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Die Schaffung der Sonnentunnel

oso

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15.04.2005
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Die Schaffung der Sonnentunnel

Seit mehr als einer Stunde sind heute schon Sonnentunnel am Himmel zu sehen. Einige bewegen sich langsam, andere stehen minutenlang still. Manchmal schließt ein Tunnel, ein anderer öffnet sich und strahlt sein Licht in einer glänzenden Röhre bis zum Erdboden. Sheila und Scott sitzen schon lange nebeneinander auf dem Rasen hinter Scotts Haus und genießen das wunderbare Naturschauspiel.

„Ist dir schon mal aufgefallen, dass sich Dinge verändern, die sich nicht verändern dürften?“, fragt Scott leise und gedankenverloren. Sheila neigt den Kopf leicht in Scotts Richtung, schaut aber weiter zum Horizont.

„Wenn die Sonne so wie heute durch Löcher in einer dicken Wolkendecke hindurch scheint, selbst aber nicht zu sehen ist, ist das für mich eine der schönsten Wetterkonstellationen. Wenn drei, vier oder mehr dieser herrlichen Lichtröhren zu sehen sind und das ganze Gesichtsfeld in ein Gesamtkunstwerk verwandeln, könnte ich lachen – oder heulen“, fährt Scott fort. Sheila nickt sanft.

„Bis vor einigen Jahren fand ich daran nichts Besonderes. Natürlich schien auch damals schon die Sonne durch Wolkenlöcher, aber von einem Tag auf den anderen war etwas grundlegend anders. Es sind die Lichtröhren, die Sonnentunnel. Die gab es früher nicht. Sie waren tatsächlich von einem Tag auf den anderen da. Vorher nicht, glaub mir.“ Scott wendet das Gesicht Sheila zu, sein Blick bittet um Verständnis. Sheila dreht langsam den Kopf und sieht ihn an. Ernst, immer noch entrückt. Dann erkennt sie den Sinn und die Folgen seiner Worte. Sie lächelt und sagt: „Ich weiß“.

Scott ist glücklich. Den meisten Leuten würde er seine Beobachtung nicht anvertrauen, aus Angst für spleenig gehalten zu werden. Nur mit wenigen Freunden und Bekannten, von denen er annahm, sie könnten es verstehen, hat er darüber geredet. Verstanden haben sie es, konnten oder wollten sich aber nicht erinnern, dass sie den Effekt selbst auch wahrgenommen haben.

Beide Köpfe wenden sich wieder dem Horizont zu. Sheila erzählt: „Am ersten Tag als es mir aufgefallen ist, habe ich minutenlang ehrfürchtig und ungläubig zum Himmel geschaut. Selten hatte ich ein so wunderschönes Himmelsschauspiel gesehen und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie es sein kann, dass mir das vorher nie aufgefallen ist“. „Weil es nicht da war“, entgegnet Scott leise.

„Ich habe mich das natürlich auch gefragt“, fährt er fort. „Wieso hat sich eine so globale Natureigenschaft von einem Tag auf den anderen verändert? Oder ist es mir vorher nur nicht aufgefallen? Das kann aber nicht sein, da etwas, das mich in derartige Ehrfurcht versetzt, dasselbe vorher auch getan hätte. Es wäre dasselbe als hätte man einen Regenbogen früher nicht bemerkt. Undenkbar. Ich weiß, es klingt merkwürdig oder unglaublich. Aber es ist so und ich finde es nicht unglaublich. Die Sonnentunnel existieren erst seit ein paar Jahren. Der Effekt ist „eingeschaltet“ worden.“ Sheila blickt Scott an. „Wer hat es eingeschaltet und warum?“

„Wer ist das, was wir Gott, Allah oder Natur nennen, je nachdem, wo wir herkommen und wie wir erzogen wurden. Ich nenne das Wesen, weil ich so erzogen wurde, Gott. Das Warum ist, glaube ich, sehr ernüchternd. Unsere Welt, was auch immer dazu gehören mag, mindestens aber unser Universum, wurde von Gott, oder von einem anderen Wesen aus der Welt Gottes, unbewusst geschaffen. Zur Veranschaulichung kannst du sie dir als Computerspiel vorstellen, eine Art göttliches Sim-City. Das ist aber nur ein Beispiel. Genauso gut könnte unsere Welt eine Schaumblase in der Badewanne Gottes oder der Schlusspunkt eines von Gott geschriebenen Romans sein. Das spielt keine Rolle und wir werden es vermutlich noch sehr lange nicht herausfinden, wahrscheinlich nie. Ein Computerspiel ist aber schön anschaulich. Gott spielt also dieses Spiel. Natürlich kennt er die einzelnen Individuen unserer Welt nicht, genauso wenig wie ein Spieler unserer Welt die Individuen aus Sim-City kennt. Nun zurück zu den Sonnentunneln. Sie sollten schon immer da sein, es handelt sich schlichtweg um einen Programmfehler. Gott spielt eines Tages eine korrigierte Programmversion ein und von einem Tag auf den anderen ist der Effekt da.“

