.

Jungs, ich finde den Titel auch extrem fade, aber mir fiel partout kein besserer ein. Außerdem wollte ich die Geschichte endlich posten. :D
Also, ich bin für Vorschläge offen, eigentlich sogar dankbar.

So viel dazu...

Chazar:

Dein Blick wandert rastlos weiter.

Unnötig, wurde ich streichen. Du hast genug Dichte in den vorherigen Sätzen, da ist dieser Zusatz etwas störend.


Wird gestrichen.

In den Ubahnen, die ich benutzte, konnte man die Fenster nicht öffnen. Oder täusche ich mich da?

Ich meinte damit auch eher die Klappe am Fenster, welche sich öffnen lässt.

Zitat:
und lässt das Kleingeld in den Becher fallen

und lässt Kleingeld - das "das" ist unnötig.


Wird ebenfalls gestrichen.

Gelungen ist dir eine authentische Geschichte - ganz ohne Frage.
Der Text hat trotzdem gewirkt.
:D

Chazar, vielen Dank für Kritik. Freut mich wirklich, dass mein kleines Experiment auch bei Dir Anklang gefunden hat.

Noel:

Besonders gefiel mir das wirre Ende, was man erst gar nicht versteht. Man spürt richtig, wie die nerven mit dem Protagonisten durchgehen und alles hektisch wird. Sehr gut!
Wie schon gesagt, das Ende war für mich eigentlich am schwierigsten und somit auch meine verletzlichste Stelle. Umso besser tut dann natürlich solch uneingeschränktes Lob.

Zitat:
Der Anblick suggeriert Harmonie und Geborgenheit; als gebe es noch eine andere Welt außerhalb dieser.
gefällt mir nicht, ist mir zu interpretierend.

Den Nebensatz nach dem Semikolon habe ich auch erst bei der Bearbeitung eingefügt. Mal schauen, vielleicht fliegt er auch wieder raus.

Noel, auch Dir vielen Dank für Deine Kritik. Ich werde in nächster Zeit wieder fleißiger sein.

 

@Kaktus

„In einem muss ich Woltochinon jedoch widersprechen:
Zitat:
Zitat von Woltochinon
Doch was weiß der Leser am Schluss?

Muss er denn was wissen? Ich finde das offene Ende eigentlich gerade gut. Muss ja nicht immer eine abgerundete Geschichte sein. Gerade diese Ungewissheit, das offene Ende, entspricht doch dem Gefühlszustand und der Gedankenwelt des Protagonisten.“

Ein offenes Ende schließt nicht aus, dass der Leser am Ende etwas weiß, eine Aussage vermittelt bekommt: Die Aussage kann vor dem offenen Ende stattfinden, man weiß aber u. U. nicht welche Wendung das Schicksal schließlich nimmt (z.B. : Der Prot. befindet sich in einem moralischen Konflikt (=Aussage), man weiß aber nicht, ob er (wie er) das Problem löst (= offenes Ende).

@ Don Jorgo

„Meinst Du so etwas wie die Moral von der Geschichte oder das die Handlung zu abrupt endet?“

Siehe auch die Anmerkung @Kaktus.
„Moral“ meine ich nicht (ist aber möglich). Spannung entsteht durch Unterschiede, die Anspannung des Prot. müsste deshalb durch eine neue Situation `verpuffen´. (Es gibt natürlich viele verschiedene Möglichkeiten).

LG,

tschüß... Woltochinon

 

Hey Woltochinon,

danke, jetzt verstehe ich, was Du meinst.

Die Aussage kann vor dem offenen Ende stattfinden, man weiß aber u. U. nicht welche Wendung das Schicksal schließlich nimmt (z.B. : Der Prot. befindet sich in einem moralischen Konflikt (=Aussage), man weiß aber nicht, ob er (wie er) das Problem löst (= offenes Ende).

