Was ist neu

Die schwarz gefleckte Wand

Mitglied
Beitritt
16.02.2004
Beiträge
47
Zuletzt bearbeitet:

Die schwarz gefleckte Wand

Lärm durchbrach die Stille der Dunkelheit. Schreie! Hektische Schritte stolperten durch den Gang. Eine Tür fiel krachend ins Schloss. Von meiner Pritsche aus verfolgte ich das nur hörbare Geschehnis. Ein Mann floh, kam mir in den Sinn. Er versuchte es. Die Sirenen fingen an zu ertönen und drangen schmerzend in mein Ohr. Alarm 5, ich hatte recht, jemand versuchte zu fliehen. Nur einen Augenblick und der ohrenbetäubende Lärm verstummte wieder.
Der Flüchtling war gefasst. Von Anfang an hatte er keine Chance gehabt aus dieser Hölle zu entkommen. Das haben schon viele versucht. Es war sinnlos und verkürzte sein Leben um vielleicht weiter Monate oder sogar Jahre. Aber wie sagt man: Die Hoffnung stirbt zuletzt? Ich lernte, auch sie stirbt irgendwann. Mein Leben hatte seinen Sinn verloren und mein Glaube reichte nicht aus, um das zu verdrängen, was hier passierte. Ich hatte Angst und fragte mich, wo nun dieser Gott sei, dem ich all die Jahre ein treuer Diener war. Oder etwa nicht? Ich gab diesem Gott mein Leben und trotzdem landete ich in diesem Abgrund der weltlichen Hölle.
Meine Gedanken wurden durchbrochen. Die Neonleuchten fingen an zu flackern. Das Licht ging an und mit schweren Schritten trat das Ungeheuer durch den Flur des Abteils.
Meine Augen mussten sich erst auf das grelle, giftige Licht einstellen und so hörte ich nur wie der Wärter mit dem Schlagstock an den eisernen Gitterstäben entlang ratterte. So schnell, dass ich nur kurz die Umrisse seiner Gestalt an mir vorübergehen sah. Dieser bedrohliche Schatten zeigte seine Wirkung, denn keiner wagte auch nur zu atmen.
„Auf den Hof! Sofort! Wacht auf ihr Gesindel!“
Daraufhin wurden die Gitter geöffnet. Die Gefangenen strömten auf den Gang und die Wärter protzten mit stolzer Brust und kalt glänzenden Maschinengewehren.
Überall um mich herum tauschten die Männer, jung und alt, ängstliche Blicke aus.
Von dieser Angst getrieben sammelten sie sich wie eine Herde Schafe auf dem Hof, im Licht der blendenden Scheinwerfer. Die Wärter in ihren braunen Uniformen, trieben uns in den Pferch, den Platz auf dem schon viele die letzten Schritte zur Asche getan haben und deren Blut den Boden tränkte.
„Aufstellen“, durchfuhr es den Tumult der angespannten Gruppe.
„Aufstellen, sofort!“, rief ein Wärter mit rotem, wutgeschwollenen Hals über den Hof.
Dann war es still und keiner wagte sich zu rühren, als der Aufseher an uns vorbei marschierte und mit seinem Blick nahm er der Hoffnung auf ein gutes Ende wieder ein Leben und fügte ihr eine neue Wunde zu.
„Jetzt ist Schluss!“, schrie der Oberoffizier, der kleine Mann mit den Falkenaugen, das eigentliche Monster dieser Anstalt. Und mit hochrotem Kopf gab er bekannt: „Einer Ihrer Kameraden, Rosenthal, versuchte von hier zu fliehen! Noch ist das meine Institution und alleine ICH bestimme, wer hier raus kommt und wer nicht! Ist das klar?“
Niemand antwortete. Keiner traute sich auch nur den Mund zu öffnen.
„IST DAS KLAR?!“, schrie der Zwerg noch lauter und feucht in die Gesichter der Männer.
Ein leichtes Nicken ging durch die Reihe.
„Anscheinend NICHT!“, war sein Eindruck. Die meisten trauten sich noch nicht einmal zu zittern vor diesem Monstrum. Sah er nicht die Angst in unseren matten Augen?
„Damit kein weiterer von euch Missgeburten auf die Idee kommt auszureißen und sich der Autorität zu widersetzen, werden wir ein Exempel statuieren, welches schon lange wieder fällig ist!“ Und so tötete der Hass in seinen Augen die Stärke jedes Einzelnen.
Niemand wusste, was sie vorhatten, doch das fiese Grinsen der Wärter ließ es erahnen.
„1, 2, 3, 4, 5… Du da, raustreten!“ Es wurde abgezählt! Die Gefangenen wurden bleich vor Angst. „Oh Gott!“, stieß es plötzlich in meinen Gedanken hervor. Ja wo war Gott? Wie konnte er so etwas zulassen? Der Mann neben mir zitterte und der Angstschweiß perlte über sein blasses, mageres, junges Gesicht. Ich kannte ihn und wusste, dass er in diesem Moment nicht an Gott dachte, sondern an seine Familie, seine Kinder und seine Frau. Da erinnerte ich mich an die angsterfüllten, verzweifelten Gesichter und an die traurigen Augen seiner Söhne, von denen er gewaltsam getrennt wurde. Die Familie kam aus dem gleichen Dorf in dem auch ich gewohnt habe. Bei seinem Anblick wurde mein Herz ganz schwer. Ich, ich hatte niemanden. Mein ganzes Leben und meine Existenz widmete ich meiner Religion. Und was war nun, in diesem Augenblick? „Gott, warum tust du nichts?“, fragte ich den Himmel. Es war mir, als würde er mir antworten und zurückfragen: „Warum tust DU nichts?“
Plötzlich schob ich den jungen Mann zur Seite und nahm seinen Platz ein. Der Franczeck war ganz erschrocken und starrte mich mit großen Augen an und wollte mich wieder zurückdrängen, doch da war es schon zu spät.
„3, 4, 5… Du auch, raus!“, mit diesen Worten zeigte der Offizier auf mich. Die tränengefüllten Augen Franczeck sahen mich dankbar und zugleich vorwurfsvoll an. Ich atmete aus und meine ganze Angst entwich meinem Körper. Somit stellte ich mich meiner letzten Berufung und schritt den anderen entgegen, die ausgewählt worden waren und so voller Furcht und Verzweifelung dastanden - gebückt und schwer.
Das Geschrei des Zwerges erreichte meinen freien Geist nicht mehr. Ich erlebte dies wie durch ein Fenster einer anderen Welt und ich befand mich auf der Seite, auf der mir nichts passieren konnte. Die Wärter boxten uns in die richtige Stellung. Damit standen die 10 Auserwählten in einer Reihe, vor der hohen Mauer der Festung. „Umdrehen! Na los!“, rief einer der Wärter in seinem typischen Befehlston.
So starrten meine Augen diese hässliche graue Wand mit den schwarzen Spritzern an und ich wusste, den anderen ging es genauso. Ich hörte noch das Klicken des Magazins und ganz entfernt fing der Zwerg an zu lachen und amüsierte sich über diese Szene. Die alten, schwarzen Blutflecke auf der Wand prägten sich mir ein.