Sheila meint, die Sonnentunnel an ihrem Himmel noch intensiver strahlen zu sehen. Minutenlang sitzen Scott und sie schweigend auf dem Rasen. Dann sagt sie: „Ernüchternd, ja. Aber auch überaus ermutigend, weil viel Platz für die Individualität des Einzelnen bleibt.“ Scott lächelt. Vorsichtig berührt er Sheilas Hand.

Der beginnende Sonnenuntergang verwischt die Sonnentunnel zu gelb, orange und rot verlaufenden Farbflächen am Horizont. Arm in Arm genießen Sheila und Scott den Anblick, die Gefühle und das Leben.


Irgendwo über uns, neben uns, um uns hat der Teenager den Datenträger in seinen Rechner gelegt. Er freut sich auf den spannenden Abend. Immerhin hat der Hersteller für die lange angekündigte Version echte Neuerungen versprochen. Bei vorherigen Updates sind immer nur kleinere Fehler korrigiert worden. Diesmal soll es unter anderem möglich sein, den Schwierigkeitsgrad durch globale Katastrophen zu erhöhen.

Die Installation ist abgeschlossen. Er startet das Spiel …

 

Hallo Philo,

tut mir leid, deine "interessante" Grundsatzdiskussion mit Paranova zu unterbrechen. Ich kapiere deine Notwendigkeit zur Rechtfertigung nicht. Du hast, wie andere, deine Meinung zum Wort "Tunnel" in deinen ersten Beiträgen zur Geschichte geäußert. Das fand ich gut und habe es als sinnvolle und anregende Kritik empfunden. Ich denke, du willst mir nicht im Ernst unterstellen, dass ich nicht weiss, was ein Tunnel ist. Insofern empfinde ich die letzen Beiträge zur Geschichte als nicht zielführend und hoffe, dass die angeregte Diskussion davor (über das Für und Wieder der Pointe, den Stil in der persönlichen Rede oder die "Originalität" der Geschichte, gerne auch sachliche Argumente zur Wortwahl), die ich wirklich spannend finde, vielleicht nochmal in Gang kommt.

An alle Beitragenden: Ich kann jetzt leider nicht umfassend auf alle Fragen oder Anregungen antworten, hole das aber bald nach.

Gruß

oso

 

Hallo oso,

nun, erstens gehe zumindest ich davon aus, dass Paranova und meine Wenigkeit seit gestern vormittag, als der letzte Beitrag hier außer uns beiden gepostet wurde, niemanden davon abgehalten haben, seinen Kommentar zu deiner Geschichte zu schreiben oder seine bisherigen Ausführungen weiterzuführen. Ich nehme weiterhin an, dass hier ohne die letzten Beiträge von P. und mir hier ganz einfach genau zehn Beiträge weniger stünden als sonst. Nichts weiter.

Und zweitens finde ich nicht, dass Diskussionen unbedingt "zielführend" (was immer das heißen mag) sein müssen. Es geht dabei einfach nur um den Austausch themen-, weniger zweckgebundener Gedankengänge.

Achja, und drittens bin ich der (sicher ungewöhnlichen) Ansicht, dass der Autor einer jeden hier eingestellten Geschichte nicht zugleich der Verwalter und der Bezugspunkt des jeweils zugehörigen Themenfadens sein sollte. Das führt zu einer Heterogenität (Autor versus Kommentatoren), die zu vielen hinreichend bekannten Einschränkungen und Missverständnissen führt. Vielmehr sollte der Autor keine Sonderstellung gegenüber den Lesern einnehmen (was u.a. übrigens dazu führen würde, dass der Autor seine eigene Geschichte kommentieren dürfte und das mAn auch tun sollte)

 

Hallo,

zunächst mal vielen Dank für Kritik und Anregungen. Ich habe mich vielleicht n bißchen lange mit Beiträgen zurückgehalten, daher gibt es jetzt einen etwas längeren.

