Die Reise
Die Reise
Eine staubige lange Straße ohne sichtbares Ende erstreckt sich seines Sichtfelds. Eine Ewigkeit wandert er schon diesen Weg ohne ersichtliches Ende und ohne wieder abrufbaren Anfang. Hinter ihm liegt ein Schleier der Dunkelheit, der nur von einzelnen Lichtpunkten erhellt wird, die seine Aufmerksamkeit aber kaum strapazieren. Beim Anblick dieser einzelnen Lichtpunkte überkommen ihn warme Gefühle, die ihn an bessere Zeiten erinnern - "warum auch immer", denkt er sich. Seine Augen verlassen selten den Blick nach vorne in das Ungewisse.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erblickt er zum ersten Mal einen der halb verschwommenen Lichtpunkte auch vor ihm. Obwohl es scheinbar ein gutes Zeichen ist, fühlt er sich noch nicht danach ihm mit großem Eifer entgegen zu treten. Es dauert eine Lange Weile bis er diesen neuen, unbekannten Punkt erreicht. Aber letzten Endes muss er das, da die Straße keinen anderen Weg zu lässt.
Beim Erreichen dieses Punktes erkennt er, dass der Punkt eine Form annimmt, die ihm zwar unbekannt, aber doch sehr vertraut vorkommt. Es ist die Gestalt einer jungen Frau. Für einen kurzen Augenblick schießt ihm der Gedanke durch den Kopf, ob die Straße nicht im Kreis führe und ob er nicht schon einmal hier gewesen wäre. Aber dies möchte er sofort wieder vergessen. Ein zu unangenehmer Gedanke.
Die strahlende Figur hat schulterlange Haare mit einem Lächeln, welches ihm alle Sorgen vergessen lässt. Sie fragt ihn: " Möchtest du das Paradies sehen?". Er antwortet mit einem "Ja! Mit dir ist aller Welt ein Paradies!". Beide setzen sich auf eine Art Bank mit Blick in die Ewigen Weiten rund um die Straße. Allerdings verändert sich seine Wahrnehmung innerhalb von Minuten deutlich. Durch den warmen Hauch der hellen Gestalt verändern sich die öden Weiten in ein Paradies, welches er noch nie zuvor gesehen hat. Es erscheinen Häuser , die einen Anstrich hatten, der schöner nicht glänzen konnte. Auch Flüsse und Brücken sieht er, die eine Idylle mehr als nur vermuten lassen. Mit großen Augen verfolgt er das sich auftuende Paradies. Es ist ihm so nah, aber doch unerreichbar. Die einzige Verbindung ist die leuchtende Gestalt, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht. Die Flüsse, Gebäude und Brücken, sind seiner Wahrnehmung nach nur für einen Bruchteil einer Sekunde da, obwohl er sich schwört sie niemals mehr zu vergessen.
Er will die Lichtgestalt fest an sich pressen um sie niemals zu verlieren. Doch in diesem Augenblick sagt die Gestalt: " Nein! Noch nicht." und verschwand mitsamt dem Paradies.
Nach weiteren wenigen Sekunden findet er sich erneut auf der Straße wieder, ohne Anzeichen auf das verschwundene Paradies. Aber ihm ist es egal. Die Lichtgestalt verschwindet wie schon so manches in einem dunklen Schleier hinter ihm.
Die Reise ist für ihn aber noch lange nicht vorbei. Nach einer weiteren geschlagenen Ewigkeit ist erneut ein helles Licht am Horizont erkennbar. Dieses Mal freut er sich regelrecht auf die Bekanntschaft mit dem Licht. Er gab sich auf seiner Reise stets selbst die Schuld am Verlust des letzten Lichtes und dachte er könne aus der vergangenen Chance lernen und es diesmal besser machen, sofern das Licht ihm wieder ein Paradies zeigen wollen würde.
Beim näheren Hintreten wird ihm auch klar, dass er Recht behalten würde. Das Licht verwandelt sich erneut in die Gestalt einer jungen Frau. Diesmal mit langen Haaren und Augen, die tiefer sind als jedes Gewässer, welches er je zuvor erblicken konnte. Auch diese Gestalt fragt ihn:" Willst du das Paradies sehen?". Ohne zu zögern antwortet er mit einem "Ja! Aber natürlich.". Und auch wie zuvor öffnet sich eine Welt, die er sich nicht in Träumen ausmalen könnte. Dieses Mal sind nicht nur schön bemalte Gebäude und glänzende Flüsse zu sehen. Er sieht eine Unmenge von fremden Menschen, die ihn und die Gestalt mit fast schon neidischem Blick beobachten während sie weiter in das neue Paradies hinein liefen. Die Blicke spürt er nicht. Die Wärme des Lichts benebelt erneut seine Sinne.
Aber auch in diesem Paradies wird ihm schnell klar, dass es nicht von Dauer sein kann. Ein solch perfektes Erlebnis "kann einfach nicht ewig halten", sagt er sich innerlich. Und auch diesmal behält er Recht. Die Gestalt zieht ihn beiseite und spricht zu ihm :"Nein, du kamst zu Spät!". Und das Paradies schließt sich erneut vor seinen Augen und das Schicksal führt ihn zurück auf die lange, verlassene Straße.
Auch dieser Lichtpunkt zieht sich daraufhin zurück in den hinter ihm liegenden Schleier und möchte nur noch vergessen werden.
Auf seiner weiteren Reise muss er oft an die vergangenen hellen Punkte der Straße denken. Aber nie blickte er so genau zurück, als das er einen dieser Punkte als bekannte Gestalt hätte wieder erkennen können.
Seine Reise überdauert wieder eine Ewigkeit bis zum nächsten Ereignis.
Dieses Mal findet er sich vor einer Kreuzung wieder und ihm wird klar, dass er sich zwischen einen von Zwei Wegen entscheiden muss. Einer dieser Wege scheint ungewiss. Kein Anzeichen auf irgendetwas am Horizont. Der Weg erschien leer und einsam.
Beim Zweiten Weg hingegen erkennt er deutlich Licht am Ende des Horizonts. "Ob es wieder ein Paradies ist?", fragt er sich.
Er stellt sich vor die Wahl zwischen einem ungewissen und womöglich einsamen Weg in westliche Richtung oder einen Weg mit Perspektive, Licht und Wärme in östlicher Richtung.
Obwohl seine vergangene Reise von gefühlten Ewigkeiten geprägt war, entscheidet er sich rasch für einen Weg der Kreuzung.
"Der Weg nach Westen mag zwar ungewiss sein. Allerdings besser, als alles was mir je passiert ist."