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Die sagenhafte Heimat
„Und, ist das Dreck? Oder Erde? Oder wie auch immer unsere angebliche und sagenumwobene Urheimat heißen soll.“, fragte Geschützmeister Bolgus in die Runde.
„Na ja, schwer zu sagen. Lebenszeichen gibt es dort unten jedenfalls keine mehr. Aber der ganze Planet ist voll von alten Gebäuden und Überbleibseln einer alten Zivilisation. Sieht ziemlich menschlich aus, würde ich sagen.“
Admiral Gaudil steuerte das winzige Spionauge gerade über die Trümmer einer alten Stadt, deren Türme und Hochhäuser schon vor Urzeiten eingestürzt waren, und die halb im staubigen Flugsand vergraben, die Jahrhunderte überdauert hatten. Hier gab es nichts mehr, das lebte.
„Laut unserem Informanten soll dieser Planet mit seinem einzelnen Mond tatsächlich unsere lange verschollene Heimat sein. Die Erde. Aber ich möchte das eher bezweifeln.
Die Kamera des Spionauges zeigte derweil eine große Ansammlung blau leuchtender Steine und in Gaudils Hinterkopf begann sofort eine Alarmglocke zu läuten.
„Eine Falle! Bring uns hier weg!“, rief er seinem Steuermann zu. „Schnell!“
Schiffsführer Bard programmierte eine neue Flugbahn.
„Zu spät, verdammt!“, fluchte der Admiral, als hinter dem vierten Planeten des Systems eine Vielzahl eckiger Schiffe hervor flogen und begannen, auf ihr Schiff zu feuern.
„Phasenblase an! Explosionshologramm! Vielleicht lassen sie sich täuschen.“, rief Gaudil, als die ersten Treffer sie erschütterten. Aber schon umgab sie das grüne Leuchten der Phasenblase, das ihr Schiff wenige Millisekunden in der regulären Raumzeit verschob. Gleichzeitig strahlten sie dem Gegner ein Hologramm ihres Schiffs aus, das gerade explodiert war. Mit den passenden Explosionsengrammen.
Leider konnten sie diesen phasenverschobenen Zustand nur kurz halten, weil er einiges an Energie verschwendete. Aber zumindest hatten sie Zeit gewonnen.
‚Und vielleicht lassen sich diese anorganischen Wichser ja täuschen’, dachte Admiral Gaudil.
„Sobald wir aus der Phase treten, den neuen Kurs fliegen.“, sagte er und musste erkennen, das die Raumschiffe der Anorganischen sich nicht vom Fleck bewegten. Der Trick hatte also nicht funktioniert und die Fremden würden warten, bis sie aus der Phasenverschiebung wieder auftauchten.
„Verdammtes Pack!“, fluchte Schiffsführer Bard. „Wo kamen die Steinfresser nur so schnell her?“
„Unser Informant hat uns verraten, das steht doch wohl fest. Hab’ dem Burschen gleich nicht getraut, so wie ich allen nicht traue, die aussehen wie ein Tyrannosaurus Rex im Stadium fortgeschrittener Lepra.“, meinte Bolgus, der Geschützmeister.
Admiral Gaudil schüttelte tadelnd den Kopf. „Jetzt keine rassistischen Reden, das hilft und hier doch nicht weiter. Es soll ja auch menschliche Verräter geben.“
Das hatte Bolgus aber keineswegs überzeugt.
„Fest steht aber, das noch nie ein Wesen, dessen Struktur aus Silizium besteht, einem lebenden Wesen etwas Gutes getan hat. Die Anorganischen Misthunde werden auf uns warten, bis wir wieder auftauchen. Und dann, bäng!
Da wir uns im Phasenzustand weder bewegen noch verteidigen können, sollten wir schleunigst nach einer Lösung forschen. Ich schätze, uns bleiben höchstens noch drei Minuten.“
In die Raumschiffe der Anorganischen kam jetzt Leben. Sie hatten eine neue Formation eingenommen, sodass sie das momentan unsichtbare Schiff der Menschen umzingelten.
„Wir haben immer noch unsere Kontinuumwaffe!“, warf Schiffsführer Bard zögernd ein.
„Meinst du das im Ernst? Willst du wirklich das Sonnensystem vernichten, in dem sich die angebliche Urheimat der Menschen befindet?“, fragte der Admiral.
„Ich sehe sonst keine Möglichkeit, lebend aus unserer Lage zu entkommen. Der Planet ist sowieso durch die Anorganischen verseucht. Und wie du schon sagtest, muss das Gerücht um die Erde ja gar nicht wahr sein.“
„Aber wenn es wahr ist, wären wichtige Kulturgüter und Hinweise auf unsere Wurzel für immer verloren!“
„Das stimmt. Nur haben wir keine anderen Optionen. Und die Zeit drängt!“
Admiral Gaudil überlegte und wog Für und Wider ab.
„Also gut. Wir haben keine andere Wahl. Und Verhandlungen mit den Anorganischen sind absolut sinnlos. Setzen wir die Waffe also ein, sobald wir die Phase verlassen. Und dann ab.“
Bard programmierte den Kurs und Bolgus machte die Kontinuumwaffe einsatzbereit.
„Fertig? Prima, dann auf mein Kommando die Phase verlassen. Achtung...jetzt!“
Sie erschienen wieder im Raum und gleichzeitig feuerten die anorganischen Schiffe, was das Zeug hielt.
Die Kontinuumwaffe wurde gezündet und gleichzeitig beschleunigte das Schiff der Menschen auf ihrem neuen Kurs. Dort, wo sie gerade noch gestanden hatten, entstand ein Schwarzes Loch, das sich rasch vergrößerte. Es sog zuerst die Waffenstrahlen der Anorganischen auf, danach ihre Raumschiffe. Es wuchs sehr schnell und schließlich wurden die ersten Planeten des Sonnensystems eingesogen. Auch die angebliche Erde und sogar ihre Sonne.
Das Raumschiff der drei Menschen wurde immer langsamer, geriet aber nicht in den Sog des schwarzen Lochs. Dann hatten sie das Sonnensystem verlassen.
„Schade um die gute alte Erde, wenn sie es denn wirklich gegeben haben sollte“, bedauerte Admiral Gaudin schwermütig.
„Sehen wir es doch besser so: Eine anorganische Brutstätte weniger! Es gibt leider noch genug davon und wenn wir auf Dauer gegen sie bestehen wollen, müssen wir lernen, skrupelloser zu denken und vorzugehen.“
Gaudin runzelte die Stirn.
„Noch skrupelloser? Na ja. Wahrscheinlich hast du sogar recht. Am besten verschwinden wir jetzt von hier. Energie!“