Nun schließe ich die Augen.

 

Mein eigener Kommentar dazu: die geschichte ist vielleicht nicht ganz ausgereift und womöglich war es ein bisschen unpraktisch die Geschichte als ich-erzählung aufzufassen. Nun das Thema zu dieser Kurzgeschichte kam von unserem Literaturkurs.
Wir sollten die Geschichte eines katholischen Priesters präsentieren, welcher in einem kz sein leben für einen familienvater opferte...

 

Hy Beeljata,
ich finde erstmal, dass die Geschichte gut geschrieben ist und du einen guten Stil hast. Aber das mit dem Ich-Erzähler, da stimme ich dir mal zu, weil man da immer irgendwie Probleme bei bekommt, wenn man den Erzähler am Ende sterben lassen will. Vielleicht kennst du die Neuen Leiden Des Jungen W. von Plenzdorf. Sein Protagonist erzählt die ganze Geschichte komplett aus dem Jenseits. Problem ist (wenn man es ein Problem nennen kann), man weiß von Anfang an, dass der Prot. sterben wird.
Also ich persönlich würde, wenn ich den Prot. sterben lassen will, immer einen anderen oder neutralen Erzähler sprechen lassen.

Vom Inhalt her ist die Geschichte natürlich sehr gut. Klar, diese Themen ziehen immer gut an, besonders, wenn diese Menschlickeit unter den Unmenschen zum Vorschein kommt. Aber wenn es darum geht, kann es nie genug Geschichten drüber geben. Und für deinen Literaturkurs konntest du dich sehr gut in die Person des Priesters hineinversetzen, finde ich.

 

Hi Bantam!
Ich hab es jetzt so gemacht, dass der letzte Satz im Präsens ist. Denn ich wollte die Sicht des Priesters einfach festhalten und dem Leser vielleicht ein bisschen in die Irre führen und noch einen Funken Hoffnung wahren.
Ich glaub dieses Gebet wäre in der Erzählung aus der Sicht eines allwissenden Erzählers nicht so gut rübergekommen. So hat man wenigstens einen direkten Bezug zum Protagonisten.

Gruß, beeljata

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom