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Die Sonne scheint

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27.03.2006
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Die Sonne scheint

„Die Sonne scheint!“ Sie zog die Vorhänge auf und die warmen Strahlen der Morgensonne erhellten den Raum. Ihm war das gar nicht recht. Er hatte eine anstrengende Nacht hinter sich – genauso wie die letzten drei und wahrscheinlich auch die nächsten ein oder zwei. Sie wußte es genau, und er wußte, das sie es wußte. Er wußte auch, dass sie an allem Schuld war, und das es für sie beide keine gemeinsame Zukunft geben würde. Das wiederum wußte sie nicht. Sie ahnte es nicht einmal. Das war ihm ganz recht.
Während sie sich anzog, den Kaffee aufsetzte und sich ein Brot schmierte, malte er sich aus, wie es sein würde – ohne sie – ganz woanders.
Aber noch war es nicht so weit. Also erhob er sich aus dem großen französischen Bett, das ihnen die Schwiegereltern zur Hochzeit geschenkt hatten. Das war jetzt vierzehn Jahre her. Die Hochzeitsreise war eine einzige Katastrophe gewesen. Das Hotel war eine Baustelle, der Strand eine völlig überlaufene Müllhalde gewesen. Am dritten Tag bekam er einen Sonnenstich und sie – ihre Regel. Außerdem war er sowieso gegen Griechenland gewesen - aber die Schwiegereltern nicht. Wäre es nach ihm gegangen, wäre es etwas besonderes gewesen. Afrika, Asien oder wildes Campen in Holland, aber niemals Griechenland.
Er setzte sich an den gedeckten Tisch und nippte an seinem Kaffee. Essen konnte er morgens nicht. Sie sagte immer, er würde noch vom Fleisch fallen – darum machte er sich bei ihr schon lange keine Sorgen mehr.
„Ich habe mich heute nach der Arbeit mit Kathrin verabredet. Könnte sein, daß es später wird. Denkst Du daran, die Außenbeleuchtung anzuschalten? Du weißt ja, ich habe immer so schreckliche Angst im Dunkeln.“ Er wußte es und es war ihm egal. „Ja natürlich“. Seine Gedanken waren ganz woanders. Sie spürte es, fragte aber nicht nach, um einem Streit aus dem Wege zu gehen, den diese Frage gestern bereits ausgelöst hatte.
Sie arbeitete in einer kleinen Postfiliale am Stadtrand. Vor vier Jahren bekam sie Verstärkung in ihrem 60 qm großen Amt. Kathrin. Seit einiger Zeit unternahmen die beiden ein oder zweimal im Monat etwas gemeinsam. Für eine echte Freundschaft reichte das aber nicht aus. Bei ihm war es anders. Sehr oft traf er sich mit seinen Lehrerkollegen zum Karten spielen, Fußball schauen und was Männer eben so machen. Neidisch war sie darauf eigentlich nicht, sie wünschte sich lediglich, öfter einmal einen gemütlichen Abend mit ihrem Mann zusammen vor dem Kamin zu verbringen.
Im Unterricht war er heute genauso geistesabwesend wie zu Hause bei seiner Frau. Er nahm das zum Anlaß, die Schüler mit unangekündigten Vokabeltests oder mit dem Lesen von Grammatikregeln zu beschäftigen. In ein paar Tagen würde sowieso alles vorbei sein. Aus seinen Schülern hatte er sich nie viel gemacht. Insgesamt hatte er mit Kindern nicht viel am Hut. Für ihn war es ein Job wie jeder andere. Man geht morgens hin, versucht die Zeit so gut als eben möglich herumzukriegen und hat irgendwann Feierabend. Privat wurde er nur einmal in seinem Leben genötigt, an Kinder zu denken. Vor sieben Jahren war seine Frau ungewollt schwanger geworden. Dieses Problem löste sich aber glücklicherweise von ganz allein durch eine Fehlgeburt im vierten Monat.
Heute Nachmittag bräuchte er sich nicht damit zu quälen, den Unterricht für den nächsten Tag vorzubereiten. Die letzten zwei Tage würde er auch so rumkriegen. Auch die nächsten beiden Nächte würde er noch schlaflos überstehen. Dann, am Morgen würde sie aufwachen und feststellen, daß er fort war. Sie würde in Tränen ausbrechen und ihre Mutter anrufen. Die würde ihr raten, ihn erst einmal in der Schule krank zu melden, um dann ganz in Ruhe zu überlegen, was geschehen war. Dann würde sie sich selber bei der Post krank melden und erfahren, daß Kathrin heute auch nicht erschienen ist.

 

Hallo Terrorberten!

Fand deine Geschichte wirklich interessant.
Der nüchterne Schreibstil passte sehr gut zu den Inhalten und die Tatsache, dass deine Figuren, bis auf Kathrin, keinen Namen tragen trägt dazu bei, das man dein Beispiel eben nur als solches ansieht und die Möglichkeit der Verallgemeinerung niemals aus dem Blick verliert.
An manchen Stellen musste ich wirklich schlucken, "Dies löste sich allerdings glücklicherweise durch eine Fehlgeburt im 4.Monat".
Deine Charaktere sind für mich sehr authentisch und du wirfst gleich mehrere Themen der heutigen Gesellschaft auf, was ich sehr gelungen finde.
Der Schluss kam für mich sehr überraschend, was deiner Geschichte noch den letzten Schliff gibt.
Liebe Grüße
Kücken

 

Hallo Terrorberten,

und herzlich Willkommen hier.

Auch mir hat der nüchterne Stil gefallen, er passt zum Inhalt. Wieso und weshalb es so gekommen ist, ist nicht die Frage, es wird einfach als Tatsache beschrieben. Zugegeben, mich hätten Details der Beziehung interessiert, aber das wäre wohl eine andere Geschichte gewesen.

Was ich nicht verstehe - Warum schläft er nachts nicht? Gewissensbisse wird er ja wohl kaum haben.

Einige Fehler hast du noch in der Geschichte, vielleicht magst du sie ausbessern:

„ Die Sonne scheint!“
Ein Leerzeichen nach den Anführungszeichen zuviel, davon gibt´s noch eine zweite Stelle im Text.
Er wußte auch, das sie an allem Schuld war, und das es für sie beide keine gemeinsame Zukunft geben würde.
dass
„ja natürlich“
Ja
Im Unterricht war er heut genauso geistesabwesend wie zu Hause bei seiner Frau.
heute
Heute Nachmittag bräuchte er sich nicht damit zu quälen, den Unterricht für den nächsten Tag vorzubereiten.
Wieso rutscht du hier in die Gegenwart?

Liebe Grüße
Juschi

 

Danke Euch beiden für Kritik und Anregungen...hab's so gut ich konnte ausgebessert....
Grüße

 

Hallo Terrorberten,

herzlich Willkommen auf Kurzgeschichten.de!

Auch, wenn ich jetzt nur wiederholen kann, was die anderen Kritiker bereits gesagt haben: Deine Geschichte hat mir gefallen, der nüchterne Stil hat gut gepasst. Lediglich am Ende hat sich beim mir, gerade durch diesen nüchternen Stil, das Gefühl eingestellt, als würdest du deinen Protagonisten selbst nicht ganz ernst nehmen.
Wie auch Juschi hätte ich mir zudem noch ein paar Details mehr gewünscht. Irgendwann muss ihn ja irgendwann dazu bewogen haben, diese Frau zu heiraten und irgendeinen Grund muss es auch geben, dass sie ihm plötzlich so gleichgültig ist. Zumindest mich hätte das mehr interessiert, als eine bloße Reduzierung auf Tatsachen.

LG
Bella

 

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