Zur Pointe.
Klar, neu ist die nicht. Etwas wirklich neues zu schaffen ist allerdings ungeheuer schwierig (das gilt übrigens nicht nur für Geschichten). Tatsächlich finde ich das nicht entscheidend. Wenn die Pointe im neuen Kontext "funktioniert", sie also für eine Überraschung oder einen Aha-Effekt sorgt, empfinde ich sie als gelungen.
Ich finde allerdings auch, dass die Geschichte ohne Pointe subtiler war und ein von Paranova angesprochenes Problem "Störend, dass Scott sofort auf die Computerspielthese kommt" ohne Pointe nicht vorhanden ist.
"Billige Effekthascherei" versus "Subtile Dichtkunst :Pfeif: ": Effekthascherei gewinnt :) .

Zum Schreibstil.
Ja, ja. Die Kritik von Reddayk und noch mehr auf den Punkt gebracht von Paranova finde ich sehr zutreffend.

Die wörtliche Rede deiner Prots hebt sich stilistisch kein Bißchen von Erzählstil ab...
Hat mich beim Schreiben auch gestört. Das versuche ich bei der nächsten Geschichte mit viel wörtlicher Rede besser hinzukriegen. Eine Erklärung gibt es dazu noch. Die Geschichte war in einer noch früheren Version als Monolog geschrieben. Beim Umschreiben in eine Rahmenhandlung plus Dialog habe ich nicht genug auf die Differenzierung geachtet. Finde ich allerdings auch sauschwer.

Zu den Sonnentunneln.
Hat ja ne ziemliche Diskussion entfacht. Ich finde, ein Autor darf und sollte neue Worte finden, um Interesse zu wecken, die Phantasie anzuregen und um Dinge zu beschreiben, die sonst nur mit viel "drumherum" beschreibbar wären.
Mit dem Wort "Sonnentunnel" ist mir das offenbar bei einigen Lesern gelungen, bei anderen nicht. Ich bin allerdings nicht Philos Meinung, dass eine solche Wortschöpfung rational erklärbar oder "richtig" sein muss. Sie soll passen, Und ob sie passt, entscheidet jeder selbst.

Noch einige persönliche Antworten.

@Naut
Schade, dass dir die Geschichte nicht mehr gefällt.

@rafpred
Freut mich, dass dir die Geschichte gefällt. Deine Anregung, den letzten Absatz wegzulassen könnte die Geschichte wieder ein klein wenig subtiler machen. Finde ich nicht schlecht, aber ... siehe oben ("Billige Effekthascherei") :)

@Reddayk
Freut mich ebenso, deine positive Kritik.

Ist es eigentlich beabsichtigt, dass die Unterhaltung zwischen Scott und Sheila so 'perfekt' ist? Redet Scott immer so oder liegt das am Zauber des Augenblicks?
Nein, ist nicht beabsichtigt, siehe Schreibstil.

@Paranova
Danke für deine Kritik. Fand ich sehr nachvollziehbar, siehe oben. Interessant finde ich, dass du die Namen der Prots blöd findest. Ich fände "Ingrid und Herbert" blöd :) . Im Ernst, was findest du blöd daran?

@Philo
Auch dir danke für die Kritik. Ich muss gestehen, ich konnte sie nicht immer nachvollziehen, jedenfalls die Diskussion um das Wort Sonnentunnel am Ende nicht mehr. Und obwohl mir dein Vorschlag, die Situation mit mehr Adjektiven (oder poetischer) zu beschreiben, persönlich nicht so gut gefällt, finde ich jeden konkreten Verbesserungsvorschlag klasse.

Gruß

oso

 

Hallo miteinander!

Zu Philo:
Ich finde, du siehst den "Sonnentunnel"-Aspekt einfach zu logisch. Sprache ist auch nicht immer nachvollziehbar (so z.B. ob Wolken- oder Sonnentunnel). Und das Strahlenbeispiel, bitte, bei einem Sonnenbrand ist mir auch noch nie ein Planet auf den Rücken gefallen. "Sonne" als Synonym für "thermische Strahlung" ist doch wohl in Ordnung.

nun, erstens gehe zumindest ich davon aus, dass Paranova und meine Wenigkeit [...] niemanden davon abgehalten haben, seinen Kommentar zu deiner Geschichte zu schreiben oder seine bisherigen Ausführungen weiterzuführen.
Das bleibt zu hoffen - ich halte es auch für sehr wahrscheinlich.

Achja, und drittens bin ich der (sicher ungewöhnlichen) Ansicht, dass der Autor einer jeden hier eingestellten Geschichte nicht zugleich der Verwalter und der Bezugspunkt des jeweils zugehörigen Themenfadens sein sollte.
Die Frage habe ich mir noch nicht gestellt, aber sie ist eine Überlegung sicherlich wert.


Zu dir, Oso:

Etwas wirklich neues zu schaffen ist allerdings ungeheuer schwierig (das gilt übrigens nicht nur für Geschichten). Tatsächlich finde ich das nicht entscheidend.
Wenn sie das wäre, könnten wir den Laden hier ja auch dichtmachen. Entscheident ist, dem Thema Neues abzugewinnen bzw. frisch an es heranzugehen. Auch wenn deine Protagonisten künstlich und deine Pointe konstruiert wirken, bleibt die "Update"- und die "Sonnentunnel"-Idee.

Wenn die Pointe im neuen Kontext "funktioniert", sie also für eine Überraschung oder einen Aha-Effekt sorgt, empfinde ich sie als gelungen.
Ich finde allerdings auch, dass die Geschichte ohne Pointe subtiler war und ein von Paranova angesprochenes Problem "Störend, dass Scott sofort auf die Computerspielthese kommt" ohne Pointe nicht vorhanden ist.
Eben. Durch die ungezwungene Vorwegnahme ja auch kein "Aha"-Effekt.

Interessant finde ich, dass du die Namen der Prots blöd findest.
Ich mag es nicht, wenn ungezwungen und grundlos englische Titel oder Namen auftauchen. Was soll das? "Ingrid" und "Herbert" sind natürlich auch Gegenvorschläge, für die du dir den Mund mit Kernseife auswaschen solltest.

...para

 

"Ingrid" und "Herbert" sind natürlich auch Gegenvorschläge, für die du dir den Mund mit Kernseife auswaschen solltest.
hehe... :thumbsup:


Also, auf die Wahl der Namen in dieser Geschichte wollte ich ja auch schon eingehen - hab das nur noch bisher verschoben, weil das sonst von meinem Anti-Sonnentunnel-Tick abgelenkt hätte. Der ist aber nun ausgereitzt.

Ach, wir Deutschen sind schon arm dran, können unsere eigenen Vornamen so wenig leiden, dass wir diese auf keinen Fall in unseren Erzählungen verwenden würden. Und vielleicht heißt ja oso gar selbst Herbert? Und seine Freundin Ingrid?
Nein, also solch uncoole Namen, das gehört sich einfach nicht, da nehmen wir doch lieber zwei dieser hübsch exotischen und zeitgemäß importierten Vornamen aus angelsächsischen Gefilden.


Soll heißen: Ich finde es auch eine Unsitte, ständig amerikanisch/britisch/irisch klingende Vornamen in seinen Geschichten zu verwenden. Umgekehrt verwenden die Amis ja auch nicht dauernd deutsche oder französische Namen - mit gutem Recht.

 

Hallo Paranova,

jetzt haben wir ja schon einiges hin und her diskutiert aber bei den Namen möchte ich auch noch einmal kurz einhaken.

Ich mag es nicht, wenn ungezwungen und grundlos englische Titel oder Namen auftauchen. Was soll das?
Ich persönlich finde Sheila und Scott sind tolle Namen, vielleicht auch deshalb, weil sie die Geschichte bzw. deren Handlungsort etwas "exotischer" machen.
Ich meine, dass es grundsätzlich erlaubt ist, eine Geschichte für den "Verkauf" "aufzumotzen". Insofern war die Wahl der Namen nicht "grundlos", vielleicht hats aber nicht funktioniert. Ich werde mal verstärkt auf die Namenswahl bei anderen Geschichten achten und das ggf. bei der nächsten Geschichte ändern.

So long ;)

oso

 

oso schrieb:
Ich meine, dass es grundsätzlich erlaubt ist, eine Geschichte für den "Verkauf" "aufzumotzen".
Hehe, das ist so ziemlich das falscheste (wenn es so ein Wort überhaupt gibt), was Du auf KG.de machen kannst: Englische Namen für Deine Geschichte. Schlimmer wären allenfalls noch pseudo-japanische Benennungen. :D Tipp: Es gibt unter "Autoren" einen Thread zu dem Thema.

Persönlich möchte ich Dir empfehlen, einfach einmal verschiedene Namen auszuprobieren, dank "Suchen/Ersetzen" ist das ja nicht so schwierig. Manchmal verändert sich dadurch der Charakter einer Geschichte auf erstaunliche Weise.

 

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