Auch wenn Deine Kritik berechtigt ist, wollte ich nur zum Ausdruck bringen, dass die (Lebens-)Situation des Prots für diesen unerträglich ist. Deshalb bricht er aus, auch wenn dies mit Schmerzen verbunden ist und er nicht weiß, wohin sein Weg ihn führt. Das sollte die einzige Aussage der Geschichte sein.

„Moral“ meine ich nicht (ist aber möglich). Spannung entsteht durch Unterschiede, die Anspannung des Prot. müsste deshalb durch eine neue Situation `verpuffen´. (Es gibt natürlich viele verschiedene Möglichkeiten).
Ich weiß, was Du meinst, allerdings wollte ich dies vermeiden, weil der Prot erst am Anfang eines langen Weges steht. Der bloße Ausbruch verschafft demnach nicht sofort eine Verbesserung der Situation.
Vom stilistischen Standpunkt her gebe ich Dir natürlich Recht.

Jorgo

 

Hallo Don Jorgo,

danke für die Erklärung, auch "ich weiß, was Du meinst" :). Manchmal ist es schwierig eine Balance zwischen stilistischen Anforderungen und dem Inhalt zu finden, aber das macht die Schreiberei schließlich interessant. Letztlich ist der Autor der Boss...

Also, bis dann -

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Don Jorgo!

Nachträglich noch alles Gute zum Geburtstag! :)

Die Geschichte liest sich zwar recht interessant, aber ganz so begeistert wie meine Vorredner kann ich leider nicht sein.
Ich sehe, daß Du hier einerseits die Gefühle des Protagonisten beschreibst, die Geschichte aber auch philosophisch zu verstehen ist. Nur funktionieren beide Sichtweisen in meinen Augen nicht so richtig.

Einerseits habe ich vom Protagonisten ein anderes Bild als die anderen Leser. Ich kenne Panikattacken recht gut und was Du hier beschreibst, sind keine. Dein Protagonist steigert sich bloß in seine negative Sicht der Dinge hinein, im Grunde ist er selbst nicht anders als die anderen, denn auch er sitzt stumm da und schaut in die Gegend. Dadurch hab ich mehr so einen »Die ganze Welt ist scheiße«-Typ vor mir. Das würde natürlich anders aussehen, wenn er selbst versuchen würde, andere zwischendurch anzulächeln, aber meistens nur böse Mienen zurückkommen. Ein Kind könnte vielleicht zurücklächeln. ;)
In Panikattacken steigert man sich nicht langsam hinein und zerrt dann wie irr an verschlossenen Türen. Panikattacken sind plötzlich da bzw. werden durch bestimmte Situationen ausgelöst und spielen sich mehr im Inneren ab. Und man versucht natürlich dann, diverse Situationen zu vermeiden, vor allem nur dann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein, wenn es wirklich sein muß. Schon gar nicht würde ich aber so zur Seite rücken, daß mich jemand derart in die Ecke drängt, wie Dein Protagonist es zuläßt – ich würde aufstehen und ihn vorbeilassen, aber meinen Gangsitz kriegt er sicher nicht, das ist reiner Selbstschutz, den man sich einfach angewöhnt.

Was die mehr philosophische Betrachtung betrifft, finde ich wirklich originell, daß er erst einmal auf die Nase fällt, als er loslaufen will. Kann mich nicht erinnern, das schon einmal so dargestellt gelesen zu haben. Aber was mich stört, ist, daß er nicht wirklich von sich heraus auf die Idee kommt, auszusteigen, oder sich überhaupt erst einmal ein Ziel zu überlegen, sondern erst durch die Angst, und das auch noch ziemlich planlos, im finsteren Tunnel, statt erst zu warten, bis der Zug zur nächsten Station weiterfährt.
Zudem stört mich bei dieser Betrachtungsart, daß er von sich aus einsteigt. In meinen Augen paßt das nicht zum Aus-dem-Gefängnis-Ausbrechen, denn es war ja seine Entscheidung. Da fände ich es besser, wenn er von Beginn an drinnen sitzen würde, wie in dieser Geschichte.

Die anderen Fahrgäste und der Bettler wirken schon fast überzeichnet klischeehaft, indem der Bettler der einzige ist, der lächelt. Fast hätte ich Dir jetzt vorgeschlagen, wenigstens irgendwo eine Gruppe Mädchen kichern zu lassen, aber das wäre dann das nächste Klischee, und mir ist es auch erst im letzten Moment aufgefallen, es war schon getippt…:D

So, jetzt aber der letzte Kritikpunkt: Erst sitzen alle Fahrgäste in Fahrtrichtung, was darauf schließen läßt, daß noch ziemlich viele Sitze frei sind, dann ist die Bahn plötzlich so voll, daß er sich durch die Menge zwängen muß, obwohl Du nicht schreibst, daß dermaßen viele Fahrgäste zugestiegen wären, sondern nur: »Ein paar Fahrgäste steigen aus und andere nehmen ihren Platz ein.«

:hmm: Auch, wenn das jetzt alles recht negativ klingt, hab ich die Geschichte aber trotzdem gern gelesen. :)


Noch ein paar Anmerkungen:

»Die Türen schließen sich, begleitet von einem hydraulischen Zischen.«
– Bist Du sicher, daß Du hydraulisch meinst und nicht pneumatisch? Würde es allerdings überhaupt weglassen, das Zischen allein genügt.

»Dein Blick wandert auf der Suche nach Ablenkung; von der klebrigen Lache vor deinen Füßen, über die«
– beide Satzzeichen streichen

»Acht Stück auf jeder Seite, nein, halt; auf der Linken sind es nur sieben,«
– auf der linken, da es sich auf die Seite bezieht

»Ein, zwei Mal, erhascht du einen Blick in eines der erhellten Fenster.«
– der Beistrich nach »Mal« gehört da nicht hin

»Du überlegst das Fenster zu öffnen, doch entschließt dich dagegen.«
– überlegst, das

»du zwängst dich durch die Menge, berührst mit deinem Gesicht ihre stinkenden Körper;«
– erscheint mir seltsam, mit dem Gesicht berühre ich eigentlich nie jemanden in der U-Bahn…


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Moin Susi,

vielen Dank für deine Kritik, auch wenn du die Geschichte wirklich fachgerecht zerlegt hast. :D

Ich kenne Panikattacken recht gut und was Du hier beschreibst, sind keine.
Das stimmt. Was ich hauptsächlich beschrieben habe, war meine damals sehr ausgeprägte Aversion gegen überfüllte Bahnen und dergleichen. Ich habe mir natürlich versucht es vorzustellen und mich auch reingesteigert, allerdings erreichen diese Empfindungen nicht die gleiche Qualität wie echte Panikattacken.

Zudem stört mich bei dieser Betrachtungsart, daß er von sich aus einsteigt. In meinen Augen paßt das nicht zum Aus-dem-Gefängnis-Ausbrechen, denn es war ja seine Entscheidung.
Gerade dieser Punkt ist mir sehr wichtig. Als er bemerkt, dass die Umstände, in denen er lebt und die er sich ja selbst ausgesucht hat, für ihn untragbar werden, bricht er aus.

Da fände ich es besser, wenn er von Beginn an drinnen sitzen würde, wie in dieser Geschichte.
Trotzdem hast du irgendwie Recht. So wäre die Sache runder. Ich denke darüber nach.

Die anderen Fahrgäste und der Bettler wirken schon fast überzeichnet klischeehaft
Schuldig im Sinne der Anklage... :Pfeif:

Auch, wenn das jetzt alles recht negativ klingt, hab ich die Geschichte aber trotzdem gern gelesen.
Das freut mich, vor allem um die Uhrzeit. Schlafstörungen?


Die Textanmerkungen werde ich mir gleich nochmal in Ruhe zu Gemüte führen. Vielen Dank für die zahlreichen Anmerkungen, größtenteils hast du leider Recht mit deiner Kritik. Aber wofür gibt es schließlich die Überarbeitung, ne?

Jorgo

 

Hallo nochmal, Don Jorgo!

Gerade dieser Punkt ist mir sehr wichtig. Als er bemerkt, dass die Umstände, in denen er lebt und die er sich ja selbst ausgesucht hat, für ihn untragbar werden, bricht er aus.
Ja, das verstehe ich auch. Es ist nur die Art, wie er das macht. Also ich laß´ das Einsteigen jetzt einmal beiseite, denn darüber könnten wir wahrscheinlich lang diskutieren, wie weit man sich seine Ausgangssituation wirklich selbst aussucht, also ob man sich mehr selbst in den Zug setzt oder mehr gesetzt wird.
Das Aussteigen kann man aber wesentlich gezielter machen, als in einen finsteren Tunnel zu laufen. Ich hoffe, Du bist mir jetzt nicht böse, wenn ich zum zweiten Mal eine andere Geschichte hier verlinke; eigentlich mach ich das gar nicht gern, aber ich kann Dir damit hier am besten sagen, was ich meine. Die Art, wie Dein Protagonist aussteigt, erinnert mich sehr an das Rebellieren von Ernst in Cerberus´ Geschichte.
Ich nehme stark an, daß die U-Bahn anschließend weiterfährt, denn die anderen Fahrgäste sind ja nicht ausgestiegen (die haben vermutlich die Durchsage verstanden), und fährt dann denselben Tunnel weiter, den Dein Protagonist zu Fuß läuft. Er nimmt also den selben Weg, nur langsamer, unbequemer, mit der Gefahr, im Finstern über herumliegende Steine zu stolpern...
Mein Vorschlag, das zu ändern, wäre: Er könnte durch das Fenster ein Schild mit der Aufschrift "Notausgang" sehen, und sich erst daraufhin entschließen, auszusteigen. Jedenfalls sind bei uns in den U-Bahn-Tunnels überall beleuchtete Notausgänge , und man weiß sogar, wo man dann rauskommt, denn sie sind nach den Straßen benannt, in denen sie sich befinden (ich bin sicher, solche Notausgänge gibt es auch bei Euch, sind ja wohl internationale Sicherheitsbestimmungen). - Das wäre dann also kein finsteres, ungewisses Ziel, sondern nur ein ungewöhnliches, ein Notausgang eben.

du siehst dich panisch um, doch keiner nimmt Notiz. Ein Knacken erfüllt den Wagon, du hörst eine Durchsage, doch verstehst sie nicht.
Da ist noch eine "doch"-Wiederholung.

Schlafstörungen?
Eher Schlafengehstörungen. :D

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo nochmal, Susi!

Er nimmt also den selben Weg, nur langsamer, unbequemer, mit der Gefahr, im Finstern über herumliegende Steine zu stolpern...
Darüber bin ich bislang wirklich nicht gestolpert. Aber, du hast natürlich Recht. So macht das keinen Sinn bzw. vermittelt den falschen. Kommt ganz nach oben auf meine Überarbeitungsliste.

Er könnte durch das Fenster ein Schild mit der Aufschrift "Notausgang" sehen, und sich erst daraufhin entschließen, auszusteigen.
Guter Vorschlag.

Das wäre dann also kein finsteres, ungewisses Ziel, sondern nur ein ungewöhnliches, ein Notausgang eben.
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: du hast Recht.
Ein bisschen ärger ich mich schon, dass ich nicht selber darauf gekommen bin.

Wenn ich die Geschichte jetzt lese, missfallen mir auch ein paar Dinge. Es juckt mich mittlerweile in den Fingern sie zu überarbeiten, vor allem nachdem du mir die Schwachstellen so offengelegt hast. Vielen Dank dafür und auch für deine guten Vorschläge. Einige werden mit Sicherheit umgesetzt, andere verlieren vielleicht gegen meinen Stolz. :D

Jorgo

 

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